Titel:
Keine Erstattung von angefallenen Aufwendungen anlässlich der Wahrnehmung der amtsärztlichen Untersuchung einer Beamtin im Ruhestand
Normenketten:
BayRKG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 33 Abs. 5
BeamtStG § 29 Abs. 5 S. 1, § 34 Abs. 1 S. 1 Hs. 2, § 35 S. 2
Leitsätze:
1. Weder das Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) – idF der Bek. vom 17.7.2008 (BGBl 2008 I 1010) noch das Bayerische Gesetz über die Reisekostenvergütung der Beamten und Richter (Bayerisches Reisekostengesetz – BayRKG) vom 24.4.2001 (GVBl S. 133) sieht einen Ersatz der anlässlich der Wahrnehmung der ärztlichen Untersuchung angefallenen Aufwendungen des Ruhestandsbeamten vor. (Rn. 13 – 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ruhestandsbeamte fallen nicht unter den abschließenden persönlichen Anwendungsbereich des BayRKK, da als Ruhestandsbeamter ersichtlich kein Dienstgeschäft vorgenommen werden kann, denn eine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand erfolgt gerade wegen der Unfähigkeit, weiter den Dienst auszuüben, so dass denknotwendig der Dienstausübung nicht mehr nachgekommen und gerade kein konkretes funktionelles Amt mehr bekleidet wird. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Reisekostenerstattungsanspruch ergibt sich auch nicht aus einer analogen Anwendung der Vorschriften des Bayerischen Reisekostengesetzes, da die Pflicht zur Wahrnehmung der Untersuchung keine übertragene Aufgabe vergleichbar einem Dienstgeschäft ist, sondern Ausdruck der Pflicht des Beamten, seine volle Arbeitskraft uneingeschränkt dem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen. Die Situation ist auch nicht mit der für die Einstellung in das Beamtenverhältnis erforderlichen amtsärztlichen Untersuchung eines noch nicht verbeamteten Bewerbers vergleichbar. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Erstattungsanspruch aus Fürsorgepflicht des Dienstherrn ist ebenfalls nicht ergeben, da sich allein aus der Fürsorgepflicht ohne einfachgesetzliche Konkretisierung grundsätzlich keine Leistungsansprüche ergeben können. (Rn. 27 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
5. Auch aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung in Verbindung mit dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung ergibt sich kein Reisekostenerstattungsanspruch der im Ruhestand befindlichen Beamten, da die Erstattung nicht der gängigen Praxis der Verwaltung entspricht und sich damit auch nicht daraus ableiten lassen kann. Darüber hinaus erfolgte insoweit auch ausdrücklich ein Hinweis an den Beamten betreffend der Nichterstattungsfähigkeit. (Rn. 30 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzte Beamtin, Anordnung einer ärztlichen Untersuchung, Fahrtkostenerstattung, keine analoge Anwendung der Vorschriften des Reisekostengesetzes auf Ruhestandsbeamte, Fürsorgepflicht, Selbstbindung der Verwaltung, Dienstunfähigkeit, vorzeitiger Ruhestand, analoge Anwendung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 25.08.2023 – M 17 K 21.6570
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 11.02.2025 – 5 B 3.25
Fundstelle:
BeckRS 2024, 39930
Tenor
I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 25. August 2023 – M 17 K 21.6570 – wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Schuldnerin darf eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern die jeweilige Gläubigerin nicht zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die 1967 geborene Klägerin ist Ruhestandsbeamtin im Dienste der beklagten ...stadt M. und begehrt die Erstattung von Kosten, die in Zusammenhang mit der Anreise zu einer von der Beklagten angeordneten amtsärztlichen Untersuchung angefallen sind.
2
Die Klägerin, Studienrätin im Realschuldienst a.D., wurde zum 1. Januar 2020 vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Mit Schreiben vom 30. März 2021 ordnete die Beklagte eine amtsärztliche Nachuntersuchung zur Frage der möglichen Wiederherstellung ihrer Dienstfähigkeit („Reaktivierung“) an. Nach Durchführung der Untersuchung am 26. Mai 2021 beantragte die Klägerin die Erstattung von Fahrtkosten in Höhe von 18,00 EUR anlässlich der Anreise zur Untersuchung mit dem privaten Pkw (60 km à 0,30 EUR).
