Titel:
Gesellschafterdarlehen, Unentgeltliche Übertragung, Übertragung von Geschäftsanteilen, Kosten der Nebenintervention, Insolvenzgläubiger, Duldung der Zwangsvollstreckung, Bestellung eines Insolvenzverwalters, Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, Benachteiligungsvorsatz, Übertragung des Gesellschaftsanteils, Erkrankung des Schuldners, Klageerweiterung, Darlehensrückzahlungsanspruch, Mittelbare Gläubigerbenachteiligung, Gesellschaftsanteilsübertragung, Vermögensübertragung, Anfechtungsfristen, Gläubigerbenachteiligungsabsicht, Übertragung von Vermögensgegenständen, Miteigentumsanteil
Schlagworte:
Insolvenzanfechtung, Gläubigerbenachteiligung, Vermögensübertragung, Generalvollmacht, Wertersatzanspruch, Geschäftsanteile, Immobilienübertragung
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 18.12.2017 – 35 O 5777/12
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 05.12.2024 – IX ZR 42/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 39854
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München I vom 18.12.2017 (Az. 35 O 5777/12) abgeändert und insgesamt neu gefasst.
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Insolvenzverwalter EUR 162.662,58 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2018 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Insolvenzverwalter EUR 550.000,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.10.2018 zu zahlen; die Verurteilung zur Duldung der Zwangsvollstreckung in den Miteigentumsanteil an dem Grundstück ... eingetragen im Grundbuch von ..., Blatt 2178, (Ziffer 4 des Tenors des landgerichtlichen Urteils) entfällt.
3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger den Geschäftsanteil im Nominalwert von EUR 12.500,00 an der ..., lfd. Nr. 1, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRB ..., zur Insolvenzmasse zu übertragen.
4. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Insolvenzverwalter den Geschäftsanteil im Nominalwert von DM 19.400, lfd. Nr. 3, an der ..., eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Köln unter HRB ..., zur Insolvenzmasse zu übertragen.
5. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger den hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück ... , eingetragen im Grundbuch von ..., Blatt 5156, an die Insolvenzmasse zu übereignen.
6. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger den hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück ..., eingetragen im Grundbuch von ..., Blatt 8629, an die Insolvenzmasse zu übereignen.
II. Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 18.12.2017 (Az. 35 O 57777/12) wird zurückgewiesen.
III. Die Nebenintervention der ... wird zugelassen.
IV. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Nebenintervention.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Geldforderungen abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags, wenn nicht der Kläger oder die Nebenintervenientin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe erbringen. Die Zwangsvollstreckung aus Ziffer I. 3. kann der Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 15 Millionen abwenden, die Zwangsvollstreckung aus Ziffer I. 4. in Höhe von EUR 5.000, die Zwangsvollstreckung aus Ziffer I.5. In Höhe von EUR 200.000 und die Zwangsvollstreckung aus Ziffer I.6. in Höhe von EUR 10.000, soweit nicht der Kläger zuvor eine entsprechende Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
VI. Die Revision wird nach Maßgabe der Gründe (Ziffer F.IV.) zugelassen.
VII. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu EUR 5.000.000 festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten um Ansprüche nach dem Anfechtungsgesetz sowie – in der Berufungsinstanz – aus Insolvenzanfechtung. Erstinstanzlich machte noch die jetzige Nebenintervenientin als Klägerin gegen den Beklagten Ansprüche aus dem Anfechtungsgesetz geltend und begehrte auf der Grundlage eines rechtskräftigen Zugum Zug Urteils gegen den Schuldner die Duldung der Zwangsvollstreckung in verschiedene Geschäftsanteile (... , ... sowie ... ), Aktien (ehemalige ... und jetzige ...) sowie in Grundstücke (im wesentlichen ... ). Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners übernahm der Insolvenzverwalter als neuer Kläger den unterbrochenen Prozess.
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Die Nebenintervenientin ist eine Beteiligungsgesellschaft/Fondsgesellschaft als Limited nach dem Recht der britischen Jungferninseln. Der Beklagte ist der Sohn des ... (im Folgenden: Schuldner). Über das Vermögen des Schuldners wurde aufgrund Insolvenzantrags vom 23.10.2019 mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 18.12.2019 (Az. 70e IN 40/19) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
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Der Schuldner wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts München I vom 06.02.2012 (Az. 34 O 6388/09, Anlage K 1) zur Zahlung an die Nebenintervenientin in Höhe von EUR 21.250.000.00 zuzügl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.04.2009 Zug um Zug gegen Übergabe und Übertragung des Eigentums an 2.500.000 Stück Aktien der ... an die hiesige Nebenintervenientin verurteilt. Dieser Verurteilung lag eine „Abtretungsvereinbarung und Optionsvereinbarung zum Erwerb von Aktien an der ...“ vom 28.05.2008 zugrunde, mit der der Schuldner sämtliche Rechte und Pflichten einer anderen Gesellschaft aus einer Put-Optionsvereinbarung mit der Nebenintervenientin übernahm und ihr zugleich unwiderruflich anbot, bis zu 2.500.000 Stück Aktien der ... zu einem Preis von EUR 8,50 pro Aktie zu erwerben. Dieses Angebot nahm die Nebenintervenientin spätestens am 31.03.2009 an. Die Nebenintervenientin hat 2014 die genannten Aktien der ... im Wege des Selbsthilfeverkaufs veräußert und hierbei einen Erlös in Höhe von EUR 6.250.000 erzielt, nachdem sie u.a. mit Schreiben vom 29.01.2013 den Selbsthilfeverkauf gegenüber dem Schuldner bzw. seiner generalbevollmächtigten Ehefrau angekündigt hatte. Die ... ist mittlerweile auf die ... verschmolzen, so dass eine Beschaffung von ... nicht mehr möglich ist. Ob die Annahme vom 31.03.2009 wirksam erfolgte, ist zwischen den Parteien streitig und u.a. Gegenstand des Verfahrens OLG München Az. 34 U 1437/16 zwischen der hiesigen Nebenintervenientin als Klägerin und dem hiesigen Kläger als Beklagtem zu 1), dem hiesigen Beklagten als Beklagten zu 2) und Frau ..., Ehefrau des Schuldners, als Beklagter zu 3). Gegenstand dieses Verfahrens ist weiter die streitige Frage, ob sich der Schuldner zum Zeitpunkt der Androhung des Selbsthilfeverkaufs von 2.500.000 Stück Aktien der ... durch die Nebenintervenientin zum 29.01.2013 im Annahmeverzug befand und dieser ordnungsgemäß angedroht wurde. Zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung war im dortigen Verfahren ein Verkündungstermin auf den 20.12.2023 bestimmt.
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Der Schuldner hat die hier streitgegenständlichen Geschäftsanteile, Aktien und Grundstücke im Zeitraum April bis November 2009 an den Beklagten übertragen, wobei der Beklagte an den Übertragungen nicht unmittelbar persönlich beteiligt war, sondern seine Mutter, die Zeugin ... , diese in Generalvollmacht für ihn und den Schuldner vorgenommen hat. Wegen einer Gemäldesammlung mit streitiger Eigentumslage ist ein Anfechtungsprozesses der Nebenintervenientin vor dem Landgericht Köln (Az. 37 O 89/13, Anlage K 68) anhängig, der durch Beschluss vom 24.01.2019 bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits vor dem OLG München, Az. 34 U 1437/16, ausgesetzt wurde (Anlage B 123).
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Hinsichtlich der ... war der Schuldner alleiniger Gesellschafter und zusammen mit seinem Neffen, Herrn ... , Geschäftsführer; er ist am 24.11.2011 als Geschäftsführer ausgeschieden. Zum 19.11.2009 übertrug er notariell seine Geschäftsanteile an der Gesellschaft in Höhe von nominal EUR 25.000 zu 50% je auf seinen Neffen und auf den Beklagten. Der Geschäftsanteil von 50% wurde für einen Kaufpreis in Höhe von EUR 12.500 an den Beklagten übertragen. Zum Zeitpunkt der Übertragung des Geschäftsanteils verfügte die Gesellschaft über 27 Wohneinheiten in M. W. und 28 Wohneinheiten in M. U.. Im Zeitraum von 2000 bis April 2009 war der Schuldner zu 38,3% Gesellschafter (neben seiner Ehefrau und dem Beklagten) und einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der ... . Am 24.04.2009 übertrug der Schuldner notariell seinen Geschäftsanteil von nominal DM 19.400 (38,8%) an der ... auf den Beklagten und schied als Geschäftsführer aus der Gesellschaft aus. Gegenstand der Gesellschaft ist die Beteiligung an Unternehmen aller Art. Hinsichtlich der Grundstücke ... und des weiteren Grundstücks ... war der Schuldner jeweils zur Hälfte Miteigentümer, der weitere hälftige Miteigentumsanteil stand im Eigentum seiner Ehefrau ... . Am 09.06.2009 übertrug er jeweils seinen hälftigen Miteigentumsanteil an den genannten Immobilien auf den Beklagten, der jeweils am 25.06.2009 als neuer Miteigentümer im Grundbuch ... eingetragen wurde (Anlagen B 126 und B 127). In diesem Zug veranlasste die Zeugin ... , Ehefrau des Schuldners, auch die Übertragung der jeweils in ihrem Eigentum stehenden hälftigen Miteigentumsanteile an den Beklagten.
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Des weiteren übertrug der Schuldner seinen Gesellschaftsanteil von nominal EUR 51.250 DM an der ... an den Beklagten, die näheren Details und insbesondere der Zeitpunkt der Übertragung (2007 oder 2009) sind streitig. Darüber hinaus übertrug er am 16.04.2009 eine streitige Anzahl von Aktien an der jetzigen ... an den Beklagten (Anlage K 75); der Beklagte bestätigt insofern den Erhalt von 161.574 Aktien der ... unter Berücksichtigung des Reverse Aktiensplits aus 2013, wohingegen die Klageseite von der Übertragung von 198.369 Aktien ausgeht.
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Die ehemalige Klägerin und jetzige Nebenintervenientin hat erstinstanzlich vorgetragen, sämtliche übertragenen Vermögensgegenstände seien zum Zeitpunkt der Übertragung werthaltig gewesen. Ihr Wert bemesse sich im wesentlichen nach der von dem Bruder des Schuldners, ... , mit Stand vom 12.02.2009 erstellten Vermögensübersicht (Anlage K 23). Der Schuldner habe für die Übertragung der Vermögensgegenstände an den Beklagten keine (angemessene) Gegenleistung erhalten. Dem Beklagten sei bekannt gewesen, dass zu den Übertragungszeitpunkten bereits die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners eingetreten sei bzw. gedroht habe. Das tatsächliche Vermögen des Schuldners habe im Februar 2009 bei höchstens EUR 5.397.004 gelegen. Dem Beklagten sei bewusst gewesen, dass die Übertragungen die Gläubiger benachteiligen würden und dass der Schuldner bei diesen Übertragungen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt habe. Das Wissen der für den Schuldner und den Beklagten bevollmächtigten Zeugin ... sei dem Beklagten zuzurechnen.
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Der Beklagte hat erstinstanzlich die Partei- und Prozessfähigkeit der Nebenintervenientin sowie die ordnungsgemäße Bevollmächtigung deren Prozessbevollmächtigter bestritten. Die Anteile der ... seien aufgrund eines nicht rückdatierten Vertrags vom 05.01.2007 übertragen worden. Hinsichtlich der ... (jetzige ... ) habe die Zeugin ... aufgrund einer mündlichen Vereinbarung vom 16.04.2009 insgesamt 32.314.844 Stück Aktien der ... auf ein Depot des Beklagten übertragen. Aufgrund eines Reverse-Aktiensplits im Verhältnis 200:1 im Jahr 2013 habe der Beklagte nur 161.576 Stück Aktien gekauft. Obwohl er hierfür einen Kaufpreis in Höhe von EUR 4.847.226,00 bezahlt habe, der auf einen Darlehensrückzahlungsanspruch des Beklagten gegen den Schuldner, der in Höhe von EUR 21.351.619,50 bestanden habe, angerechnet worden sei, seien die Aktien zu diesem Zeitpunkt bereits wertlos gewesen. Er habe die Aktien im Jahr 2014 über die Börse verkauft und nur noch einen deutlich geringeren Kaufpreis als den Kaufpreis erzielt, den er selbst an seinen Vater gezahlt habe. Die Aktien hätten heute (2016) einen Wert von ca. USD 6 pro Stück. Darüber hinaus seien sämtliche Vermögensgegenstände nicht unentgeltlich übertragen worden, sondern auf der Basis von Kaufverträgen zu angemessenen Kaufpreisen erfolgt. Seine Mutter, die Zeugin ... , habe ohne Kenntnis des Schuldners den Geschäftsanteil des Schuldners an der ... im Nennbetrag von DM 19.400 durch notariellen Vertrag im April 2009 an ihn gegen eine Zahlung von EUR 9.116,06 verkauft. Bei den Grundstückskaufverträgen seien Kaufpreise in Höhe der Verkehrswerte entrichtet worden. Die zu entrichtenden Kaufpreise seien mit der Darlehensrückforderung in Höhe von EUR 21.351.619,50, die der Beklagte gegenüber dem Schuldner gehabt habe, verrechnet worden. Die Darlehensrückforderung in Höhe von EUR 21.351.619,50 resultiere aus Aktienverkäufen des Schuldners aus dem Depot des Beklagten im Jahr 2006 von über EUR 15.000.000, die sich dieser als Darlehen selbst gewährt habe, um mit Aktien zu spekulieren, und nicht zurückgeführt habe. Im übrigen seien die Anteile an der ... und der ... aufgrund der Überschuldung dieser Gesellschaften im Jahr 2009 nicht werthaltig gewesen. Weder habe dem Schuldner 2009 die Zahlungsunfähigkeit gedroht noch habe er, der Beklagte, die Vermögensverhältnisse des Schuldners gekannt. Die Übertragung der Gesellschaftsanteile habe allein dem Ziel gedient, den Fortbestand der Gesellschaften zu sichern. Eine Gläubigerbenachteiligung sei nicht eingetreten.
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Die Zwangsvollstreckung der Nebenintervenientin aus dem Urteil des Landgerichts München I vom 06.02.2012 (AZ. 34 O 6388/09) sei zudem gemäß § 826 BGB unzulässig, da der Schuldner bei Abschluss der Optionsvereinbarung am 28.06.2008 von dem Geschäftsführer der ..., an deren Stelle der Schuldner in die Optionsvereinbarung mit der Klägerin im Wege einer Schuldübernahme nach § 415 BGB eingetreten sei, arglistig getäuscht worden sei und die Vertreter der Klägerin hierzu Beihilfe geleistet hätten. Entsprechende Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin habe der Schuldner mit Abtretungsvereinbarung vom 01.12.2016 an den Beklagten abgetreten.
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Wegen weiterer Einzelheiten, auch der erstinstanzlich gestellten Anträge, wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.
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Das Landgericht sah die Klage als zulässig an und gab nach erfolgter Beweisaufnahme mit Urteil vom 18.12.2017 (berichtigt mit Beschluss vom 29.06.2018, Bl. 1412 ff d.A.) der Klage im wesentlichen statt. Die Anträge auf Duldung der Zwangsvollstreckung in 198.369 Aktien der ... . sowie in den Gesellschaftsanteil von nominal EUR 51.250 der ... wies es ab (vgl. Klageerweiterung vom 21.04.2016). Der Einwand des Beklagten der sittenwidrigen Erwirkung des Urteils des LG München I vom 06.02.2012 (AZ. 34 O 6388/09) nach § 826 BGB greife nicht durch. Ein sittenwidriges kollusives Zusammenwirken zwischen der Klägerin und Herrn ... zum Nachteil des Schuldners sei nicht hinreichend vorgetragen oder belegt. Bezüglich der Anfechtungstatbestände gelte, dass die Gesellschaftsanteile an der ... sowie ... werthaltig seien wie auch die Miteigentumsanteile an den drei Immobilien in der .... Insbesondere habe die ... im Jahr 2008 insgesamt 55 Eigentumswohnungen in M. erworben. Der Wert der Gesellschaft bestimme sich nach dem Verkehrswert der Wohnungen und nicht nach den in der Bilanz ausgewiesenen Anschaffungs- und Herstellungskosten. Die Übertragungen der Vermögensgegenstände seien unentgeltlich erfolgt, ohne eine ausgleichende Zuwendung bzw. adäquate Gegenleistung des Beklagten.
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Vortrag des Beklagten im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast zu der von ihm erbrachten Gegenleistung sei unschlüssig und widersprüchlich, nachdem der Beklagte zunächst die Kaufpreiszahlungen, dann die Verrechnung mit Darlehensforderungen behauptet habe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seien die Übertragungen der Grundstücke sowie der Beteiligung an der ... unentgeltlich erfolgt. Der für die Gesellschaftsanteile der ... vereinbarte Kaufpreis in Höhe von EUR 12.500 stehe zu dem Wert der Gesellschaft in einem so krassen Missverhältnis, dass die Leistung als unentgeltlich zu bewerten sei.
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Die Anfechtungen aus der Klageerweiterung vom 21.04.2016 seien dagegen außerhalb der Anfechtungsfrist des § 4 AnfG erfolgt und daher ohne Erfolg. Die Voraussetzungen des Anfechtungstatbestands gemäß § 3 AnfG lägen nicht vor, da die Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht habe nachweisen können, dass der Beklagte Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gehabt habe. Im übrigen seien die Gesellschaftsanteile an der ... wertlos.
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Die Nebenintervenientin hat mit Schriftsatz vom 17.01.2018 gegen das ihr am 22.12.2017 zugestellte Urteil Berufung eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung mit Schriftsatz vom 22.03.2018 begründet.
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Gegen das ihm am 02.01.2018 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 16.01.2018 Berufung eingelegt. Er hat diese nach gewährter Fristverlängerung mit Schriftsatz vom 16.05.2018 begründet.
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Die Nebenintervenientin beantragte, das erstinstanzliche Urteil abzuändern, soweit es die Klage mit Ausnahme der Gesellschaftsanteile an der ... abgewiesen habe. Die erstinstanzliche Beweisaufnahme habe gezeigt, dass der Beklagte Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners auch im Hinblick auf die Übertragung der Aktien der ... gehabt habe gem. § 3 Abs. 1 AnfG a.F., die entsprechenden Zeugenaussagen seien zum Teil falsch gewürdigt worden. Daneben lägen erhebliche Beweisanzeichen für die Gläubigerbenachteiligungsabsicht und die Kenntnis des Beklagten von der Benachteiligungsabsicht vor, die das Landgericht nicht gewürdigt habe. Unmittelbar nach Erhebung der Klage gegen den Schuldner am 06.04.2009 seien innerhalb der Familie des Schuldners im Jahr 2009 eine Vielzahl von Vermögensübertragungen durchgeführt worden, so neben den streitgegenständlichen eine Barüberweisung des Schuldners an den Beklagten im April in Höhe von EUR 1,6 Mio. Außerdem sei der übrige 50%ige Anteil an der ... auf den Neffen des Schuldners, den Zeugen ... , übertragen worden, und es habe weitere Übertragungen von erheblichen Vermögenswerten an die Ehefrau des Schuldners gegeben (Bildersammlung im Wert von ca. EUR 8 Mio, 296.161 Aktien der ...). Sämtliche Übertragungen hätten zu einer inkongruenten Deckung des Beklagten geführt. Dieser sei auch in die Vermögensübertragungen aktiv eingebunden gewesen. Bei den Grundstücksübertragungen seien Rückauflassungsvormerkungen eingetragen worden. Bei dem Beklagten handele es sich zudem um eine nahestehende Person i.S.d. § 138 InsO. Auch unter Anwendung der Vermutungsregel des § 3 Abs. 1 S.2 AnfG habe der Beklagte Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners gehabt, insbesondere sei ihm die Existenz mehrerer Gläubiger bewusst gewesen. Die positive Kenntnis der Zeugin ... , die er bevollmächtigt habe, sei dem Beklagten zudem gemäß § 166 BGB zuzurechnen. Die Zeugin habe mehrfach, u.a. gegenüber dem psychiatrischen Gutachter ... (Anlage K 71) geäußert, dass „das Geld aus dem Verfahren mit der ... nicht da sei und sie insolvent seien, falls sie es zahlen müssten“. Aufgrund der hohen Anzahl von Vermögensübertragungen im Jahr 2009 aus dem Schuldnervermögen heraus an Familienangehörige folge der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und seiner Ehefrau als Generalbevollmächtigter. Die 10-jährige Anfechtungsfrist des § 3 Abs. 1 AnfG a.F. sei gewahrt. Der Schuldner hätte die Zwangsvollstreckung in die 198.369 Aktien der ... grundsätzlich zu dulden. Da er diese vollständig veräußert habe, was die Klägerin in der Berufungsinstanz unstreitig stellt, habe er Wertersatz in Höhe des Umrechnungskurses zum Zeitpunkt der Berufungsbegründung (Umrechnungskurs zum 22.03.2018 in Höhe von EUR 0,82 pro Aktie) und damit in Höhe von EUR 162.662,58 zu leisten. Da das Grundstück ... zwischenzeitlich durch den Beklagten und die Zeugin ... zu einem Kaufpreis in Höhe von EUR 1,1 Mio veräußert worden sei, schulde der Beklagte Wertersatz in Höhe von EUR 550.000. Im übrigen habe der Schuldner auf den Beklagten einen Geschäftsanteil von nominal DM 19.400 an der ... übertragen, so dass der ausgeurteilte Betrag von DM 19.850 zu korrigieren sei.
