Titel:
Zweckentfremdung von Wohnraum durch Leerstand – Bestimmtheit von Verwaltungsakten bei offensichtlichem Schreibfehler und den Anforderungen an alsbaldige Veräußerung, zügige Modernisierung sowie Zwangsgeldandrohung
Normenketten:
ZwEWG Art. 1 S. 2 Nr. 4, Art. 3 Abs. 2
ZeS § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 2, § 13 Abs. 1, Abs. 2
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
BGB § 133, § 157
VwZVG Art. 19 , Art. 29 ff.
Leitsätze:
1. Ein Verwaltungsakt genügt den Anforderungen an hinreichender Bestimmtheit entsprechend der zu §§ 133, 157 BGB entwickelten Maßstäben auch bei offensichtlichen Schreib- oder Übertragungsfehlern, sofern der Regelungsinhalt für einen objektiven Empfänger unter Würdigung der Gesamtumstände eindeutig erkennbar bleibt. (Rn. 21) (red. LS Mendim Ukaj)
2. Die unbestimmten Rechtsbegriffe "alsbald", "vorübergehend" und "nachweislich" sind im Lichte des Gesetzeszwecks – dem Schutz der Wohnraumversorgung – eng auszulegen und nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu konkretisieren. (Rn. 31) (red. LS Mendim Ukaj)
3. Der Ausnahmetatbestand des § 4 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 4 ZeS ("alsbaldige Veräußerung") erfordert einen substantiierten Nachweis konkreter und ernsthafter Verkaufsbemühungen, die erkennen lassen, dass der Wohnraum zeitnah einem Verkauf zugeführt werden soll. (Rn. 30 – 37) (red. LS Mendim Ukaj)
4. Bei vorübergehendem Leerstand des Wohnraums gem. § 4 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1–3 ZeS entfällt eine Zweckentfremdung nur dann, wenn die beabsichtigte Modernisierung, Instandsetzung oder der Umbau durch konkrete und zeitlich nachvollziehbare Maßnahmen belegt ist. Eine zügige Umsetzung muss erkennbar geplant oder bereits eingeleitet sein. (Rn. 38) (red. LS Mendim Ukaj)
Schlagworte:
Zweckentfremdung von Wohnraum, Bestimmtheit, Offensichtlicher Schreibfehler, Leerstand, Alsbaldige Veräußerung (verneint), Zügige Modernisierungs- / Umbaumaßnahmen (verneint), Zwangsgeld, Bestimmtheit von Verwaltungsakten, offensichtlicher Schreibfehler, alsbaldige Veräußerung, Modernisierungs-/ Umbaumaßnahmen, Nachweispflichten bei Veräußerung- und Modernisierungsabsicht, Wiederbelegungsanordnung, Wohnraumschutz im angespannten Wohnungsmarkt, Ausnahme vom Zweckentfremdungsverbot, Androhung und Festsetzung von Zwangsgeld
Fundstelle:
BeckRS 2024, 39908
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich mit der Anfechtungsklage gegen Wiederbelegungsanordnungen für 13 Wohnungen und gegen die Androhung von Zwangsgeldern zur Durchsetzung dieser Anordnungen.
2
Die Klägerin ist Eigentümerin des Anwesens L...A … 55 (13 Wohneinheiten) / Le … 20 (18 Wohneinheiten), FlNr. 531/31, Gemarkung N …, welches mit einem Wohn- und Geschäftsgebäude bebaut ist.
3
Erstmalig mit Schreiben vom … Dezember 2014 wandte sich die Beklagte wegen einer möglichen Zweckentfremdung von Wohnraum an die Klägerin. Es folgten über Jahre hinweg diverse Schriftwechsel und behördliche (Zwangs-)Maßnahmen, insbesondere in Bezug auf Auskunftspflichten, Leerstände sowie Bau- und Sanierungsmaßnahmen.
4
Mit Schreiben vom … Dezember 2020 teilte der Bevollmächtigte der Klägerin mit, dass der Verkauf des Anwesens geplant sei. Zum Nachweis wurde mit E-Mail vom … März 2021 ein Vertriebsauftrag (vom *. Februar 2021 – S.-Immobilien-Vermittlungs GmbH) sowie ein „Qualifizierter Verkaufsauftrag“ (vom … Dezember 2020 … … … … GmbH) vorgelegt.