3
Mit Schreiben vom 27. Mai 2021 lehnte die Beklagte die Erstattung ab, da die Übernahme von Fahrtkosten zu amtsärztlichen Untersuchungen weder im bayerischen Beamtenrecht noch im Beamtenstatusgesetz vorgesehen sei. Den daraufhin erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2021 zurück.
4
Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Mit Urteil vom 25. August 2023 hat das Verwaltungsgericht München der Klage stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin für die Fahrt zur amtsärztlichen Untersuchung die beantragte Wegstreckenentschädigung i.H.v. 18,00 EUR nach dem Bayerischen Reisekostengesetz zu gewähren, da der Klägerin ein Dienstgeschäft übertragen worden sei.
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Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung und macht im Wesentlichen geltend, die Vorschriften des Bayerischen Reisekostengesetzes seien auf die Klägerin als Ruhestandsbeamtin nicht anwendbar; auch sonst bestünde keine Anspruchsgrundlage für die begehrte Fahrtkostenerstattung.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 25. August 2023 – M 17 K 21.6570 – aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung, die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung ist begründet. Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat mit seinem Urteil vom 25. August 2023 den Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2021 zu Unrecht aufgehoben und die Beklagte dazu verpflichtet, der Klägerin die beantragten Fahrtkosten zu erstatten. Die angefochtene Ablehnung der Fahrtkostenerstattung ist rechtmäßig und verletzt daher die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Folglich war das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat weder aus einfachem Recht (1.) noch unmittelbar aus der Fürsorgepflicht des Art. 33 Abs. 5 GG (2.) oder aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung einen Erstattungsanspruch (3.).
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1. Eine Anspruchsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Erstattung von Fahrtkosten, die anlässlich der Wahrnehmung einer amtsärztlichen Untersuchung zum Zwecke der Überprüfung der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit angefallen sind, enthält weder das Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) – i.d.F. der Bek. vom 17. Juni 2008 (BGBl I S. 1010) (a) noch das Bayerische Gesetz über die Reisekostenvergütung der Beamten und Richter (Bayerisches Reisekostengesetz – BayRKG) vom 24. April 2001 (GVBl S. 133) (b).
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a) Gemäß § 29 Abs. 5 Satz 1 BeamtStG sind Beamte, die wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden sind, verpflichtet, sich nach Weisung der zuständigen Behörde hinsichtlich ihrer Dienstfähigkeit ärztlich untersuchen zu lassen. Diese Weisung ist eine Anordnung im Sinn des § 35 Satz 2 BeamtStG, die nach § 29 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 BeamtStG trotz der Ruhestandsversetzung befolgt werden muss (vgl. Reich, BeamtStG, 3. Aufl. 2018, § 29 Rn. 16). Denn auch ein vorzeitig in den Ruhestand versetzter Beamter unterliegt weiterhin der originären statusrechtlichen Pflicht, seine volle Arbeitskraft mit vollem Einsatz dem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen, § 34 Abs. 1 Satz 1 und § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG. Folglich soll der in den vorzeitigen Ruhestand versetzte, aber wieder dienstfähige Beamte nicht in den Genuss sachlich nicht berechtigter Versorgungsbezüge kommen (BVerwG, U.v. 25.6.2009 – 2 C 68.08 – juris Rn. 9; BVerwG, U.v. 26.3.2009 – 2 C 73.08 – juris Rn. 20; BT-Drs. 16/7076 S. 2, 94, 112). Die Erstattung von anlässlich der Wahrnehmung der ärztlichen Untersuchung angefallenen Aufwendungen des Beamten sieht die Vorschrift nicht vor.
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Der Verweis der Klägerin auf das Bundesbeamtengesetz ist unbehelflich. Denn ausweislich § 1 des Bundesbeamtengesetzes – BBG – i.d.F. d. Bek. vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Oktober 2016 (BGBl I S. 2362), findet dieses nur auf Beamte des Bundes Anwendung, was die Klägerin unstreitig nicht ist. Eine analoge Heranziehung der bundesrechtlichen Regelungen über Kompetenzräume hinweg kommt von vornherein nicht in Betracht.
