Inhalt

VG München, Urteil v. 19.12.2024 – M 10 K 24.33307
Titel:

Asylrecht (Gambia), Folgeschutzgesuch (isolierter Wiederaufgreifensantrag hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungsverboten), Kein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich Abschiebungsverboten

Normenketten:
VwVfG § 51
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 7 Satz 1
AufenthG § 60a Abs. 2c Satz 3
EMRK Art. 3
Schlagworte:
Asylrecht (Gambia), Folgeschutzgesuch (isolierter Wiederaufgreifensantrag hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungsverboten), Kein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich Abschiebungsverboten
Fundstelle:
BeckRS 2024, 39888

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt im Weg des Wiederaufgreifens des Verfahrens die Abänderung der Feststellung aus dem Erstbescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 17. August 2018 zum Nichtvorliegen zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote hinsichtlich Gambia.
2
Der Kläger, ein gambischer Staatsangehöriger, stellte am 17. Juli 2014 einen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesamts vom 17. August 2018 abgelehnt wurde. In diesem Bescheid wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Gambia nicht vorliegen. Der Kläger machte während seines Erstverfahrens unter anderem geltend, an chronischem Hepatitis B zu leiden, was vom Bundesamt im Bescheid vom 17. August 2018 gewürdigt wurde (S. 8). Die gegen den Bescheid vom 17. August 2018 gerichtete Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 10. Dezember 2020 (A 5 K 4979/18) abgewiesen. Das Urteil vom 10. Dezember 2020 setzt sich ebenfalls mit vom Kläger vorgetragenen Krankheiten auseinander (UA S. 15).
3
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 28. Februar 2018 wurde der Kläger aufgrund einer Verurteilung durch das Amtsgericht Reutlingen zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen.
4
Mit Schreiben vom 16. März 2022, eingegangen beim Bundesamt am 22. März 2022, stellte die Bevollmächtigte des Klägers einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich der Feststellung des Nichtvorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Gambia. Vorgelegt wurden dazu ein Entlassbrief des Kreisklinikums … vom 5. August 2021 und ärztliche Atteste vom 25. April 2022 sowie (nachgehend) vom 16. August 2022. Das Verfahren blieb in der Folge beim Bundesamt zunächst unbearbeitet. Mit Schreiben vom 25. Juli 2024 forderte das Bundesamt die Bevollmächtigte des Klägers unter Fristsetzung zum 31. August 2024 auf, Fragen zum aktuellen Gesundheitszustand des Klägers zu beantworten sowie entsprechende Unterlagen vorzulegen. Hierauf reagierte die Bevollmächtigte des Klägers nicht.
5
Mit Bescheid vom 25. September 2024, als Einschreiben zur Post gegeben am 26. September 2024, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 17. August 2018 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG ab. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antrag bereits nach § 51 Abs. 2 und Abs. 3 VwVfG unzulässig sei. Gründe für eine Aufhebung des Bescheids im Rahmen von § 51 Abs. 5 VwVfG lägen nicht vor. Der Kläger habe kein neues Attest vorgelegt. Ergänzend sei nach einer MedCOI-Auskunft vom 8. September 2022 darauf hinzuweisen, dass eine Hepatitis B Erkrankung auch in Gambia behandelt werden könne.
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Der Kläger hat am 11. Oktober 2024 Klage gegen den Bescheid vom 25. September 2024 erhoben. Er beantragt zuletzt:
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Unter Aufhebung des Bescheids vom 25. September 2024 wird die Beklagte verpflichtet, im Weg des Wiederaufgreifens des Verfahrens festzustellen, dass hinsichtlich des Klägers Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Gambia vorliegen.
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Eine Begründung der Klage erfolgte zunächst nicht. Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2024 legte die Bevollmächtigte ein fachärztliches Attest des behandelnden Gastroenterologen vom 22. November 2024 vor. Auf dieses wird Bezug genommen.
9
Das Bundesamt beantragt mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2024,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.
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Mit gerichtlichem Beschluss vom 6. November 2024 hat das Gericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt (M 10 E 24.33309). Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.
