Titel:
Erster Abschnitt der Ärztlichen Prüfung, Wichtiger Grund für den Rücktritt von der Prüfung, Rücktritt aufgrund Krankenhausaufenthalts
Normenketten:
ÄApprO § 18 Abs. 1 S. 1
ÄApprO § 18 Abs. 1 S. 3
Schlagworte:
Erster Abschnitt der Ärztlichen Prüfung, Wichtiger Grund für den Rücktritt von der Prüfung, Rücktritt aufgrund Krankenhausaufenthalts
Fundstelle:
BeckRS 2024, 39897
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Aufhebung eines Prüfungsbescheids, mit dem ihm das endgültige Nichtbestehen des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung mitgeteilt wurde, sowie die Genehmigung eines Rücktritts von der zweiten Wiederholungsprüfung des schriftlichen Teils des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung.
2
Der Kläger ist seit dem Wintersemester 2018/2019 im Studiengang „Humanmedizin“ an der … (...) in … immatrikuliert. Mit Bescheid des Prüfungsamts zur Durchführung der Prüfungen nach der Approbationsordnung für Ärzte im Auftrag der Regierung von Oberbayern (Prüfungsamt) vom 8. Februar 2021 wurde er erstmals zum Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung zugelassen. Den mündlichen Teil bestand der Kläger am 25. Februar 2021. Den schriftlichen Teil des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung (9. und 10. März 2021) bestand der Kläger nicht. Einen entsprechenden Prüfungsbescheid erließ das Prüfungsamt am 31. März 2021.
3
Mit Schreiben vom 13. Juli 2021 wurde der Kläger zur 1. Wiederholungsprüfung am 17. und 18. Juli 2021 geladen. Mit Bescheid des Prüfungsamts vom 26. August 2021 wurde festgestellt, dass der Kläger die 1. Wiederholungsprüfung des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung aufgrund nicht rechtzeitiger Abgabe der Prüfungsarbeit nicht bestanden habe (Note: nicht ausreichend).
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Mit Bescheid des Prüfungsamts vom 16. März 2022 wurde ein Rücktritt von der zweiten Wiederholungsprüfung des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung am 15. und 16. März 2022 aufgrund vorgelegten ärztlichen Attests vom 14. März 2022 (akute Beschwerden im Zusammenhang mit einem Reizdarmsyndrom) genehmigt und dem Kläger die Auflage erteilt, dass zukünftig im Falle eines krankheitsbedingten Rücktritts neben der unverzüglichen Vorlage eines schriftlichen Rücktrittsgesuchs ein amtsärztliches Attest des zuständigen Gesundheitsamts vorzulegen sei.
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Ein weiteres Rücktrittsgesuch des Klägers aufgrund ärztlich bescheinigter Beeinträchtigung der Prüfungsfähigkeit wegen Verdachts auf eine chronisch entzündliche Darmerkrankung genehmigte das Prüfungsamt mit Bescheid vom 23. August 2022 und erteilte dem Kläger wiederum die Auflage, dass zukünftig im Falle eines krankheitsbedingten Rücktritts neben der unverzüglichen Vorlage eines schriftlichen Rücktrittsgesuchs ein amtsärztliches Attest des zuständigen Gesundheitsamts vorzulegen sei.
6
Mit Schreiben des Prüfungsamts vom 2. Februar 2023 wurde der Kläger erneut zur zweiten Wiederholungsprüfung des schriftlichen Teils des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung (Prüfung) am 14. und 15. März 2023 per Einschreiben geladen.
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Mit E-Mail vom 13. März 2023 erklärte der Kläger seinen Rücktritt von dieser Prüfung aus gesundheitlichen Gründen, da er vom 14. März 2023 bis mindestens 16. März 2023 im Krankenhaus behandelt werde. Ferner bat er um Mitteilung, ob die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung des Krankenhauses ausreiche oder die Vorlage eines amtsärztlichen Attests erforderlich sei. Mit E-Mail des Prüfungsamts vom 14. März 2023 wurde eine Rückantwort der Sachgebietsleiterin nach deren krankheitsbedingter Abwesenheit zugesagt.
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Mit Schreiben vom 20. März 2023 wiederholte der Kläger sein Rücktrittsgesuch und legte eine Austrittsbescheinigung der … … … …: 14. März 2023, … 16. März 2023) vor.
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Mit E-Mail vom 28. März 2023 teilte das Prüfungsamt dem Kläger mit, dass eine stationäre Behandlung im Krankenhaus nur dann als wichtiger Grund für einen Prüfungsrücktritt genehmigt werden könne, wenn diese am Prüfungstag medizinisch erforderlich gewesen sei. Im Übrigen sei es dem Kläger aufgrund der Mitwirkungspflichten aus dem Prüfungsrechtsverhältnis möglich und zumutbar, planbare Operationen außerhalb der Prüfungstermine legen zu lassen. Aus der vorgelegten Bescheinigung sei nicht ersichtlich, ob der stationäre Aufenthalt zum Prüfungszeitpunkt zwingend erforderlich gewesen sei. Um entsprechende ärztliche Atteste werde bis zum 14. April 2023 gebeten. Andernfalls gelte die Prüfung als versäumt und nicht bestanden.
