Inhalt

VGH München, Beschluss v. 27.05.2024 – 7 B 24.416
Titel:

Zurückweisung der Berufung wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses - endgültiges Nichtbestehen einer Masterarbeit

Normenketten:
RaPO § 10 Abs. 1 S.2, § 11 Abs. 1
APO § 12 Abs. 1 S. 2
Leitsatz:
Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn die Rechtsstellung eines Klägers selbst bei einem Erfolg der Klage nicht verbessert werden würde, also nutzlos wäre. Nutzlos ist eine Klage dann, wenn sie dem Kläger offensichtlich keinerlei rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil bringen könnte. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Masterarbeit, Masterprüfung, Nichtbestehen, Rechtsschutzbedürfnis, Überschreitung der Höchstzahl nicht bestandener erster Wiederholungsprüfungen, endgültiges Nichtbestehen
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 10.04.2019 – W 2 K 18.729
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 08.01.2025 – 6 B 17.24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 39394

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Unter Abänderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts wird der Streitwert für beide Instanzen auf jeweils 7.500 Euro festgesetzt.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1
Die Klägerin wendet sich gegen das endgültige Nichtbestehen ihrer Masterarbeit.
2
Die Klägerin war seit dem Sommersemester 2014 im Masterstudiengang „Immobilienmanagement“, der eine Regelstudienzeit von drei Semestern vorsieht, bei der Beklagten immatrikuliert. Mit Bescheid der Beklagten vom 30. August 2016 wurde aufgrund der Überschreitung von Fristen für das Ablegen von Prüfungen, u.a. der Masterarbeit, das Nichtbestehen der Masterprüfung im ersten Versuch festgestellt. Der Bescheid ist bestandskräftig.
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Mit Bescheid vom 25. Oktober 2017 stellte die Beklagte das endgültige Nichtbestehen der Masterarbeit mit dem Thema „Analyse von Konfliktpotentialen in Wohneigentümergemeinschaften und Entwicklung von Lösungsvorschlägen für ein reibungsarmes Management der Assetklasse Wohnen“ fest. Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens hat das Verwaltungsgericht die hiergegen gerichtete Klage mit den Anträgen, die Masterarbeit neu zu bewerten, hilfsweise deren Wiederholung zu gestatten, mit Urteil vom 10. April 2019 (Az. W 2 K 18.729) abgewiesen. Nach Zulassung der Berufung durch Beschluss des Senats vom 10. Dezember 2020 (Az. 7 B 20.2945) verfolgte die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter.
4
Mit weiterem Bescheid vom 3. September 2018 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin wegen Überschreitung der Höchstzahl nicht bestandener erster Wiederholungsprüfungen in insgesamt sechs Modulen die Masterprüfung endgültig nicht bestanden habe. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 29. September 2018 (Az. W 2 K 21.1337) Klage.
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Mit Beschluss des Senats vom 22. Juni 2021 wurde das streitgegenständliche Verfahren bis zu einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die dort noch anhängige Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 3. September 2018 (sowie die weiteren Klagen gegen inhaltlich gleichlautende Bescheide vom 29.3.2019, 22.10.2019 und vom 12.3.2020) ausgesetzt. Bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 10. April 2019 (Az. W 2 K 18.729) wäre zu klären gewesen, ob der Bescheid der Beklagten vom 3. September 2018 rechtmäßig ist, und die Klägerin schon aus diesem Grund und unabhängig vom Bestehen der Masterarbeit die Masterprüfung im Studienfach „Immobilienmanagement“ endgültig nicht bestanden habe.
6
Mit Urteil vom 29. Juni 2022 wies das Verwaltungsgericht die Klage der Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 3. September 2018 (Az. W 2 K 21.1337) ab. Der dagegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung wurde durch Beschluss des Senats vom 26. September 2023 (Az. 7 ZB 22.1930) abgelehnt.
7
Mit Beschluss des Senats vom 12. März 2024 wurde die Aussetzung des Verfahrens aufgehoben und das Verfahren fortgeführt. Zudem wurden die Beteiligten zu einer Entscheidung nach § 130a Satz 1 VwGO angehört. Die Bevollmächtigte der Klägerin trug hierzu vor, die Berufung sei aus Sicht der Klägerin begründet und die Klage nach wie vor zulässig. Als Anlage wurde ein Schriftsatz des (anderweitigen) Bevollmächtigten der Klägerin im Verfahren 7 ZB 22.1930 übersandt, mit dem dieser den Antrag auf Zulassung der Berufung in diesem Verfahren begründet hatte, und der sich im Wesentlichen mit Gesichtspunkten befasst, aus denen die Klägerin die Befangenheit von Mitgliedern der Prüfungskommission und die Fehlerhaftigkeit von deren Entscheidungen herleiten will.
8
Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 10. April 2019 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheids vom 25. Oktober 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. April 2018 die Masterarbeit der Klägerin „Analyse von Konfliktpotentialen in Wohneigentümergemeinschaften und Entwicklung von Lösungsvorschlägen für ein reibungsarmes Management der Assetklasse Wohnen“ unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu und besser zu bewerten,