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Im übrigen verteidigt die Nebenintervenientin das erstinstanzliche Urteil und ist der Auffassung, der Wert der ... sei mit EUR 1.555.836,00 entsprechend der vom Beklagten im Prozess selbst vorgelegten Vermögensübersicht (Anlagen B 8 und K 23) anzusetzen. Bei den Positionen „Verbindlichkeiten“ in der vorgelegten Bilanz zum 31.12.2010 handele es sich ausnahmslos um Gesellschafterdarlehen, für die zur Vermeidung der Überschuldung ein Rangrücktritt vereinbart worden sei. Die übertragenen Geschäftsanteile der ... seien angesichts des von der Gesellschaft unstreitig gehaltenen Immobilienvermögens werthaltig ungeachtet des in der Bilanz zum 31.12.2010 zum Stichtag 21.12.2009 ausgewiesenen Jahresfehlbetrags in Höhe von EUR 204.683,62. Der tatsächliche Verkehrswert sei auch nicht mit dem zu Anschaffungs- und Herstellungskosten bilanzierten Wert gleichzusetzen. Es komme zudem nicht auf die genaue Wertfestsetzung, sondern die Werthaltigkeit der Anteile allgemein an. Entscheidender Zeitpunkt sei der Schluss der letzten mündlichen Verhandlung 2017. Die erstinstanzliche Beweisaufnahme habe ergeben, dass die streitgegenständlichen Vermögensübertragungen (Gesellschaftsanteile und Miteigentumsanteile an Immobilien) unentgeltlich erfolgt seien, das Landgericht habe die Aussagen der vernommenen Zeugen zutreffend gewürdigt. Der Zeugeneinvernahme des von Beklagtenseite benannten beurkundenden Notars habe es nicht bedurft, da das Landgericht die von Beklagtenseite genannten Kaufpreise seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe und sich die Unentgeltlichkeit aus der nicht bewiesenen Behauptung des Beklagten, dass diese mit wirksamen Gegenforderungen des Beklagten verrechnet worden seien, ergebe. Der zwischenzeitlich erfolgte freihändige Verkauf der geschuldeten Gegenleistung, d.h. der Lieferung von 2.500.000 ... , habe zur Folge, dass der Hauptschuldner hinsichtlich der Gegenleistung als befriedigt gelte. Der Erlös aus dem freihändigen Verkauf der Aktien in Höhe von EUR 6.250.000 führe zur Reduzierung der Hauptforderung um diesen Betrag. Hierdurch ändere sich jedoch nicht der Tenor des Urteils gegen den Hauptschuldner. Der Nachweis der Befriedigung mit der Zugum ZugLeistung werde im Zwangsvollstreckungsverfahren durch Vorlage entsprechender öffentlicher Urkunden geführt. Diesem Zweck diene auch das von ihr erstrebte Feststellungsurteil im Verfahren OLG München AZ. 34 O 9367/12. Dem Erstgericht sei kein Tenorierungsfehler unterlaufen, da der Schuldner aufgrund des freihändigen Verkaufs der ... befriedigt worden sei, zumal sich der Schuldner zuvor im Annahmeverzug befunden habe.
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Die Anfechtungsklage könne neben § 4 AnfG auch auf § 3 Abs. 1 AnfG a.F. gestützt werden.
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Der Beklagte rügte die Partei- und Prozessfähigkeit der Nebeninterventin und hält deren Klage insgesamt für unbegründet. Er beruft sich auf sein erstinstanzliches Vorbringen, wonach der Schuldtitel auf Zahlung von EUR 21.250.000 aus dem Verfahren des Landgerichts München I, Az. 34 O 6388/09, materiell unrichtig sei. Dieser beruhe auf der Optionsübernahmeerklärung des Schuldners vom 28.05.2008, bei dessen Abschluss der Schuldner durch den Geschäftsführer der ..., sowie die Klägerin über die Insolvenzreife der ... , die Werthaltigkeit der Aktien der ... und die Frage der Ausübung der Option durch die Nebenintervenientin arglistig getäuscht worden sei. Diese Erklärung des Schuldners habe dessen Ehefrau und Generalbevollmächtigte am 03.11.2016 wegen arglistiger Täuschung angefochten. Der rechtskräftige Titel (Urteil des Landgerichts München I vom 06.02.2012, Az. 34 O 6388/09, Anlage K 1) sei daher unrichtig geworden. Die Nebenintervenientin habe gewusst, dass die Zeugenaussage des ... im Prozess vor dem Landgericht München I falsch gewesen sei und dies „tatenlos durchgehen“ lassen und sich auf diese Weise sittenwidrig den Titel erschlichen. Im übrigen fehle es an einer Gläubigerbenachteiligung bezüglich der Übertragung der Gesellschaftsanteile an der ... , da diese sowohl im Zeitpunkt der Übertragung als auch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung überschuldet und wertlos gewesen sei, dies folge aus den Vorjahreszahlen für 2009 in der Bilanz zum 31.12.2010 (Anlage B 7). Das hierzu erfolgte Beweisangebot des Beklagten auf Erholung eines Sachverständigengutachtens habe das Erstgericht fehlerhaft übergangen. Die Darlehensforderungen der Gesellschafter seien trotz der Rangrücktrittserklärungen bei der Wertermittlung der Gesellschaft zu berücksichtigen, lediglich bei der Erstellung einer Überschuldungsbilanz seien sie nicht zu berücksichtigen, auf diese Weise würde eine Insolvenzantragspflicht wegen bilanzieller Überschuldung vermieden. Ausweislich des Jahresabschlusses zum 31.12.2016 weise ... einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von EUR 12.267.965,76 auf und sei damit nach wie vor überschuldet und wertlos. Weiter sei die Übertragung des Gesellschaftsanteils an der ... nicht unentgeltlich erfolgt. Das Landgericht habe den Wert der Gesellschaft bzw. des übertragenen GmbH-Anteils fehlerhaft durch Zeugenbeweis anstatt durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bestimmt und diesen auch nicht genau beziffert. Zum Zeitpunkt der Übertragung 2009 sei die Gesellschaft überschuldet und wertlos gewesen, der Erwerb der Wohnungen einschließlich der Erwerbsnebenkosten im Jahr 2008 sei durch die Gesellschaft komplett fremdfinanziert worden. Nur eine Rangrücktrittserklärung des durch den Schuldner der Gesellschaft gewährten Darlehens in Höhe von EUR 500.000 habe die Insolvenzantragspflicht verhindert. Grundsätzlich könne der Wert von Immobilien und Unternehmensanteilen nur durch Sachverständige bestimmt werden. Für die Frage des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes komme es auf die Zeugin ... an, die die Vermögensverfügungen in Vertretung des nicht geschäftsfähigen Schuldners vorgenommen habe. Ein entsprechender Vorsatz liege nicht vor. Weder für die Zeugin noch für den Beklagten sei im Zeitpunkt der Übertragungen erkennbar gewesen, dass das Vermögen des Schuldners nicht zur Befriedigung der Gläubiger ausreichen würde. Dieses habe sich auf einen bis zu dreistelligen Millionenbetrag belaufen. Die Zeugin und der Beklagte hätten der Vermögensübersicht des Zeugen ... , damaliger Vorstand der ..., vom Februar 2009 (Anlage K 23, B 8 bzw. B 25 im Anlageband K1) vertraut und seien davon ausgegangen, dass das Vermögen ausreichen würde, um etwaige Verbindlichkeiten zu tilgen. Zum damaligen Zeitpunkt seien neben der ehemaligen Klägerin auch keine weiteren Gläubiger vorhanden gewesen. Hintergrund der Übertragung der Geschäftsanteile durch die Zeugin ... bezüglich der ... auf den Beklagten und den Zeugen ... sei allein der Wunsch der Erhaltung und Fortführung der Gesellschaft und die entsprechende Beratung der Zeugen ... und ... gewesen. Die geschäftlich unerfahrene Zeugin sei zudem der Auffassung gewesen, dass die Anteile nicht mehr als EUR 25.000 wert gewesen seien. Auch die Übertragung des Gesellschaftsanteils der ... sei nicht unentgeltlich erfolgt. Der Kaufpreis in Höhe von EUR 9.116,06 sei vom Beklagten durch Verrechnung mit der Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von EUR 21.165.000, das er 2007 /2008 dem Schuldner bzw. dieser im Wege des Insichgeschäfts sich selbst gewährt habe, erbracht worden. Der Kaufpreis sei vor dem Hintergrund der Wertlosigkeit der Gesellschaft angemessen gewesen. Der Beklagte sei auch an der Fortführung der Gesellschaft interessiert gewesen, da er ihr ein Darlehen über EUR 8 Millionen gewährt hatte. Die drei Grundstücksübertragungen seien nicht unentgeltlich erfolgt. Vielmehr seien die jeweils 50%igen Miteigentumsanteile des Schuldners an den drei Grundstücken an den Beklagten gegen ein Entgelt in Höhe von EUR 525.000 übertragen worden, davon entfielen EUR 325.000 auf den Miteigentumsanteil an der Immobilie ... und EUR 200.000 auf den Miteigentumsanteil an der Immobilie ... . Bei der dritten Immobilie handele es sich um eine reine Zufahrt für das Hinterliegergrundstück ..., diese sei unbebaubar und deshalb ohne Wert. Die Kaufpreise seien durch Verrechnungen mit der genannten Darlehensrückzahlungsforderung bezahlt worden. Hintergrund für die Übertragungen sei der schon länger bestehende Wunsch der Eheleute ... gewesen, diesen restlichen Grundbesitz an ihren Sohn zu übertragen, nachdem sie in den Jahren zuvor schon die Immobilien ... und ... auf ihn übertragen hätten. Verfahrensfehlerhaft habe das Landgericht das Beweisangebot der Einvernahme des beurkundenden Notars ... zum Beweis der Entgeltlichkeit der Übertragungen übergangen. Der Beklagte ist weiter der Auffassung, dass die Klage frühestens durch Vorlage der Prozessvollmacht der Klägervertreter vom 24.03.2014 zulässig geworden sei. Die Anfechtungsfrist des § 4 AnfG sei daher nicht eingehalten. Das Landgericht hätte darüber hinaus die behauptete Hauptforderung der ehemaligen Klägerin nur Zug um Zug gegen Übertragung der 2.500.000 Stück Aktien der ... auf den Schuldner aussprechen dürfen. Im übrigen sei die ehemalige Klägerin auch formell nicht beschwert. Im Hinblick auf die Berufung der ehemaligen Klägerin fehle es sowohl am Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Zeugin ... bezüglich der Übertragung der ... Aktien wie auch an der Kenntnis des Beklagten. Die Beweisanzeichen seien widerlegt, insbesondere habe der Schuldner aus der Barüberweisung iHv 1,6 Mio EUR einen Betrag iHv 1,5 Mio EUR als Barsicherheit für eine von der Kreissparkasse Köln zu stellende Bankbürgschaft an den Schuldner zurück gewährt.
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Mit rechtskräftigem Zwischenurteil vom 23.10.2018 (Bl. 1494 ff d.A.) hat der Senat die Klage und die Berufung der Nebenintervenientin für zulässig erklärt, deren Partei- und Prozessfähigkeit sowie die Postulationsfähigkeit ihrer Prozessvertreter seien nachgewiesen.
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Mit Beschluss vom 07.05.2019 hat der Senat das Verfahren gemäß § 148 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits ... / ... vor dem Oberlandesgericht München, Az. 34 U 1437/16 ausgesetzt (B. 1561 ff d.A.). Im Bezugsverfahren nimmt die ehemalige Klägerin, wie ausgeführt, den Schuldner auf Feststellung in Anspruch, dass er hinsichtlich der von ihm Zug um Zug zu erbringenden Leistung auf Übergabe und Übertragung des Eigentums an 2.500.000 Aktien der ... befriedigt ist bzw. beantragt zuletzt die Feststellung ihrer Hauptforderung (ohne Zug-um-Zug-Leistung) und ihrer Zinsforderung zur Tabelle im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners.
22
Mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 18.12.2019 (Az. 70e IN 40/19) wurde über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet. Der zugrundeliegende Insolvenzantrag datiert vom 23.10.2019 (Anlage LA 1). Der jetzige Kläger wurde zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners bestellt. Dieser hat mit Schriftsatz vom 10.08.2020 (Bl. 1561 ff d.A.) den Rechtsstreit zwischen der Nebenintervenientin und dem Beklagten anstelle der Nebenintervenientin aufgenommen. Diese hat mit Schriftsatz vom 09.09.2020 erklärt, dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers als Nebenintervenientin beizutreten (Bl. 1571 ff d.A.).
23
Der Kläger trägt vor, ein Aussetzungsgrund bestehe nicht mehr, der Anfechtungsanspruch hänge nicht mehr von der Zug um Zug zu erfüllenden Forderung der ursprünglichen Klägerin ab, da der Beklagte dem neuen Kläger den Einwand gegen den ursprünglich zur Einzelanfechtung berechtigenden Schuldtitel nicht mehr entgegenhalten könne. Die Bindung an die Berechtigungsvoraussetzungen nach § 2 AnfG, insbesondere an den zur Einzelanfechtung berechtigenden Titel, sei im Fall der Insolvenzeröffnung nicht mehr gegeben. Der Beklagte könne daher dem neuen Kläger den Einwand gegen den ursprünglich zur Einzelanfechtung berechtigenden Schuldtitel nicht mehr entgegenhalten. Er mache Ansprüche sowohl nach dem Anfechtungsgesetz (§§ 3 a.F., 4 AnfG) als auch nach der Insolvenzordnung geltend. Er ist der Auffassung, dass die streitgegenständlichen Vermögensübertragungen objektiv gläubigerbenachteiligend und die übertragenen Vermögensgegenstände werthaltig seien. Die Übertragung des Geschäftsanteils an der ... im Nominalwert von EUR 12.500 sei als unentgeltlich anzusehen, da der hierfür angesetzte Kaufpreis von EUR 12.500 keine adäquate Gegenleistung darstelle. Eine Anfechtbarkeit gemäß § 4 AnfG und § 3 Abs. 1 a.F. AnfG sei gegeben, die Anfechtungsfrist sei durch die Klageeinreichung der bisherigen Klägerin gewahrt worden. Kaufpreiszahlungen seien durch den Beklagten nicht schlüssig vorgetragen, dies gelte auch für etwaige Verrechnungen mit behaupteten Schadensersatz- oder Darlehensrückzahlungsansprüchen. Eine Gegenleistung für die Übertragung der Grundstücke sei in der Gesamtschau nie vereinbart worden. Etwaige Ansprüche, die der Beklagte auch nicht belastbar dargelegt oder dokumentiert habe, habe der Kläger daher bestritten und werde sie nicht zur Insolvenztabelle anerkennen. Der Schuldner habe mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt. Die Kenntnis der Zeugin ... sei dem Beklagten gem. § 166 BGB zuzurechnen. Gleiches gelte für die Grundstücke, die alle ohne Gegenleistung übertragen worden seien Zwischenzeitlich hätten der Beklagte und die Zeugin ... das Grundstück ... in ... zu einem Kaufpreis von EUR 1.100.000 veräußert (Anlage K 70). Da dem Beklagten die Herausgabe des Grundstücks an den Kläger nicht mehr möglich sei, habe er in Höhe des hälftigen Miteigentumsanteils, der ihm vom Schuldner übertragen worden sei, Wertersatz in Höhe von EUR 550.000 zu leisten. Gemäß § 3 Abs. 1 AnfG a.F. sei die Übertragung der 198.369 Aktien der ... durch den Schuldner auf den Beklagten anfechtbar, die 10-jährige Anfechtungsfrist sei durch die Erweiterung der Klage mit Schriftsatz der bisherigen Klägerin vom 21.04.2016 gewahrt. Da wegen der Veräußerung der Aktien durch den Beklagten eine Rückgewähr zur Masse nicht mehr möglich sei, habe der Kläger Anspruch auf Wertersatz in Höhe von EUR 162.662,58. Die Übertragung des Geschäftsanteils an der ... in Höhe von nominal DM 19.400 sei als unentgeltlich anfechtbar gemäß § 4 AnfG und § 3 Abs. 1 AnfG a.F.. Zudem würden die Anfechtungsansprüche auf §§ 133 Abs. 1, 134 Abs. 1 InsO gestützt. Auch hier seien die jeweiligen Anfechtungsfristen durch die Klageerhebung im Rahmen der Einzelgläubigeranfechtung durch die bisherige Klägerin gewahrt. Insoweit komme es auch nicht auf eine etwaige Vorgreiflichkeit der Feststellungsklage an, da § 2 AnfG für die Insolvenzanfechtung keine Anwendung finde.
I. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 18. Dezember 2017, Az. 5 O 5777/12, wird der Beklagte verurteilt, an Herrn Prof. ... EUR 162.662,58 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
II. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 18. Dezember 2017, Az. 35 O 5777/12, wird der Beklagte verurteilt, an Herrn Prof. ... den Geschäftsanteil im Nominalwert von DEM 19.400, lfd. Nr. 3, an der ... , eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Köln unter HRB 47408, zur Insolvenzmasse zurückzugewähren.
III. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 18. Dezember 2017, Az. 35 O 5777/12, wird der Beklagte verurteilt, an Herrn Prof. ... EUR 550.000,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
25
Im übrigen beantragt der Kläger, die Ziffern 1. sowie 3. und 5. des Urteils des Landgerichts München I vom 18. Dezember 2017, Az. 35 O 5777/12 wie folgt richtigzustellen:
I. Der Beklagte wird verurteilt, an Herrn Prof. ... den Geschäftsanteil im Nominalwert von EUR 12.500 an der ..., lfd. Nr.1, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRB 156828, zur Insolvenzmasse zurückzugewähren.
II. Der Beklagte wird verurteilt, an Herrn Prof. ... den Miteigentumsanteil an dem Grundstück ..., ... . , Flurstück 3211 der Gemarkung ... , eingetragen im Grundbuch von ..., Blatt 5156, zur Insolvenzmasse zurückzugewähren.
III. Der Beklagte wird verurteilt, an Herrn Prof. ... den Miteigentumsanteil an dem Grundstück ..., ... . , Flurstück 3215 der Gemarkung ..., eingetragen im Grundbuch von ..., Blatt 8629, zur Insolvenzmasse zurückzugewähren.
26
Die auf Seiten des Klägers beigetretene Nebenintervenientin schließt sich den Anträgen des Klägers an und beantragt darüber hinaus:
Die durch die Nebenintervention verursachten Kosten trägt der Beklagte.
27
Der Beklagte beantragt,
I. Das Urteil des Landgerichts München I vom 18.12.2017, Az. 35 O 5777/12 wird aufgehoben, soweit der Klage stattgegeben worden ist.
II. Die Klage wird abgewiesen.
28
Der Kläger beantragt dazu,
die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 18.12.2017, Az. 35 O 5777/12, zurückzuweisen.
29
Im Hinblick auf die Berufung der jetzigen Nebenintervenientin beantragt der Beklagte, deren Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 18.12.2017, Az. 35 O 5777/12, zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.
30
Im Hinblick auf die Nebenintervention beantragt der Beklagte, diese zurückzuweisen (Bl 1726 d.A.).
31
Der Beklagte ist der Auffassung, der Anspruch der ehemaligen Klägerin auf Kaufpreiszahlung in Höhe von EUR 21.250.000 sei gemäß § 326 BGB nachträglich entfallen, da eine Übertragung der ... infolge der Verschmelzung auf die ... nachträglich unmöglich geworden sei. Der Beklagte könne diesen Einwand auch dem jetzigen Kläger gemäß § 767 Abs. 1 ZPO entgegenhalten. Wenn sich der Insolvenzverwalter wie vorliegend auf den Anfechtungsanspruch des Anfechtungsgläubigers nach dem Anfechtungsgesetz berufe, müsse er sich auch die Einwendungen des Beklagten gegen § 2 AnfG entgegenhalten lassen. Dies gelte darüber hinaus auch, soweit der Kläger seine Ansprüche im Anfechtungsprozess zusätzlich auf §§ 133,134 InsO stütze. Der Kläger müsse daher auch die Anspruchsvoraussetzungen des §§ 2 ff AnfG darlegen und beweisen. Diese lägen jedoch nicht vor, da dem vollstreckbaren Titel der Einwand des § 826 BGB insgesamt und des § 326 BGB bezüglich der Zug-um-Zug-Leistung entgegegehalten werde. Der Kläger als Insolvenzverwalter verhalte sich zudem widersprüchlich, da er die Kaufpreisforderung der Nebenintervenientin nach eigenem Vortrag bestreite und zugleich den streitgegenständlichen Anfechtungsanspruch nach dem Anfechtungsgesetz weiterverfolge und sich auf das Vorbringen der Nebenintervenientin berufe. Im übrigen seien Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten aus der Insolvenzordnung ausgeschlossen. Die 4Jahresfrist gem. § 134 InsO sei mit Ausnahme der Übertragung der Geschäftsanteile an der ... , nicht eingehalten, da der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bezüglich des Hauptschuldners ... am 23.10.2019 gestellt worden sei. Die Geschäftsanteile an der ... seien am 24.04.2009 übertragen worden, das Eigentum bzw. Miteigentum an den Grundstücken in der ... habe der Beklagte am 25.06.2009 erhalten, und die Übertragung des Eigentums an den Aktien der ... sei am 16.04.2009 erfolgt. Auch die Voraussetzungen des § 133 InsO lägen nicht vor (insbesondere im Hinblick auf die Übertragung der Geschäftsanteile an der ... ). Weder habe die Generalbevollmächtigte ... mit Gläubigerbenachteilgungsvorsatz gehandelt noch habe eine etwaige Kenntnis hiervon auf Seiten des Beklagten bestanden. Im Hinblick auf Ansprüche nach dem AnfG fehle es an der Voraussetzung des Bestands eines vollstreckbaren Titels gem. § 2 AnfG. Der Kläger könne die Rückgewähr der streitgegenständlichen Vermögensgegenstände bzw. Wertersatz im übrigen auch nur Zug-um-Zug gegen Übertragung von 2.500.000 Stückaktien an der ... verlangen.