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Daraufhin legte der Kläger am 30. März 2023 einen endgültigen Arztbrief der … … … vom 16. März 2023 vor, welcher u.a. die Fachdiagnose „Kongenitaler Nävuszellnävus vom Kompoundtyp, rechte Scapula“ enthält. Aus dem Arztbrief geht hervor, dass am 14. März 2023 eine 4. Teilexzision mit primärem Wundverschluss mittels Dehnungsplastik in Lokalanästhesie nach vorangegangenen Teilexzisionen am 15. September 2020, am 15. März 2021 und am 25. August 2022 erfolgt sei. Es werde eine erneute Teilexzision, ggf. Totalexzision, in ca. sechs Monaten empfohlen.
11
Mit Prüfungsbescheid vom 30. Mai 2023, dem Kläger am 2. Juni 2023 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt, wurde dem Antrag des Klägers auf Rücktritt von der zweiten Wiederholung des schriftlichen Teils des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung nicht stattgegeben und festgestellt, dass die zweite Wiederholung des schriftlichen Prüfungsteils als nicht bestanden gilt (Nr. 1). Ferner wurde festgestellt, dass eine weitere Wiederholung auch nach erneutem Medizinstudium nicht zulässig ist und der Erste Abschnitt der Ärztlichen Prüfung damit endgültig nicht bestanden ist (Nr. 2). Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Arztbrief vom 16. März 2023 nicht geeignet sei, um eine krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit als wichtigen Grund für den Rücktritt von der Prüfung zu rechtfertigen. Die in dem endgültigen Arztbrief aufgeführte 4. Teilexzision könne nicht als wichtiger Grund im Sinne von § 18 Abs. 1 ÄAppO herangezogen werden. Die Beweislast für eine Prüfungsunfähigkeit liege beim Prüfling. Durch die vergangenen OP-Termine und die zeitliche Empfehlung der nächsten Operation in ca. sechs Monaten lasse sich eine medizinische Notwendigkeit an den Prüfungstagen nicht erkennen. Es werde sogar verstärkt der Eindruck erweckt, dass die Operation terminlich flexibel planbar gewesen wäre. Da die Termine des schriftlichen Teils des Ersten Abschnitts der ärztlichen Prüfung auch auf der Webseite des Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) bereits ca. zwei Jahre im Voraus eingesehen werden könnten, hätte der Kläger den Operationstermin auch auf einen späteren Zeitpunkt legen lassen können.
12
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 30. Juni 2023 zur Niederschrift Klage erhoben und beantragt zuletzt der Sache nach,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 30. Mai 2023 zu verpflichten, dem Antrag auf Rücktritt von der zweiten Wiederholungsprüfung des schriftlichen Teils des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung stattzugeben.
14
Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2023 bestellte sich der Klägerbevollmächtigte für den Kläger und erhielt auf Antrag Akteneinsicht.
15
Mit Schreiben vom 27. Juli 2023 beantragte der Kläger Ratenzahlung hinsichtlich der Gerichtskosten und legte am 2. Oktober 2023 eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor.
16
Mit Schriftsatz vom 18. März 2024 konkretisierte der Klägerbevollmächtigte die Klageanträge und brachte zur Klagebegründung unter anderem vor, dass dem Kläger bis zu der E-Mail des Prüfungsamts vom 28. März 2023 nicht bewusst gewesen sei, dass der stationäre Krankenhausaufenthalt zum Prüfungszeitpunkt zwingend erforderlich sein müsse. Die dem Kläger durch das Prüfungsamt mit E-Mail vom 20. Februar 2023 übermittelten „Hinweise zum Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung“ sähen lediglich die unverzügliche Vorlage einer Bescheinigung des Krankenhauses im Falle einer stationären Behandlung am Prüfungstag vor. Der ärztliche Eingriff habe im Übrigen aus Sicht des Klägers keinen Aufschub geduldet. Der Kläger sei seiner Mitwirkungspflicht im Prüfungsverfahren und seiner Beweislast nachgekommen. Das Prüfungsamt habe sich mit den vorgelegten Nachweisen nicht auseinandergesetzt.
17
Den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe lehnte das erkennende Gericht mit Beschluss vom 18. September 2024 ab.
18
Mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2024 legte der Klägerbevollmächtigte zur weiteren Klagebegründung die an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gerichtete Begründung der gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 18. September 2024 erhobenen Beschwerde vor. Hierin wird das bisherige Vorbringen vertieft und ergänzend ausgeführt, dass nach Auffassung des Klägerbevollmächtigten ein wichtiger Grund für einen Prüfungsrücktritt stets dann vorliege, wenn der Prüfungsteilnehmer sich am Prüfungstag einem stationären Krankenhausaufenthalt unterziehen müsse, der durch ein nachgewiesenes medizinisches Leiden verursacht werde. Etwas anderes gelte nur dann, wenn dies rechtsmissbräuchlich geschehe. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da im Falle einer unterlassenen Behandlung nach Aussage des behandelnden Dermatologen das Risiko einer Entartung des gutartigen Tumors bestanden hätte. Explizite erweiterte Nachweis- oder Erklärungspflichten für den Fall eines stationären Aufenthalts ergäben sich aus den „Hinweisen des Prüfungsamts zum Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung“ nicht.
