Inhalt

VG München, Urteil v. 21.11.2024 – M 22 K 23.2712
Titel:

Keine nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Leinenzwanganordnung

Normenketten:
LStVG Art. 18 Abs. 2
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
Leitsätze:
1. Ein mit der drohenden Wiederholung eines erledigten Verwaltungsakts begründetes berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts setzt die hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Beurteilung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses ist entscheidend, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet sein muss, die Position des Klägers zu verbessern. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gebietet lediglich, dass der Betroffene Gelegenheit erhält, in Fällen tiefgreifender, tatsächlich jedoch nicht mehr fortwirkender Grundrechtseingriffe auch dann die Rechtmäßigkeit des Eingriffs gerichtlich klären zu lassen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
4. Aus einem Präjudizinteresse im Hinblick auf die Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs besteht kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, wenn feststeht, dass das Amtshaftungsbegehren aussichtslos ist, da der Bescheid rechtmäßig ist. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die Anordnung eines Leinenzwangs erscheint für einen großen Schäferhund auch schon ohne Beißvorfall grds. als das Mittel der Wahl. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anordnung von Leinenzwang bei einem erwachsenen Schäferhund, Erledigung der Anordnung durch Ablauf der Befristung, statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage, kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, Fortsetzungsfeststellungsklage, berechtigtes Interesse, Leinenzwang, Wiederholungsgefahr, Präjudizinteresse, Amtshaftungsanspruch, Rehabilitationsinteresse
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 03.04.2025 – 10 ZB 25.205
Fundstelle:
BeckRS 2024, 39893

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleiche Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der von der Beklagten befristet angeordnete Leinenzwang für seinen weißen Schäferhund „…“ rechtswidrig war.
2
Der Kläger ist Halter zweier Hunde, darunter der erwachsene weiße Schäferhund „…“. Diese hält er auf seinem Privatanwesen in der … …, … …
3
Am … … 2023 kam es zu einem Vorfall mit dem Hund „…“. Beide Hunde des Klägers befanden sich unangeleint auf seinem Grundstück und wurden von ihm und seiner Frau für den Morgenspaziergang vorbereitet. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite der … näherte sich eine Passantin mit ihrem Hund. Die Hunde bellten sich gegenseitig an und „…“ lief auf die gegenüberliegende Straßenseite. Dort kam es zu einer Konfrontation zwischen den beiden Hunden, bei der sich beide Hunde jedenfalls anbellten, so dass die Besitzerin des anderen Hundes sich veranlasst sah, in das Geschehen einzugreifen, um ihren Hund zu schützen.
4
Sie behauptet, hierbei von „…“ in die Hand gebissen worden zu sein. Sie habe ihre Hand später in der Notaufnahme des Krankenhauses … behandeln lassen. Diese sei in einem Desinfektionsbad gebadet worden, anschließend habe sie intravenös mehrere Ampullen Antibiotika sowie Tabletten für weitere drei Tage bekommen. Beim Hausarzt sei sie noch gegen Tetanus geimpft worden.
5
Der Hund „…“ war während der gesamten Situation weder durch den Halter noch durch dessen Frau abrufbar.
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Auf die am … … 2023 bei der Beklagten eingegangene Anzeige durch die Geschädigte wurde der Kläger mit Schreiben der Beklagten vom … … 2023 unter Schilderung des wesentlichen Sachverhalts zur Anordnung eines Leinen- und/oder Maulkorbzwangs angehört. Er äußerte sich hierauf mit Schreiben vom … … 2023, bei dem er den oben dargestellten Sachverhalt einräumte, jedoch bestritt, „…“ habe der Passantin in die Hand gebissen. „…“ befinde sich seit seiner zehnten Lebenswoche in Obhut des Klägers und seiner Frau und sei mittlerweile knapp neun Jahre alt. Er sei ein wesensfester und freundlicher Hund, der zeitlebens nie aggressiv gegenüber Menschen gewesen sei.