32
Der Senat hat mit Beschluss vom 19.05.2021 (Bl. 1622 ff d.A.) das Verfahren wieder aufgenommen, da der Kläger auch Anfechtungsansprüche nach der Insolvenzordnung geltend mache, für die nicht Voraussetzung sei, dass der Kläger einen rechtskräftig festgestellten und durchsetzbaren Anspruch gegen den Schuldner habe.
33
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil, die Ladungsverfügungen vom 14.07.2018 (Bl. 1419 ff d.A.) und 04.07.2023 (Bl. 1682 ff), die Sitzungsprotokolle vom 23.10.2018 (Bl. 1483 ff d.A.) und vom 17.10.2023 (Bl. 1724 ff), das Zwischenurteil vom 14.12.2018 (Bl. 1493 ff d.A.), die Beschlüsse vom 19.03.2019 (Bl. 1551 ff), 07.05.2019 (Bl. 1561 ff), 24.07.2019 (Bl. 1581 ff) und 19.05.2021 (Bl. 1622 ff d.A.) sowie sämtliche in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
34
A. Der mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners unterbrochene Prozess war zwischen dem Kläger und dem Beklagten fortzusetzen. Der Kläger kann vom Beklagten mit der an die veränderte Prozesslage angepassten Klage die Übertragung der anfechtbar übertragenen Vermögenswerte an die Masse verlangen.
35
I. Der unterbrochene Prozess war mit dem Kläger anstelle der nunmehrigen Nebenintervenientin fortzusetzen.
36
Mit Schriftsatz vom 10.08.2020 (Bl. 1561 ff d.A.) hat der Kläger den anhängigen Anfechtungsprozess der ehemaligen Klägerin und jetzigen Nebenintervenientin gemäß §§ 16 Abs. 1, 17 Abs. 1 S.2 AnfG i.V.m. § 250 ZPO aufgenommen. Dieser war aufgrund der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Schuldners ... (Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 18.12.2019, Az. 70e IN 40/19) unterbrochen.
37
II. Der Kläger kann die Übertragung der anfechtbar erlangten Gegenstände bzw. deren Surrogate an die Masse verlangen.
38
Die Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Schuldners hat das Erlöschen des Einzelgläubigeranspruchs zur Folge. Der Anfechtungsanspruch wird zu einem Bestandteil der Insolvenzmasse, hat einen neuen Rechtsträger und wird vom Insolvenzverwalter ausgeübt (vgl. Huber AnfG, 12. Auflage, 2021, Rn. 7 zu § 16). Der Anfechtungsanspruch geht nicht mehr auf die zwangsweise Bereitstellung des anfechtbar Weggegebenen i.S.d. § 11 AnfG, sondern auf die Rückgewähr in Natur gemäß § 143 Abs. 1. S. 1 InsO. Der Anspruch richtet sich auf die Rückgewähr der weggegebenen Leistung, sofern nicht wegen Unmöglichkeit dieser Verpflichtung Wertersatz oder sonst ein Surrogat geschuldet wird.
39
Die Aufnahme des Anfechtungsprozesses durch den Insolvenzverwalter erfordert eine Umstellung des Klageantrags, der jetzt nach § 143 InsO auf Rückgewähr zur Masse geht. Es ändern sich sowohl der Empfänger (Insolvenzverwalter an Stelle des Einzelgläubigers) wie auch die Rechtsfolgen (Rückgewähr der Gegenstände selbst zur Insolvenzmasse und nicht lediglich Duldung der Zwangsvollstreckung in die Gegenstände). Diese Umstellung des Klageantrags stellt keine Erweiterung i.S.d. § 17 Abs. 2 AnfG dar, sondern lediglich eine durch den Übergang des Anfechtungsrechts bedingte Richtigstellung des Antrags (vgl. Huber, AnfG, Rn. 7, 8 zu § 17).
40
B. Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
41
Der Kläger kann, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils, vom Beklagten auch Wertersatz für die übertragenen Aktien der ... verlangen (§§ 16, 17, 3 AnfG; § 143 InsO; dazu B II). Wegen der Veräußerung des Grundstücks ... war der Beklagte nunmehr zur Zahlung des von ihm erzielten Erlöses zu verurteilen (§ 264 Nr. 3 ZPO; dazu B. III.); im Hinblick auf die auf ihn übertragenen Miteigentumsanteilen an den Grundstücken ... sowie Flurstück 3215 (Verkehrsfläche) in ... war er zur Rückübertragung zu verurteilen, wegen des anfechtbar übertragenden Anteils an der ... war der Tenor nach § 319 ZPO zu korrigieren (dazu B. IV.).
42
I. Die Berufung des Klägers ist zulässig.
43
Aufgrund des Zwischenurteils vom 23.10.2018 (Bl. 1494 d.A.) steht die Zulässigkeit der noch von der Nebenintervenientin eingelegten Berufung zwischen den damaligen Parteien rechtskräftig fest (§ 322 Abs. 1, 318 ZPO). Der Kläger übernahm nach der Unterbrechung und Aufnahme des Verfahrens die prozessuale Stellung der Nebenintervenientin als Klagepartei, so dass er jedenfalls wegen des schwebenden Prozessrechtsverhältnisses als deren Rechtsnachfolger anzusehen ist. Die Rechtskraft des Zwischenurteils wirkt damit für und wider ihn (§ 325 ZPO).
44
II. Die Berufung des Klägers ist wegen der Übertragung der Aktien der ... am 16.04.2009 begründet. Der Kläger hat deswegen gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von EUR 162.662,58 als Wertersatz aus §§ 16 Abs. 1, 17 Abs. 1, 3 Abs. 1 AnfG a.F. i.V.m. § 143 InsO.
45
1. Allerdings kann sich der Kläger wegen der Übertragung der Aktien der ... am 16.09.2009 nicht mit Erfolg auf die Anfechtungstatbestände der Insolvenzordnung gem. §§ 129, 133, 134 InsO berufen.
46
Die Übertragung der Aktien erfolgte außerhalb der Anfechtungsfrist des § 133 InsO (10 Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens) und erst Recht außerhalb der Anfechtungsfrist des § 134 InsO (4 Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens). Die angefochtene Rechtshandlung, nämlich die Übertragung der Aktien fand am 16.04.2009 statt, während der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners erst am 23.10.2019 (Anlage LA 1) gestellt wurde.
47
2. Der Kläger kann jedoch vom Beklagten verlangen, diese Vermögensübertragung auf der Grundlage der noch von der Nebenintervenientin erfolgten Gläubigeranfechtung zugunsten der Masse rückgängig zu machen. Die erforderliche Anfechtungsberechtigung des Klägers ergibt sich aus seiner Stellung als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners (§ 16 Abs. 1, § 17 AnfG), ohne dass es zusätzlich noch auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 AnfG, auf die sich allerdings die Klage der Nebenintervenientin stützte, ankommt.
48
a) Im Zeitpunkt der Unterbrechung des Prozesses lagen allerdings die formellen Voraussetzungen des § 2 AnfG vor; das zugrundeliegende Urteil ist rechtskräftig, dessen Vollstreckbarkeit (vgl. §§ 767, 775 ZPO) wurde bislang nicht beseitigt.
49
Die Nebenintervenientin verfügte über einen rechtskräftigen Titel, der ihr einen Zugum Zug gegen die Übertragung von Aktien zu erfüllenden Zahlungsanspruch zusprach. Mit Blick auf die Rechtskraft dieses Titels im Verhältnis zum Schuldner vermochte der Beklagte der Nebenintervenientin nur solche Einreden entgegen zu halten, die auch noch dem Schuldner zustanden (§§ 322 Abs. 1, 767 Abs. 2 ZPO). Soweit der Beklagte die (ursprüngliche) Unrichtigkeit der Verurteilung des Schuldners anführt (Fehlen eines wirksamen Vertrages wegen Geschäftsunfähigkeit, Anfechtung des Vertrages nach §§ 142, 143, 123 Abs. 1 BGB), war er damit allerdings ausgeschlossen. Der Beklagte trägt auch nicht schlüssig vor, dass das Urteil des LG München I vom 06.02.2012 nichtig (§§ 578 f ZPO) oder sittenwidrig erschlichen worden wäre (§ 826 BGB). Allein der Vorwurf, dass die titulierte (Kaufpreis-)Forderung wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten nicht besteht, macht das Urteil, das diese Forderung in einem Erkennnisverfahren zuerkennt, nicht schon sittenwidrig und vermag dessen Rechtskraft nicht zu schmälern.
50
Allerdings konnte der Schuldner gegenüber der rechtskräftigen Zugum Zug Verurteilung solche neuen Tatsachen entgegenhalten, die nach dem in § 767 Abs. 2 ZPO genannten Zeitpunkt eingetreten sind. Dies könnten hier die Veräußerung der Aktien der ... im Jahr 2013 durch die Nebenintervenientin oder die nachfolgende Verschmelzung der ... sein, womit die laut dem Urteil vom 06.04.2012 von der Nebenintervenientin geschuldete Gegenleistung unmöglich geworden sein könnte (§ 275 Abs. 1 2. Fall BGB); diese Unmöglichkeit der Leistung der Nebenintervenientin könnte dann – so der Standpunkt des Beklagten – nach § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen des Vorliegens eines (wirksamen) gegenseitigen Vertrags auch zum Wegfall der titulierten synallagmatischen Zahlungspflicht geführt haben.
51
Der Fortbestand des im Urteil vom 06.04.2012 titulierten Zahlungsanspruchs der Nebenintervention ist jedoch für den vom Kläger fortgeführten Anfechtungsprozess ohne Bedeutung.
52
b) Die Voraussetzung des § 2 AnfG, wonach ein anfechtender Gläubiger über einen vollstreckbaren Schuldtitel über eine fällige Geldforderung verfügen muss, gilt nicht für den Kläger, der den unterbrochenen Anfechtungsprozess nach § 16 Abs. 1 AnfG aufgenommen hat.
53
Dies gilt sowohl für die Aufnahme des Einzelgläubigeranfechtungsanspruchs als auch für die neu eröffneten Anfechtungsmöglichkeiten nach der Insolvenzordnung (§§ 129 ff InsO). An die Stelle des § 2 AnfG bei der Einzelgläubigeranfechtung treten mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners und der Bestellung eines Insolvenzverwalters die Vorschriften der § 16 Abs. 1, § 17 AnfG als eigenständige und von § 2 AnfG unabhängige Berechtigungsnormen des Insolvenzverwalters. Dies folgt aus dem Wortlaut und der Systematik des AnfG und entspricht dem Zweck des eröffneten Insolvenzverfahrens, die Masse zu mehren. Schutzwürdige Belange des Beklagten stehen dem nicht entgegen.
54
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist der Insolvenzverwalter berechtigt, die von den Insolvenzgläubigern erhobenen Anfechtungsansprüche zu verfolgen. Damit weist das Gesetz das schon geltend gemachte Gläubigeranfechtungsrecht dem Insolvenzverwalter zwecks weiterer Verfolgung zu, um den Zweck des Insolvenzverfahrens, ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen durch die die spätere Masse verkürzt worden ist, im Interesse aller Insolvenzgläubiger rückgängig zu machen (vgl. Huber in AnfG, aaO, Rn. 1, 2 zu § 16 AnfG). Nach dem Wortlaut leitet sich die Rechtsstellung des Insolvenzverwalters aus dem von einem „Insolvenzgläubiger“ erhobenen Anspruch ab. Das AnfG unterscheidet insoweit zwischen dem „Gläubiger“ in § 2 AnfG und dem „Insolvenzgläubiger“ in § 16 Abs. 1 Satz 1 AnfG. Die gesetzliche Definition des Insolvenzgläubigers findet sich wiederum in § 38 InsO. Der Begriff des Insolvenzgläubigers nach § 38 InsO setzt voraus, dass sein Vermögensanspruch im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung begründet ist. Das Merkmal der „Begründung“ dient aber nur der zeitlichen Abgrenzung und ist nicht als festgestellter Anspruch zu verstehen; letzteres erfolgt nach den Bestimmungen der §§ 174 ff InsO, insbesondere nach §§ 178, 179 InsO. Dabei ist es für die Rolle des Insolvenzgläubigers nicht notwendig, dass der vom Gläubiger geltend gemachte Anspruch diesem auch tatsächlich zusteht. Vielmehr kommt es nur darauf an, ob der betreffende Gläubiger, wenn man das Bestehen der Forderung unterstellt, zur Teilnahme am Verfahren berechtigt wäre (allg. Meinung, so u.a. Ehricke/Behme in MükO Inso, 4. Aufl, 2019, Rn. 20 zu § 38 m.w.N.).
55
Danach war die Nebenintervenientin im Zeitpunkt der Aufnahme des nach § 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG unterbrochenen Prozesses „Insolvenzgläubigerin“ des Schuldners. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Köln – Insolvenzgericht – vom 18.12.2019 (Az. 70 e IN 40/19) eröffnet, die jetzige Nebenintervenientin macht einen vermögensrechtlichen Anspruch (titulierte Haupt- und Nebenforderung aus der Optionsvereinbarung vom 28.05.2008) geltend, der vor diesem Tag begründet worden war und der – sein Bestehen unterstellt – ihr die Teilnahme am Insolvenzverfahren gewährt. Dieser Einordnung steht auch die einschränkende Zugum Zug Verurteilung (Übertragung der Aktien an der ...) nicht entgegen, da die fehlende Fälligkeit oder Durchsetzbarkeit der Forderung einer Teilnahme am Insolvenzverfahren nach § 41 InsO nicht entgegensteht. Nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 1 Satz 1 AnfG ist der Kläger daher berechtigt, den unterbrochenen Prozess der Nebenintervenientin aufzunehmen und die dort geltend gemachten Anfechtungsansprüche nach Maßgabe des § 17 Abs. 2 InsO für die Masse geltend machen. Da der Kläger aber nicht „Gläubiger“ des Schuldners ist (und auch nicht sein kann), kommt es für den weiteren Prozess auf § 2 AnfG nicht weiter an.
56
Dieses aus dem Wortlaut der § 2 und § 16 Abs. 1 AnfG und des § 38 InsO abgeleitete Ergebnis wird durch die Systematik des Gesetzes bestärkt. Die Vorschriften des § 17 AnfG und des § 16 Abs. 1 AnfG stehen in einem unmittelbaren Regelungszusammenhang. Sie setzen voraus, dass über das Vermögen eines Schuldners ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und dass ein Insolvenzgläubiger eine Klage zur Durchsetzung eines Einzelgläubigeranspruchs (gegen einen Dritten) erhoben hatte, dessen Gegenstand vom Insolvenzbeschlag über das Schuldnervermögen erfasst wird. Der Streitgegenstand der Anfechtungsklage muss daher entweder Bestandteil der Insolvenzmasse oder aus ihr zu leisten sein (vgl. Weinland in MüKo AnfG, 2. Auflage, 2022, Rn. 3 zu § 17). Der Anfechtungsanspruch wird danach zu einem Bestandteil der Insolvenzmasse und erhält kraft Gesetzes einen neuen Anspruchsinhalt. Der Anfechtungsanspruch geht nicht mehr lediglich auf Beseitigung der dem Zwangszugriff des Einzelgläubigers durch die anfechtbare Rechtshandlung bereiteten Hindernisse und damit nicht mehr nur auf die zwangsweise Bereitstellung des anfechtbar Weggegebenen i.S.d. § 11 Abs. 1 S.1 AnfG, sondern auf Rückgewähr in Natur gem. § 143 Abs. 1 S. 1 InsO (vgl. Huber in Huber AnfG, aaO, Rn. 7 zu § 16). Der anfechtbar weggegebene Gegenstand dient damit der Befriedigung der Gruppe der Insolvenzgläubiger, nicht dem individuellen Befriedigungsinteresse des bisherigen Klägers. Der Anspruch ist im Zeitpunkt der Aufnahme des unterbrochenen Prozesses durch den Insolvenzverwalter unabhängig von einem durch den Gläubigertitel inhaltlich begrenzten Zugriff (vgl. Huber in AnfG, aaO). Das Titelerfordernis des § 2 AnfG kann daher für den Insolvenzverwalter als neuen Anspruchsberechtigten des Anfechtungsgesetzes nicht länger gelten; aufgrund der Verweisung des § 17 Abs. 2 AnfG auf § 143 InsO kommt es auch auf die Beschränkungen des Einzelgläubigertitels nicht mehr an (Huber AnfG, aaO, Rn. 9 zu § 17). Nur dieses Verständnis des § 16 Abs. 1 AnfG steht schließlich im Einklang mit der Rolle des Insolvenzverwalters als „Partei kraft Amtes“. Er kann in dieser Funktion nicht eine individuelle Forderung eines (Insolvenz-)Gläubigers verfolgen, sondern übernimmt die Anfechtung aus eigenem Recht, wobei ihm das Gesetz ermöglicht, schon vorgefundene Anfechtungsprozesse auf der Grundlage seiner eigenen Rechtsposition, die nicht länger einen Nachweis nach § 2 AnfG erfordert, zu Ende zu bringen. Der Insolvenzverwalter geht dabei nach § 129 Abs. 1 InsO für „die Insolvenzgläubiger“ vor, die durch die Rechtshandlung benachteiligt werden. Dies deckt sich mit der Anfechtung nach dem AnfG, die nach § 1 Abs. 1 AnfG zugunsten der Gläubiger erfolgt. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfällt aber die in § 2 AnfG mit der dort genannten Einzelzwangsvollstreckung beschriebene Aufgabe, für die Anfechtungsansprüche einen (legitimen) Gläubiger zu bestimmen. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gilt die “Gesamtvollstreckung“ zusammen mit der Befugnis des Insolvenzverwalters nach § 129 Abs. 1 InsO die Anfechtung zu betreiben. Der Kreis der anfechtbaren Rechtshandlungen (§ 129 Abs. 1, 2 InsO; § 1 Abs. 1, 2 AnfG) setzt sich aus den Tatbeständen der §§ 130 ff InsO und den §§ 3 ff AnfG genannten Ansprüchen zusammen, soweit letzte bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechtshängig sind und der Insolvenzverwalter sich entschließt, diese Prozesse fortzusetzen.
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Soweit in Entscheidungen des BGH und des BFH ein anderes Verständnis des § 16 Abs. 1 Satz 1 AnfG angenommen worden ist, folgt der Senat dem nicht. Das Urteil des BGH vom 09.12.1999 (AZ. IX ZR 102/97, unter C. I. 1.) äußert sich zu der hier entschiedenen Frage nicht ausdrücklich, allerdings wird dort § 2 AnfG für die den Anfechtungsprozess des Einzelgläubigers übernehmende Konkursverwalterin zitiert. Allerdings weicht der Senat von der Rechtsauffassung des BFH (Urteil vom 10.11.2020 – VII R 8/19 – Rn. 54 ff) ab. Dort wird aber ohne nähere Begründung die Aufnahme des Einzelgläubigeranfechtungsprozesses durch den Insolvenzverwalter von der Erforderlichkeit der besonderen Berechtigungsvoraussetzungen des § 2 AnfG abhängig gemacht. Allerdings verfolgt der BFH sein Verständnis des AnfG nicht konsequent, da er es in Tz 63 ausdrücklich zulässt, dass die „Klägerin auch weitere vollstreckbare Schuldtitel anderer Gläubiger vorlegen kann“. Damit ist aber die Aufnahme des unterbrochenen Prozesses auch nach Auffassung des BFH gerade nicht daran gebunden, dass der ursprüngliche Schuldtitel weiterverfolgt wird. Zudem widerspricht das Abstellen auf „Schuldtitel“ der Systematik des Insolvenzrechts, wonach ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Zwangsvollstreckung mehr erfolgen darf (§§ 87 ff InsO) und vorhandene Titel im Verfahren der Tabellenanmeldung und -feststellung konsumiert werden.