5
Mit Bescheid vom ... Juni 2021 wurde eine Wiederbelegungsanordnung vom … Mai 2021 (u.a. für die Wohnung „L … A … 55, 2. OG rechts) aufgrund der am ... März 2021 vorgelegten, aber nicht berücksichtigten Nachweise aufgehoben.
6
Mit Schreiben vom … Juli 2021, … Oktober 2021... November 2021 und … Februar 2022 wurde die Klägerin um Sachstandsmitteilung bzw. Vorlage weiterer Nachweise gebeten. Am ... Dezember 2021 teilte die Klägerin mit, dass für die Liegenschaft ein Angebot vorliege. Ferner wurde am … Februar 2022 ein weiterer Alleinvertriebsauftrag (vom ... … Dezember 2021 … Invest GmbH) vorgelegt.
7
Am … September 2022 wurde die Klägerin in Bezug auf Leerstände im streitgegenständlichen Anwesen angehört. Mit Schreiben vom … Oktober 2022 wurden diese mit Bau- bzw. Sanierungsmaßnahmen begründet.
8
Am … Februar 2023 führte die Beklagte einen Ortstermin durch. Daraufhin erfolgte am ... März 2023 eine Anhörung bezüglich des festgestellten Leerstands der Wohnungen L … A … 55: 1. OG links, 2. OG links, 6. OG links und 6. OG rechts und Le … 20: 1. OG links und rechts, 3. OG Mitte, 4. OG links, 5. OG links, 5. OG Mitte, 6. OG gesamt (links, Mitte und rechts), da die Beklagte beabsichtigte, die unverzügliche Rückführung des Wohnraums zu verlangen.
9
Daraufhin erklärte der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom … März 2023, dass das Anwesen modernisiert bzw. instandgesetzt werden solle, ein alsbaldiger Verkauf geplant sei und der Vertriebsauftrag mit der „…-Invest GmbH“ weiterhin liefe. Zum Nachweis der Verkaufsabsicht wurden mehrere Geheimhaltungsvereinbarungen (vom … Oktober 2020 – G … Immobilien, vom … Oktober 2020 – M … R … Invest GmbH, vom … September 2022 – S … … GmbH, vom … März 2023 – I … Projektpartner GmbH, vom … März 2023 – A … Immobilien GmbH und vom … März 2023 – M … GmbH) sowie Vertraulichkeitsvereinbarungen/Provisionsregelungen (vom … März 2023 – M …L/H … Immobilien GmbH und vom … März 2023 – Betriebsberatung und Immobilienvermittlung R … L …) vorgelegt. Überdies wurde mitgeteilt, dass das Objekt auch der Beklagten (Kommunalreferat) zum Kauf angeboten worden sei. Ferner wurde eine Belegungsliste (Stand ... März 2023) übermittelt.
10
Auf Verlangen nach weiteren Nachweisen für die Verkaufsbemühungen (Schreiben vom ... Mai 2023) wurde mit Mail vom … Mai 2023 mitgeteilt, dass das Vermarktungs-Exposé nach Mitteilung der beauftragten Makler seit März 2023 bereits 15 mal weitergegeben worden sei. Ferner wurden weitere Geheimhaltungsvereinbarungen (vom … März 2023 – La … Vermögensanlagen, vom … April 2023 – zwischen der R … Capital Investment GmbH und der MA … & D B... GmbH, vom … April 2023 – zwischen der R … Capital Investment GmbH und der Immobilien H … GmbH, vom … April 2023 – zwischen der R … Capital Investment GmbH und H … Immobilien und vom … Mai 2023 – zwischen der R … Capital Investment GmbH und der M … … … GmbH) und Vertraulichkeitsvereinbarungen/Provisionsregelungen (vom … Mai 2023 – I … Immobilien & Hausverwaltung und vom … Mai 2023 – … Immobilien Management) sowie eine „interne Aktennotiz“ vom … Mai 2023 vorgelegt, wonach die bereits im Jahr 2021 begonnenen Verkaufsbemühungen fortgesetzt würden.