13
Bereits mit Beschluss vom 23. Oktober 2024 wurde der Rechtsstreit gemäß § 76 Abs. 1 AsylG auf den Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen. Auf gerichtliche Anhörung vom 24. Oktober 2024 zum beabsichtigten Erlass eines Urteils im schriftlichen Verfahren gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 AsylG beantragte die Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 14. November 2024 die Durchführung der mündlichen Verhandlung, die am 17. Dezember 2024 stattfand.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, auch im Verfahren M 10 E 24.33309, das Protokoll zur mündlichen Verhandlung sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage kann trotz Ausbleibens der Beklagten zur mündlichen Verhandlung am 17. Dezember 2024 entschieden werden, weil diese ausweislich des Empfangsbekenntnisses vom 27. November 2024 ordnungsgemäß zum Termin geladen und im Ladungsanschreiben auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde (§ 102 Abs. 2 VwGO).
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1. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der streitbefangene Bescheid der Beklagten vom 25. September 2024 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er hat im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten hinsichtlich der Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Weg des Wiederaufgreifens des Verfahrens (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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a) Der streitbefangene Bescheid der Beklagten vom 25. September 2024 erweist sich als rechtmäßig, weil die Voraussetzungen des Wiederaufgreifens des Verfahrens nach § 51 VwVfG hinsichtlich der Entscheidung des Nichtvorliegens zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote bezüglich Gambia im Erstbescheid des Bundesamts vom 17. August 2018 nicht vorliegen. Ein Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 VwVfG setzt überhaupt die schlüssige Behauptung eines Wiederaufgreifensgrundes voraus (vgl. Decker in BeckOK MigR, Stand 1.7.2024, § 51 VwVfG Rn. 8 m.w.N.). Dies bedeutet, dass der Wiederaufgreifensgrund innerhalb der vorgeschriebenen Frist auf eine Weise substantiiert vorgetragen werden muss, dass sich hieraus ohne Weiteres die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung ableiten lässt. Wenn es um das Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich der Entscheidung zum Nichtvorliegen zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geht, reicht die alleinige Vorlage einer fachärztlichen Bescheinigung unter nicht näher begründeter Berufung auf ein Abschiebungshindernis nicht aus (vgl. BVerwG, U.v. 20.10.2004 – 1 C 15.03 – juris Rn. 12).
18
Dies zugrunde gelegt, erweist sich das vom 16. März 2022 als „Folgeschutzgesuch“ bezeichnete Schreiben an das Bundesamt als unzureichend, da dem Bundesamt lediglich (durchaus) umfängliche fachärztliche Materialien („Endgültiger Entlassbrief“ des Kreisklinikums … vom 5.8.2021 / 8.2.2022) vorgelegt werden, ohne dass in irgendeiner Weise näher schlüssig dargelegt wird, inwieweit diese Unterlagen unter Berücksichtigung der in § 51 Abs. 1 bis Abs. 3 VwVfG statuierten Voraussetzungen sowie unter Berücksichtigung der bereits aus dem Erstverfahren vorliegenden ärztlichen Atteste und deren Berücksichtigung im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung zugunsten des Klägers begründen. Hiermit wird im Wesentlichen die Erwartungshaltung zum Ausdruck gebracht, dass sich das Bundesamt aus diesen Unterlagen auf Zuruf des Klägers die für ihn günstigen Tatsachen herausfiltern möge und diese dann in Abgrenzung zu dem bereits bekannten Krankheitsbild aus dem Erstverfahren würdigen möge. Zugleich wurde das Schreiben des Bundesamts vom 25. Juli 2024 unbeantwortet gelassen, mit dem der Kläger um Sachvortrag gebeten wurde, der eigentlich schon im Schreiben vom 16. März 2022 hätte erfolgen müssen. All dies genügt bereits in formaler Hinsicht dem Erfordernis der schlüssigen Darlegung von Wiederaufgreifensgründen nach § 51 VwVfG nicht. Mindestens bedenklich wirkt auch die in der mündlichen Verhandlung kommunizierte Haltung des Klägers, dass auf die bereits vom Bundesamt angeforderten Atteste bzw. Antworten auf die im Schreiben vom 25. Juli 2024 gestellten Fragen zwar nicht reagiert worden sei, dies aber im gerichtlichen Verfahren nachgeschoben werden könne. Abgesehen davon, dass der Kläger hiermit gegenüber der Beklagten den Eindruck erweckt, seinen Wiederaufgreifensantrag (zunächst) nicht weiter substantiieren bzw. näher (mit stützenden Unterlagen) begründen zu wollen, entspricht es auch nicht dem Sinn und Zweck eines Wiederaufgreifensverfahrens, dass erstmals vor Gericht originär Ansprüche (bzw. konkrete Wiederaufgreifensgründe und dazu stützende Unterlagen) geltend gemacht (bzw. vorgelegt) werden, ohne dass die zuständige Behörde im Verwaltungsverfahren vorab ordnungsgemäß damit befasst worden ist (vgl. VGH BW, U.v. 18.6.2008 – 13 S 2809/07 – juris Rn. 45 m.w.N.; s. auch VG Köln, U.v. 17.7.2024 – 23 K 1059/21 – juris Rn. 33).