58
Die materielle Berechtigung, die mit der Klage vom 19.03.2012 und mit der Klageerweiterung vom 21.04.2016 rechtshängig gemachten Anfechtungsansprüche aus §§ 1, 3, 4 AnfG wegen der Übertragung von Aktien, Gesellschaftsanteilen und Grundstücken an den Beklagten zu verfolgen, steht dem Kläger daher unabhängig davon zu, ob die Nebenintervenientin mit ihrem Zahlungsanspruch (ganz oder teilweise) am Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners teilnehmen kann. Entsprechend kommt es nicht darauf an, ob dem Beklagten oder dem Schuldner materielle Einwendungen gegen den (titulierten) Anspruch der Nebenintervenientin zustehen (z.B. §§ 142, 143, 123 Abs. 1 BGB; § 326 Abs. 1 BGB). Dieses Ergebnis ist die Folge der Ausgestaltung der (rechtshängigen) Gläubigeranfechtung in §§ 16, 17 AnfG und führt auch nicht zu einer unbilligen Belastung des Anfechtungsgegners. Dieser ist schon mit der Klage des Einzelgläubigers gewarnt, dass sein Rechtserwerb möglicherweise nicht dauerhaft sein wird. Mit der späteren Insolvenz des Schuldners können dann auch andere Insolvenzgläubiger, die möglicherweise nicht selbst zur Anfechtung nach dem AnfG berechtigt waren, vom Erfolg des nach §§ 16, 17 Abs. 2 AnfG fortgesetzten Prozesses profitieren, weil der Insolvenzverwalter den anfechtbar erworbenen Gegenstand zur Masse zieht (vgl. § 129 Abs. 1 InsO). Dies ist aber letztlich nur ein quantitativer Unterschied zu der Situation, dass der zweifelsfrei berechtigte Einzelgläubiger einer geringen Forderung die Duldung der Zwangsvollstreckung in den anfechtbar überlassenen äußerst werthaltigen Gegenstand begehrt (§ 11 AnfG) und der Insolvenzverwalter diesen Gegenstand dann nach § 17 Abs. 2 AnfG im vollen Umfang (mit seinem vollen Wert) für die Masse verwertet. Dies entspricht dem Gebot der Gleichbehandlung aller Insolvenzgläubiger. Sollte sich wiederum herausstellen, dass die Masse auch ohne Rückgewähr der anfechtbar weggegebenen Mittel zur Befriedigung aller Gläubiger ausreicht, entfällt die Gläubigerbenachteiligung (BGH NZI 2020, 420 Rn. 4; BGH ZIP 1986, 787; DB 2013, 697 = NZI 2013, 399 = ZIP 2013, 637; K. Schmidt InsO/K. Schmidt InsO § 129 Rn. 46; MüKoInsO/Kayser/Freudenberg § 129 Rn. 107). Insoweit kann der Anfechtungsgegner nachweisen, dass die angemeldeten Forderungen nicht bestehen oder nicht durchsetzbar sind und eine Feststellung zur Tabelle unter jedem Gesichtspunkt ausscheidet, so dass eine Gläubigerbenachteiligung entfällt (vgl. BGH NZI 2020, 420). Derartiges trägt der Beklage für den maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bezogen auf die Gesamtheit der Insolvenzgläubiger und die vorhandene Masse nicht vor.
59
3. Die Voraussetzungen einer Anfechtbarkeit nach § 3 Abs. 1 AnfG a.F. (bis zum 05.04.2017 geltende Fassung; § 20 Abs. 1 AnfG) liegen vor.
60
a) Die Übertragung der Aktien der Firma ... vom April 2009 aus dem Vermögen des Schuldners auf den Beklagten stellt eine Rechtshandlung des Schuldners dar. Dieser war unstreitig vertreten durch seine generalbevollmächtigte Ehefrau, die Zeugin ... , die auch in Vertretung für den Beklagten, ihren Sohn, handelte.
61
b) Durch die Übertragung wurden die Gläubiger des Schuldners objektiv benachteiligt, § 1 AnfG. Insbesondere reicht für eine Anfechtbarkeit nach § 3 Abs. 1 AnfG a.F. eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung aus (Weinland in MüKo AnfG, 2. Aufl. 2022, Rn. 110 zu § 1 AnfG).
62
Grundsätzlich ist von der Werthaltigkeit eines weggegebenen Vermögensguts auszugehen, wenn ihm im Geschäftsverkehr üblicherweise ein Wert zukommt und es regelmäßig nur gegen Entgelt übertragen wird (vgl. Weinland in MüKo AnfG, 2. Aufl., 2022, Rn. 100 zu § 1 AnfG). Es ist ausreichend, wenn die Benachteiligung im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegt (vgl. Weinland in MüKo, AnfG, aaO, Rn. 50 zu § 1 AnfG). Die streitgegenständlichen Aktien der ... Inc. waren werthaltig, was u.a. daraus folgt, dass der Beklagte diese im Jahr 2014 an der Börse veräußerte und hierfür einen Erlös erzielte.
63
Eine (nur) mittelbare Gläubigerbenachteiligung tritt insbesondere ein, wenn ein Gegenstand des Schuldners zwar zu einem angemessenen Preis veräußert wird, aber der Erlös nicht mehr für die Gläubigerbefriedigung zur Verfügung steht (Weinland in MüKo, aaO, Rn. 111 zu § 1 AnfG m.w.N.; BGH, Urteil vom 03.03.1988 – IX ZR 11/87). Die Tilgung einer eigenen Verbindlichkeit des Schuldners benachteiligt dessen übrige Gläubiger insoweit, als ihnen das dafür aufgewendete Aktivvermögen nicht mehr für einen eigenen Zugriff offensteht. Dass stattdessen die Forderung des befriedigten Gläubigers erlischt, schließt die mittelbare Benachteiligung der anderen nicht aus, weil Passiva des Schuldners für die Gläubigeranfechtung bedeutungslos sind (vgl. Weinland in MüKo AnfG, aaO, Rn. 112 zu § 1 AnfG).
64
So liegt der Fall hier. Selbst wenn man die Richtigkeit des streitigen Vortrags des Beklagten unterstellt, wonach ihm zum Zeitpunkt der Depotübertragung der Aktien der ... am 16.04.2009 ein Darlehensrückzahlungsanspruch gegen den Schuldner in Höhe von EUR 21.351.619,50 zugestanden habe sollte (wie nicht, vgl. im Folgenden unter Ziffer B. II. 3 c) aa) (3)) und der Kaufpreis für die Übertragung der Aktien der ... in Höhe von EUR 4.847.226,00 auf diesen verrechnet worden wäre und insoweit zu einem teilweise Erlöschen der Verbindlichkeit des Schuldners geführt haben sollte, so sind die übrigen Gläubiger vorliegend doch insoweit benachteiligt, als ihnen die streitgegenständlichen Aktien, die der Beklagte nach eigenen Angaben 2014 vollständig veräußerte und denen im Oktober 2016 nach seinem eigenen Vorbringen (Schriftsatz des Beklagten vom 10.10.2016, Bl. 545 d.A.) noch ein Wert von 6 USD pro Aktie zukam, nicht mehr für den eigenen Zugriff offenstehen. Eine ggfs. eingetretene Tilgungswirkung im Hinblick auf Passiva des Schuldners ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.
65
c) Der Schuldner handelte bei der Übertragung der Aktien mit zumindest bedingtem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. Der Beklagte hatte Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners.
66
Sowohl der Schuldner wie auch der Beklagte haben sich bei der streitgegenständlichen Aktienübertragung vom April 2009 durch die Zeugin ... als Generalbevollmächtigte vertreten lassen. Für beide, den Schuldner und den Beklagten, kommt es daher gemäß § 166 Abs. 1 BGB allein auf den Kenntnisstand der Zeugin an. Dies gilt insbesondere für die subjektiven Anfechtungsvoraussetzungen nach dem Anfechtungsgesetz und damit alle Umstände, die den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die Kenntnis hiervon begründen (vgl. Ellenberger in Grüneberg, BGB, 83. Auflage, 2024, Rn. 4 zu § 166 BGB).
67
Nicht erforderlich ist insbesondere, dass der Schuldner mit dem Ziel im Sinne einer direkten Absicht einer Gläubigerbenachteiligung handelt. Es genügt, wenn der Schuldner im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung die Möglichkeit erkennt, dass seine Gläubiger infolge seiner Rechtshandlung benachteiligt werden und dies billigend in Kauf nimmt, indem er trotzdem handelt. Die Beweislast für den Benachteiligungsvorsatz liegt bei dem Anfechtenden (vgl. BGH, Urteil vom 07.11.2013 – IX ZR 248/12 – Rn. 7).
68
Da es sich bei dieser Voraussetzung um innere Vorgänge handelt, die dem Beweis unmittelbar nicht zugänglich sind, hat die Rechtsprechung Indizien entwickelt, anhand derer das Gericht das Vorliegen des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes beurteilen kann. Maßgeblich ist insofern eine Gesamtbetrachtung aller Umstände nach § 286 ZPO, welche als Erfahrungswerte für und gegen den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners sprechen (vgl. BGH, Urteil vom 16.04.2015 – IX ZR 68/14 – Rn. 19, 20; BGH, Urteil vom 03.03.2022 – IX ZR 53/19 – Rn. 9 ff). Kommt das Gericht aufgrund der Gesamtbetrachtung zur Annahme des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes, ist es an dem Anfechtungsgegner, Umstände darzulegen und ggfs. zu beweisen, die die Indizwirkung erschüttern.
69
Nach diesen Maßstäben geht der Senat davon aus, dass der Schuldner bzw. die den Schuldner als Generalbevollmächtigte vertretende Zeugin ... mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt hat, als sie die Aktien der ... auf den Beklagten übertrug und der Beklagte hiervon Kenntnis hatte, wobei für beide Beteiligte (Schuldner und Beklagter) die Kenntnis der Zeugin ... maßgeblich ist.
70
aa) Insoweit sind für die entsprechende Kenntnis der Zeugin die folgenden Indizien entscheidend:
71
(1) Im Jahr 2009 (Zeitraum zwischen April und November 2009) hat die generalbevollmächtigte Zeugin ... eine Fülle von Vermögensgegenständen (Aktien, Geldvermögen, Grundstücke und Geschäftsanteile) aus dem Vermögen des Schuldners auf den Beklagten, den gemeinsamen Sohn der Zeugin und des Schuldners, und zum Teil auch den Neffen, den Zeugen ..., übertragen. Sämtliche Übertragungen erfolgten jeweils kurz nach Klageerhebung der Nebenintervenientin vom 06.04.2009 im Verfahren vor dem Landgericht München I (AZ. 34 O 6388/09) auf Zahlung in Höhe von EUR 21.250.000,00 zuzügl. Zinsen in Höhe von 8% gegen den Schuldner. Von dieser Klageerhebung hatte die Zeugin nach eigenem Bekunden Kenntnis (Zeugenvernehmung vom 22.02.2016, Bl. 403 d.A.). Es stellt ein gewichtiges Indiz dar, wenn der Schuldner seine letzten werthaltigen Vermögensgegenstände auf einen Dritten überträgt (vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2014 – IX ZR 50/12 – Rn. 11).
72
Im Einzelnen handelt es sich neben der hier thematisierten Übertragung der Aktien der ... vom 16.04.2009 um die folgenden (unstreitigen) Vermögensübertragungen auf den Beklagten:
73
Übertragung des Geschäftsanteils des Schuldners an der ... vom 24.04.2009 zum behaupteten Kaufpreis in Höhe von EUR 9.916,06, Übertragung des 50%igen Geschäftsanteils des Schuldners an der ... vom 19.11.2009 zum behaupteten Kaufpreis in Höhe von EUR 12.500, Übertragung der hälftigen Miteigentumsanteile an den Immobilien ... und ... sowie des Flurstücks 3215 der Gemarkung ... in ... (jeweils unter Vereinbarung einer Rückauflassungsvormerkung) zum behaupteten Gesamtkaufpreis von mindestens EUR 525.000, Überweisung von Barmitteln in Höhe von EUR 1.660.000,00 auf ein Konto des Beklagten vom 02.04.2009. Letztere ist zwar nicht Gegenstand des Anfechtungsprozesses und es erfolgte (wohl unstreitig) am 16.06.2009 eine Rücküberweisung vom Beklagten an die Generalbevollmächtigte ... in Höhe von EUR 1.500.000 (Schriftsatz der ehemaligen Klägerin vom 28.08.2017, Bl. 969 d.A.), um eine Prozesssicherheit für das Verfahren gegen ... beibringen zu können; ein entsprechender Rückzahlungsanspruch des Schuldners war jedoch fraglich, so dass auch in dieser Transaktion ein Beweisanzeichen zu sehen ist. An seinen Neffen, den Zeugen ..., hat der Beklagte die weiteren 50% seines Geschäftsanteils an der ... im November 2009 übertragen.
74
Diese Übertragungen betreffen den größten Teil des Vermögens des Beklagten bis auf die in der Vermögensübersicht des Zeugen ... vom 12.02.2009 (Anlage K 73) angegebenen Schiffsbeteiligungen, Bilder und weiteren Wertpapiere. Letztere waren allerdings vollständig fremdfinanziert. Unter Zugrundelegung der Vermögensübersicht vom 12.02.2009 (Anlage K 73), von deren Richtigkeit die Zeugin ... im Ergebnis ausgegangen sein will (vgl. Berufungsbegründung des Beklagten vom 16.05.2018, Bl. 1375 ff, erstinstanzliche Vernehmung der Zeugin ... vom 22.02.2016, Bl. 399 ff d.A.) auch nach großzügiger Betrachtung unter Zugrundelegung der Zahlen aus der Übersicht vom 12.02.2009 belief sich das Nettovermögen des Schuldners danach angesichts der vorstehenden Vermögensübertragungen auf unter EUR 15 Millionen und sinkt um weitere über EUR 8 Millionen, wenn man die Bilder, wie es die Zeugin ... beabsichtigt, nicht dem Vermögen des Schuldners, sondern dem Vermögen der Zeugin zuordnet. Das Vermögen sinkt in eklatantem Maß weiter, wenn man die allein mit EUR 15.725.000 bewerteten Schiffsbeteiligungen abwertet. Nach den Angaben der Zeugin im Rahmen ihrer Einvernahme vom 22.02.2016 habe sie im Laufe des Jahres 2009 erfahren, dass die Beteiligungen durch die Verluste der Schifffahrtsbranche „nichts mehr wert“ gewesen seien (Bl. 403/404 d.A.).
75
(2) Zu dem Beklagten als ihrem einzigen Sohn besteht sowohl seitens des Schuldners als auch der Zeugin ... ein enges familiäres Näheverhältnis. Die Vermögensverfügungen betreffen die Kernfamilie. Auch der Umstand, dass die Zeugin ... die Vermögensverfügung zu Gunsten des Beklagten als Bevollmächtigte auf beiden Seiten durchgeführt hat, stellt ein Indiz für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz dar. Die Interessen aller Beteiligten, sowohl des Schuldners, des Beklagten und der Vertreterin waren gleichgerichtet.
76
(3) Der Senat geht zudem von einer Inkongruenz des Geschäfts bei gleichzeitig beengten finanziellen Verhältnissen des Schuldners aus. Der Beklagte behauptet, die ihm übertragenen Aktien der ... von dem Schuldner zu einem Kaufpreis in Höhe von EUR 4.847.226,00 erworben zu haben. Dieser sei auf einen Darlehensrückzahlungsanspruch, der ihm gegen den Schuldner in Höhe von EUR 21.351.619,50 zugestanden habe, angerechnet worden. Bereits das Erstgericht hat unter Ziffer B.II.1. des erstinstanzlichen Urteils im Zusammenhang mit der Erörterung der vom Beklagten behaupteten angeblich erbrachten Gegenleistung für die Übertragung der Geschäftsanteile an der ... , der ... und der Anteile der Immobilien in der ... überzeugend ausgeführt, dass der Vortrag des Beklagten zur angeblich erbrachten Gegenleistung durch Verrechnung mit einer ihm gegen den Schuldner zustehenden Darlehensforderung in Höhe von EUR 21.351.619,50 nicht überzeugend und widersprüchlich ist. Diese Bewertung ist zutreffend, die Angriffe des Beklagten in der Berufung verfangen nicht. Insbesondere fehlt es nach wie vor an Vortrag zur Vereinbarung und den Konditionen des angeblichen Darlehensvertrags zwischen dem Beklagten und dem Schuldner, zur Verwendung der Gelder für eigene Zwecke des Schuldners und an Vortrag zur Laufzeit des behaupteten Darlehens und zu dessen Fälligkeit.
77
Nach den Angaben des Schuldners im Rahmen seiner Zeugeneinvernahme vom 08.05.2017 (Bl. 787 ff d.A.) war die Dauer des behaupteten Darlehens nicht bestimmt, die Rückzahlung sollte erfolgten, „wenn er wieder in der Lage gewesen wäre aufgrund des Investments diesen Betrag zurückzuzahlen“. Schon danach vermag der Senat nicht davon auszugehen, dass rechtsgeschäftlich ein vom Erfolg des intendierten Geschäfts des Schuldners unabhängiger Rückzahlungsanspruch des Beklagten als Darlehensgebers vereinbart war; vielmehr lässt sich daraus nur eine erfolgsabhängige Beteiligung des Beklagten ableiten, zu der aber kein weiterer Vortrag erfolgt. Nicht anhand von Tatsachen vermag der Beklagte insbesondere eine angebliche Darlehensforderung in Höhe von EUR 21.351.619,50 darzustellen, die zudem wahlweise auch als Schadensersatzforderung bezeichnet wird (so die angebliche „Klarstellung“ der Zeugin ... vom 25.05.2009, vorgelegt durch den Zeugen ... als Anlage zu Protokoll vom 02.10.2017 (Bl. 1024 ff d.A.).
78
Es erschließt sich in diesem Zusammenhang auch vor dem Hintergrund der Angaben der Zeugen ... im Termin vom 08.05.2017 (Bl. 771, 778 d.A.), wonach es gängige Praxis gewesen sei, dass sich der Schuldner ihres Depots und des Depots des Beklagten bedient habe, „um das Geld zu vermehren und dann zurückzuführen“ nicht, dass dem Beklagten im Fall einer Fehlspekulation des Schuldners ein Rückzahlungsanspruch (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder gar ein Schadensersatzanspruch gegen diesen zusteht. Vielmehr spricht angesichts der plausiblen und durch die tatsächliche Handhabung gestützten Angaben der Zeugin ... zu den formlosen finanziellen Gewohnheiten innerhalb des Familiengefüges, was sich allein aus objektiven und nicht mit der Glaubwürdigkeit der Zeugin unmittelbar in Zusammenhang stehenden Umständen ergibt, alles dafür, dass Ehefrau und Sohn mit den finanziellen Entscheidungen des Schuldners einverstanden waren und diesem ihre Depots, die der Schuldner zuvor erfolgreich verwaltet und die Wertpapierbestände vermehrt hatte, zur Verfügung stellten, ohne dass damit Darlehensansprüche begründet oder im Falle eines geschäftlichen Misserfolgs des Schuldners Schadensersatzansprüche oder sonstige Verlustausgleichsansprüche auslöst werden sollten. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass weder die Ehefrau, die als Hausfrau tätig war, noch der Sohn, der einen Verlag führte, aber unstreitig von dem Schuldner finanziell unterstützt wurde und selbst keine Finanzgeschäfte tätigte, das Vermögen auf ihren Depots selbst erwirtschaftet hatten.
79
Deutlich wird dies auch aufgrund der Angabe des Schuldners im Rahmen seiner Zeugeneinvernahme vom 08.05.2017 (Bl. 785 ff d.A.), wonach er das „ziemliche Vermögen“ des Beklagten (DM 224 Mio im Jahr 1999) und seiner Ehefrau als Generalbevollmächtigter verwaltet habe und er für Verfügungen als Generalbevollmächtigter die Zustimmung des Beklagten nicht benötigt habe. All dies spricht dafür, dass sich der Schuldner der Depots seiner Ehefrau und seines Sohnes mit deren Einverständnis wie eines eigenen bediente, ohne dass der wirtschaftliche Misserfolg vertragliche Ansprüche des Beklagten gegen den Schuldner auslösen sollte. Vor diesem Hintergrund wurden auch keine vertraglichen Vereinbarungen zu den Entnahmen aus dem Depot des Beklagten fixiert.
80
Dies bestätigt der Beklagte selbst mit seinem Vortrag (Schriftsatz vom 24.09.2017, Bl. 993 d.A.), wonach der Schuldner sehr erfolgreich das Unternehmen ... mit einem heutigen Börsenwert von 1,5 Mrd EUR aufgebaut habe und an dem Wertzuwachs von Anfang an auch seine Ehefrau und den Beklagten sowie dessen verstorbene Schwester beteiligt habe. Bis zu seiner Erkrankung im Herbst 2008 habe er das Vermögen für seine Ehefrau und den Beklagten alleinverantwortlich „verwaltet, d.h. investiert, umgeschichtet und/oder veräußert“. Dies habe „jahrzehntelanger Übung“ entsprochen. Die im Zusammenhang mit verlustreichen Investitionen eingetretenen finanziellen Nachteile trafen damit gleichermaßen den Beklagten und seine Mutter, ohne dass diese deswegen vertragliche oder gesetzliche Ausgleichsansprüche gegen den Schuldner hatten.
81
(4) Die Zeugin ... hatte zur Überzeugung des Senats auch Kenntnis von der wirtschaftlichen Situation des Schuldners im Zeitpunkt der Übertragung (April 2009) und der drohenden Zahlungsunfähigkeit. Sie wusste insbesondere, dass das noch vorhandene Vermögen nicht zur Befriedigung aller Gläubiger ausreichen würde. Dies folgt insbesondere aus den Angaben der Zeugin, die die Zeugin unbestritten gegenüber verschiedenen Ärzten/Gutachtern ihres Ehemannes im Zeitraum zwischen Herbst 2008 und Ende 2012 getätigt hat, wie sie in den folgenden Gutachten zitiert werden:
- Nach den Ausführungen des Gutachters Prof. ... im Gutachten vom 15.03.2009 (vorgelegt im Band I der klägerischen Anlagen vor dem Landgericht München I, bezeichnet als Anlage B 2) wird die Zeugin auf S. 15/16 wie folgt zitiert: Als im Herbst 2008 die Zahlung an die ... fällig geworden sei und der Aktienkurs der ... (jetzige ... ) gefallen sei, habe der Schuldner davon gesprochen, dass er „nun insolvent“ sei. „Man solle die teuren Bilder von der Wand seines Hauses abhängen und die Anzüge wegschaffen, weil der Insolvenzverwalter vor der Tür stehe und alles pfände. Am schlimmsten war für ihn, dass er seinen Sohn nicht mehr finanziell unterstützen könne. Dieser sei dann nicht mehr in der Lage, seinen Verlag weiterzuführen. Die Enkelkinder könnten die Privatschule nicht weiter besuchen und es könne kein Wintermantel für sie bezahlt werden“.