11
Mit Bescheid vom … Juli 2023 (S-III-W/BS …) wurde der Klägerin aufgegeben, den „im Betreff genannten Wohnraum“ (im Betreff: „L … A … 55: 1. OG links, 2. OG links, 6. OG links und 6. OG rechts, Le … 20: 1. OG links und rechts, 3. OG Mitte, 4. OG links, 5. OG links, 5. OG Mitte, 6. OG gesamt (links, Mitte und rechts“)) L … A … 55, 1. OG links, L … A … 22, 2. OG rechts, L … A … 55, DG links, L … A … 55, DG rechts, Le … 20, 1. OG links, Le … 20, 1. OG rechts, Le … 20, 3. OG Mitte, Le … 20, 4. OG links, Le … 20, 5. OG links, Le … 20, 5. OG Mitte, Le … 20, 6. OG links, Le … 20, 6. OG Mitte, Le … 20, 6. OG rechts unverzüglich wieder Wohnzwecken zuzuführen (Ziffer 1). Für den Fall, dass dieser Anordnung nicht innerhalb von sechs Monaten ab Zustellung des Bescheids Folge geleistet werde, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 5000 EUR je Wohnung angedroht (Ziffer 2). Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die bescheidsgegenständlichen Wohnflächen baurechtlich als Wohnraum genehmigt seien (Baugenehmigungen vom … November 1957 und vom … Februar 1959). Die Wohnungen würden dem Zweckentfremdungsrecht unterliegen. Gründe, die einen Leerstand rechtfertigen könnten, seien nicht belegt und nicht ersichtlich. Zügige Umbau- und Sanierungsmaßnahmen lägen nicht vor. Verkaufsabsichten seien ebenfalls nicht glaubhaft dargelegt. Ein Verkauf des Gesamtanwesens sei in einem Zeitraum von fast 2,5 Jahren realisierbar gewesen. Das öffentliche Interesse am Erhalt des Wohnraums zu Wohnzwecken sei erheblich, ein weiterer Leerstand sei nicht mehr vertretbar. Zur Durchsetzung der Ziffer 1 der Anordnung sei die Androhung von Zwangsgeldern geboten. Die Frist zur Erfüllung sei den Umständen des Einzelfalles nach angemessen. Auf den Bescheid und seine Begründung im Übrigen wird verwiesen.
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Am … Juli 2023 wurde der Bescheid dem Bevollmächtigten der Klägerin zugestellt.
13
Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2023, bei Gericht eingegangen am darauffolgenden Tag, erhob die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Ziel, den Bescheid der Beklagten vom … Juli 2023 aufzuheben. Zudem stellte die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 9. Februar 2024 einen Antrag im einstweiligen Rechtsschutz auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage. Durch Beschluss vom 4. März 2024 lehnte die Kammer den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (Az. M 8 S 24.648) ab. Die von der Klägerin durch ihren Bevollmächtigten eingelegte Beschwerde wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof durch Beschluss vom 16. April 2024 (Az. 12 CS 24.610) zurückgewiesen.
14
Die Klägerin beantragt zuletzt,
Der Bescheid der Beklagten vom …07.2023, Az.: … …, zugestellt am …07.2023, wird aufgehoben.
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Zur Begründung führte die Klägerin im Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz aus, dass der bescheidsgegenständliche Wohnraum nachgewiesenermaßen alsbald veräußert werden solle, sodass keine Zweckentfremdung vorliege. Mit den vorgelegten Vereinbarungen mit entsprechenden Immobilienmaklern und einer Aktennotiz der Vertreterin der Klägerin habe die Klägerin nach außen erkennbar ihr ernsthaftes Bemühen dargetan, den streitgegenständlichen Wohnraum alsbald veräußern zu wollen. Auch das Angebot an das Kommunalreferat mache den Veräußerungswillen deutlich. Überdies sei die im streitgegenständlichen Bescheid benannte Wohneinheit „L … A … 55, 2. OG rechts“ (Ziff. 1 sowie Gründe I., wohl fälschlicherweise im Bescheid „L … A … 22“), wie im Übrigen die Beklagte selbst auf Seite 8 des Bescheids ausführe, vermietet, so dass eine Zweckentfremdung ausscheide. Im Verfahren in der Hauptsache äußerte sich die Klägerin inhaltlich nicht weiter.