19
Unabhängig davon sieht das Gericht mit den zuletzt vorgelegten ärztlichen Attesten auch keine hinreichende Änderung der Sachlage im Sinn des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG, die zu einer günstigeren Entscheidung hinsichtlich der Feststellung des Nichtvorliegens zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote bezüglich Gambia führen könnte. Im Asylerstverfahren des Klägers wurden bereits die vom Kläger angeführte chronische Hepatitis B und „weitere geltend gemachte Erkrankungen“ gewürdigt, wie das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 10. Dezember 2020 zeigt (A 5 K 4979/18, UA S. 15 f.). Das Verwaltungsgericht Sigmaringen ist hier zu dem Ergebnis gekommen, dass weder die chronische Hepatitis B noch die „anderen geltend gemachten Erkrankungen“ zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würden (ähnlich beispielsweise auch VG Greifswald, U.v. 15.12.2016 – 6 A 394/16 As HGW – juris Rn. 57). Soweit der Kläger mit Blick auf das kürzlich vorgelegte fachärztliche Attest vom 22. November 2024 in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, es liege eine „gesundheitliche Zäsur“ vor, vermag das Gericht dies nicht in rechtserheblicher Weise im Sinn einer durchgreifenden Sachlagenänderung, die die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung im Kontext des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG aufzeigen würde, zu erkennen (vgl. ähnlich auch VG München, B.v. 29.8.2019 – M 29 E 18.34575 – juris Rn. 20 f.: Zu einer chronischen Hepatitis B und einem vorgetragenen Krankenhausaufenthalt, wie ihn auch der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat). Dieses Attest erwähnt zu einem beträchtlichen Anteil Erkrankungen, die bereits aus dem Erstverfahren des Klägers als solche bekannt waren und lässt hinsichtlich eines hypothetischen Abbruchs der Behandlung keine anderweitigen Folgen erkennen, wie sie nicht schon im Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen diskutiert wurden (dort UA S. 15 f. zu den Folgen einer chronischen Hepatitis B). Soweit sich die Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung auf die erwähnte granulumatöse Entzündung bezieht, erweist sich das Attest im Sinn der Nachvollziehbarkeit bereits als defizitär, da unter Ziffer 2 des Attests lediglich Spiegelstriche ohne weitere Erläuterungen aufgeführt werden und auch die Ausführungen unter Ziffer 6 nur eingeschränkt nachvollziehbar und damit letztlich unergiebig sind. So wird dort von „einer […] letztendlich ursächlich nicht vollständig gesicherten granulomatösen Systemerkrankung“ bzw. einer „ungeklärten granulomatöse[n] Systemerkrankung“ gesprochen, wegen derer der Kläger bereits 2021 behandelt worden sei. Die zitierten Ausführungen stellen sich aus Sicht des Gerichts jedenfalls als mehrdeutig dar, was im Sinn der Nachvollziehbarkeit und insbesondere unter Berücksichtigung der rechtlichen Anforderungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. § 60a Abs. 2c Satz 2, Satz 3 AufenthG zulasten des Klägers geht. Insoweit erfolgt die fachlich-medizinische Beurteilung dieses Krankheitsbildes bereits nicht in einer im Sinn von § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG genügenden Weise, anhand derer das Gericht auch nicht die Folgen, die sich aus ärztlicher Sicht aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, auf Anhieb nachvollziehen kann.