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b) Ein Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten ergibt sich auch nicht aus dem Bayerischen Reisekostengesetz, da die Klägerin nicht dessen Anwendungsbereich unterfällt (aa). Eine analoge Anwendung der Vorschriften kommt nicht in Betracht (bb).
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aa) Ausweislich Art. 1 Abs. 1 BayRKG regelt das Gesetz die Erstattung von Auslagen für Dienstreisen und Dienstgänge der Beamten des Freistaates Bayern und der Gemeinden. Gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 BayRKG sind Dienstreisen Reisen, die zur Erledigung von Dienstgeschäften außerhalb des Dienstorts erfolgen und angeordnet oder genehmigt worden sind. Damit knüpft der Begriff des Dienstgeschäfts in Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayRKG an das konkrete Amt im funktionellen Sinne an. Als Dienstgeschäfte sind demnach die dem Beamten in seinem konkreten Amt zur unmittelbaren Erledigung übertragenen Dienstaufgaben anzusehen (vgl. BVerwG, U.v. 12.12.1979 – 6 C 23.78 – juris Rn. 15; zuletzt BVerwG, U.v. 15.4.2021 – 2 C 13.20 – juris Rn. 14). Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayRKG haben Dienstreisende Anspruch auf Reiskostenvergütung zur Abgeltung der dienstlich veranlassten Mehraufwendungen, wobei Art und Umfang ausschließlich durch das Bayerische Reisekostengesetz bestimmt werden, Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayRKG. Bei der von der Klägerin begehrten Erstattung der Kosten der Fahrt mit dem privaten Pkw vom Wohnort zur amtsärztlichen Untersuchung und zurück handelt es sich dem Grunde nach um eine Wegstreckenentschädigung gemäß Art. 6 BayRKG.
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Ein Anspruch der Klägerin scheidet jedoch aus, weil Ruhestandsbeamte in dem abschließenden persönlichen Anwendungsbereich des Art. 1 Abs. 1 BayRKG nicht genannt werden (anders z.B. § 2 Abs. 1 Nr. 2 der Bayerischen Beihilfeverordnung). Die hier inmitten stehenden Fahrtkosten anlässlich einer amtsärztlichen Untersuchung sind auch nicht vom sachlichen Geltungsbereich des Art. 1 Abs. 2 BayRKG erfasst. Überdies kann die Klägerin als Ruhestandsbeamtin ersichtlich kein Dienstgeschäft im oben genannten Sinne vornehmen. Nachdem die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand gerade wegen der Unfähigkeit, weiter den Dienst auszuüben, erfolgte, kann die Klägerin denknotwendig ihrer Dienstausübung nicht mehr nachkommen und gerade kein konkretes funktionelles Amt (mehr) bekleiden. Folglich kann sie keine Dienstgeschäfte mehr verrichten und hat auch keine Dienststätte bzw. keinen Dienstort (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 BayRKG) mehr, an denen sie diese zu erledigen hätte und die sie zur Erledigung eines übertragenen Dienstgeschäfts verlassen müsste. Das Reisekostenrecht sieht demgegenüber grundsätzlich nur eine Erstattung von Kosten vor, die bei Abreise oder Ankunft an der Dienststelle angefallen wären (vgl. Art. 5 Abs. 1 Satz 3 und Art. 6 Abs. 7 BayRKG).
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bb) Ein Erstattungsanspruch ergibt sich auch nicht aus einer analogen Anwendung der Vorschriften des Bayerischen Reisekostengesetzes.