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Die Beklagte beantragt
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Der unstreitige Leerstand stelle eine Zweckentfremdung dar. Weder bei Bescheidserlass noch im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens seien die für einen möglichen Ausschluss der Zweckentfremdung erforderlichen Nachweise vorgelegt worden. Unabhängig davon, dass bei einzelnen Wohneinheiten seit Erwerb der Liegenschaft durch die Klägerin bereits ein Leerstand vorliege und dieser zuvor mit einer nie durchgeführten Sanierung begründet worden sei, seien auch die nunmehr vorgetragenen Verkaufsbemühungen nicht nachgewiesen. Die Klägerin verweise lediglich auf einen Makleralleinvertriebsauftrag aus dem Jahr 2021 und eine Reihe von Geheimhaltungsvereinbarungen mit verschiedenen Maklern aus dem Jahr 2023. Aus letzteren ergebe sich jedoch schon keinerlei Verpflichtung der Makler, tätig zu werden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte, auch im Verfahren M 8 S 24.648 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
20
1. Der Bescheid vom … Juli 2023 ist rechtmäßig. Er genügt auch hinsichtlich der Wohnung „L … A … 55, 2.OG links“ (gerade noch) den Anforderungen an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten, Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG (2.). Die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen sind jedenfalls nicht ausreichend, um i.S. von § 4 Abs. 2 Nr. 2 ZeS nachzuweisen, dass der inmitten stehende Wohnraum zügig modernisiert oder alsbald veräußert werden soll und deshalb vorübergehend leer steht und mithin keine Zweckentfremdung vorliegt (3.). Auch die Zwangsgeldandrohungen sind nicht zu beanstanden (4.).
21
2. Gemäß Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Inhaltlich hinreichende Bestimmtheit setzt voraus, dass insbesondere für den Adressaten des Verwaltungsakts die von der Behörde getroffene Regelung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass er sein Verhalten danach richten kann. Es reicht aus, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umstände unzweifelhaft erkennen lässt. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (BVerwG, U.v. 3.12.2003 – 6 C 20/02 – NVwZ 2004, 878 m.w.N.). Die Frage, was „hinreichend“ bestimmt ist, ist nicht zuletzt aus der Perspektive eines objektiven, verständigen Adressaten zu beurteilen (Schröder in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Band VwVfG, Werkstand 4. EL November 2023, § 37 Rn. 23). Ob der Verwaltungsakt die Kriterien des Art. 35 BayVwVfG erfüllt, ist entsprechend den zu §§ 133, 157 BGB entwickelten Maßstäben nach dem objektiven Erklärungswert zu beurteilen. Maßgebend ist, wie der Empfänger die Erklärung unter Berücksichtigung der ihm erkennbaren Umstände bei objektiver Würdigung verstehen muss; Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung (vgl. BVerwG, U.v. 5.11.2009 – 4 C 3/09 – NVwZ 2010, 133).
22
Dieses berücksichtigend ist der streitgegenständliche Bescheid auch hinsichtlich der Wohneinheit „L … A … 55, 2.OG links“ hinreichend bestimmt i.S.d. des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Bei Würdigung der Anordnung aus Sicht eines objektiven, verständigen Adressaten wird insbesondere unter Berücksichtigung des streitgegenständlichen Sachverhalts hinreichend deutlich, dass die Wohneinheit „L … A … 55, 2.OG links“ und nicht „L … A … 22 bzw. 55, 2.OG rechts“ Gegenstand der Verfügung ist.
23
Zwar wird die streitgegenständliche Wohnung „L … A … 55, 2.OG links“ sowohl im verfügenden Teil, als auch in der Begründung des Bescheids mehrfach als „L … A … 22, 2.OG rechts“ (vgl. etwa S. 2, 3 und 11 des Bescheids) und (einmal) als „L … A … 55, 2. OG rechts“ (vgl. S. 3 des Bescheids) bezeichnet. Hierbei handelt es sich bei gebotener Auslegung jedoch um unschädliche Schreib- bzw. Übertragungsfehler (wohl vom Bescheid vom 25. Mai 2021). In Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids wird der Klägerin aufgegeben, den „im Betreff genannten Wohnraum“ (…) „unverzüglich wieder Wohnzwecken zuzuführen“. Im Betreff des Bescheids wird die Wohnung als „L … A … 55, 2. OG links“ bezeichnet. Der den Betreff wiederholende Teil der Ziffer 1, in dem alle 13 streitgegenständlichen Wohnungen nochmals aufgezählt werden, ist hinsichtlich dieser Wohneinheit offensichtlich fehlerhaft. Die dort verwendete Adresse „L … A … 22“ steht und stand nie inmitten.