- Aus dem Gutachten des Sachverständigen ... vom 30.11.2012 (Anlage K 71) sind folgende Äußerungen der Zeugin ... (wohl aus dem Jahr 2012) zu entnehmen:
„Die Ehefrau ergänzt an dieser Stelle, es sei Vermögen da, aber sie könne sich nicht vorstellen, wie so schnell sechsundzwanzig Millionen bezahlt werden könnten, man müsse dann schnell das Haus und Anderes verkaufen, das gehe nicht (S.11).
82
Auf weitere Nachfragen gibt das Ehepaar ... an, dass das Haus in dem sie wohnen und noch mehr auf den Sohn überschrieben wurde, so dass dies im Rahmen einer Zwangsvollstreckung nicht gefährdet sei (S.12).
„Er (der Schuldner) sei eine Put-Option über einundzwanzig Millionen eingegangen, mit Gerichtskosten würden sich hier die Forderungen bereits auf sechsundzwanzig Millionen belaufen. ..Das sei das, was ihr so zusetze, einundzwanzig Millionen hätten sie nicht. Wenn sie das zahlen müsste, würde für sie und für ihn die Welt untergehen. Weiter gibt Frau ... an, die gerichtliche Auseinandersetzung mit ... laufe noch, dies sei der größte Brocken, hier gehe es um sechsundzwanzig Millionen Euro, hier stände die Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung im Raum… Wenn sie sechsundzwanzig Millionen zahlen müssten, wären sie insolvent. Auf weitere Nachfrage gibt sie an, dass das Haus, das sie mit ihrem Ehemann zusammen bewohne, bereits dem Sohn übertragen wurde, so dass sie auch nach einer Pfändung hier wohnen bleiben könnten. Die schönen Bilder, die in ihrem Haus hängen, würden ihr gehören, so dass diese bei einer Pfändung vermutlich auch nicht betroffen wären.“ (S.13).
- In dem Gutachten des ... für Psychiatrie, Prof. ..., vom 28.04.2011 (vorgelegt durch den Beklagten erstinstanzlich als Anlage K 18) werden aus der Epikrise der O. Klinik vom 16.01.2009 über den stationären Aufenthalt des Schuldners vom 09.10.2008 bis 01.11.2008 die folgenden Äußerungen der Zeugin ... zitiert:
„Vor etwa einem Jahr habe ihr Mann begonnen, schwere finanzielle Fehler zu machen, für die er sich jetzt schuldig fühle. Sie äußerte auch, dass möglicherweise bereits nächste Woche eine Insolvenz drohe.“
83
Aus sämtlichen vorstehenden Äußerungen der Zeugin ... ergibt sich, dass diese Kenntnis von der drohenden Insolvenz des Schuldners hatte und sie sich darüber im Klaren war, dass dieser die Forderung der ehemaligen Klägerin und jetzigen Nebenintervenientin in Höhe von ca. 26 Mio Euro nicht würde begleichen können und insbesondere das Haus und die weiteren Vermögensgegenstände auf den Beklagten übertragen wurden, um diese vor dem Zugriff der jetzigen Nebenintervenientin zu schützen und das Privathaus selbst weiter bewohnen zu können.
84
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass aus dem Prozessvortrag des Beklagten in erster und zweiter Instanz folgt, dass sowohl er als auch seine Eltern, der Schuldner und die Zeugin ... , der Überzeugung sind, dass die Grundforderung der Klägerin aus der Put-Optionsvereinbarung in Höhe von über EUR 21 Mio zutiefst unberechtigt ist und der Schuldner durch das sittenwidrige Verhalten des Herrn ... unter Mitwirkung der ehemaligen Klägerin zur Eingehung dieser Verbindlichkeit veranlasst wurde, die die finanzielle Situation des Schuldners und seiner Kernfamilie grundlegend negativ veränderte. In diesem Zusammenhang machen sowohl der Schuldner als auch die Zeugin ... die ehemalige Klägerin und Nebenintervenientin für die existentielle finanzielle und darüber hinaus die gravierende gesundheitliche Krise des Schuldners ab 2008 maßgeblich verantwortlich. Vor diesem Hintergrund tritt die Motivation der Zeugin ... , die Vermögensgegenstände des Schuldners, hier die Aktien der ... vor dem aus ihrer Sicht und der Sicht des Schuldners und des Beklagten unberechtigten Zugriff der ehemaligen Klägerin (und des jetzigen Klägers im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners) offen zu Tage.
85
(5) Die Einwendungen des Beklagten gegen die den Gläubigerbenachteligungsvorsatz begründenden Indizien greifen nicht durch.
86
Vor dem Hintergrund der oben zitierten eigenen Angaben der Zeugin ... ist nicht plausibel und widerlegt, dass sie auf das Ergebnis der Vermögensauskunft, die ihr Schwager, der Zeuge ... , im Februar 2009 über das Vermögen des Schuldners erstellt hatte (Anlage K 23), vertraut hat. Aus den Angaben gegenüber den Gutachtern, die aus dem Zeitraum Oktober 2008 bis November 2012 reichen, ergibt sich vielmehr, dass der Zeugin bewusst war, dass das Vermögen des Schuldners nicht ausreichen würde, um die Forderung der ehemaligen Nebenintervenientin zu bezahlen und sie in diesem Bewusstsein die Vermögensverfügungen vornahm aufgrund einer mit dem Schuldner und dem Beklagten gleichgerichteten Interessenslage. All dies folgt aus objektiven und nicht mit der Glaubwürdigkeit der Zeugin unmittelbar in Zusammenhang stehenden Umständen. Es ist zudem unklar, worauf das Vertrauen der Zeugin gründete, wenn sie die einzelnen Positionen der Vermögensauskunft nicht zur Kenntnis genommen haben will. Wie ausgeführt, bestätigt die Vermögensauskunft gerade die Erkenntnis der Zeugin, die sie gegenüber den Gutachtern zum Ausdruck brachte, dass das Vermögen zur Begleichung der Forderung der Nebenintervenientin in Höhe von EUR 26 Millionen nicht ausreichend war. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der Behauptung der Zeugin und des Beklagten, dass auch ihnen jeweils einzeln noch Forderungen gegen den Schuldner in Höhe von jeweils einer zweistelligen Millionensumme zustünden (nach Angaben des Beklagtenvertreters im Termin vom 28.11.2016, Bl. 596 d.A, jeweils in Höhe von ca. 20 Millionen Euro). Der Kläger hat im Rahmen des Termins vom 17.10.2023 bestätigt, dass sowohl die Zeugin ... als auch der Beklagte im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners jeweils Forderungen über EUR 40 Millionen zur Tabelle angemeldet hätten. Die Zeugin ... und der Beklagte behaupten, dass dem Beklagten eine Darlehens-/Schadensersatzforderung in Höhe von über 21 Millionen gegen den Schuldner zustehe, mit der der Kaufpreis für die übertragenen Aktien der ... (und auch der weiteren Vermögensgegenstände) verrechnet worden seien.
87
Gerade weil sie diese Auffassung vertrat, war der Zeugin ... nach ihrem eigenen wiederholten und unbefangenen Vorbringen gegenüber den Gutachtern bei der Übertragung bewusst, dass das Vermögen nicht zur Begleichung der Forderungen aller Schuldner ausreicht. Ihre Zeugenaussage im Termin vom 22.02.2016 (Bl. 402 d.A.), wonach sie im Großen und Ganzen davon ausgegangen sei, dass die finanziellen Vermögensverhältnisse ihres Mannes ausreichend gewesen seien, um die ... zu bezahlen, steht hierzu in auffallendem und nicht nachvollziehbar aufgelösten Widerspruch und vermag die zahlreichen gegenteiligen Beweisanzeichen nicht zu entkräften.
88
Der weitere Einwand des Beklagten, die Zeugin ... habe die Äußerungen ihres Ehemannes aufgrund seiner psychischen Erkrankung vernachlässigen dürfen und die Vermögensübersicht des Zeugen ... habe sie überzeugt, dass ausreichend Vermögen vorhanden gewesen sei, damit der Schuldner seinen Verbindlichkeiten nachkommen könne, wird ebenfalls durch die oben aufgeführten Indizien widerlegt. Zum einen hat die Zeugin nach diesem Vortrag des Beklagten die Auskunft nicht gelesen, zum anderen hat sie tatsächlich nicht vertraut, denn die anschließenden Vermögensverfügungen hat sie vorgenommen, um das Vermögen vor dem Zugriff der Nebenintervenientin zu schützen und für die Kernfamilie zu sichern, was aus ihren Angaben im Jahr 2012 gegenüber dem Sachverständigen ... sogar unmittelbar folgt.
89
Dass die Befürchtungen des Schuldners und auch der Zeugin ... im Hinblick auf die finanzielle Situation des Schuldners berechtigt waren, zeigt das zwischenzeitlich eröffnete Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners, das der Beklagtenvertreter bereits mit Schriftsatz vom 12.04.2016, S. 4 (Anlage K 75) angekündigt hatte.
90
bb) Der Beklagte hatte Kenntnis von dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners. Die Kenntnis wird unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 S. 2 AnfG a.F. vermutet.
91
Wie ausgeführt, ist im Hinblick auf die Kenntnis des Beklagten gemäß § 166 Abs. 1 BGB auf den Kenntnis- und Wissensstand der ihn vertretenen Zeugin ... abzustellen. Diese hatte im Zeitpunkt der Übertragung der Aktien der ... Inc. im April 2009 sowohl Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners wie auch von der Tatsache, dass die Übertragungshandlung die Gläubiger des Schuldners, insbesondere die jetzige Nebenintervenientin, benachteiligt (vgl. Ausführungen unter Ziffer B. II. 2. c).
92
d) Die zehn-jährige materielle Anfechtungsfrist des § 3 Abs. 1 AnfG a.F. wurde eingehalten. Die Anfechtung der Übertragung der ... Aktien vom April 2009 wurde erstmals durch Klageerweiterung vom 21.04.2016 (Bl. 483 ff d.A.) und mithin binnen der zehn Jahresfrist erklärt, was auch dem Kläger zu Gute kommt.
93
aa) Die Klageerweiterung vom 21.04.2016 war wirksam. Der Senat hat mit dem rechtskräftigen Zwischenurteil vom 23.10.2018 die Zulässigkeit der Klage und der Berufung der Nebeninterveniention festgestellt. Dies gilt auch für die Prozessvollmacht ihrer Prozessbevollmächtigten (vgl. Ziffer 3. des Zwischenurteils), wonach die jetzt vertretungsbefugten Personen der Nebenintervenientin ... und ... durch Vollmacht vom 21.01.2014 sämtliche Rechtshandlungen ihrer Prozessbevollmächtigten ausdrücklich genehmigt hatten. Die Anfechtung der Übertragung der Aktien in der Klageerweiterung vom 21.04.2016 datiert nach der Vollmachtsvorlage, so dass diese Prozesshandlung von Anfang an wirksam war. bb) Dem Kläger kommen die fristwahrenden Wirkungen der Klage nach § 7 Abs. 1 AnfG zu Gute, da er den von der Nebenintervenientin begonnenen Prozess im Ganzen nach §§ 16 Abs. 1 Satz 1, 17 AnfG übernommen hat. Die „Anfechtbarkeit“ der Übertragung der Aktien nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AnfG wurde mit der Klage der jetzigen Nebenintervenientin gemäß § 7 Abs. 1 AnfG rechtzeitig „geltend gemacht“. Diese Wirkung bleibt im Prozess erhalten, wenn dieser vom Insolvenzverwalter aufgenommen wird. Dagegen bedarf es, wie oben ausgeführt, keiner weiteren Feststellungen, ob der bisher als Kläger tätige „Gläubiger“ zur Anfechtung nach § 2 AnfG berechtigt war oder noch wäre.
94
e) Der Anspruch auf Rückgewähr der Aktien zur Insolvenzmasse wandelt sich vorliegend in einen Wertersatzanspruch, zahlbar an den Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners.
95
Da die Rückgewähr der Aktien an die Masse in Natur durch deren Weiterveräußerung im Jahr 2014 an der Börse unmöglich geworden ist, hat der Kläger einen Anspruch gemäß § 16 Abs. 1, § 17 Abs. 1, § 3 Abs. 1 AnfG a.F. i.V.m. § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO auf Wertersatz gemäß §§ 818 Abs. 4, 292, 989, 990 Abs. 1 BGB (vgl. MüKoInsO/Kirchhof/Piekenbrock, 4. Aufl., 2019, InsO, Rn. 101 ff, 112 ff zu § 143). Auf die genaue Zahl der übertragenen und veräußerten Aktien kommt es nicht an, da der Beklagte den von der Nebenintervenientin im Schriftsatz vom 22.03.2018 (Bl. 1309, 1339 d.A.) berechneten erzielten Veräußerungserlös (auf der Basis eines Werts von 0,82 EUR pro Aktie) von insgesamt EUR 162.662,58 der Höhe nach nicht bestritten hat. Der Kläger hat diese Ausführungen der Nebenintervenientin durch Weiterverfolgung des Antrags übernommen.
96
f) Der Zahlungsanspruch ist nach § 291 BGB ab dem 16.05.2018 zu verzinsen.
97
Die Rechtshängigkeit des Zahlungsanspruchs trat mit Zustellung des Berufungsantrags vom 22.03.2018 (Bl. 1309 d.A.) ein, mit dem die Nebenintervenientin erstmals den Wertersatzanspruch wegen der Veräußerung der Aktien geltend machte. Zuvor hatte sie zwar schon die Anfechtung der Aktienübertragung verfolgt, jedoch war ihr Anspruch auf die Duldung der Zwangsvollstreckung in die Aktien gerichtet (§ 11 AnfG), was keine gesetzlichen Rechtshängigkeitszinsen begründen konnte. Da sich ein Zustellnachweis für den Schriftsatz vom 22.03.2018 nicht in der Akte befindet, dieser aber ausweislich des Schriftsatzes des Beklagten vom 16.05.2018 zugestellt wurde, wird dieses Datum als Zinsbeginn herangezogen.
98
Der Antrag des Klägers gibt wegen der Rechtshängigkeit kein Datum an. Es bedarf daher keiner Zurückweisung der Berufung, sollte der Kläger einen weitergehenden Zinsanspruch verfolgen wollen.
99
III. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung des Erlöses in Höhe von EUR 550.000 im Hinblick auf die Veräußerung des Grundstücks ... , durch den Beklagten gemäß § 16 Abs. 1, 17 Abs. 1, 3 Abs. 1 AnfG a.F. und § 4 AnfG i.V.m. § 143 InsO i.V.m. §§ 818 Abs. 4, 292, 989, 990 i.V.m. §§ 818 Abs. 4, 285 BGB.
100
1. Mit dem nach § 264 Nr. 3 ZPO geänderten Antrag auf Zahlung statt Übereignung verlangt der Kläger die Herausgabe des an die Stelle des anfechtbar weggegeben Gegenstands getretenen „Interesses“. Diese Änderung des Antrags ist ohne weiteres möglich und auch noch im Berufungsrechtszug zulässig.
101
a) Der vom Kläger übernommene Berufungsantrag der jetzigen Nebenintervenientin wurde im Rahmen der Berufungserwiderung vom 21.09.2018 (Bl. 1425 ff d.A.) form- und fristgerecht auf die Berufung des Beklagten vom 16.01.2018 (Bl 1246 ff d.a.) als Anschlussberufung gem. § 524 Abs. 1 ZPO eingeführt (Bl. 1419, 1424 d.A.); zudem führt der Kläger selbst das Rechtsmittel der Berufung, so dass er die Klage (in den Grenzen des § 533 ZPO) erweitern kann.
102
b) Diese Änderung des Antrags ist auch sonst zulässig.
103
Allerdings war der Kläger nicht beschwert, da das erstinstanzliche Urteil dem dort gestellten Antrag entsprach. Erstinstanzlich hat die jetzige Nebenintervenientin mit Schriftsatz vom 21.04.2016 (Bl. 455 d.A.) unter Vorlage der notariellen Kaufvertragsurkunde vom 06.03.2015 (Anlage K 70) zwar schon vorgetragen, dass der Beklagte seinen hälftigen Miteigentumsanteil an der Immobilie ... in ... veräußert habe. Dennoch wurde weiterhin beantragt, den Beklagten zur Duldung der Zwangsvollstreckung in seinen Miteigentumsanteil zu verurteilen. Diesem Antrag hat das Erstgericht in Ziffer 4) seines Urteils vom 02.10.2017 entsprochen. Diese Korrektur kann aber im Wege der Anschlussberufung oder im Rahmen einer anderweitig erhobenen Berufung des Klägers erfolgen.
104
Der neue Antrag ist gemäß § 533 ZPO sachdienlich und auf Tatsachen zu stützen, die das Berufungsgericht gem. § 529 ZPO zu Grunde zu legen hat. Die Veräußerung und der dabei erzielte Erlös wurden vom Beklagten nicht bestritten.
105
2. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Anfechtung der Grundstücksübertragung gemäß §§ 16 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2, § 4 Abs. 1 AnfG jeweils i.V.m. § 143 Abs. 1 InsO i.V.m. §§ 275, 818 Abs. 4, 292, 989, 990 BGB i.V.m. §§ 818 Abs. 4, 285 BGB liegen vor. Zur Anfechtungsberechtigung des Klägers wird auf die Ausführungen unter Ziffer B. II. 2. verwiesen. Zu den übrigen Anfechtungsvoraussetzungen wird auf die Ausführungen unter Ziffer C.III. Bezug genommen.
106
Da die Rückauflassung des hälftigen Miteigentumsanteils des Beklagten an der Immobilie ..., , zur Masse durch die unstreitige Weiterveräußerung vom 06.03.2015 (Anlage K 70) dem Beklagten unmöglich geworden ist (§ 275 Abs. 1 1. Fall BGB), hat der Kläger einen Anspruch gemäß § 16 Abs. 1, 17 Abs. 1, 3 Abs. 1 AnfG a.F. und § 4 AnfG i.V.m. § 143 Abs. 1 InsO auf Wertersatz gemäß §§ 818 Abs. 4, 292, 989, 990 Abs. 1 BGB (vgl. MüKoInsO/Kirchhof/Piekenbrock, 4. Aufl., 2019, InsO, Rn. 101ff, 112 ff zu § 143). Der Wertersatz für die Weggabe des hälftigen Miteigentumsanteils bestimmt sich der Höhe nach auf die Hälfte des erzielten Kaufpreises von EUR 1.100.000, mithin EUR 550.000. Entsprechendes ergibt sich aus § 143 Abs. 1 InsO i.V.m. §§ 818 Abs. 4 BGB, weil der Beklagte danach die Herausgabe des rechtsgeschäftlichen Surrogates für den weggegebenen Miteigentumsanteil schuldet (§ 285 BGB).
107
3. Der Zahlungsanspruch ist nach § 291 BGB ab dem 24.10.2018 zu verzinsen.
108
Die Rechtshängigkeit des Zahlungsanspruchs trat mit dem Antrag vom 21.09.2018 (Bl. 1425 d.A.), der in der Sitzung vom 23.10.2018 (Bl. 1483 d.A.) gestellt wurde, ein. Dort wird erstmals der Wertersatzanspruch wegen der Veräußerung des Grundstücks geltend gemacht. Zuvor hatte die Nebenintervenientin zwar schon die Anfechtung der Grundstücksübertragung verfolgt, jedoch war ihr Anspruch auf die Duldung der Zwangsvollstreckung in die Grundstücke gerichtet (§ 11 AnfG), was keine gesetzlichen Rechtshängigkeitszinsen begründen konnte.
109
IV. Die vom Kläger weiter beantragten Berichtigungen des erstinstanzlichen Urteils (Ziffer 1 betreffend den ...Geschäftsanteil, Ziffer 2) in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 29.06.2018 betreffend den ... Geschäftsanteil, Ziffer 3) betreffend das Grundstück ... und Ziffer 5) betreffend das Grundstück ... Fl. Nr. 3215 B. G. ) wurden wie beantragt aufgegriffen.
110
Der Abänderungsantrag des Klägers unter Ziffer II. betreffend den Geschäftsanteil an der ... (Schriftsatz vom 10.08.2020, Bl. 1562, Ziffer II) war entsprechend dem Grundsatz der interessengerechten Auslegung (vgl. Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 43. Aufl., 2022, Einl II Rz. 15b) zudem im Hinblick auf die dort genannte Höhe des Geschäftsanteils als Berichtigungsantrag auszulegen.