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Die Methode der Analogie geht über die Auslegung im engen Sinne hinaus, indem sie den Anwendungsbereich einer Norm auf einen Fall erstreckt, der von ihrem Wortlaut nicht erfasst wird. Eine solche Form der Rechtsfortbildung darf sich aufgrund der Bindung der Gerichte an Recht und Gesetz nur innerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens des Art. 20 Abs. 3 GG vollziehen (vgl. BVerfG, U.v. 3.4.1990 – 1 BvR 1186/89 – juris Rn. 22). Eine Analogie ist deshalb nur zulässig, wenn die maßgebliche Norm eine planwidrige Regelungslücke aufweist und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand, den der Normgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Normgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Vorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Von einer planwidrigen Regelungslücke ist auszugehen, wenn festzustellen ist, dass die Vorschrift nicht alle Fälle erfasst, die nach dem Sinn und Zweck der Regelung erfasst sein sollten (vgl. BVerwG, B.v. 1.6.2022 – 3 B 29.21 – juris Rn. 16 m.w.N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Weder besteht eine vergleichbare Interessenlage der Regelungsgegenstände (1), noch ist eine planwidrige Regelungslücke erkennbar (2).
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(1) Die Anreise eines wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzten Beamten zur ärztlichen Untersuchung lässt sich nicht mit einer Dienstreise im oben genannten Sinne vergleichen.
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Ausgangspunkt und Zentrum der Regelungen zur Reisekostenvergütung ist der Umstand, dass einerseits der Beamte im jeweiligen Fall die ihm übertragene Aufgabe außerhalb seines Dienstorts zu erfüllen hat, durch diese Art der angeordneten Dienstverrichtung jedoch – aus Fürsorgegründen – nicht unzumutbar belastet werden soll. Die Erstattung von Reisekosten kommt daher grundsätzlich nur in Betracht, wenn der Beamte Aufwendungen hat, die nicht durch seine allgemeine Lebensführung veranlasst sind und die die Kosten der privaten Lebensführung nicht erhöhen (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 16.6.2005 – 2 B 23.05 – juris Rn. 5 m.w.N.).
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Zwar hat vorliegend die Beklagte als Dienstherrin verbindlich angeordnet, dass sich die Klägerin der amtsärztlichen Untersuchung unterzieht. Jedoch wird hierdurch der Klägerin keine Aufgabe zur Erledigung übertragen, die sich mit der Erfüllung dienstlicher Aufgaben und einem konkreten funktionellen Amt vergleichen ließe. Soweit die Klägerin darauf verweist, der Besuch des Amtsarztes sei deshalb eine dienstliche Aufgabe gewesen (bzw. damit vergleichbar), da die Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung für sie eine zu befolgende Weisung darstelle, begründet dies keine Vergleichbarkeit. Denn die Klägerin unterliegt als vorzeitig in den Ruhestand versetzte Beamtin den allgemeinen statusrechtlichen Pflichten, die sich aus ihrer Stellung als Beamtin auf Lebenszeit ergeben. Die Pflicht zur Wahrnehmung der Untersuchung gemäß § 29 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG ist keine übertragene Aufgabe vergleichbar einem Dienstgeschäft, sondern Ausdruck der Pflicht des Beamten, seine volle Arbeitskraft uneingeschränkt dem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen.
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Die Situation der Klägerin, die nicht mehr im aktiven Dienst der Beklagten steht, ist auch nicht mit der Situation eines noch nicht verbeamteten Bewerbers vergleichbar, der aus Anlass seiner Einstellung gemäß Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Art. 14 Abs. 2, Abs. 3 i.V.m. Art. 13 Satz 1, Art. 6 BayRKG Fahrtkostenerstattung vom Wohnort zum Dienstort geltend machen kann. Zwar ist der Bewerber zu diesem Zeitpunkt noch kein Beamter und unterfällt daher „an sich“ ebenso wenig dem persönlichen Geltungsbereich des Bayerischen Reisekostengesetzes wie die Klägerin bis zum Moment ihrer „Reaktivierung“. Jedoch rechtfertigt sich die Erstattungsfähigkeit der Kosten aus Anlass der Einstellung damit, dass die Reise selbst unmittelbar dem Dienstantritt dient (vgl. Nr. 14.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bayerischen Reisekostengesetz – VV-BayRKG – gemäß Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 28.9.2017 (FMBl S. 459)). Die Reise zum Untersuchungsort durch die Klägerin dient jedoch nicht in vergleichbarer Weise einer Reise zum Dienstantritt. Denn mit der Wahrnehmung der angeordneten ärztlichen Untersuchung steht weder fest, ob der betreffende Beamte überhaupt (wieder) dienstfähig ist noch ob er bejahendenfalls wieder reaktiviert würde. Denn die Reaktivierungsentscheidung erfolgt nach Ermessen des Dienstherrn, welches ausschließlich dem öffentlichen Interesse dient. Daher hat auch trotz Vorliegens der Reaktivierungsvoraussetzungen und trotz der in § 29 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG normierten Pflicht, der Reaktivierungsanordnung nachzukommen, der Beamte selbst keinen Anspruch auf tatsächliche erneute Berufung; denn die sachgerechte Ausübung des Ermessens kann der Beamte nicht im Sinne eines subjektiven Rechts einfordern (BVerwG, U.v. 26.10.2000 – 2 C 38.99 – juris Rn. 20; Heid in Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht Bund, Stand 1.10.2023, § 29 BeamtStG Rn. 19). Vor diesem Hintergrund ist die Situation der Klägerin nicht mit der Situation einer Reise aus Anlass einer Einstellung vergleichbar.