24
Aus der (sehr umfänglichen) Begründung des Bescheids, die das gesamte Verwaltungsverfahren in Bezug auf die Liegenschaft ab dem Jahr 2014 referiert, lässt sich zudem unzweifelhaft herauslesen, dass zum Verfügungszeitpunkt die Wohnung „L … A … 55, 2.OG links“ unstreitig leer stand (die Klägerin hatte die Wohnung in der von ihr übermittelten „Belegungsliste“ vom ... März 2023 als leer-stehend ausgewiesen) und Gegenstand des Verfahrens war (vgl. etwa S. 9 und 10 des Bescheids), während die Wohnung „L … A … 55, 2.OG rechts“ dagegen unstreitig belegt war. Diese Wohnung war bereits ab dem Jahr 2021 nicht mehr Gegenstand des zweckentfremdungsrechtlichen Verfahrens (vgl. S. 8 des Bescheids). Folgerichtig wurde die Klägerin am 1. März 2023 ausschließlich zum Leerstand der Wohnung „L … A … 55, 2.OG links“ angehört, während die Wohneinheit „L … A … 55, 2. OG rechts“ keine Rolle mehr spielte.
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Dass die Klägerin die Anordnung selbst so aufgefasst hat, dass die Wohneinheit „L … A … 55, 2. OG links“ und nicht „L … A … 22 bzw. 55, 2.OG rechts“ gemeint ist, zeigt sich ferner sowohl an der Klageschrift vom … Juli 2023 (M 8 K 23.3754, dort S. 2) als auch dem Schriftsatz vom … Februar 2024. Die Klägerin führt dort aus, dass ihr mit dem angegriffenen Bescheid „die Zuführung der streitgegenständlichen Wohnflächen L … A … 55: (…), 2. OG links, (…) zu Wohnnutzung unter Bezugnahme auf den Tatbestand der Zweckentfremdung aufgegeben worden sei“. Die in der Antragsbegründung im Eilverfahren M 8 S 24.648 erfolgten weiteren Ausführungen zur „L … A … 22 / 55, 2. OG rechts“ sind in diesem Zusammenhang als klarstellende Hilfsausführungen zu werten.
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3. Rechtsgrundlage für die Wiederbelegungsanordnung (Ziff. 1 des streitgegenständlichen Bescheids) ist Art. 3 Abs. 2 ZwEWG, § 13 Abs. 1 und 2 ZeS. Danach kann eine Gemeinde anordnen, dass eine nicht genehmigungsfähige Zweckentfremdung beendet und der Wohnraum wieder Wohnzwecken zugeführt wird. Dem Verfügungsberechtigten und dem Nutzer kann hierbei aufgegeben werden, die Zweckentfremdung in angemessener Frist zu beenden und den Wohnraum wieder Wohnzwecken zuzuführen, § 13 Abs. 2 ZeS.
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3.1. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 ZeS wird Wohnraum zweckentfremdet, wenn er durch den Verfügungsberechtigten und/oder den Mieter anderen als Wohnzwecken zugeführt wird. Eine Zweckentfremdung liegt insbesondere dann vor, wenn der Wohnraum länger als drei Monate leer steht, Art. 1 Satz 2 Nr. 4 ZwEWG, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 ZeS.
28
Die Klägerin hat die streitgegenständlichen Wohnungen zu dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der zweckentfremdungsrechtlichen Grundverfügung nach § 13 Abs. 2 ZeS maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses (vgl. hierzu: BayVGH, B.v. 20.11.2023 – 12 ZB 22.80 – juris Rn. 21; B.v. 28.10.2021 – 12 BV 20.1146 – juris Rn. 51, 55) i.S. von Art. 1 Satz 2 Nr. 4 ZwEWG bzw. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 ZeS zweckentfremdet.
