Titel:
Widerspruchsverfahren, vertragsärztliche Versorgung, Sonderbedarfszulassung, Kostenentscheidung, fachärztliche Versorgung, Rechtsprechung des BSG, Außergerichtliche Kosten, Sachverhaltsermittlung, Kassenärztliche Vereinigung, Beurteilungsspielraum, Besonderer Versorgungsbedarf, Bedarfsplanungsrichtlinien, Strahlentherapeutische Leistungen, Zulassungsbeschränkungen, Strahlentherapeutische Behandlung, Vertragsarztsitz, Kosten des Rechtsstreits, Zulassungsausschuß, Beiladung, Zulassungsgremium
Schlagworte:
Sonderbedarfsanstellung, Überversorgung, Beurteilungsspielraum, Versorgungsdefizit, Bedarfsplanung, Zumutbare Erreichbarkeit, Behandlungskapazitäten
Fundstelle:
BeckRS 2024, 39359
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich etwaiger außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen zu 1). Die übrigen Beteiligten tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Tatbestand
1
Im Streit steht eine Anstellungsgenehmigung im Sonderbedarf für einen Facharzt für Strahlentherapie.
2
Die Klägerin (MVZ P. GmbH, neue Firma aufgrund Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom 02.12.2021: A. MVZ GmbH) betreibt in B-Stadt, das A. MVZ in überörtlicher Berufsausübungsgemeinschaft, das durch den Zulassungsausschuss mit Wirkung zum 01.10.2019 genehmigt wurde, ebenso wie die Anstellung des Herrn Dr. G.. Dieser war seit 2003 als Vertragsarzt tätig und verzichtete gemäß § 103 Abs. 4a SGB V auf seine Zulassung, um im MVZ der Klägerin tätig zu werden. Er verfügte als Facharzt für Radiologie unter anderem über eine Abrechnungsgenehmigung Strahlentherapie.
3
Mit Formantrag vom 01.03.2021 beantragte die Klägerin beim Zulassungsausschuss die Genehmigung zur Anstellung des Herrn Dr. P. (Beigeladener zu 8)), Facharzt für Strahlentherapie, im Rahmen eines Sonderbedarfs mit einem Umfang von 40 Wochenstunden, hilfsweise mit einem Umfang von 30 Wochenstunden, hilfsweise mit einem Umfang von 20 Wochenstunden gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V iVm §§ 36, 37 Bedarfsplanungs-Richtlinie für den Tätigkeitsort in B-Stadt im Planungsbereich Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns.
4
Zur Antragsbegründung wurde ausgeführt, dass der im MVZ tätige Radiologe, Herr Dr. G., seit über 17 Jahren am Standort des A. MVZ neben den radiologischen auch strahlentherapeutische Leistungen erbringe. Herr Dr. G. verfüge über eine Abrechnungsgenehmigung für strahlentherapeutischen Leistungen. Am Niederlassungsort des A. MVZ würden sog. Röntgenschmerzbestrahlungen erbracht. Altersbedingt habe Herr Dr. G. im Dezember 2020 seine Tätigkeit von 40 Wochenstunden auf 20 Wochenstunden reduziert. Im Oktober 2021 solle eine Reduzierung auf 10 Wochenstunden erfolgen. Ferner beabsichtige er, seine Tätigkeit bis Herbst 2022 gänzlich zu beenden. (Dies ist Ende September 2022 auch geschehen.) Die Abrechnung strahlentherapeutischer Leistungen werde den nachfolgenden Radiologen jedoch nicht mehr genehmigt. Strahlentherapeutische Leistungen seien nicht mehr Bestandteil der Weiterbildungsordnung im Fachgebiet Radiologie, so dass Radiologen die Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung strahlentherapeutischer Leistungen aufgrund sog. Fachfremdheit nicht mehr erteilt werde. Folglich sei es nicht mehr möglich, den Bedarf an Röntgenschmerzbestrahlungen zu decken. Die bisherigen Patienten- und Untersuchungszahlen sowie die aktuellen Anfragen und Wartezeiten im MVZ der Klägerin belegten einen hohen Bedarf an strahlentherapeutischen Leistungen, insbesondere im Bereich der Röntgenschmerzbestrahlung. Diese Versorgungslücke könne auch nicht durch die umliegenden en geschlossen werden, da diese die Strahlenbehandlung überwiegend zur Krebsbehandlung einsetzten und keine Termine für die ambulante Röntgenschmerzbestrahlung vergäben. Diese Leistungen würden in zumutbarerer Entfernung um den Antragsort daher nicht (mehr) angeboten.