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Der Kläger lässt mit seinem Vorbringen einer „gesundheitlichen Zäsur“ zur Begründung einer Sachlagenänderung im Übrigen außer Acht, dass eine partielle Verschlechterung seines Krankheitsbildes bzw. das Hinzukommen neuer Krankheitssymptome nur dann die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung zum Vorliegen zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote, insbesondere § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, begründen kann, wenn diese partielle Verschlechterung mit hinreichenden Anhaltspunkten einer „alsbaldigen“ Verschlechterung seines Gesundheitszustands nach einer Abschiebung einherginge. Auch hierzu lässt sich dem zuletzt vorgelegten Attest nichts Durchgreifendes entnehmen. Soweit ersichtlich, wird ein etwaiges „Aufflammen der systemischen Granulomatose“ in Zusammenhang mit einem „Aufflammen der Hepatitis B“ prognostiziert. Hinsichtlich Letzterem handelt es sich jedoch nicht um eine Folge, die „alsbald“ nach einer Abschiebung eintreten würde, sondern um Etwas, das – wie sowohl das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen als auch zum Teil die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Unterlagen ausführen – erst nach einiger (längerer) Zeit in der Zukunft eintreten würde.
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Aus den gleichen Gründen kann man hinsichtlich des zuletzt vorgelegten Attest vom 22. November 2024 auch nicht von einem neuen Beweismittel im Sinn des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG ausgehen, welches für den Kläger eine günstigere Entscheidung herbeigeführt hätte. Ausweislich der tragenden Begründung des Erstbescheids bzw. den tragenden Urteilsgründen des Verwaltungsgerichts Sigmaringen kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieses fachärztliche Attest für den Kläger eine günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde (vgl. allg. zum Prüfungsmaßstab bei § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG: BVerwG, B.v. 4.1.2011 – 8 B 75.10 – juris Rn. 9).
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b) Unabhängig davon bestünde selbst bei unterstelltem Vorliegen eines schlüssigen Vortrags zu Wiederaufgreifensgründen nach erneuter Sachprüfung kein Anspruch des Klägers auf Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Gambia. Die ergänzenden sachlichen Ausführungen des Bundesamts im Kontext des § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG sind inhaltlich nicht zu beanstanden bzw. stellen sich jedenfalls nicht als ermessensfehlerhaft dar (vgl. zu diesem Aspekt Decker in BeckOK MigR, Stand 1.7.2024, § 51 VwVfG Rn. 32 ff.).
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aa) Mit den zuletzt vorgetragenen Erkrankungen des Klägers ergibt sich kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
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Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden.
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Eine erhebliche Gefahr in diesem Sinne liegt nur vor, wenn aufgrund zielstaatsbezogener Umstände eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist, namentlich, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde (vgl. BVerwG, U.v. 25.11.1997 – 9 C 58.96 – juris Rn. 13; BVerwG, U.v. 29.7.1999 – 9 C 2.99 – juris Rn. 8; VGH BW, U.v. 30.11.2006 – A 6 S 674/05 – juris Rn. 39). Die Gesetzesbegründung verweist insoweit auf „äußerst gravierende“, insbesondere lebensbedrohliche Erkrankungen (s. dazu die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 18/7538 vom 16.2.2016, zu Artikel 2 – Änderung des Aufenthaltsgesetzes – Nr. 1, S. 18). Eine (erhöhte) „existentielle“ oder extreme Gefahr, die den betroffenen Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde, ist indes nicht erforderlich (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18.05 – juris Rn. 15 ff.). Konkret ist die durch eine Krankheit verursachte Gefahr, wenn die Verschlechterung des Gesundheitszustandes alsbald nach der Rückkehr in das Heimatland eintreten würde, weil eine adäquate Behandlung dort nicht möglich ist (vgl. hierzu: BVerwG, U.v. 29.7.1999, a.a.O.). Es ist dabei nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG). Behandlungsmöglichkeiten sind dann unzureichend, wenn eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit in dem Herkunftsstaat wegen des geringeren Versorgungsstandards generell nicht verfügbar ist. Eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht darüber hinaus aber auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.2002 – 1 C 1.02 – juris Rn. 9; s. zum Ganzen auch: BVerwG, U.v. 17.10.2006, a.a.O., Rn. 20).