7
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom … … 2023, dem Kläger mit Postzustellungsurkunde zugestellt am … … 2023, verpflichtete die Beklagte den Kläger befristet bis einschließlich … … 2024, „…“ auf allen öffentlichen Straßen und Wegen mit relevantem Publikumsverkehr innerhalb bewohnter Gebiete bayernweit nur noch an einer reißfesten, schlupfsicheren und maximal 1,5 m langen Leine auszuführen (Nr. 1) und sicherzustellen, dass die sich aus Nummer 1 des Bescheides ergebende Verpflichtung auch von Dritten erfüllt wird, die mit der Betreuung und Ausführung des Hundes beauftragt werden, wobei nur Personen beauftragt werden dürfen, die zuverlässig und körperlich hinreichend befähigt sind, den Hund zu kontrollieren (Nr. 2). Die sofortige Vollziehung der Nummern 1 und 2 wurde angeordnet (Nr. 3) und für den Fall eines Verstoßes gegen die Anordnungen aus Nummern 1 und 2 wurde ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 500 EUR angedroht (Nr. 4). Die Verfahrenskosten wurden dem Kläger auferlegt; die Bescheidsgebühr wurde auf 120 EUR festgesetzt (Nr. 5).
8
Die Anordnungen wurden auf die Rechtsgrundlage des Art. 18 Abs. 2 Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) gestützt. Es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass von Hunden, die auf öffentlichen Straßen und Wegen unangeleint herumlaufen und Menschen oder Tiere angreifen, eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit Dritter ausgehe. Deshalb könne für solche Hunde grundsätzlich ein Leinenzwang in bewohnten Gebieten angeordnet werden, ohne dass es zu Beißvorfällen gekommen sein müsse. Dabei komme es auch nicht darauf an, ob eine Schädigung durch ein hundegerechtes Verhalten Dritter verhindert werden könne, da dieses nicht verlangt werden könne. Zur Schädigung führende Fehlreaktionen Dritter gegenüber frei umherlaufenden großen Hunden entsprächen vielmehr der Lebenserfahrung und sollten durch Anordnungen nach Art. 18 Abs. 2 LStVG gerade bekämpft werden können. Zudem stelle das freie Umherlaufen eines Hundes im Verkehrsbereich eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern dar. Die Maßnahmen stünden im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Die Anordnung eines Leinenzwangs sei das mildeste Mittel und regle im Grunde nur ein Verhalten, das ein verantwortungsbewusster Hundehalter ohnehin von sich aus umsetze. Es sei keine Maßnahme erkennbar, die den Kläger weniger beeinträchtige. Die Anordnung einer maximalen Länge der Hundeleine sei dabei unerlässlich. Den Tierschutzbelangen sei dadurch Rechnung getragen, dass dem Hund der Freiauslauf sowohl außerhalb bewohnter Gebiete als auch auf ausreichend eingefriedeten und gesicherten Privatgrundstücken weiterhin erlaubt sei. Der Kläger sei als Inhaber der tatsächlichen Gewalt über den Hund „…“ Zustandsstörer und damit richtiger Adressat.
9
Am … … 2023 erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag,
den Bescheid der Beklagten vom … … 2023 aufzuheben.
10
Zur Klagebegründung wurde mit Schreiben vom … … 2024 ausgeführt, der Hund der Passantin sei an einer Schleppleine aggressiv bellend herangelaufen, woraufhin „…“ über die Straße auf diesen zugelaufen sei. Die Hunde hätten einander angebellt, aber nicht gebissen. Die Passantin habe wild gestikuliert und gerufen. „…“ habe deshalb berechtigten Anlass für sein Verhalten gehabt, da er gereizt worden sei. „…“ habe aber weder den anderen Hund, noch die Hand der Passantin gebissen. Die Verletzung sei erst eine Woche nach dem Vorfall bei der Gemeinde angezeigt worden, was dafür spreche, dass sie eine andere Ursache habe. Es fehle auch jedes Bissmuster sowie eine Gegenverletzung, einzelne Zähne seien nicht erkennbar. Es habe sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt. Die Maßnahmen seien außerdem unverhältnismäßig. Sie seien schon nicht geeignet, da das Grundstück zwar nicht eingezäunt sei, … aber nur unter Aufsicht auf dem Grundstück laufen gelassen werde. Nur weil gerade ein Spaziergang eingeleitet worden sei, habe er entwischen können. Dies wäre auch mit den angeordneten Maßnahmen nicht zu vermeiden gewesen. Der Leinenzwang sei auch unverhältnismäßig im engeren Sinne. „…“ habe eine angemessene Verhaltensweise gezeigt, der Leinenzwang stelle eine besondere Belastung für den Hund dar. Die Sofortvollzugsanordnung sei lediglich floskelhaft und das Zwangsgeld mit 500 EUR überhöht.
11
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
12
Der Vorfall habe sich im Zusammenhang mit dem Ausführen des Hundes ereignet, da „…“ bei der Vorbereitung auf den Morgenspaziergang entwichen sei. Folglich sei der Leinenzwang ein geeignetes Mittel. Im Hinblick auf die ablaufende Befristung erteile man vorab die Zustimmung zu der zu erwartenden Erledigungserklärung des Klägers.
