Titel:
Unzulässigkeit der Abschiebungshaft bei Trennung eines Elternteils von einem minderjährigen Kind
Normenketten:
AufenthG § 62 Abs. 1 S. 3
FamFG § 417
GG Art. 6
Leitsatz:
Soll nur ein Elternteil in Abschiebungshaft genommen werden, ist die Familie betroffen und das Abschiebehaftverbot greift. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abschiebungshaft, Elternteil, Minderjährige, Familientrennung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 39851
Tenor
1. Der Haftantrag wird in der Hauptsache als unzulässig zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
3. Dem Freistaat Bayern werden die notwendigen Kosten des Verfahrens und die etwaigen zur Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen auferlegt.
Gründe
1
Die Zentrale Ausländerbehörde U. hat mit Antrag vom 12.04.2024 die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis einschließlich 15.05.2024, hilfsweise den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
2
Es wird auf den Antrag der … vollumfänglich Bezug genommen.
3
Insbesondere wurde der Betroffene am 11.04.2024 in der Ankereinrichtung … vorstellig und um 17:30 Uhr in Gewahrsam genommen.
4
Die Ausländerbehörde beabsichtigt, den Betroffenen am 14.05.2024 mit einem Sammelcharter abzuschieben.
5
Der Betroffene wurde am 12.04.2024 persönlich angehört.
6
Der Antrag war zurückzuweisen, da die Abschiebehaft nach § 62 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nicht angeordnet werden kann.
7
Seit der Gesetzesnovelle, welche am 27.02.2024 in Kraft trat, dürfen Minderjährige und Familien mit Minderjährigen grundsätzlich nicht in Abschiebehaft genommen werden. Die nach der alten Gesetzesfassung mögliche Haftanordnung mit erheblich eingeschränktem Ermessen ist – soweit es Minderjährige und Familien mit Minderjährigen betrifft – nicht mehr möglich.
8
Im vorliegenden Fall, indem eine Haftanordnung auch nur gegen einen Elternteil erfolgen soll, ist die Familie betroffen und das Abschiebehaftverbot greift. Der BGH hat mit Beschluss vom 23.03.2021 – XIII ZB 95/19 zur alten Rechtslage ausgeführt, dass die Haft zur Sicherung einer Abschiebung oder Überstellung gegen einen Elternteil nur im äußersten Fall und nur für die kürzestmögliche angemessene Dauer angeordnet werden kann, da die Haft in diesem Fall nicht nur in das Freiheitsgrundrecht der betroffenen Person, sondern zugleich in das Grundrecht auf den Schutz der Familie und das Recht auf den Schutz des Privat- und Familienlebens eingreift.
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Hieraus folgt, dass im vorliegende Fall grundsätzlich die Familie i.s.D. Art 6 GG betroffen ist und nach der neuen Rechtslage somit ein Abschiebeverbot eingreift.
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Aus den gleichen Gründen ist auch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.