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(2) Darüber hinaus spricht die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine abschließende und einheitliche Regelung des gesamten Reisekostenrechts im Bayerischen Reisekostengesetz beabsichtigte und in Art. 1 Abs. 2 BayRKG einzeln genannte Ausnahmetatbestände vorgesehen hat, gegen die Annahme von planwidrigen Regelungslücken.
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Ziel der Neufassung des Bayerischen Reisekostengesetzes war ausweislich der Gesetzesbegründung u.a. eine größtmögliche Verwaltungsvereinfachung zu erreichen und die bisherigen Rechtsverordnungen, die zusätzlich Einzelheiten regelten, aufzuheben bzw. gestrafft unmittelbar in das Gesetz aufzunehmen (vgl. LT-Drs. 14/5949 S. 9). Insbesondere wurde mit Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayRKG ausdrücklich klargestellt, dass Art und Umfang der reisekostenrechtlichen Erstattungsleistungen abschließend im Bayerischen Reisekostenrecht sowie den in Art. 23 und Art. 25 BayRKG in Bezug genommenen Verwaltungsvorschriften geregelt sind (LT-Drs. a.a.O.). Es gibt keine Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber bei der Überarbeitung und Zusammenführung von zuvor jahrzehntelang geltenden Vorschriften (BayRKG i.d.F. vom 28.2.1974, Verordnung über die Reisekostenvergütung in besonderen Fällen vom 20.12.1966, Verordnung über anerkannte Kraftfahrzeuge vom 5.3.1974, Verordnung über Wegstreckenentschädigung für das Zurücklegen von Strecken zu Fuß oder mit einem Fahrrad vom 19.6.1970, Verordnung über die Änderung der Beträge des Tage- und Übernachtungsgeldes vom 2.6.1978) versehentlich eine Regelungsgruppe übersehen haben könnte. Zudem hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich in Art. 1 Abs. 1 BayRKG, der die Erstattung von den Beamten im Zusammenhang mit der Erledigung von Dienstgeschäften angefallenen Kosten regelt, in Art. 1 Abs. 2 BayRKG um im Einzelnen aufgezählte, weitere sachliche Anwendungsbereiche konkret erweitert. Damit hat er deutlich gemacht, dass Reisekosten nicht nur bei Reisen von Beamten zur Verrichtung von Dienstgeschäften erstattet werden können, sondern darüber hinaus in den abschließend genannten Fällen. Die Annahme einer versehentlichen Lücke liegt auch deshalb fern, weil der Gesetzgeber mit dem neuen Bayerischen Reisekostengesetz erstmals klargestellt hat, dass auf Reisekostenvergütung sowie Erstattung nach Art. 1 Abs. 2 BayRKG ganz oder teilweise verzichtet werden kann (vgl. Art. 3 Abs. 6 BayRKG), da es sich nicht um Besoldung handelt (LT-Drs. a.a.O.).