5
Als Region, die durch die Anstellung versorgt werden soll, wurden im Antrag die kreisfreie Stadt B-Stadt sowie der Landkreis B-Stadt genannt.
6
Mit Schreiben vom 03.05.2021 an den Zulassungsausschuss beantragte die KVB (Beigeladene zu 1), den Antrag der Klägerin auf Anstellung des Beigeladenen zu 8) im Rahmen eines Sonderbedarfs abzulehnen, und führte hierzu aus, dass in Ermangelung eines notwenigen Schwerpunktes oder einer fakultativen Weiterbildung grundsätzlich lediglich ein lokaler Sonderbedarf denkbar wäre. Jedoch sei auch dieser zu verneinen, da keine lokalen Besonderheiten vorlägen, die einen solchen Ausnahmetatbestand rechtfertigen würden. Eine hilfsweise durchgeführte Bedarfsanalyse sei zudem zu dem Ergebnis gekommen, dass auch kein Bedarf für eine Anstellung im Rahmen des Sonderbedarfs bestehe.
7
Hierauf erwiderte die Klägerin mit Schreiben vom 11.05.2021 und wies unter anderem darauf hin, dass die von der Beigeladenen zu 1) durchgeführte Bedarfsumfrage unzureichend sei. Die Klägerin habe 37 zuweisende Ärzte befragt, die Bedarf für 940 Patienten pro Quartal gemeldet hätten. Dieser Bedarf könne, selbst wenn die im Rahmen der Umfrage gemeldeten freien Kapazitäten als richtig unterstellt würden, durch die vorhandenen en nicht gedeckt werden.
8
Der Zulassungsausschuss lehnte mit Beschluss vom 19.05.2021 den Antrag der Klägerin auf Anstellung des Beigeladenen zu 8) im Rahmen eines Sonderbedarfs für den Standort B-Stadt, ab, da weder ein lokaler noch ein qualifikationsbezogener Sonderbedarf vorliege.
9
Mit Schreiben vom 05.07.2021 legte die Klägerin dagegen Widerspruch ein und begründete diesen mit Schriftsatz vom 02.11.2021 wie folgt:
„Wie bereits im Antrag vom 01.03.2021 dargelegt, könnten wegen der Tätigkeitsreduzierung von Dr. G.. strahlentherapeutische Leistungen (Röntgenschmerzbestrahlungen) nicht mehr im bisherigen Umfang bzw. ab Oktober 2022 gar nicht mehr im MVZ der Klägerin in B-Stadt erbracht werden, obwohl hierfür ein großer Bedarf bestehe, da die meisten Strahltherapeuten die Strahlenbehandlung überwiegend zur Krebstherapie einsetzten und Entzündungsbestrahlungen nicht oder nur in ganz geringem Umfang erbrächten. Mit einer weiteren Reduzierung der Tätigkeit von Herrn Dr. G. bzw. der altersbedingten Beendigung seiner Tätigkeit 2022 könne der Bedarf nicht mehr gedeckt werden. Hinzu käme die Änderung der Prüfzeiten bei den strahlentherapeutischen Leistungen.“
10
Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 BedarfsplRL habe der Zulassungsausschuss bei der Ermittlung aller entscheidungsrelevanten Tatsachen eine umfassende Ermittlungspflicht, der der Zulassungsausschuss vorliegend nicht ausreichend nachgekommen sei. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG habe der Zulassungsausschuss den Versorgungsbedarf für einen Umkreis von 60 km (= Fahrzeit ca. 1 Std.) ermittelt, dabei allerdings die Vorgaben des BSG zu den Anforderungen an die Ermittlungen nach § 36 Abs. 4 BedarfsplRL nicht erfüllt (Urteil vom 17.03.2021, B 6 KA 2/20 R). So sei insbesondere auch die Versorgung durch den derzeit im Rahmen des MVZ strahlentherapeutisch tätigen Arzt Dr. G. bei der Feststellung der Versorgungslage mitberücksichtigt worden. Im vorliegenden Verfahren gehe es jedoch gerade um den drohenden Wegfall dieses Leistungsangebotes. Auch habe eine kritische Würdigung der Angaben der befragten Praxen nicht stattgefunden. Im Gegenteil – der Zulassungsausschuss habe wörtlich die Ausführungen der Beigeladenen zu 1) übernommen, obwohl diese erkennbar falsch bzw. ungenau seien. So sei die Beigeladene zu 1) selbst zum Ergebnis gekommen, dass die Angaben der Praxis (MVZ) in B-Stadt zu den freien Kapazitäten nicht nachvollziehbar seien, und diese schlicht durch eine eigene unpräzise Schätzung ersetzt.