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hilfsweise,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 10. April 2019 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheids vom 25. Oktober 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. April 2018 die Klägerin die Masterarbeit im Masterstudiengang Immobilienmanagement zum nächstmöglichen Zeitpunkt wiederholen zu lassen.
12
Die Beklagte widersetzt sich dem Verfahren und beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 2021 und den Inhalt der Gerichtsakten zu den oben aufgeführten Verfahren verwiesen.
II.
15
Der Senat entscheidet gemäß § 130a Satz 1 VwGO über die Berufung durch Beschluss ohne weitere mündliche Verhandlung, weil er sie einstimmig für unbegründet hält. Eine mündliche Verhandlung hat bereits am 15. Juni 2021 stattgefunden; eine weitere mündliche Verhandlung hält der Senat nicht für erforderlich. Die Beteiligten wurden dazu mit Schreiben des Senats vom 14. März 2024 angehört (§ 130a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
16
1. Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Verpflichtungsklage der Klägerin mit dem Begehren, ihre Masterarbeit im Studienfach „Immobilienmanagement“ neu und besser zu bewerten bzw. hilfsweise, ihr einen weiteren Wiederholungsversuch zu gestatten, ist infolge fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden.
17
Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ist ungeschriebene Voraussetzung für die Zulässigkeit einer jeden Inanspruchnahme des Gerichts. Dessen Vorliegen ist als Prozessvoraussetzung von Amts wegen in jeder Lage des Prozesses zu prüfen. Das Vorliegen des Rechtsschutzbedürfnisses bedarf im Verwaltungsprozess in aller Regel keiner besonderen Begründung. Es fehlt ausnahmsweise aber dann, wenn die Rechtsstellung eines Klägers selbst bei einem Erfolg der Klage nicht verbessert werden würde, also nutzlos wäre (vgl. Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, vor § 40 Rn. 16). Nutzlos ist eine Klage dann, wenn sie dem Kläger offensichtlich keinerlei rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil bringen könnte. So liegt es hier.
18
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 3. September 2018 fest, dass die Klägerin wegen Überschreitung der Höchstzahl nicht bestandener erster Wiederholungsprüfungen in insgesamt sechs Modulen die Masterprüfung endgültig nicht bestanden hat (§ 11 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Satz 2 RaPO i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 2 APO). Das Verwaltungsgericht hat die Klage der Klägerin gegen diesen Bescheid mit Urteil vom 29. Juni 2022 abgewiesen (Az. W 2 K 21.1337). Der dagegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung wurde durch Beschluss des Senats vom 26. September 2023 (Az. 7 ZB 22.1930) abgelehnt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 29. Juni 2022 ist damit rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO). Demzufolge steht fest, dass die Klägerin die Masterprüfung unabhängig vom Ergebnis der Masterarbeit endgültig nicht bestanden hat.
19
Nicht substantiiert dargelegt und auch nicht ersichtlich ist daher, welche Vorteile sich für die Klägerin ergeben sollten, wenn der Senat entsprechend ihren Anträgen eine Neukorrektur der Masterarbeit im Fach „Immobilienmanagement“ bzw. eine Wiederholungsmöglichkeit für die Masterarbeit anordnen würde. Der „ungerechtfertigte Makel“, der sich nach dem Vortrag der Klägerin für sie ergeben sollte, wird nicht erläutert und erschließt sich nicht. Soweit die Klägerin vorträgt, es ergäben sich „Nachteile für die Zukunft“ im Hinblick auf die Wahl eines neu zu beginnenden ähnlichen Studiums bzw. die spätere Anerkennung der Masterarbeit in diesem, fehlt es bereits an einer substantiierten Darlegung, welches weitere Masterstudium die Klägerin beabsichtigt, in dem die Masterarbeit „Immobilienmanagement“ im Falle des Bestehens nach Art. 86 Abs. 1 BayHIG anerkannt werden könnte. Auf dieses Erfordernis wurde die Klägerin bereits im Beschluss des Senats vom 22. Juni 2021 hingewiesen. Inwiefern die Klägerin allein aus einer Immatrikulation in einem anderen Studienfach ein Rechtsschutzbedürfnis für das vorliegende Berufungsverfahren herleiten könnte, bedarf daher keiner Prüfung. Welche Bedeutung der Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung im Verfahren 7 ZB 22.1930, der von der Klägerin im Rahmen des streitgegenständlichen Verfahrens übersandt wurde, zukommen soll, erschließt sich nicht.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
21
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 36.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Bei der streitgegenständlichen Masterarbeit handelt es sich um eine Einzelleistung, deren Nichtbestehen zur Beendigung des Studiums führt, sodass der Streitwert nach Nr. 36.1 des Streitwertkatalogs festzusetzen ist. Selbst wenn die Masterarbeit erfolgreich abgelegt worden wäre, würde es sich dabei im vorliegenden Fall nicht um eine sonstige berufseröffnende Prüfung im Sinne von Nr. 36.3 des Streitwertkatalogs handeln, da die Klägerin unabhängig vom Bestehen der Masterarbeit die Masterprüfung wegen Überschreitung der Höchstzahl nicht bestandener erster Wiederholungsprüfungen in anderen Modulen endgültig nicht bestanden hat.
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4. Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.