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2. Auch unmittelbar aus der verfassungsrechtlich verankerten Fürsorgepflicht des Dienstherrn aus Art. 33 Abs. 5 GG kann die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten ableiten.
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Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass es sich bei der Aufforderung, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, um eine Weisung handelt, deren Nichtbeachtung mit negativen Konsequenzen verbunden wäre. Gemäß § 47 Abs. 3 BeamtStG, Art. 77 Nr. 2 des Bayerischen Beamtengesetzes i.d.F. d. Bek. vom 29. Juli 2008 (GVBl S. 500) – BayBG – i.V.m. § 29 Abs. 5 BeamtStG stellt es ein Dienstvergehen dar, wenn Ruhestandsbeamte ihrer Verpflichtung, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, nicht nachkommen. Zudem könnte die Weigerung ohne hinreichenden Grund der Weisung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, nachzukommen, ein erhebliches Indiz für die Dienstfähigkeit des Ruhestandsbeamten darstellen (vgl. BVerwG, B.v. 19.6.2000 – 1 DB 13.00 – juris Leitsatz 1; BVerwG, U.v. 18.9.1997 – 2 C 33.96 – juris Leitsatz).
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Doch damit ist weder ersichtlich noch dargelegt, dass der Klägerin deshalb ein Anspruch auf Erstattung ihrer Reisekosten zustehen könnte. Aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn können sich ohne einfachgesetzliche Konkretisierung grundsätzlich keine Leistungsansprüche ergeben. Zwar korrespondiert mit der Fürsorgepflicht ein grundrechtsgleiches Recht des Beamten, aus dem sich aber im Allgemeinen ebenso wenig wie aus Grundrechten finanzielle Leistungs- oder Versorgungsansprüche ergeben (vgl. BayVGH, U.v. 28.9.2023 – 24 B 22.2261 – juris Rn. 22). Anders kann das ausnahmsweise nur dann sein, wenn die Fürsorgepflicht andernfalls in ihrem Wesenskern verletzt wäre. Nach ständiger Rechtsprechung können den Wesenskern der Fürsorgepflicht allenfalls unzumutbare Belastungen des Beamten berühren (BVerwG, U.v. 10.10.2013 – 5 C 32.12 – juris Rn. 25 m.w.N.). Davon kann bei dem hier verfahrensgegenständlichen Betrag von 18,00 EUR auch unter Berücksichtigung des – im Übrigen nicht substantiierten – Vortrags der Klägerin, sie erhalte aufgrund der vorzeitigen Ruhestandsversetzung nur eine geringe Pension, keine Rede sein.
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3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung.
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Grundsätzlich kann sich aus dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) eine Selbstbindung der Verwaltung ergeben. Hat die Verwaltung ihr Ermessen bislang nach einem bestimmten Muster ausgeübt oder ist sie bei der Auslegung einer Norm einer bestimmten Praxis gefolgt, kann sie davon in einem weiteren Einzelfall ohne besondere sachliche Rechtfertigung nicht abweichen. Aus dieser Selbstbindung folgt regelmäßig eine Bindung an eine ausgeübte Verwaltungspraxis, da davon ausgegangen wird, dass sich die Verwaltung an sie hält. Vorliegend bestand jedoch nach Angaben der Beklagten schon keine Praxis dergestalt, dass vorzeitig in Ruhestand versetzten Beamten die anlässlich einer amtsärztlichen Untersuchung entstandenen Reisekosten erstattet worden wären. Nicht nur hatte die Beklagte der Klägerin bereits im Vorfeld mitgeteilt, dass ihr Fahrtkosten nicht erstattet würden, sondern auch die Ablehnung der Erstattung der Fahrtkosten u.a. darauf gestützt, dass sie bereits seit einiger Zeit in solchen Fällen keine Fahrtkosten (mehr) erstatte. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte klargestellt, dass eine Kostenerstattung zumindest bis zum Jahr 2020 in Härtefällen möglich gewesen sei, eine grundsätzliche Erstattung sei aber nicht vorgesehen gewesen. Damit fehlt es an einer einheitlichen Gewährungspraxis, welche eine Selbstbindung begründen könnte.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.