11
Auch wenn die Angaben der Praxen und die Ergebnisse der Abrechnungsprüfung als ausreichend und zutreffend unterstellt würden, ergäbe sich zumindest ein unklares Bild der Versorgungslage. Nach der Rechtsprechung des BSG könne ein Anspruch auf Erteilung einer Sonderbedarfszulassung nicht verneint werden, wenn sich nicht klären lasse, ob andere Praxen den Bedarf decken könnten.
12
Der Beklagte hat mit Beschluss vom 21.12.2021, ausgefertigt am 24.02.2022, den Widerspruch gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 19.05.2021 zurückgewiesen. Der Widerspruch sei zulässig, aber unbegründet.
13
Für die Arztgruppe der Strahlentherapeuten, für die der gesamte Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns Planungsbereich sei, bestehe bei einem Ist-Bestand von 116,25 Zulassungen bzw. Anstellungen ein Versorgungsgrad 138,54%. Der Planungsbereich sei gesperrt, Zulassungsbeschränkungen seien angeordnet.
14
Die Voraussetzungen für die begehrte Anstellungsgenehmigung wegen einen qualifikationsbezogenen oder lokalen Sonderbedarfs seien zu verneinen.
15
Der Beigeladene zu 8) sei Facharzt für Strahlentherapie und besitze keine spezifische Qualifikation. Die Arztgruppe der Strahlentherapeuten umfasse auch keine unterschiedlichen Facharztbezeichnungen. Die Voraussetzungen für einen qualifikationsbezogenen Sonderbedarf lägen somit nicht vor.
16
Auch die Voraussetzungen für einen lokalen Sonderbedarf iSd § 101 Abs. 1 Nr. 3 SGB V iVm §§ 36, 37 BedarfsplRL seien vorliegend nicht gegeben. Ein lokaler Sonderbedarf werde typischerweise bejaht, wenn in einer begrenzten Region eine besondere Häufung von Krankheiten vorkommt, die etwa strahlentherapeutische Behandlungen erforderlich machten oder wenn es sich um eine sogenannte Enklavenlage handele. Beides sei vorliegend schon gar nicht geltend gemacht worden.
17
Ungeachtet dessen sei zur Versorgungssituation betreffend Fachärzte für Strahlentherapie für den hier maßgeblichen Planungsbereich, den gesamten Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, Folgendes festzustellen:
18
Im Umkreis von 60 km zum beantragten Tätigkeitsort in B-Stadt seien derzeit insgesamt 14 en (Anrechnungsfaktor 9,5) zugelassen bzw. angestellt (B-Stadt, H-Stadt, W-Stadt). Zudem verfüge ein Radiologe (Dr. G.) am MVZ der Klägerin in B-Stadt über eine Genehmigung zur Erbringung spezieller strahlentherapeutischer Leistungen ebenso wie ein Nuklearmediziner in W-Stadt. Ob Dr. G. plane, seine Tätigkeit im September 2022 zu beenden, sei für die Entscheidung des gegenständlichen Antrages unerheblich, da es alleine auf die derzeit bestehende Versorgungssituation ankomme.