111
Das Landgericht hat den Tatbestand insoweit bereits mit Beschluss vom 29.06.2008 berichtigt (Bl. 1412 ff d.A.; „.hinsichtlich der ... war der Schuldner von 2000 bis April 2009 mit einem Geschäftsanteil von nominal 19.400,00 DM…). Dem Antrag ist gemäß § 319 Abs. 1 ZPO zu entsprechen, da es sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit handelt, die jederzeit von Amts wegen zu berichtigen ist. Unstreitig betrug der angefochtene, am 24.04.2009 vom Schuldner auf den Beklagten übertragene Geschäftsanteil an der ... nominal DM 19.400 (vgl. auch Anlagen K 11, K 12) und der erstinstanzlich zuletzt gestellte klägerische Antrag vom 28.11.2016 (Bl. 597 d.A.), auf dem Ziffer 2) des erstinstanzlichen Urteils beruht, umfasst irrtümlich den bereits vor der Übertragung vom Beklagten gehaltenen Anteil, der vom Kläger (und der ehemaligen Klägerin) nicht angefochten wurde.
112
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
113
I. Der Kläger kann von dem Beklagten die Übertragung des vom Schuldner auf den Beklagten übertragenen Geschäftsanteils im Nominalwert von EUR 12.500 an der ... zur Insolvenzmasse sowohl nach den Anfechtungstatbeständen der §§ 3, 4 AnfG als auch nach dem Anfechtungstatbestand des§§ 129, 133 Abs. 1 InsO verlangen.
114
1. Der Kläger kann von dem Beklagten gemäß §§ 129, 133 Abs. 1, 143 InsO die Übertragung des Geschäftsanteils im Nominalwert von EUR 12.500 an der ... zur Insolvenzmasse verlangen.
115
a) Angesichts der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners am 18.12.2019 sind vorliegend die Vorschriften der §§ 130 ff InsO in der seit dem 05.04.2017 geltenden Fassung anzuwenden (Art. 103j Abs. 1 EGInsO).
116
b) Die Anteilsübertragung stellt eine Rechtshandlung des Schuldners dar, die infolge des Vermögensabflusses bei ihm eine objektive Gläubigerbenachteiligung im Sinne von § 129 Abs. 1 InsO bewirkt hat.
117
Die Benachteiligung muss tatsächlich eingetreten sein, wobei für § 133 Abs. 1 InsO eine mittelbare Benachteiligung der Insolvenzgläubiger ausreicht (vgl. BGH, Urteil vom 18.03.2010 – IX ZR 57/09 – Rn. 14; Borries/Hirte in Uhlenbruck InsO, 15. Aufl., 2019, Rn. 32 m.w.N.). Eine Benachteiligung in diesem Sinne liegt vor, wenn die Befriedigung der Insolvenzgläubiger verkürzt (vermindert), vereitelt, erschwert, gefährdet oder verzögert wird (vgl. Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, aaO Rn. 160 zu § 129); die Befriedigung der Gläubiger hätte sich im Fall des Unterbleibens der angefochtenen Handlung günstiger gestaltet haben müssen (st. Rspr., vgl. u.a. BGH, Urteil vom 22.05.0214 – IX ZR 95/13 – Rn. 14). Maßgeblich ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise; eine Gläubigerbenachteiligung liegt u.a. vor, wenn die Aktivmasse verkürzt wurde (Borries/Hirte in Uhlenbruck InsO, aaO, Rn. 162 zu § 129). Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung der Gläubigerbenachteiligung ist bei mittelbarer Benachteiligung der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz (vgl. BGH, Urteil vom 26.04.2012 – IX ZR 146/11 – Rn. 22). Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt insbesondere vor, wenn der Wert des veräußerten Gegenstands nach der Veräußerung gestiegen ist (Borries/Hirte in Uhlenbruck InsO, aaO, Rn. 245 zu § 129).
118
Durch die Anteilsübertragung vom November 2009 wurde die Aktivmasse erheblich verkürzt. Maßgeblich wird der Anteilswert an der ... durch die in die Gesellschaft eingebrachten 55 Wohnungen am ... und in ... bestimmt. Eine Bewertung der Immobilien durch die ... im Jahr 2014, von der der Zeuge ... berichtete (Bl. 443 d.A.), ergab unstreitig einen Betrag in Höhe von ca. EUR 14 Mio. In der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 17.10.2023 hat der Beklagtenvertreter den hälftigen Geschäftsanteil der ... auf über EUR 15 Millionen taxiert. Mit Schriftsatz vom 06.10.2023 (Bl. 1713 d.A.) hat der Beklagte sogar vortragen lassen, dass der Wert der Anteile an der ... zum jetzigen Zeitpunkt den Wert der Forderung der Nebenintervenientin gegen den Hauptschuldner übersteige. Es ist dem Senat im übrigen aus einer Reihe von Fällen mit sachverständigen Bewertungen bekannt, dass die Immobilienpreise in M. seit 2008 bis heute, trotz der Immobilienkrise im Jahr 2023, sehr hohe Wertsteigerungen erfahren und sich mindestens verdoppelt haben.
119
Vor diesem Hintergrund war die Übertragung des Geschäftsanteils im November 2009 durch den Schuldner an den Beklagten, selbst wenn man eine Kaufpreiszahlung durch den Schuldner in Höhe von EUR 12.500 unterstellt, in erheblicher Weise masseverkürzend; die Befriedigung der Gläubiger, insbesondere der Nebenintervenientin, hätte sich bei Unterbleiben der Übertragung deutlich günstiger gestaltet. Auf die Frage, ob dem Geschäftsanteil zum Zeitpunkt der Übertragung im November 2009 überhaupt ein Wert zukam, und auch auf die Frage, ob eine Gegenleistung durch den Beklagten erfolgt ist, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
120
c) Der Schuldner bzw. dessen generalbevollmächtigte Ehefrau ... handelte bei der notariellen Übertragung im November 2009 auf den Beklagten mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. Der Beklagte hatte hiervon Kenntnis bzw. ihm wird die Kenntnis der ihn ebenfalls vertretenden Zeugin ... gem. § 166 Abs. 1 BGB zugerechnet. Es gelten die Ausführungen unter Ziffer B. II. 2. c). Die dortigen Erwägungen werden im Fall der Anfechtung der Übertragung des hälftigen Geschäftsanteils des Schuldners an der WK W3. GmbH noch dadurch verstärkt, dass es sich bei dieser Übertragung um die zeitlich letzte der streitgegenständlichen Vermögensübertragungen des Schuldners auf den Beklagten handelte und die Zeugin nach eigenen Angaben, im Laufe des Jahres 2009 erfahren habe, dass „die Schiffe nichts mehr wert waren“. Letztere sind in der Vermögensübersicht des Zeugen ... (Anlage K 23), auf die die Zeugin „im Ergebnis“ vertraut haben will, noch mit einem Wert in Höhe von EUR 15.725.000,00 verzeichnet. Der für den Schuldner und für den Beklagten handelnden bevollmächtigten ... war in besonderer Weise bewusst, dass das Schuldnervermögen durch die vorangegangenen Übertragungen bereits erheblich reduziert worden war. Die Behauptung des Beklagten, Motiv der Zeugin ... als Vertreterin des Schuldners für die Übertragung des Geschäftsanteils sei der Wunsch gewesen, den Bestand und die Fortführung der Gesellschaft sicherzustellen, ist nicht überzeugend, nachdem neben dem Schuldner bereits der Zeuge ... als Mitgeschäftsführer bestellt war, und schließt im übrigen den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht aus. Die Benachteiligung der Gläubiger muss nicht Zweck oder Beweggrund des Schuldnerhandelns sein; erforderlich und ausreichend ist für § 133 Abs. 1 InsO das Bewusstsein des Schuldners, durch seine Handlung Gläubiger im Allgemeinen zu benachteiligen und sein Handeln mit dem Willen, dieses Ziel (mit) zu erreichen (vgl. Kayser/Freudenberg in MüKo Inso, 4. Aufl., 2019, Rn. 13). Dies ist hier, wie ausgeführt, der Fall. Der Beklagte verweist im übrigen selbst darauf, dass für das Ziel des Fortbestands der Gesellschaft auch die Bestellung eines neuen Geschäftsführers ausreichend gewesen wäre, der ja allerdings in Gestalt des Zeugen ..., mit dem damals noch kein Zerwürfnis bestand, bereits installiert war.
121
d) Die 10-jährige Anfechtungsfrist des § 133 Abs. 1 InsO ist mit der Klage auch dann gewahrt, wenn sich der Kläger – entgegen der hier vertretenen Rechtsauffassung – nicht auf die noch von der Nebenintervenientin auf der Grundlage der §§ 1, 2 und 3 AnfG erhobene Klage stützen könnte. Die Geschäftsanteilsübertragung vom Schuldner auf den Beklagten wurde notariell im November 2009 vereinbart, auf beiden Seiten vertreten durch die Zeugin ... , und zum 19.11.2009 vollzogen (notarielle Bestätigung vom 19.11.2009, Anlage K7). Der Insolvenzantrag über das Vermögen des Schuldners wurde am 23.10.2019 gestellt (Anlage LA 1), so dass der Kläger („aus eigenem Recht“) gestützt auf den Anfechtungstatbestand des § 133 Abs. 1 InsO die Rückübertragung des Gesellschaftsanteils zur Masse verlangen kann.
122
Einen früheren Zeitpunkt der Übertragung vermochte der Beklagte nicht nachzuweisen. Der diesbezügliche Vortrag des Beklagten mit Schriftsatz vom 06.10.2023 (Bl. 1707 d.A.) vermag die mit der notariellen Urkunde belegten Erklärungen nicht zu entkräften.
123
Der Beklagte macht insoweit geltend, dass „der Hauptschuldner ... die Zusage, die Geschäftsanteile an dieser Gesellschaft je hälftig an seinen Sohn, Herrn ... , sowie an seinen Neffen ... zu übertragen, bereits Ende September 2008 getätigt hat, also vor seinem krankheitsbedingten Ausfall, der Ende September 2008 eintrat“. Dieser Vortrag einer angeblichen Zusage Ende September 2008 ist gem. § 531 Abs. 2 Nr.3 ZPO verspätet und die Verspätung wird nicht erklärt. Der Kläger ist dieser Darstellung entgegengetreten. Der Vortrag des Beklagten zu einer früheren formlosen Übertragung des Gesellschaftsanteils ist daher schon aus prozessualen Gründen unbeachtlich. Zudem bleibt nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten unklar, wie die Zusage zeitlich im Hinblick auf die Erkrankung des Schuldners einzuordnen ist, da der Beklagte beide Ereignisse gleich datiert (“Ende September 2008“). Zudem war eine spätere Beurkundung gewollt, was ebenfalls gegen eine frühere formlose vertragliche Einigung spricht (§ 154 Abs. 2 BGB). Schließlich tritt die Heilung eines formnichtigen Verpflichtungsgeschäfts nach § 15 Abs. 4 GmbHG ex nunc durch die wirksame Abtretung in der notariellen Form des § 19 Abs. 3 GmbHG ein (vgl. Wilhelmi in BeckOK GmbHG, 57. Edition, 01.03.2022, Rn. 134 ff zu § 15 GmbHG) und wirkt nicht zurück.
124
2. Der Kläger kann die Rückgewähr des übertragenen Geschäftsanteils an der ... zur Masse zudem auf §§ 16 Abs. 1, § 17 Abs. 1, § 4 Abs. 1 AnfG i.V.m. § 143 Abs. 1 InsO stützen, da er insoweit die Klage der Nebenintervenientin weiterverfolgen kann.
125
a) Die Anfechtungsberechtigung des Klägers folgt unmittelbar aus §§ 16 Abs. 1, 17 AnfG. Der besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 2 AnfG, die für den Einzelgläubigeranfechtungsprozess gelten, bedarf es nicht (vgl. Ausführungen unter Ziffer B. II. 1.).
126
b) Die Übertragung des hälftigen Gesellschaftsanteils des Schuldners, vertreten durch die Zeugin ... , an der ... auf den Beklagten, ebenfalls vertreten durch die Zeugin ... , mit Notarvertrag vom November 2009, stellt eine Rechtshandlung dar, die kausal für eine Gläubigerbenachteiligung ist, § 1 AnfG.
127
Im Rahmen der Anwendung des § 4 Abs. 1 AnfG ist eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung ausreichend (vgl. Weinland in MüKo AnfG, 2. Aufl., 2022, Rn. 110 zu § 1). In diesem Zusammenhang genügt es, wenn zwar die Rechtshandlung allein noch keinen Nachteil für Gläubiger bewirkte, aber die Grundlage für einen weiteren gläubigerschädigenden Ablauf schuf und sie unmittelbar auf das haftende Schuldnervermögen im Sinne einer Minderung der Aktiva einwirkte (vgl. Weinland in MüKo AnfG, aaO Rn. 110). Eine mittelbare Benachteiligung liegt insbesondere auch vor, wenn der Schuldner einen Wertgegenstand zum Zeitwert veräußert, wenn dessen Wert später ansteigt; die mittelbare Gläubigerbenachteiligung muss bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen eingetreten sein, in welcher die Einführung neuer Tatsachen noch zulässig ist (vgl. Weinland in MüKo AnfG, Rn. 111, 114 AnfG). In diesem Zusammenhang ist von der Werthaltigkeit eines weggegebenen Vermögensguts auszugehen, wenn ihm im Geschäftsverkehr üblicherweise ein Wert zukommt und es deshalb regelmäßig nur gegen Entgelt übertragen wird (Weinland in MüKo AnfG, aaO, Rn. 100 zu § 1).
128
Wie bereits unter Ziffer C.I.1.b) ausgeführt, steht der Wert des übertragenen hälftigen Geschäftsanteils in unmittelbarem Zusammenhang mit dem maßgeblichen Vermögensgegenstand der Gesellschaft. Dies sind 55 Wohnungen, die im Jahr 2008 in die Gesellschaft eingebracht und kurz vorher in M. errichtet wurden. Aufgrund der seit 2008/2009 in M. stark gestiegenen Immobilienpreise ist auch von einer parallelen Werterhöhung des Gesellschaftsanteils auszugehen. Auf das zitierte Gutachten der ... aus 2014 und die 2023 durch den Beklagtenvertreter angegebenen Werte mit Schriftsatz vom 06.10.2023 (Bl. 1713 d.A) und im Termin vom 17.10.2023 (zuletzt: ca. 15 Mio für den streitigen hälftigen Geschäftsanteil) wird Bezug genommen. Da auch nach Abschluss der ersten Instanz im Jahr 2017. senatsbekannt die Immobilienpreise in M. weiter angestiegen sind, ist auf die Werte zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat von Oktober 2023 abzustellen, wobei allein die unstreitige Wertsteigerung der Immobilien und des damit verbundenen Geschäftsanteils ausreichend ist. Auf den exakten Wert des Geschäftsanteils kommt es in diesem Zusammenhang nicht entscheidungserheblich an. Die nachträgliche Wertsteigerung führt zu einer Erhöhung der Verminderung der Aktiva durch die Übertragungshandlung und genügt, um eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung zu begründen.
129
c) Die Voraussetzungen des Anfechtungsgrundes gem. § 4 Abs. 1 AnfG liegen vor.
130
aa) Unentgeltlich ist eine Leistung dann, wenn der Erwerb des Empfängers in seiner Endgültigkeit vereinbarungsgemäß nicht von einer ausgleichenden Zuwendung abhängt (vgl. BGH, Urteil vom 15.12.2016 – IX ZR 113/15 – Rn. 11 m.w.N.; Weinland in MüKo AnfG, 2. Aufl. 2022, Rn. 20 zu § 4). Im Zwei-Personen-Verhältnis, wie vorliegend, sind Leistungen unentgeltlich, wenn der Schuldner einen Vermögenswert zugunsten einer anderen Person aufgibt, ohne dass ihm ein entsprechender Vermögenswert zufließt oder zufließen soll (vgl. BGH, Urteil vom 30.03.20223 – IX ZR 121/22 – Rn. 11). Als Leistung ist jede Rechtshandlung zu verstehen, die dazu dient, einen zugriffsfähigen Gegenstand aus dem Vermögen des Schuldners zu entfernen (vgl. BGH, Urteil vom 22.10.2020 – IX ZR 208/18 –, Rn. 8). Für die Annahme einer unentgeltlichen Leistung genügt es, dass diese ohne Rechtspflicht erfolgt ist und keine Gegenleistung in das Schuldnervermögen gelangt ist; bestand ein Anspruch auf angemessene Gegenleistung, so kann die Zuwendung aber nicht schon deshalb als unentgeltlich angefochten werden, weil die Gegenleistung ausgeblieben ist (vgl. Huber, AnfG, aaO, Rn. 16 zu § 4 AnfG). Ob eine ausgleichende Gegenleistung vereinbart worden ist, ist grundsätzlich objektiv zu bestimmen, die Unentgeltlichkeit braucht nicht vereinbart worden zu sein (Weinland in MüKo/AnfG, aaO, Rn. 20 zu § 4). Maßgebend für die Ermittlung der Entgeltlichkeit ist der Gesamtvorgang unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise. Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung der Unentgeltlichkeit ist zum Unterschied von der Gläubigerbenachteiligung stets der Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Leistung, der nach § 8 AnfG zu bestimmen ist (Weinland in MüKo AnfG, aaO, Rn. 26). Nach diesen Grundsätzen darf keine ausgleichende Gegenleistung in das Schuldnervermögen gelangt sein; bestand andererseits ein Anspruch auf angemessene Gegenleistung, so kann die Zuwendung nicht schon deshalb als unentgeltlich angefochten werden, weil dieser Zufluss ausgeblieben ist (Huber AnfG, aaO, Rn. 18 zu § 4 AnfG). Erst wenn feststeht, dass der Empfänger eine Gegenleistung erbracht hat, ist zu prüfen, ob die Beteiligten diese als Entgelt angesehen haben oder ob gleichwohl der Hauptzweck des Geschäfts die Freigebigkeit gewesen ist (vgl. BGH, Urteil vom 24.06.1993 – IX ZR 96/92 – BB.II.1.). Der anfechtende Gläubiger hat die Vornahme einer Leistung, ihre Unentgeltlichkeit sowie die Verursachung einer Gläubigerbenachteiligung zu beweisen. Soweit die Entscheidung von (sei es auch indiziellen) Umständen aus dem Bereich des Anfechtungsgegners abhängt, z.B. ob dieser eine Gegenleistung erbracht hat –, trifft ihn eine sekundäre Darlegungslast; es gilt der sog. „Sphärengedanke“ (vgl. Weinland in MüKo AnfG, aaO, Rn. 74 ff).
131
bb) Danach ist von einer unentgeltlichen Übertragung auszugehen.
132
Die tatsächlichen Feststellungen und Wertungen, die das Landgericht zur unentgeltlichen Übertragung des hälftigen Geschäftsanteils an der ... durch den Schuldner an den Beklagten getroffen hat, sind überzeugend (§ 529 Abs. 1 ZPO). Konkrete Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Feststellungen wurden durch die Angriffe und Einwendungen des Beklagten nicht geweckt. Dies gilt auch für die Feststellungen, wonach bereits keine Gegenleistung durch den Beklagten geflossen ist. Die jeweiligen Überlegungen des Landgerichts werden durch den Senat umfassend geteilt.
133
Das Landgericht hat überzeugend dargelegt, dass der Vortrag des Beklagten zu der angeblich erbrachten weiteren Gegenleistung in Form von Aufrechnungen nicht nachvollziehbar und in sich widersprüchlich ist.
134
(1) Mit Schriftsatz vom 27.11.2012, Bl. 148 ff d.A.) hat der Beklagte vorgetragen, dass die von ihm gezahlten Kaufpreise (für die Anteile an der ... und an der ...) deutlich über den tatsächlichen Werten der Beteiligungen liegen würden, die mit „0,00 EUR“ anzusetzen seien. Dies wiederholt er im Schriftsatz vom 15.09.2014 (Bl. 290 ff d.A.), in dem er vorträgt, dass er sich verpflichtet habe, für den Geschäftsanteil einen Kaufpreis zu zahlen, der dem Nennwert des Anteils des Schuldners entsprochen habe, obgleich der Geschäftsanteil wertlos gewesen sei. Der Verkauf sei ausschließlich erfolgt, um den Schuldner „aus der verantwortlichen Geschäftsführerposition zu bringen, die er aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr“ habe wahrnehmen können. Hiervon abweichend und neu erklärte der Beklagte mit Schriftsatz vom 10.10.2016 (Bl. 530 ff d.A.), dass er die Kaufpreise für alle Gegenstände, die aus dem Vermögen des Schuldners auf ihn übertragen worden seien, durch Verrechnung mit einer Darlehensrückzahlungsforderung, die ihm in Höhe von EUR 21.351.619,50 gegen den Schuldner zustände, erbracht habe. Zugrunde läge, dass der Schuldner im Jahr 2006 506.000 Stück Aktien der ... aus dem Depot des Beklagten im Wert von EUR 14.379.904,47 veräußert und im Jahr 2008 nochmals Aktien der ... im Wert von EUR 807.104,89 sowie andere Vermögenswerte im Gesamtwert von weiteren EUR 6.164.610,14 aus dem Depot des Beklagten veräußert habe. Die jeweiligen Veräußerungserlöse habe der Schuldner für sich verwandt und die Beträge hätten aus erwarteten Erlösen einer Aktienspekulation des Schuldners mit Aktien der ... zurückgezahlt werden sollen. Mit Schriftsatz vom 02.05.2017 (Bl. 748 d.A.) behauptet der Beklagte wiederum, dass sich der Schuldner, als Generalbevollmächtigter des Beklagten handelnd, die aus den Aktienverkäufen aus dem Depot des Beklagten erzielten Erlöse selbst darlehensweise zur Verfügung gestellt habe. Mit Schriftsatz vom 24.09.2017 erklärt der Beklagte davon abweichend (Bl. 987 ff d.A.), dass der Schuldner am 04.09.2007 aus einem Geldmarktfonds des Beklagten bei der ... zwei verschiedene Beträge in Höhe von EUR 769.328,69 sowie EUR 8.300.000,00 liquidiert habe und sich am gleichen Tag einen Betrag in Höhe von EUR 9.300.000 darlehensweise überwiesen habe. Am 19.09.2007 habe der Schuldner dann einen Betrag in Höhe von EUR 11.000.000 aus einem Geldmarktfonds des Beklagten bei der ... liquidiert und an sich selbst darlehensweise weitergeleitet. Auf diese Weise habe er am 21.09.2007 auch einen Betrag in Höhe von EUR 900.000 des Beklagten aus Geldmarktfonds bei der ... liquidiert und sich selbst darlehensweise zur Verfügung gestellt. Der Beklagte legt hierzu Kontoauszüge und Vermögensbilanzen als Anlagen B 76 ff vor.