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Die 13 streitgegenständlichen Wohnungen – L … A … 55: 1. OG links, 2. OG links, 6. OG links und 6. OG rechts, Le … 20: 1. OG links und rechts, 3. OG Mitte, 4. OG links, 5. OG links, 5. OG Mitte, 6. OG gesamt (links, Mitte und rechts) – standen bei Bescheidserlass und stehen gegenwärtig unstreitig länger als drei Monate leer.
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3.2. Einen Ausnahmetatbestand nach § 4 Abs. 2 ZeS, insbesondere nach § 4 Abs. 2 Nr. 2, Alt. 4 ZeS, wonach eine Zweckentfremdung nicht vorliegt, wenn Wohnraum nachweislich alsbald veräußert werden soll und deshalb vorübergehend leer steht, konnte die Klägerin jedenfalls nicht ausreichend nachweisen.
31
Weder das ZwEWG, das diesen Ausnahmetatbestand nicht vorsieht, noch die ZeS definieren die hier verwendeten Termini „alsbald veräußert werden soll“ und „vorübergehend“ näher, ebenfalls nicht den Begriff „nachweislich“. Daher ist zur Ausfüllung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen, in welchem Zeitraum eine Veräußerung im Hinblick auf das öffentliche Interesse an einer zügigen Erfüllung der Zweckrichtung des Gesetzes, nämlich einer Gefährdung der Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum entgegen zu wirken (vgl. BayVGH, B.v. 26.11.2015 – 12 CS 15.2257 – BeckRS 2015, 55606 Rn. 20), zu erwarten ist und welche Nachweise hierfür erforderlich sind.
32
Ferner ist bei der Auslegung zu beachten, dass aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG (grundsätzlich) kein Recht folgt, Wohnungen, welche dem Zweckentfremdungsrecht unterliegen, (an einen Selbstnutzer) in unbewohnten Zustand veräußern zu können (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 2.3.2023 – OVG 5 S 37/22 – BeckRS 2023, 3822 Rn. 14 – das dort geltende Zweckentfremdungsrecht kennt diesen Ausnahmetatbestand nicht). Auch vermieteter Wohnraum kann veräußert werden (VG Berlin, B.v. 20.7.2021 – 6 L 211/21 – BeckRS 2021, 20806 Rn. 32). Dem gewichtigen öffentlichen Interesse an der Erhaltung von Wohnraum steht hier lediglich das weniger schützenswerte Interesse des Verfügungsberechtigten an einer günstigeren Verwertung des Eigentums gegenüber. Die Vorschrift wird daher insgesamt restriktiv zu handhaben sein.
33
Vor diesem Hintergrund werden – auch bei Berücksichtigung der von der Klägerin angeführten „schwierigen Lage auf dem Immobilienmarkt“ – an die Nachweise der Veräußerungsabsicht im vorliegenden Fall strenge Anforderungen zu stellen sein, zumal seit dem erstmaligen Erklären der Veräußerungsabsicht mit Schreiben vom … Dezember 2020 bis zum Bescheidserlass am … Juli 2023 ein Zeitraum von 2,5 Jahren bzw. bis zum Entscheidungszeitpunkt der Kammer von etwas weniger als 4 Jahren vergangen ist, ohne dass die Vermarktung realisiert wurde.
34
Es kann dahinstehen, ob der in § 4 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 4 ZeS verwandte Begriff „alsbald“ in diesem Kontext „ohne schuldhaftes Zögern“ bedeuten soll. Jedenfalls ist der Beklagten darin zuzustimmen, dass die bisher vorgelegten Unterlagen nicht ausreichend sind, um nachzuweisen, dass der Wohnraum „alsbald“ i.S.d. § 4 Abs. 2 Nr. 2, Alt. 4 ZeS veräußert werden soll(te).
35
Die diversen „Geheimhaltungsvereinbarungen“ sind hierzu von vornherein nicht geeignet, da ihnen keine konkrete Verpflichtung der beauftragten Makler bzw. Vermittler zum Tätigwerden entnommen werden kann, geschweige denn eine hinreichend konkrete, nachprüfbare Übersicht über die erfolgten Verkaufsbemühungen. Gleiches gilt für die interne Aktennotiz.