13
Mit Schriftsatz vom … … 2024 stellte der Klägerbevollmächtigte die Klage um und beantragt nunmehr,
festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom … … 2023 rechtswidrig war.
14
Dies begründete er mit Schriftsatz vom … … 2024 damit, dass eine Wiederholungsgefahr evident sei. Sie sei schon im Bescheid erwähnt und diene als Grundlage der Anordnung. Zudem trage Art. 18 LStVG keine Anordnungen für das gesamte Gemeindegebiet, schon gar nicht für ganz Bayern.
15
Die Beklagte tritt dem mit Schriftsatz vom … … 2024 entgegen und beantragt weiterhin,
die Klage abzuweisen.
16
Es liege kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse vor, denn es bestehe keine Wiederholungsgefahr, da unklar sei, ob es je wieder zu einem gleichgelagerten Vorfall komme. Jedenfalls könne sie zusichern, im Falle eines gleichgelagerten Vorfalls keinen gleichlautenden Bescheid mehr zu erlassen.
17
In der mündlichen Verhandlung am … … 2024 wiederholten die Parteien ihre zuletzt gestellten Anträge.
18
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Behördenakte und die Gerichtsakte sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

19
Die Klage hat keinen Erfolg. Die nach Ablauf der Geltungsdauer der sicherheitsrechtlichen Anordnungen als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthafte Klage ist mangels Fortsetzungsfeststellungsinteresses bereits unzulässig (1.). Infolge der Rechtmäßigkeit der Anordnungen ist sie auch unbegründet (2.).
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1. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist unzulässig. Infolge Ablaufs der Geltungsdauer der streitgegenständlichen Anordnungen haben sich diese inzwischen erledigt. Die deshalb statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist unzulässig, da der Kläger kein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat, dass der angegriffene Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist (sog. Fortsetzungsfeststellungsinteresse).
21
Ein derartiges berechtigtes Interesse kann jedes bei vernünftiger Erwägung nach Lage des Falls anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art sein. In der Rechtsprechung sind verschiedene Fallgestaltungen anerkannt, wie zu erwartende Sanktionen, das Interesse an einer Rehabilitierung, die Gefahr einer Wiederholung, die Geltendmachung von Schadensersatz wegen einer Amtspflichtverletzung oder die Vermeidung sonstiger wirtschaftlicher oder persönlicher Nachteile (vgl. Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 108).
22
Ein berechtigtes Interesse des Klägers kommt jedoch nach keiner dieser Fallgruppen in Betracht.
23
1.1. Zunächst besteht im vorliegenden Fall keine konkrete Wiederholungsgefahr. Ein mit der drohenden Wiederholung eines erledigten Verwaltungsakts begründetes berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts setzt die hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (st. Rspr., vgl. BVerwG, B.v. 26.4.1993 – 4 B 31/93 – NVwZ 1994, 282; BayVGH, B.v. 7.7.2009 – 7 BV 08.254 – juris Rn. 25). Nicht ausreichend ist die vage oder abstrakte Möglichkeit einer Wiederholung oder die abstrakte Möglichkeit einer künftigen Handlung (vgl. Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 271). Ist ungewiss, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse eintreten werden wie im Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsakts, kann das Fortsetzungsfeststellungsinteresse grundsätzlich nicht aus einer Wiederholungsgefahr hergeleitet werden (BayVGH, B.v. 7.7.2009, a.a.O., m.w.N.).
24
Bereits in tatsächlicher Hinsicht ist unwahrscheinlich, dass sich genau dieselbe Situation erneut ereignet. Der Kläger selbst hält dies für unwahrscheinlich, führt er doch aus, dass es mit „…“ in neun Lebensjahren bisher noch nie einen solchen Vorfall gegeben habe. Die Beklagte hat außerdem zugesichert, im Falle eines gleich gelagerten Vorfalls jedenfalls keinen gleichlautenden Bescheid mehr zu erlassen. Zudem wäre die Beklagte – unabhängig von der begehrten Feststellung in diesem Verfahren – verpflichtet, jeden neuen Vorfall zur Kenntnis zu nehmen und im Rahmen einer Einzelfallprüfung zu würdigen. Die begehrte Feststellung hätte also für den Kläger keinen rechtlichen Mehrwert.