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Dies zugrunde gelegt, wird mit den vorgelegten fachärztlichen Attesten bereits keine „alsbaldige“ konkrete und (rechts-)erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers hinreichend dargelegt (s.o.). Entscheidend ist allerdings, dass nach der vom Bundesamt zutreffend wiedergegebenen medizinischen Versorgungslage in Gambia ein „Aufflammen der Hepatitis B“ und damit auch ein „Aufflammen der granulumatösen Systemerkrankung“ nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in engen zeitlichem Zusammenhang nach einer Abschiebung prognostiziert werden kann. Ausweislich der vom Bundesamt im Bescheid zitierten und der Klagepartei in der mündlichen Verhandlung als Ausdruck übergebenen MedCOI-Auskunft vom 8. September 2022 (AVA 16106) ist eine chronische Hepatitis B in Gambia grundsätzlich behandelbar. Zutreffend ist zwar, wie vom Kläger vorgetragen, dass das derzeit von ihm eingenommene Medikament entecavir in Gambia nicht verfügbar ist. Das Gericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung allerdings darauf aufmerksam gemacht, dass es mit dem Medikament tenofovir alafenamide (vgl. MedCOI-Auskunft, S. 6 unten) eine zum Medikament entecavir grundsätzlich gleichwertige Alternative gibt. Bei tenofovir alafenamide handelt es sich um eine Weiterentwicklung von tenofovir und wird als besser verträglich im Vergleich zu Letzterem beschrieben. Der Kläger hat sich zur zitierten MedCOI-Auskunft in der mündlichen Verhandlung Gehör verschafft und geäußert, dass er in Abrede stelle, Zugang zum Medikament tenofovir alafenamide zu bekommen. Auch hiermit kann er aber nicht durchdringen. Dem Kläger wird auch im zuletzt von ihm vorgelegten Attest aktuell ein „stabiler Gesundheitszustand“ attestiert, Anhaltspunkte für eine Arbeitsunfähigkeit liegen nicht vor. Dem Kläger ist es grundsätzlich zuzumuten, sich den Zugang zu benötigten Medikamenten durch Aufnahme einer Arbeitstätigkeit zu sichern. Hinzukommt, dass zur Bewältigung etwaiger Startschwierigkeiten bzw. zur vorübergehenden Überbrückung die Mitgabe eines größeren Medikamentenvorrats grundsätzlich in Betracht kommt (vgl. dazu HessVGH, B.v. 23.2.2006 – 7 UZ 269/06.A – juris Rn. 6), um eine konkrete Gefährdung alsbald nach einer Rückkehr ausschließen zu können. Nach alledem – hinzukommt noch die mögliche Inanspruchnahme von Rückkehrhilfen (dazu sogleich im Kontext des § 60 Abs. 5 AufenthG) – liegt eine hinreichende konkrete Gefährdung einer alsbaldigen Gesundheitsverschlechterung nach einer Abschiebung oder Rückkehr nach Gambia nicht vor.
27
bb) Ebenso bestünde nach erneuter Sachentscheidung auch kein Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK.