36
Auch die vorgelegten „Vertriebsaufträge“ waren bei Bescheidserlass nicht (mehr) bzw. sind nicht (mehr) geeignet, zu belegen, dass keine Zweckentfremdung vorliegt. Die Absicht des Verfügungsberechtigten, den Wohnraum „alsbald“ zu veräußern, kann einen Leerstand nach § 4 Abs. 2 Nr. 2, 4. Alt. ZeS nur „vorübergehend“ rechtfertigen. Sofern sich die Veräußerungsabsicht nicht innerhalb eines den Umständen des Einzelfalles angemessenen Zeitraums in einem Verkauf realisiert, liegt kein „vorübergehender“ Leerstand mehr vor, sodass eine Zweckentfremdung gegeben ist. Da – wie bereits ausgeführt – auch vermieteter Wohnraum veräußert werden kann, liegt hierin keine unangemessene Benachteiligung des Verfügungsberechtigten. Anderenfalls hätte es der Eigentümer in der Hand, Wohnungen auf beliebige Dauer nur mit dem Hinweis auf die „Veräußerungsabsicht“ dem Wohnungsmarkt zu entziehen, um zur Gewinnmaximierung eine „günstige Marktlage“ abzuwarten und dann leerstehenden Wohnraum zu verkaufen. Gegenwärtig stehen 13 von 31 Wohnungen der Liegenschaft leer, d.h. ca. 40% des Gesamtanwesens. Mit jeder weiteren unbelegten Wohnung steigt der Verkaufswert. Der Eindruck, dass die Klägerin die Wohnungen bewusst leer stehen lässt, um am Markt einen höheren Preis zu erzielen, drängt sich hier geradezu auf.
37
Eingedenk der Umstände des Einzelfalls, insbesondere der langen Verfahrensdauer hätte die Klägerin andere konkrete Unterlagen bzw. Belege vorlegen müssen, die die Gründe für die nicht erfolgte Vermarktung (zu einem marktüblichen Preis) nachvollziehbar, stichhaltig und überprüfbar belegen oder aber den Nachweis über konkrete Vertragsverhandlungen, eines Notartermins für die Beurkundung oder eine entsprechende Bestätigung des zuständigen Notars (vgl. zu letzterem BayVGH, B.v. 8.10.2018 – 12 CS 18.2037 – n.v.).
38
3.3. Auch ein Ausnahmetatbestand nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 bis 3 ZeS, wonach eine Zweckentfremdung nicht vorliegt, wenn der streitgegenständliche Wohnraum nachweislich zügig umgebaut, Instand gesetzt oder modernisiert wird, liegt nicht vor. Die Klägerin hat schon nicht hinreichend konkret dargelegt, dass tatsächlich Modernisierungs- bzw. Umbaumaßnahmen vorgenommen werden sollen. Bis zum Bescheidserlass lag kein konkreter Zeitplan für die in den vorgelegten Unterlagen beschriebenen Maßnahmen vor. Auch geht aus den Unterlagen nicht hervor, dass die Modernisierung oder der Umbau vor Erlass des Bescheids bereits begonnen hätte. Jedenfalls kann von „zügigen“ Maßnahmen im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 bis 3 ZeS, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Modernisierungs- und Umbaupläne teilweise schon über mehrere Jahre geplant wurden, ohne bislang realisiert zu werden, nicht die Rede sein.
39
3.4. Die nur im Rahmen des § 114 VwGO überprüfbare, von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat sich unter Berücksichtigung der Zweckrichtung des Zweckentfremdungsrechts und der angespannten Lage auf dem Münchner Wohnungsmarkt mit den Umständen des Einzelfalls in angemessener und ausreichender Weise auseinandergesetzt.
40
4. Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohungen, auch hinsichtlich der Bestimmtheit, bestehen ebenfalls nicht (Art. 19 VwZVG i.V.m Art. 29 ff. VwZVG). Insbesondere ist weder die Höhe der angedrohten Zwangsgelder noch die gesetzte Frist zur Wiederbelegung zu beanstanden.
41
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.