25
1.2. Es ist – ohne dass der Kläger hierzu etwas vorgetragen hätte – auch sonst nicht ersichtlich, dass ihm ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zustünde.
26
1.2.1. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt eines Rehabilitationsinteresses in Form eines schwerwiegenden Grundrechtseingriffs ist nicht gegeben. Entscheidend bei der Beurteilung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet sein muss, die Position des Klägers zu verbessern (Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 108). Sinn und Zweck der Fortsetzungsfeststellungsklage ist es grundsätzlich, dem Betroffenen Rechtsschutz zu gewähren, obwohl sich der angegriffene Verwaltungsakt erledigt hat, da er nach wie vor (negative) Nachwirkungen für den Betroffenen entfaltet. Es ist deshalb grundsätzlich erforderlich, dass die entsprechenden objektiv abträglichen Nachwirkungen einer Maßnahme fortbestehen und ihnen mit Blick auf ein als berechtigt anzuerkennendes Schutzbedürfnis des Betroffenen durch eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns zugleich noch wirksam begegnet werden kann (vgl. OVG Münster, U.v. 7.5.2009 – 20 A 4452/06 – juris Rn. 46). Derartige Nachwirkungen lassen sich – unabhängig davon, dass der Kläger hierzu nichts vorgetragen hat – vorliegend nicht feststellen.
27
In einem solchen Fall kommt eine Schutzwürdigkeit allenfalls in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe in Betracht, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, etwa im Zusammenhang mit schweren, sich schnell erledigenden und zugleich eingriffsintensiven Polizeimaßnahmen (vgl. OVG Münster, a.a.O.). Auch hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Dies ergibt sich insbesondere auch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen, die aus der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG entwickelt wurde. Danach gebietet es das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz lediglich, dass der Betroffene Gelegenheit erhält, in Fällen tiefgreifender, tatsächlich jedoch nicht mehr fortwirkender Grundrechtseingriffe auch dann die Rechtmäßigkeit des Eingriffs gerichtlich klären zu lassen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (vgl. BVerfG, B.v. 7.12.1998 – 1 BvR 831/89 – juris Rn. 25 f.; VG Ansbach, U.v. 18.7.2007 – AN 11 K 06.830 – juris Rn. 26). Jedoch kann vorliegend schon nicht von einem tiefgreifenden Grundrechtseingriff ausgegangen werden. Die Anordnung eines Leinenzwangs für einen großen Schäferhund stellt keinen ausreichend tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar. An einen solchen sind hohe Anforderungen zu stellen, die vorliegend nicht erfüllt werden. Für eine restriktive Auslegung spricht zudem, dass andernfalls der Anwendungsbereich der Fortsetzungsfeststellungsklage sinnwidrig ins Uferlose erweitert würde, da bei staatlichen Eingriffen regelmäßig ein Grundrecht des Betroffenen berührt wird (BayVGH, B.v. 13.3.2017 – 10 ZB 16.965 – juris Rn. 10).
28
1.2.2. Auch aus einem sogenannten Präjudizinteresse im Hinblick auf die Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs besteht vorliegend kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Der Kläger hat schon nicht vorgetragen, einen solchen geltend machen zu wollen. Überdies wäre ein Amtshaftungsbegehren auch aussichtslos, da der Bescheid rechtmäßig ist.
29
2. Nachdem die vorliegende Klage bereits unzulässig ist, kommt es auf die Frage der Begründetheit nicht mehr an. Anzumerken ist hierbei lediglich, dass die Anordnung eines Leinenzwangs jedenfalls für einen großen Schäferhund auch schon ohne Beißvorfall grundsätzlich als das Mittel der Wahl erscheint (st.Rspr., vgl. nur BayVGH, B.v. 3.5.2017 – 10 CS 17.405 – juris Rn. 5 m.w.N.). Etwas anderes ergibt sich auch nicht im konkreten Fall. Nach der Einlassung des Klägers ereignete sich der Vorfall im Zusammenhang mit dem Ausführen des Hundes, nämlich bei der Vorbereitung des Morgenspaziergangs. Hiervon abgesehen dürfte eine Anordnung einer ausbruchsicheren Einfriedung des klägerischen Grundstücks auch kein milderes Mittel gegenüber dem befristet angeordneten Leinenzwang sein. Die Sofortvollzugsanordnung kann im Rahmen der Anfechtungsklage nicht angegriffen werden; ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wurde nicht gestellt. Das Zwangsgeld erscheint der Höhe nach angemessen und ist bei Hundehalteranordnungen üblich.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.