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Nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ist die Abschiebung eines Ausländers unzulässig, wenn ihm im Abschiebungszielstaat die ernsthafte Gefahr der Folter oder einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung droht. Abzustellen ist dabei grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat und zunächst zu prüfen, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 26 m.w.N.). Für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse im Zielstaat ist keine Extremgefahr wie im Rahmen der verfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderlich (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 – 1 B 42.18 – juris Rn. 13). Die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren müssen vielmehr ein gewisses „Mindestmaß an Schwere“ erreichen. Diese Voraussetzung kann erfüllt sein, wenn der Ausländer nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls im Zielstaat der Abschiebung seinen existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhalten kann, also seine elementarsten Bedürfnisse in einer Situation extremer materieller Not nicht befriedigen kann (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17, Rs. „Jawo“ – juris Rn. 92 ff.; BVerwG, B.v. 23.8.2018 – 1 B 42.18 – juris Rn. 11). Im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ist der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen; erforderlich, aber auch ausreichend ist daher die tatsächliche Gefahr („real risk“) einer unmenschlichen Behandlung (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5.09 – juris Rn. 22) beziehungsweise das Bestehen einer Situation, in der Verhältnisse und Umstände herrschen, unter denen der Betreffende einer im Ergebnis unmenschlichen Situation ausgesetzt ist. Dies kann entweder wegen einer allgemein so schlechten Lage im Herkunftsstaat als solcher oder wegen dem Bestehen einer solchen und dem Hinzutreten besonderer, individuell begründeter Umstände, welche eine allgemein schlechte Lage im Einzelfall über die Schwelle dessen heben, was der Einzelne für den Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat (noch) hinzunehmen hat, der Fall sein.
29
Hinsichtlich des Zugangs zum Gesundheitssystem bei einer vorhandenen (Grund-)Erkrankung ist (auch) im konventionsrechtlichen Kontext anerkannt, dass es nicht darauf ankommt, ob die medizinische Versorgung im Herkunftsstaat gleichwertig oder schlechter ist im Vergleich zu derjenigen des abschiebenden Staates. Art. 3 EMRK gewährt auch kein Recht, im Bestimmungsland eine besondere Behandlung zu erhalten, die der Bevölkerung nicht zur Verfügung steht. Die Behörden und Gerichte des abschiebenden Staates müssen aber in jedem Einzelfall prüfen, ob die im Bestimmungsland allgemein vorhandene medizinische Versorgung in der Praxis ausreichend und angemessen ist, die Krankheit des Betroffenen zu behandeln und zu verhindern, dass der Betroffene einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung ausgesetzt wird. Berücksichtigt werden müssen dabei unter anderem die Kosten für Medikamente und Behandlung und ob ein soziales und familiäres Netz zur Unterstützung besteht (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 [GK] – Paposhvili/Belgien, Nr. 41738/10 – HUDOC Rn. 183 ff. = NVwZ 2017, 1187/1189 f.).
30
In Bezug auf die Sicherung elementarer Grundbedürfnisse im Sinn der oben zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 4 GRCh gelten – insbesondere bei nicht vulnerablen Personen – nur an dem Erfordernis der Wahrung der Menschenwürde orientierte Mindestanforderungen. Das wirtschaftliche Existenzminimum ist immer dann gesichert, wenn erwerbsfähige Personen durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können. Zu den im vorstehenden Sinne zumutbaren Arbeiten zählen auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können, selbst wenn diese im Bereich der sogenannten „Schatten- oder Nischenwirtschaft“ angesiedelt sind. Können extrem schlechte materielle Lebensverhältnisse, welche die Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK begründen, somit durch eigene Handlungen (z.B. den Einsatz der eigenen Arbeitskraft) oder die Inanspruchnahme der Hilfe- oder Unterstützungsleistungen Dritter (seien es private Dritte, seien es nichtstaatliche Hilfs- oder Unterstützungsorganisationen) abgewendet werden, besteht schon nicht mehr die ernsthafte Gefahr einer Situation extremer materieller Not, die unter Umständen eine staatliche Schutzpflicht zu (ergänzenden) staatlichen Leistungen auslösen kann (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.2022 – 1 C 10.21 – juris Rn. 17 m.w.N.).