19
Die Beschwerde wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 10. Dezember 2024 zurück (... …).
20
Die Verwaltungsstreitsache wurde am 12. Dezember 2024 mündlich verhandelt. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf das Protokoll vom selben Tag verwiesen.
21
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
22
Die zulässige Klage ist unbegründet.
23
Der Bescheid des Prüfungsamtes vom 30. Mai 2023 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Genehmigung seines Rücktrittsgesuchs vom zweiten Wiederholungsversuch des schriftlichen Teils des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
24
Tritt ein Prüfling nach seiner Zulassung von einem Prüfungsabschnitt oder einem Prüfungsteil zurück, so hat er die Gründe für seinen Rücktritt unverzüglich dem Prüfungsamt mitzuteilen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 ÄApprO). Genehmigt das Prüfungsamt den Rücktritt nach § 18 Abs. 1 Satz 2 ÄApprO, so gilt der Prüfungsabschnitt oder der Prüfungsteil als nicht unternommen. Die Genehmigung ist nach § 18 Abs. 1 Satz 3 ÄApprO nur zu erteilen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Das Prüfungsamt kann im Falle einer Krankheit die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung auch durch einen von ihr benannten Arzt verlangen, § 18 Abs. 1 Satz 4 ÄApprO. Wird die Genehmigung für den Rücktritt nicht erteilt, so gilt der Prüfungsabschnitt oder Prüfungsteil als nicht bestanden, § 18 Abs. 2 ÄApprO.
25
Ein wichtiger Grund im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 3 ÄApprO für einen Prüfungsrücktritt kann insbesondere in einer krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit liegen. Eine faktische Verhinderung infolge eines Krankenhausaufenthalts stellt jedoch alleine keinen wichtigen Grund für eine Säumnis oder einen Rücktritt von der Prüfung dar (BayVGH, U.v. 4.12.2023 – 7 B 22.2267 – juris Ls. 2). Die Verhinderung muss vielmehr durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt sein (BayVGH, U.v. 4.12.2023 – 7 B 23.1263 – juris Rn. 15; vgl. auch BVerwG, B.v. 25.6.2024 – 6 B 7.24 – juris Rn. 17).
26
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten nicht aus den dem Kläger durch das Prüfungsamt übersandten „Hinweisen zum Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung“. Diese Hinweise geben lediglich allgemeine Informationen, was im Fall eines Rücktritts zu beachten ist, regeln aber nicht, wann ein wichtiger Grund für einen Rücktritt gegeben ist. Insbesondere kann den Hinweisen nicht entnommen werden, dass ein stationärer Krankenhausaufenthalt als solcher stets einen wichtigen Grund im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 3 ÄApprO darstellt. Der Prüfungsteilnehmer hat auch im Falle eines stationären Aufenthalts die Gründe für seinen Rücktritt durch hinreichend konkrete Angaben so zu benennen und nachzuweisen, dass das Prüfungsamt in die Lage versetzt wird, zu beurteilen, ob ein wichtiger Grund i.S.v. § 18 Abs. 1 Satz 3 ÄApprO vorliegt (vgl. BVerwG, B.v. 25.6.2024 – 6 B 7.24 – juris Rn. 15; BayVGH, U.v. 4.12.2023 – 7 B 23.1263 – juris Rn. 15). Dem steht es entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten nicht entgegen, dass die Hinweise des Prüfungsamts hierzu keine Aussage treffen, da sich die den Kläger insoweit treffenden Mitwirkungspflichten bereits aus § 18 Abs. 1 Satz 1 ÄApprO ergeben.
27
Unter Heranziehung dieses Maßstabs lag zum Prüfungszeitpunkt kein wichtiger Grund im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 3 ÄApprO für einen Rücktritt des Klägers von der streitgegenständlichen Prüfung vor. Aus den von dem Kläger vorgelegten ärztlichen Attesten geht nicht hervor, dass der vorgenommene ärztliche Eingriff und der dadurch bedingte Krankenhausaufenthalt gerade zum Prüfungszeitpunkt notwendig gewesen wären. Es ist unter Zugrundelegung der von dem Kläger vorgelegten Unterlagen vielmehr davon auszugehen, dass der ärztliche Eingriff auch zu einem anderen Zeitpunkt hätte durchgeführt werden können.
28
Hinsichtlich der weiteren Begründung wird entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO auf die Begründung des Beschlusses des erkennenden Gerichts vom 18. September 2024 sowie des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Dezember 2024 (7 C 24.1806) verwiesen.
29
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
30
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.