135
(2) Das Landgericht hat diesen Vortrag zutreffend als unschlüssig und widersprüchlich bewertet. Der Vortrag ist inkonsistent sowohl hinsichtlich der angegeben Zeitpunkte der Wertpapierverkäufe als auch der genannten Wertpapiere. Es fehlen tatsächliche Angaben oder Belege zu einer Fälligstellung des behaupteten Darlehensrückzahlungsanspruchs durch den Beklagten gegenüber dem Schuldner. Nach den unstreitigen Angaben des Schuldners im Rahmen dessen Zeugeneinvernahme vom 08.05.2017 (Bl. 787 d.A.) sollte das Darlehen erst zurückzuzahlen sein, wenn er selbst wieder in der Lage gewesen wäre aufgrund des Investments diesen Betrag zurückzuzahlen. Konkret hat der Schuldner darüber hinaus folgende Angaben gemacht:
„Wenn ich nochmals seitens des Gerichts auf die Übertragung der ... von meinem Sohn gefragt werde, so kann ich angeben, dass mein Sohn über ein ziemliches Vermögen verfügte, das ich verwaltet habe, genauso wie das Vermögen meiner Frau. Ich habe dann veranlasst, dass ein Teil seiner Aktien, es war ein geringer Teil seiner Aktien veräußert wird. Die Verkaufserlöse wurden dann auf sein Konto überwiesen. Diesen Betrag habe ich dann genommen, um mir ein Darlehen zu gewähren. Ich brauchte hierfür keine Zustimmung von meinem Sohn, da ich Generalvollmacht hatte. Meine Absicht war, dieses Geld zu investieren und dann mit Zinsen zurückzuzahlen. Ich habe meinem Sohn nicht in die Tasche gegriffen, um dies klar zu sagen… Ich habe dieses Darlehen aufgrund des Börsencrash 2008 nicht mehr an meinen Sohn zurückzahlen können, nur um dies zu ergänzen.“
136
Der Beklagte hat diese Angaben des Schuldners, der in seinem Lager steht, nie in Zweifel gezogen. Es ist nicht ersichtlich, dass bis heute die Voraussetzungen für eine Fälligstellung des vom Beklagten behaupteten Darlehensrückzahlungsanspruchs überhaupt eingetreten wären. Konkrete Pflichtverletzungen bei der Durchführung der behaupteten Investments des Vaters (bis auf die unbelegte und seinem eigenen Vortrag im Schriftsatz vom 24.09.2017 – Bl. 993, vgl. im Folgendenzuwiderlaufenden Behauptung, der Schuldner habe ohne Zustimmung des Beklagten agiert, als er Wertpapiere des Depots zu Spekulationszwecken veräußerte), werden vom Beklagten diesem gegenüber nicht geltend gemacht.
137
Vor dem Hintergrund der weiteren Angaben des Schuldners im Rahmen seiner Zeugeneinvernahme vom 08.05.2017 (Bl. 786 d.A.), wonach er sich das behauptete streitgegenständliche Darlehen in einer Größenordnung von 20 oder 21 Mio EUR aus Aktienverkäufen vom Depot seines Sohnes im Jahr 2006 (was der Schuldner im Rahmen der Vernehmung insgesamt drei Mal so wiederholt, Bl. 786, 788, 789 d.A.) selbst gewährt habe, ist dem Beklagten die Darlegung einer Gegenforderung und einer Gegenleistung nicht gelungen. Der Vortrag des Beklagten im Zusammenspiel mit der Aussage des Schuldners ist nicht geeignet, Darlehensrückzahlungsansprüche des Schuldners, geschweige denn deren Verrechnung mit den behaupteten Kaufpreisen für den Anteil an der ... (wie auch für den Anteil an der FK Beteiligungsgesellschaft und den streitgegenständlichen Grundstücken) zu belegen. Der Vortrag belegt lediglich, dass der Schuldner mit dem Einverständnis des Beklagten über dessen Konten/Depots wie über eigene verfügte, was der Schuldner selbst so betont, indem er angibt, eine Zustimmung des Beklagten nicht zu benötigen, da er generalbevollmächtigt für dessen Depots sei. Es ist nicht ersichtlich, dass dieses Verhalten des Schuldners im Verhältnis der Beteiligten untereinander irgendwelche Zahlungsansprüche auslöste. Der Beklagte hat selbst mit Schriftsatz vom 24.09.2017 (Bl. 993 d.A.) vorgetragen, dass sein Vater sehr erfolgreich das Unternehmen der ... aufgebaut und an dem Wertzuwachs von Beginn an seine Mutter, seine verstorbene Schwester und ihn selbst beteiligt habe. Über Jahrzehnte hinweg habe der Vater anschließend u.a. das Vermögen des Beklagten verwaltet, investiert, veräußert und umgeschichtet. Auf die Ausführungen unter Ziffer B. II. 2. c) aa) (3) wird ergänzend verwiesen; die vom Beklagten behaupteten Darlehensrückzahlungsansprüche sind vorgeschoben, um das Vermögen des Schuldners vor dem Zugriff der Gläubiger zu schützen.
138
Inkonsistent ist in diesem Zusammenhang auch die nachträgliche „Klarstellungserklärung“ zu angeblichen Schadensersatzansprüchen der Zeugin ... vom 25.05.2009 (vorgelegt durch den Zeugen ... als Anlage zu Protokoll vom 28.11.2016, Bl. 590 ff d.A.). Diese wurde wohl erstellt, um die Aktienverkäufe gegenüber der ... zu rechtfertigen. Insoweit hat der Zeuge ... am 28.11.2016 angegeben, dass der Schuldner mehrfach Aktien des Beklagten und der Ehefrau verkauft habe, und im Jahr 2004 nach einer entsprechenden Meldung an die ... ein Bußgeld erhalten habe. Er, der Zeuge ... , habe eine Aufstellung von Aktienverkäufen vorgenommen, um herauszufinden, ob eine Meldung bei der ... erforderlich sei und diese ggfs. nachzuholen (Bl. 590 d.A.). In diesem Zusammenhang hat das Erstgericht (S. 27 des Urteils) zutreffend auch auf die Aussage des Zeugen ... hingewiesen, der mitgeteilt habe, die Idee zu dem „Klarstellungsschreiben“ stamme von dem Familienanwalt ... . Dass in irgendeiner Form durch den Beklagten oder die Zeugin ... Ansprüche gegen den Schuldner in diesem Zeitraum geltend gemacht wurden oder diesem bei den durchgeführten Investments Pflichtverletzungen vorgeworfen wurden (abgesehen von der unschlüssigen Behauptung, der Schuldner habe trotz Generalvollmacht ohne Zustimmung des Beklagten über dessen Depot verfügt), behauptet insbesondere der Beklagte nicht, der mehrfach vorträgt, der Schuldner habe zum Zeitpunkt der Übertragungen nur einen Gläubiger gehabt, und dies sei die ehemalige Klägerin (vgl. u.a. Schriftsatz vom 16.05.2018, Bl. 1377 d.A.)
139
Es ist nach alledem davon auszugehen, dass eine ausgleichende Gegenleistung aus dem Vermögen des Beklagten nicht in das Vermögen des Schuldners geflossen ist.
140
(3) Die Feststellung des Landgerichts, wonach zwischen dem Schuldner und dem Beklagten kein wertausgleichender Kaufpreis für die Übertragung des Anteils an der ... vereinbart wurde, ist überzeugend. Die Angriffe des Beklagten sind nicht geeignet, daran Zweifel zu wecken.
141
Die Unentgeltlichkeit der Übertragung scheidet nicht bereits „begrifflich“ aus, weil formal ein Kaufpreis für die Geschäftsanteilsübertragung der ... in Höhe von (nur) EUR 12.500 vereinbart wurde. Es kommt entscheidend darauf an, ob dieser vereinbarte Kaufpreis eine ausgleichende Zuwendung darstellt, was das Landgericht zutreffend verneint hat.
142
Der vereinbarte Kaufpreis wurde von den Vertragsparteien Beteiligten ausschließlich nach dem Kriterium der Höhe des Stammkapitals der GmbH bemessen. Diese Anteilswertbemessung stellt keine entgeltliche Übertragung dar.
143
Dem Beweisangebot im Schriftsatz des Beklagten vom 13.03.2014, S. 14 (Bl. 240 d.A) auf Einholung eines Sachverständigengutachtens, wonach die ... zum Zeitpunkt der Übertragung des Geschäftsanteils im Jahr 2009 überschuldet und wertlos gewesen sei, war nicht nachzukommen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund des Urteils des BGH vom 18.03.1993 (IX ZR 198/92), auf das sich der Beklagte beruft, denn vorliegend geht es nicht um die Frage, welcher konkrete Wert dem streitgegenständlichen Vermögensgegenstand im konkreten Zeitpunkt zukam. Die Beantwortung dieser Frage erfordert grundsätzlich ein Fachwissen, das nur ein Sachverständiger vermitteln kann. Streitgegenständlich ist aber nicht der exakte Wert des veräußerten Geschäftsanteils zum Zeitpunkt der Übertragung, sondern die Frage, ob diesem ein Wert zukommt, der den vereinbarten Kaufpreis deutlich übersteigt und damit die Unentgeltlichkeit des angefochtenen Geschäfts belegen kann. Hinzu kommt, dass das Landgericht zutreffend zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Beklagte die im notariellen Kaufvertrag vereinbarte Gegenleistung, wie von den Beteiligten von vornherein beabsichtigt, nicht erbracht hat.
144
Das Landgericht hat zum Wert des Gesellschaftsanteils überzeugende Feststellungen getroffen, die der Senat teilt. Grundsätzlich ist, wie bereits mehrfach ausgeführt (vgl. Ziffer B.II.2b)), davon auszugehen, dass ein Vermögensgut werthaltig ist, wenn ihm im Geschäftsverkehr üblicherweise ein Wert zukommt und es regelmäßig nur gegen Entgelt übertragen wird. Dies gilt auch für den streitgegenständlichen GmbH-Anteil. Schuldner und Beklagte waren sich dessen bewusst, was bereits daraus folgt, dass sie einen kostenauslösenden Notarvertrag, vertreten durch die Zeugin ... , abgeschlossen haben. Damit haben sie sich zu ihrem Vortrag, wonach die Gesellschaft überschuldet und wertlos sei, in Widerspruch gesetzt.
145
Im Fall eines ausscheidenden Gesellschafters, mit der die vorliegende Geschäftsanteilsveräußerung durch den Schuldner vergleichbar ist, besteht Einigkeit, dass der Wert des Gesellschaftsvermögens nach Fortführungsgesichtspunkten zu bestimmen ist; maßgebend ist der „Verkehrswert“ als der wahre Wert des Gesellschaftsvermögens (vgl. Sauter in Becksches Handbuch der Personengesellschaften, 5. Aufl., 2020, Rn. 133). Maßgebend ist damit insbesondere nicht, worauf der Beklagte abstellt, die Bilanz zum 31.12.2009 (Anlage K 8), die einen Fehlbetrag in Höhe von EUR 204.683,62 ausweist; dies erfolgte auf Basis der Bewertung des maßgeblichen Sachanlagevermögens ausschließlich nach Anschaffungs- und Herstellungskosten. Der Verkehrswert des Gesellschaftsanteils ist vielmehr an den Verkehrswert der 55 Immobilien gebunden, die in die Gesellschaft eingebracht sind; er bestimmt sich zudem nicht nach dem Stammkapital der Gesellschaft.
146
Dass der Verkehrswert der Wohnungen von einer Bemessung nach Anschaffungs- und Herstellungskosten abweicht und in der Gesellschaft demnach zum Zeitpunkt der Übertragung stille Reserven enthalten waren, hat das Landgericht zutreffend unter Berufung auch auf die Angaben des Zeugen ... bejaht. Dieser hat in seiner Vernehmung vom 14.03.2016 (Bl. 442 ff d.A.) angegeben, dass er 2008 die Verhandlungen über den Verkauf von 27 Wohnungen aus dem Projekt ... (zum Quadratmeterpreis von EUR 2.800) und 28 Wohnungen aus dem Projekt U. (zum Quadratmeterpreis von EUR 2.322) geführt habe und er eine erhebliche Preisreduktion habe verhandeln können. Dies ist von der Beklagtenseite nicht näher angegriffen worden. Der Zeuge bewerte daher den Wert der Firma nicht unter einer halben Millionen bis zu einer Millionen EUR. Letzteres hat der Beklagte zwar bestritten und der Senat verkennt insbesondere nicht, dass das Verhältnis des Beklagten zu seinem Cousin, dem Zeugen ..., zerrüttet ist. Die Angaben des Zeugen ... sind jedoch, wie auch vom Landgericht so gesehen, überzeugend, da er sich selbst in dem parallel vom Kläger gegen ihn geführten Anfechtungsprozess vor dem Landgericht München II (Az. 2 O 1458/12) angreifbar macht. Diese Angaben stehen außerdem im Einklang mit der eingangs angeführten Vermutung der Werthaltigkeit. Ob der von dem Zeugen geschätzte Wert der Gesellschaft und die von ihm angegebenen stillen Reserven in der Höhe so zutreffend ist, ist sekundär, nachdem für die Gesellschaftsanteilsübertragung, wie ausgeführt, kein maßgeblicher Gegenwert in das Vermögen des Schuldners geflossen ist (und dies von den Beteiligten zur Überzeugung des Senats auch nicht beabsichtigt war). Der vereinbarte Kaufpreis war allein an der Höhe der Stammeinlage ausgerichtet, wurde zwischen Verwandten verabredet und war von vorne herein nicht in der Lage, eine echte Gegenleistung darzustellen. Der Senat ist aufgrund der genannten Indizien überzeugt, dass der Wert des übertragenen Gesellschaftsanteils im Zeitpunkt der Übertragung den vereinbarten Kaufpreis von EUR 12.500 so deutlich überstieg, dass die Übertragung insgesamt als unentgeltlich anzusehen ist. Der Weg der kostenauslösenden notariellen Anteilsübertragung, den der Schuldner und der Beklagte gewählt haben, belegt überdies, dass beide von der Werthaltigkeit des Anteils ausgegangen sind. Hinzu kommt als Hinweis für die von den Beteiligten erkannte Werthaltigkeit des Gesellschaftsanteils die Bewertung des Geschäftsanteils an der ... zum Zeitpunkt Februar 2009 in der Vermögensübersicht vom 12.02.2009 (Anlagekonvolut K 23) mit EUR 13 Mio. Es handelt sich dabei um die Vermögensübersicht, der bzw. deren Ergebnis die Zeugin und Generalbevollmächtigte ... , die den Schuldner und den Beklagten bei der Anteilsübertragung vertreten hat, vertraut haben will.
147
Soweit der Beklagte mit rechtlicher Stellungnahme der Kanzlei ... (Anlage zum Schriftsatz vom 22.01.2024) erstmals vorträgt, die Wohnungen seien zum Zeitpunkt der Übertragung des Geschäftsanteils sämtlich vermietet gewesen, handelt es sich um erstmals nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgetragene (neue) Tatsachen, die schon aus diesem Grund unberücksichtigt bleiben (siehe auch unten Ziffer D. zu § 156 ZPO). Es ist nicht ersichtlich, dass eine offensichtlich zwischen 2008 und 2009 erfolgte erstmalige Vermietung aller Wohnungen und damit an die Gesellschaft geflossenen Mieteinnahmen den Verkehrswert des Gesellschaftsanteils negativ beeinflussen sollen. Im Gegenteil zeigt dies, dass die Wohnungen am Markt gefragt waren.
148
d) Die vierjährige Anfechtungsfrist des § 4 AnfG wurde durch den Kläger, der den von der Nebenintervenientin begonnen Anfechtungsprozess übernommen hat, gewahrt. Die Anfechtung erfolgte mit der Klageerhebung vom 19.03.2012 und damit innerhalb der 4 Jahresfrist.
149
3. Der Kläger kann seinen Anfechtungsanspruch wegen der Übertragung des Geschäftsanteils an der ... weiter auf § 3 AnfG a.F. i.V.m. § 143 Abs. 1 InsO stützen. Dieser Anspruch entspricht den Anspruchsvoraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO. Die bei § 3 AnfG geltende 4-jährige Anfechtungsfrist wurde durch die Anfechtung der jetzigen Nebenintervenientin gewahrt. Maßgeblich hierfür ist der Zeitraum zwischen der anfechtbaren Rechtshandlung vom November 2009 und der Anfechtung, die mit Zustellung der Klage der ehemaligen Klägerin an den Beklagten am 24.04.2012 erfolgte.
150
II. Der Kläger kann den Anfechtungsanspruch hinsichtlich der Übertragung des Geschäftsanteils von 38,8% an der ... an den Beklagten zur Masse gemäß §§ 16 Abs. 1, 17 Abs. 1, 4 Abs. 1 AnfG sowie auf § 3 Abs. 1 AnfG a.F. jeweils i.V.m. § 143 ZPO stützen.
151
1. Zur Anfechtungsberechtigung des Klägers wird auf die Ausführungen unter Ziffer B. II. 2. Bezug genommen.
152
2. Der Anfechtungsanspruch aus § 4 Abs. 1 AnfG besteht.
153
a) Die notarielle Übertragung des Geschäftsanteils des Schuldners an der ... auf den Beklagten durch notarielle Vereinbarung vom 24.04.2009 war gläubigerbenachteiligend gem. § 1 AnfG. Hierfür spricht bereits die allgemeine Vermutung, wonach grundsätzlich von der Werthaltigkeit eines weggegebenen Vermögensguts auszugehen ist, wenn ihm im Geschäftsverkehr üblicherweise ein Wert zukommt und es deshalb regelmäßig nur gegen Entgelt übertragen wird. Den Anschein hierfür hat der Beklagte selbst gesetzt, indem er den Weg der kostenauslösenden Übertragung durch notariellen Vertrag beschritt und sich damit in Widerspruch zu seiner Behauptung, wonach der Geschäftsanteil wertlos sei, setzt. Letztere Behauptung steht auch im Widerspruch zu der Bewertung des Geschäftsanteils in der Vermögensübersicht des Zeugen ... vom 12.02.2009 und damit nur 2 Monate vor der Übertragung. Hier wird der Geschäftsanteil mit EUR 1.541.136 aufgrund der von der Gesellschaft gehaltenen Aktien bewertet (Anlagenkonvolut K 23). Auf das Ergebnis dieser Aufstellung hat sich die Zeugin ... , die bei der Geschäftsanteilsübertragung sowohl den Beklagten wie auch den Kläger vertreten hat, nach eigenem Bekunden verlassen. Damit haben die Beteiligten entgegen dem Vortrag des Beklagten der Gesellschaft einen Wert zugemessen, die Übertragung hat die Aktiva des Schuldners verringert.
154
b) Die Voraussetzungen des Anfechtungsgrundes des § 4 Abs. 1 AnfG liegen vor.
155
aa) Auch hier gilt, dass die tatsächlichen Feststellungen, die das Landgericht zur unentgeltlichen Übertragung des Geschäftsanteils des Beklagten an der ... durch den Schuldner, vertreten durch die Zeugin ... , an den Beklagten, ebenfalls vertreten durch die Zeugin ... , gemäß § 529 ZPO getroffen hat, überzeugend sind. Konkrete Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Feststellungen wurden durch die Angriffe und Einwendungen des Beklagten nicht geweckt. Auf die Ausführungen unter Ziffer B.II.3) wird Bezug genommen.
156
bb) Der Vortrag des Beklagten zur angeblich erbrachten Gegenleistung (Zahlung des Kaufpreises in Höhe des Nennbetrags des Geschäftsanteils des Schuldners in Höhe von EUR 9.916,06) überzeugt nicht. Die Ausführungen des Beklagten decken sich mit den Ausführungen zur behaupteten Gegenleistung im Hinblick auf die notarielle Übertragung des Geschäftsanteils an der ... . Auf Ziffer C.I.2c) wird daher voll umgänglich Bezug genommen. Im Ergebnis hat der Beklagte eine Gegenleistung nicht schlüssig vorgetragen.
157
Dass der Kaufpreis nach dem Nennbetrag des Geschäftsanteils in Höhe von EUR 9.116,06 so im Kaufvertrag vereinbart wurde, ist im übrigen unstreitig. Auf die Einvernahme des nicht namentlich benannten Notars (Beweisangebot im Schriftsatz des Beklagten vom 27.12.2012, Bl. 150 d.A.) kam es somit nicht an.