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In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ferner geklärt, dass die Gefahr eines ernsthaften Schadenseintritts nicht schon dann gegeben ist, wenn zu einem beliebigen Zeitpunkt nach der Rückkehr in das Heimatland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht. Maßstab für die im Rahmen der Prüfung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK anzustellende Gefahrenprognose ist vielmehr grundsätzlich, ob der vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer nach seiner Rückkehr, gegebenenfalls durch ihm gewährte Rückkehrhilfen, in der Lage ist, seine elementarsten Bedürfnisse über einen absehbaren Zeitraum zu befriedigen. Nicht entscheidend ist hingegen, ob das Existenzminimum eines Ausländers in dessen Herkunftsland nachhaltig oder gar auf Dauer sichergestellt ist. Kann der Rückkehrer Hilfeleistungen in Anspruch nehmen, die eine Verelendung innerhalb eines absehbaren Zeitraums ausschließen, so kann Abschiebungsschutz ausnahmsweise nur dann gewährt werden, wenn bereits zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der letzten behördlichen oder gerichtlichen Tatsachenentscheidung davon auszugehen ist, dass dem Ausländer nach dem Verbrauch der Rückkehrhilfen in einem engen zeitlichen Zusammenhang eine Verelendung mit hoher Wahrscheinlichkeit droht. Je länger der Zeitraum der durch Rückkehrhilfen abgedeckten Existenzsicherung ist, desto höher muss die Wahrscheinlichkeit einer Verelendung nach diesem Zeitraum sein (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.2022 – 1 C 10.21 – juris Rn. 25).
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Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt wiederum voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Art. 3 EMRK-widrige Behandlung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Ein gewisser Grad an Mutmaßung ist dem präventiven Schutzzweck des Art. 3 EMRK immanent, sodass ein eindeutiger, über alle Zweifel erhabener Beweis dafür, dass der Betroffene im Falle seiner Rückkehr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre, nicht verlangt werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.2022 – 1 C 10.21 – juris Rn. 14 m.w.N.).
33
Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, kann der Kläger die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK hinsichtlich Gambia nicht beanspruchen. Beim Kläger handelt es sich um einen arbeitsfähigen Mann, dem es zuzumuten ist, sich sein Existenzminimum mit eigener Arbeit zu erwirtschaften. Mit der Inanspruchnahme von Rückkehrhilfen im Fall der freiwilligen Rückkehr (vgl. zu Gambia https://www.returningfromgermany.de/en/countries/gambia-the/ und allg. https://www.bamf.de/DE/Themen/Rueckkehr/FoerderprogrammREAGGARP/reaggarp-node.html) könnte der Kläger im Übrigen etwaige Start- bzw. Anlaufschwierigkeiten nach einer Rückkehr überwinden und stünde entgegen seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung nicht unmittelbar vor der Schwierigkeit, einen Schlafplatz zu finden (vgl. allg. zu § 60 Abs. 5 AufenthG bezüglich Gambia auch VGH BW, U.v. 24.4.2024 – A 13 S 1931/23 – juris Rn. 48 ff., insbes. Rn. 53). Auch wenn die Frage der Sicherung seines eigenen Existenzminimums und damit eines menschenwürdigen Daseins auf lange Sicht mit der Möglichkeit eines regelmäßigen Zugangs zu antiviralen Medikamenten verknüpft ist, hinge die weitere längerfristige Entwicklung des Daseins des Klägers in Gambia maßgeblich von ihm selbst ab, insbesondere, ob er im zumutbaren Rahmen nach seiner Wiederankunft und Inanspruchnahme von Rückkehrhilfen bis zu deren Verbrauch hinreichende Eigeninitiative zeigt, eine Arbeitstätigkeit aufzunehmen und sich so mittel- und langfristig sein Existenzminimum zu sichern. Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nach einem – unterstellten – Verbrauch von Rückkehrhilfen in engen zeitlichem Zusammenhang in Verelendung gerät, sieht das Gericht nicht bzw. wurden von ihm auch nicht überzeugend in der mündlichen Verhandlung vorgetragen. Das Gericht hält es vielmehr für nicht unwahrscheinlich, dass sich der Kläger bei einer Inanspruchnahme von Rückkehrhilfen wenigstens vorübergehend nach einer Wiederankunft in Gambia im Vergleich zur dortigen Durchschnittsbevölkerung in einer finanziell besseren Situation befände (vgl. überblicksweise die Zusammenstellung bei VGH BW, U.v. 24.4.2024 – A 13 S 1931/23 – juris Rn. 53 a.E.). Nicht außer Acht gelassen kann – wie auch im Kontext des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG – der Umstand, dass es sich bei den vom Kläger geltend gemachten Krankheiten um solche handelt, deren Folgen sich bei einem – unterstellten – Abbruch der Behandlung erst in längerfristiger Zukunft zeigen würden. Die nicht auszuschließende Möglichkeit einer mit Art. 3 EMRK unvereinbaren Situation zu einem beliebigen Zeitpunkt in der Zukunft ist aber weder im Sinn der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte mit einem realen Risiko („real risk“) noch der beachtlichen Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts gleichzusetzen. Das Verbot der erniedrigenden und unmenschlichen Behandlung aus Art. 3 EMRK ist nicht gleichbedeutend damit, dass Unterschiede im Gesundheitssystem bzw. im Behandlungsniveau zwischen dem Konventionsstaat und dem Herkunftsstaat gewissermaßen prophylaktisch ausgeglichen werden müssten und allen Ausländern ohne Aufenthaltsrecht (wie vorliegend dem – auch ausgewiesenen – Kläger) zeitlich unbegrenzt eine kostenlose und unbeschränkte gesundheitliche Versorgung gewährt werden müsste (so fast wörtlich EGMR, U.v. 13.12.2016 [GK] – Paposhvili/Belgien, Nr. 41738/10 – HUDOC Rn. 192 = NVwZ 2017, 1187/1190). Insofern mag der in der mündlichen Verhandlung kommunizierte Wunsch des Klägers, in Deutschland weiter behandelt zu werden, unter Berücksichtigung seiner erlittenen Schmerzen bzw. der erfolgreichen ärztlichen Behandlung durchaus verständlich sein, er findet allerdings unter Berücksichtigung des vorgegebenen Rechtsrahmens zu § 51 VwVfG und der oben dargestellten rechtlichen Anforderungen zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG keine hinreichende rechtliche Stütze.
34
c) Aus den oben genannten Gründen stellt sich damit die vom Bundesamt getätigte Ermessensentscheidung im Kontext des § 51 Abs. 5 VwVfG nicht als fehlerhaft dar, indem es nach Ausführungen zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu dem Ergebnis gekommen ist, an seiner Entscheidung im Erstbescheid vom 17. August 2018 festhalten zu wollen. Die vom Bundesamt getroffene Entscheidung stellt sich auch nach dem letzten Vorbringen des Klägers im Klageverfahren nicht als „schlechthin unerträglich“ (vgl. dazu Becker in BeckOK MigR, Stand 1.7.2024, § 51 VwVfG Rn. 35 m.w.N.) dar.
35
Soweit sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung ergänzend noch auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 1. August 2019 bezogen hat (A 10 K 1972/19 – abrufbar über asyl.net; vgl. zuletzt auch VG Karlsruhe, U.v. 22.8.2024 – A 10 K 2039/23 – juris Rn. 26 ff.), enthält diese im vorläufigen Rechtsschutz ergangene Entscheidung keine substanziellen Ausführungen zur zielstaatsbezogenen Lage in Gambia. Aus dem Urteil vom 22. August 2024 lässt sich entnehmen, dass das dortige Verwaltungsgericht den Kläger in diesem Verfahren nicht als arbeitsfähig angesehen hat (A 10 K 2039/23 – juris Rn. 34). Diesen Eindruck konnte das Gericht – anders als das Verwaltungsgericht Karlsruhe in dem von ihm entschiedenen Fall – hinsichtlich des Klägers gerade nicht gewinnen (s.o.). Auch das Verwaltungsgericht Karlsruhe geht im Übrigen davon aus, dass es einem leistungsfähigen, alleinstehenden erwachsenen Rückkehrer nach Gambia grundsätzlich gelingen dürfte, dort auf legalem Wege seine elementarsten Bedürfnisse nach Nahrung, Unterkunft und Hygiene zu befriedigen (VG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 34).
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.