158
cc) Der in Höhe des Nennbetrags vereinbarte Kaufpreis war nicht wertausgleichend, die Übertragung erfolgte daher unentgeltlich. Die vom Landgericht in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen sind überzeugend und werden durch den Senat geteilt (§ 529 ZPO). Die Einwendungen des Beklagten vermögen diese nicht in Zweifel zu ziehen.
159
Das Landgericht hat sich zu Recht auf den allgemeinen, bereits zitierten Grundsatz bezogen, wonach Vermögensgegenständen bei ihrer Veräußerung im Geschäftsverkehr grundsätzlich ein Wert zukommt. Diesem Anschein hat der Beklagte durch den entgeltlichen, notariell geschlossenen Übertragungsvertrag entsprochen, wie bereits ausgeführt. Das Landgericht hat ferner darauf abgestellt, dass die Vermögensübersicht des Zeugen ... vom Februar 2009 für den 38,8% igen Geschäftsanteil des Beklagten angesichts des Kurswerts der zu diesem Zeitpunkt von der Gesellschaft gehaltenen Wertpapiere (316.250 Aktien der ... und 1.185.621 Aktien der ...) einen Wert von EUR 1.541.136,00 ausweist. Der Aktienbestand und deren Kurswert zu diesem Zeitpunkt sind unstreitig. Unstreitig sind auch die Höhe der Verbindlichkeiten zum 31.12.2010 laut Bilanz (Anlage B 7) sowie der Umstand, dass es sich bei diesem um Gesellschafterdarlehen handelt, für die die Gesellschafter Rangrücktrittserklärungen abgegeben haben.
160
Demgegenüber verfängt die Argumentation des Beklagten, die Gesellschaft sei bereits zum Zeitpunkt der Übertragung des Geschäftsanteils wertlos, weil überschuldet gewesen, nicht. Auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur genauen Bezifferung des Werts des übertragenen Gesellschaftsanteils kommt es nicht an (vgl. Ziffer C.I.1.b). Unstreitig befanden sich noch zwei Monate vor der Anteilsübertragung die genannten Aktien im Bestand der Gesellschaft. Schuldner und Beklagter haben durch die Übertragung zum Ausdruck gebracht, dass die nachrangigen Gesellschafterdarlehen bei ihrer Bewertung des Geschäftsanteils außer Betracht bleiben und sie insbesondere für die Gesellschaft eine positive Fortführungsprognose gemäß § 19 Abs. 1 S.2 InsO sehen. Der Einwand des Beklagten, Grund für die Veräußerung sei nur gewesen, dass er bereits Anteile an der Gesellschaft gehalten und der Gesellschaft ein Darlehen über mehr als EUR 8 Mio gewährt habe, überzeugt nicht. Es ist kein vernünftiger Grund für das Vorgehen des Beklagten erkennbar, den Geschäftsanteil an einer nach seinen Angaben völlig überschuldeten Gesellschaft ohne positive Fortführungsprognose kostenauslösend zu erwerben und weiter zu halten. Dies gilt erst Recht vor dem Hintergrund des Vortrags des Beklagten aus der Berufungsbegründung, wonach die Gesellschaft weiterhin fortbesteht und ausweislich des Jahresabschlusses zum 31.12.2016 (den im übrigen der Schuldner selbst für den Beklagten vorgenommen hat, Anlage B 116,) nur noch über Anlagevermögen in Höhe von EUR 1 verfügt und Verbindlichkeiten in Höhe von EUR 12.268.53435,47 ausweist. Auch in Anbetracht dieser Situation hat der Beklagte bis heute keinen Insolvenzantrag gestellt. Daraus kann nur der Schluss gezogen werden, dass auch die Beteiligten der Übertragung zum Zeitpunkt der Übertragung der Gesellschaft eine positive Fortführungsprognose gestellt haben, die werthaltig ist.
161
Aus dem Vorgehen des Schuldners und des Beklagten ist der Schluss zu ziehen, dass diese den Anteilsübertragungsvertrag im April 2009 abschlossen vor dem Hintergrund der im Februar 2009 noch unstreitig von der Gesellschaft gehaltenen Aktien im Wert von EUR über 1,5 Mio und unter Außerachtlassung der nachrangigen Gesellschafterdarlehen. Der vereinbarte Kaufpreis von nominell EUR 9.116,06 war demgegenüber nicht wertausgleichend.
162
Das Vorgehen fügt sich in das Verhaltensmuster innerhalb der Kernfamilie ... nach der Klageerhebung der ehemaligen Klägerin im Ausgangsverfahren vom 06.04.2009, wonach in schneller Abfolge innerhalb von 6 Monaten nahezu alle wesentlichen Vermögensgegenstände des Schuldners auf dessen einzigen Sohn, den Beklagten, jeweils auf beiden Seiten unter Vertretung der Ehefrau des Schuldners und Mutter des Beklagten, übertragen wurden. Auch daraus folgt, dass beide Teile nicht in gutem Glauben auf die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung handelten.
163
c) Die vierjährige Anfechtungsfrist des § 4 AnfG wurde durch den Kläger, der den Anfechtungsprozess der ehemaligen Klägerin und Nebenintervenientin übernommen hat, gewahrt. Die Anfechtung erfolgte mit der Klageerhebung vom 19.03.2012 und damit innerhalb der 4 Jahresfrist.
164
3. Der Anfechtungsanspruch ergibt sich außerdem aus § 3 Abs. 1 AnfG a.F.
165
Es gelten insoweit die Ausführungen unter Ziffer B.I. bezüglich des Anspruchs nach § 133 Abs. 1 InsO im Hinblick auf die Anteilsübertragung an der ... mit Ausnahme der Anfechtungsfrist. Die 4-Jahresfrist wurde durch die Anfechtungsklage der ehemaligen Klägerin und jetzigen Nebenintervenientin gewahrt.
166
Ein („originärer“) Anfechtungsanspruch des Klägers gemäß § 133 Abs. 1 InsO besteht hingegen mangels Einhaltung der 10-jährigen Anfechtungsfrist nicht, da die Übertragung länger als zehn Jahre vor Insolvenzantragstellung erfolgte.
167
III. Der Kläger kann die Übertragung der Miteigentumsanteile des Schuldners an den Immobilien ... und ... sowie der Verkehrsfläche Flurstück 3215 der Gemarkung ..., ... , durch notarielle Verträge vom 09.06.2009 gemäß §§ 16 Abs. 1, 17 Abs. 1, 4 AnfG sowie nach §§ 16 Abs. 1, 17 Abs. 1, 4, § 3 AnfG jeweils i.V.m. § 143 Abs. 1 InsO anfechten. Der Beklagte schuldet insoweit die Auflassung der Miteigentumsanteile zur Masse soweit nicht ein Anspruch auf Wertersatz besteht (vgl. Ziffer B. III. im Hinblick auf die Immobilie ...).
168
1. Der Kläger ist nach Übernahme des unterbrochenen Prozesses anfechtungsberechtigt und kann den Anfechtungsanspruch aus §§ 3, 4 Abs. 1 AnfG weiter verfolgen (vgl. Ziffer B. II. 1.).
169
Die Übertragungshandlungen durch Abschluss der notariellen Kaufverträge vom 09.06.2009 waren gläubigerbenachteiligend. Unstreitig waren die Grundstücke werthaltig und sind im Wert bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestiegen. Die Übertragung der Miteigentumsanteile durch den Schuldner auf den Beklagten durch notarielle Verträge vom 09.06.2009 hat dessen Aktivmasse zu Lasten seiner Gläubiger verkürzt.
170
2. Der Anfechtungsanspruch des § 4 Abs. 1 AnfG liegt vor.
171
Die Feststellungen, die das Landgericht zur Unentgeltlichkeit der Übertragung der Immobilien gemäß § 529 ZPO getroffen hat, sind überzeugend und werden durch den Senat umfassend geteilt. Das Landgericht hat ausgeführt, dass die ehemalige Klägerin die Unentgeltlichkeit der Übertragung dargelegt hat, wohingegen der Beklagte die angeblich erbrachte Gegenleistung und auch die Vereinbarung einer ausgleichenden Gegenleistung nicht schlüssig und widerspruchsfrei vorgetragen hat und diese aufgrund der vorliegenden Indizien nachträglich konstruiert sind.
172
Die hiergegen gerichteten Angriffe des Beklagten verfangen nicht.
173
a) In einem Zwei-Personen-Verhältnis – wie vorliegend – ist eine Leistung als unentgeltlich anzusehen, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Vermögenswert vereinbarungsgemäß zufließen soll. Entgeltlich ist dagegen eine Verfügung, wenn der Schuldner für seine Leistung etwas erhalten hat, was objektiv ein Ausgleich für seine Leistung war oder jedenfalls subjektiv nach dem Willen der Beteiligten sein sollte (BGH, Urteil vom 22.10.2020 – IX ZR 208/18 – Rz. 9). Ergänzend wird auf die Ausführungen unter Ziffer B.II.3a) Bezug genommen.
174
b) Soweit der Beklagte die Vereinbarung einer wertausgleichenden Gegenleistung für die übertragenen Miteigentumsanteile behauptet, gelten die Ausführungen unter Ziffer C.I.2c). Auch im Hinblick auf die Übertragung der Miteigentumsanteile hat der Beklagte zunächst mit Schriftsatz vom 27.11.2012 (Bl. 150 d.A.) vorgetragen, dass er die Grundstücke gegen Zahlung eines Kaufpreises erworben habe, um dann mit Schriftsatz vom 10.10.2016 (Bl. 530 ff d.A.) geltend zu machen, dass er die Kaufpreiszahlung durch Verrechnung mit einer Darlehensrückzahlungsforderung gegen den Schuldner in Höhe von EUR 21.351.619,50 erbracht habe. Zur Herleitung der behaupteten Darlehensückzahlungsforderung hat er die in den Schriftsätzen vom 02.02.2017 und 24.09.2017 genannten Ausführungen gemacht (vgl. Ziffer C.I.2c), die das Landgericht zutreffend als in sich inkonsistent bewertet hat und die insbesondere hinsichtlich der zeitlichen Angaben zu den angeblichen Wertpapierverkäufen des Schuldners aus dem Depot des Beklagten im Widerspruch zu den Zeugenangaben des Schuldners stehen (Bl. 786, 787 d.A.). Auf die Ausführungen unter Ziffer C.I.2c) wird in diesem Zusammenhang verwiesen. Auch unter Zugrundelegung des eigenen Vortrags des Beklagten ist daher weder eine fällige Darlehensrückzahlungsforderung noch eine Schadensersatzforderung wegen einer verlustreichen Investmententscheidung des Schuldners dargetan. Die Bewertung des Landgerichts, wonach die behauptete Forderung nachträglich konstruiert wurde, um das Vermögen des Schuldners vor dem Zugriff der ehemaligen Klägerin zu schützen, wird durch den Senat in jeder Hinsicht geteilt. Die Existenz einer Schadensersatzforderung folgt auch nicht aus der sog. „Klarstellungserklärung“ der Zeugin ... (Bl. 599 d.A.). Die Erklärung datiert vom 25.05.2009 und bezieht sich schon nach dem Wortlaut auf bereits erfolgte Vermögensübertragungen. Die Grundstücksübertragungen waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht notariell vereinbart.
175
Zutreffend hat das Landgericht darüber hinaus die Widersprüchlichkeiten in der Aussage der Zeugin ... aufgezeigt, die zur Frage der Kaufpreiszahlung zum einen angab, sie habe die Anteile an den Grundstücken verkauft, da sie ja das Geld noch hätten brauchen können und andererseits, dass die Kaufpreise mit Schulden ihres Ehemannes verrechnet worden seien (Zeugenvernehmung vom 22.02.2016, Bl. 398 ff d.A.). Ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör ist in der unterlassenen Einvernahme des Zeugen ... nicht zu sehen. Dass in den Notarverträgen vom 09.06.2009 die behaupteten Kaufpreise für die Miteigentumsanteile des Schuldners ausgewiesen wurden, kann als wahr unterstellt werden. Auf welche Weise diese zu bezahlen waren, ist den vom Beklagten als Anlagen B 126 und B127 vorgelegten notariellen Urkunden nicht zu entnehmen. Diese sind insbesondere zu der vereinbarten Kaufpreiszahlung (Ziffer II. der Verträge) bewusst unvollständig kopiert vorgelegt worden, die Seiten 5 bis 9 fehlen jeweils nahezu vollständig. Die erstmalige vollständige Vorlage mit Schriftsatz vom 22.01.2024 (als Anlagen B 130 und B 131) erfolgte unentschuldigt verspätet nach Schluss der mündlichen Verhandlung. Der Kläger hat die Verspätung zudem mit seinem Schriftsatz vom gleichen Tag gerügt. Die Unterlagen sind daher im Prozess unbeachtlich (wegen § 156 ZPO siehe unten Ziffer D.).
176
Die nachträglich konstruierte Darlehensrückzahlungsforderung, mit deren Verrechnung die behaupteten Kaufpreise entrichtet worden sein sollen, verdeutlichen zudem, dass die Beteiligten (der Schuldner, der Beklagte und die von beiden Bevollmächtigte ... ) von vornherein bei Vertragsschluss nicht davon ausgegangen sind, dass der Beklagte die vereinbarte Kaufpreiszahlung erbringen soll und tatsächlich verschleierte Schenkungen der Miteigentumsanteile vom Schuldner an den Beklagten vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 22.10.2020 – IX ZR 208/18 – Rn. 22 ff). Dies ergibt sich aus einer Zusammenschau der angeführten Beweisanzeichen sowie aus dem weiteren Umstand, dass alle Beteiligten des Kaufvertrags in einem engen familiären Näheverhältnis stehen, die Übertragungen sich einfügen in eine größere Anzahl von Vermögensübertragungen durch den Schuldner an den Beklagten in unmittelbarem Zusammenhang mit der Klageerhebung der ehemaligen Klägerin im Ausgangsverfahren vom 06.04.2009 sowie den Angaben der Zeugin gegenüber dem Sachverständigen ..., zitiert in dessen Gutachten vom 30.11.2012, Anlage K 71, S.12, dem gegenüber die Zeugin äußerte, dass das Haus, in dem sie mit dem Schuldner wohne, „auf den Sohn überschreiben wurde, so dass dies im Rahmen einer Zwangsvollstreckung nicht gefährdet sei “.
177
c) Die vierjährige Anfechtungsfrist des § 4 Abs. 1 AnfG ist durch die Klageerhebung der ehemaligen Klägerin und Nebenintervenientin gewahrt.
178
3. Der Anfechtungsanspruch des § 3 AnfG liegt ebenfalls vor.
179
a) Die Voraussetzungen des Anfechtungsgrunds gemäß § 3 Abs. 1 AnfG a.F. liegen vor. Der Schuldner handelte bei der notariellen Übertragung der Miteigentumsanteile vom 09.06.2009, jeweils vertreten durch die Zeugin ... , mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. Der Beklagte, ebenfalls vertreten durch die Zeugin ... , hatte hiervon Kenntnis. Für beide Vertragsbeteiligte, Schuldner und Beklagten, ist jeweils gemäß § 166 Abs. 1 BGB auf die Kenntnis der Zeugin ... abzustellen, die mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelte. Auf die Ausführungen unter Ziffer B.II.2c) wird umfassend Bezug genommen.
180
b) Die 4 jährige Anfechtungsfrist des § 3 Abs. 1 AnfG ist durch den Kläger eingehalten, vgl. Ausführungen unter Ziffer B.II.2d).
181
Die Sache ist entscheidungsreif. Weder war die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§ 156 ZPO) noch ist eine (teilweise) Aussetzung des Verfahrens nach § 148 Abs. 1 ZPO angezeigt.
182
I. Aufgrund der des Schriftsatzes des Beklagten vom 22.01.2024 und auch des Schriftsatzes vom 27.02.2024 und des dortigen Vorbringens sowie der vorgelegten Anlagen war nicht wieder in die mündliche Verhandlung einzutreten (§ 156 ZPO). Die unvollständige Vorlage der notariellen Urkunden im Termin am 17.10.2023 erfolgte aufgrund einer bewussten Erwägung, bestimmte Umstände nicht preisgeben zu wollen; hieran muss sich der Beklagte festhalten lassen. Die Vorlage der „Gutachten“ rechtfertigt ebenfalls nicht den Eintritt in die mündliche Verhandlung, da sämtliche Argumente und tatsächlichen Ausführungen schon früher möglich waren. Die dort angestellten rechtlichen Überlegungen sind wiederum in dieses Urteil eingegangen.
183
II. Die Voraussetzungen einer Aussetzung nach § 148 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor. Das Verfahren vor dem 34. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München über die Anmeldung der Forderung der Nebenintervenientin zur Insolvenztabelle ist nicht vorgreiflich, da der Kläger den Prozess und die dort vorgefundenen rechtshängigen Ansprüche aus eigenem Recht weiter geltend machen kann und nicht auf das Forderungsrecht der Nebenintervenientin angewiesen ist (siehe oben Ziffer B. II.2.).
184
Die Nebenintervention der früheren Klägerin ist zulässig und der Antrag des Beklagten auf deren Zurückweisung abzuweisen (§§ 70, 71 ZPO).
185
I. Der diesbezügliche Antrag auf Nebenintervention vom 09.09.2020 (Bl. 1571 d.A.) ist wirksam gestellt, insbesondere liegen die Prozesshandlungsvoraussetzungen vor.
186
Bereits mit Zwischenurteil vom 11.12 2018 (Bl. 1494 ff d.A.) hat der Senat die Partei-, Prozess- und Postulationsfähigkeit der Nebenintervenientin als damaliger Klägerin bejaht. Veränderungen sind lediglich im Hinblick auf die Änderung des Prozessbevollmächtigten eingetreten. Auch die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind wirksam bevollmächtigt und haben ihre Vollmacht auf Rüge des Beklagten nachgewiesen (§ 88 Abs. 1 ZPO).
187
Die neuen Prozessbevollmächtigen der Nebenintervenientin haben im Termin vom 17.10.2023 das Original einer mit einer Apostille versehenen notariell bestätigten Prozessvollmacht, die von den aktuellen und vertretungsberechtigten Direktoren der Nebenintervenientin ... und ... unterschrieben ist, vorgelegt. Diese vertretungsbefugten Direktoren der Nebenintervenientin haben bereits sämtliche Rechtshandlungen der vormaligen Prozessbevollmächtigten ausdrücklich genehmigt, so dass der Senat auch jetzt von einer wirksam erteilten Prozessvollmacht ausgeht (§ 80 Satz 1 ZPO).
188
II. Die Nebenintervention der ehemaligen Klägerin als Einzelanfechtungsgläubigerin ist auch im übrigen zulässig (§ 71 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Ihr rechtliches Interesse an der Prozessführung liegt in ihrem Kostenerstattungsanspruch nach § 16 Abs. 1 S. 2 AnfG gegen die Insolvenzmasse (Weinland in MüKo AnfG, aaO, Rn. 18 zu § 17). Da die Sache auch im Übrigen entscheidungsreif ist, bedarf es keines Zwischenurteils nach § 71 Abs. 2 ZPO.
F. Sonstige Nebenentscheidungen
189
I. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.
190
II. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Höhe der Sicherheitsleistung bestimmt sich, soweit Geldforderungen betroffen sind (Ziffern I.1. und I.2. des Urteils) nach deren Höhe. Soweit die Übertragung des Geschäftsanteils der ... betroffen ist, bestimmt sich die Sicherheitsleistung nach dem Wert, der ihm im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zukommt. Nach Angaben des Beklagten ausweislich des Schriftsatzes vom 06.10.2023 übersteigt der Anteilswert den Wert der Forderung der Nebenintervenientin gegen den Hauptschuldner. Diese Wertvorstellung begegnet keinen Bedenken. Der Senat setzt daran orientiert die Sicherheitsleistung auf EUR 15 Mio fest. Die Sicherheitsleistung bezüglich der Rückübertragung des Geschäftsanteils an der ... schätzt der Senat auf EUR 5.000. Im Hinblick auf Ziffern I. 5. und 6. des Urteils bestimmt sich die Sicherheitsleistung in Anlehnung an den notariellen Kaufpreis in Höhe von EUR 200.000 (Ziffer I.5.) sowie geschätzt EUR 10.000 (Ziffer I.6.).
191
III. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 3, 4 ZPO, §§ 40, 47, 48 GKG und bemisst sich nach den Werten bei Einleitung des Berufungsverfahrens. Maßgebend ist insoweit insbesondere der Streitwertbeschluss des Landgerichts im angefochtenen Urteil. Nach Klageerweiterung vom 21.04.2016 wurde dieser zutreffend mit bis zu EUR 5 Mio angegeben.
192
IV. Die Revision war beschränkt auf die Rechtsfrage, ob der den Anfechtungsprozess des Einzelgläubigers übernehmende Insolvenzverwalter die besonderen Berechtigungserfordernisse des § 2 AnfG erfüllen muss, gemäß § 543 Abs. 2 Nr.2 ZPO wegen Divergenz zuzulassen. Der BFH (Urteil vom 10.11.2020 – VII R 8/19 –, Rn. 58 ff) entscheidet diese Rechtsfrage anders als der Senat (vgl. hierzu die Ausführungen unter Ziffer B.II.1.) die Revisionszulassung erfasst nicht die Entscheidung über den auf §§ 129, 133 Abs. 1 InsO gestützten Anfechtungsanspruch wegen der Übertragung der Anteile an der ... .