19
Die Praxen im Umkreis von 60 km, in denen strahlentherapeutische Leistungen angeboten würden, befänden sich in B-Stadt (Entfernung: 4,7 km, Fahrzeit PKW: 10 Min.), H-Stadt (Entfernung: 55,7 km, Fahrzeit PKW: 43 Min.) und W-Stadt (Entfernung: 57,8 km, Fahrzeit PKW: 62 Min.).
20
Bei der Prüfung freier Behandlungskapazitäten halte der Beklagte im Rahmen der gesonderten fachärztlichen Versorgung unter Berücksichtigung der Ausführungen des BSG (Urteil vom 17.03.2021, B 6 KA 2/20 R) Wegstrecken und Fahrtzeiten von 60 km bzw. einer Stunde für zumutbar.
21
Aus der von der Beigeladenen zu 1) durchgeführten Befragung der strahlentherapeutisch tätigen Praxen in einem Umkreis bis 60 km zum beantragten Praxisort der Klägerin ergebe sich im Einzelnen Folgendes (die Darstellungen des Beklagten im Folgenden entsprechen den tatsächlichen Rückmeldungen der Praxen im Rahmen einer Abfrage der KVB):
- Eine Praxis mit Sitz in B-Stadt und Filiale in K-Stadt, in der vier Strahlentherapeuten (AF 2,5) tätig seien, spreche sich gegen einen Sonderbedarf aus. Die Praxis versorge seit Jahren regemäßig Patienten mit entzündlich degenerativen Erkrankungen mit einer niedrig dosierten („Reiz“-)Bestrahlung. Sie verfüge über drei moderne Linearbeschleuniger, die auch für die Reizbestrahlung bestens geeignet seien. Daneben sorgten die vier Fachärzte im MVZ für eine sichere Patientenversorgung ohne Lücken, auch der Vertretungsfall sei gesichert. Aktuell würden alle Patienten mit indizierter Bestrahlungsbehandlung versorgt. Da nach aktuellen Leitlinien mit moderner Technik bestrahlt werde, seien die drei Bestrahlungsgeräte derzeit nur zu etwa 60% ausgelastet, was bedeute, dass ohne Probleme alle Patienten mit einer Indikation für eine Strahlentherapie in Stadt und Landkreis B-Stadt auch mit Reizbestrahlungen kurzfristig versorgt werden könnten. Für den gegenständlich beantragten Sonderbedarf bestehe aus Sicht der Praxis kein Bedarf. Es bestünden 500 freie Kapazitäten für Patienten für Reizbestrahlungen im Quartal. Die Wartezeit liege bei fünf Tagen, bei starken Schmerzen sei eine Vorstellung innerhalb von ein bis zwei Tagen möglich. Im Falle der Zuerkennung eines Sonderbedarfs bestünde die Gefahr, dass die Patientenzahlen sinken würden, was dazu führen würde, dass Modernisierungen und Investitionen in neue Technik und Personal erschwert würden, was zu Lasten der Patienten ginge. In der Praxis würden Patienten aus B-Stadt, Stadt und Landkreis, wie auch aus Stadt und Landkreis K-Stadt versorgt.
22
Eine Betrachtung von Fallzahlen und Abrechnung der Praxis zeige, so der Beklagte weiter, dass diese im Bereich der Strahlentherapeuten in den Quartalen 3/2020 bis 2/2021 grundsätzlich unter dem Durchschnitt der Fachgruppe der Strahlentherapeuten gelegen habe (-17,5%). Betrachte man die individuellen Fallzahlen der Strahlentherapeuten der Praxis im Verhältnis zu den Anstellungszeiten, so sei festzustellen, dass grundsätzliche freie Kapazitäten im Bereich der Strahlentherapie nachvollzogen werden könnten. Auch wenn es sich bei den Angaben der Praxis um freie Kapazitäten im Bereich der Reizbestrahlung handele, müsse die angegebene Höhe von 500 freien Behandlungsplätzen nach Ansicht des Beklagten reduziert werden. Die angegebene Wartezeit in der Praxis werde grundsätzlich als nachvollziehbar erachtet.
- Eine Praxis in H-Stadt, in der zwei Strahlentherapeuten (AF 2,0) tätig seien, sehe einen teilweisen Bedarf für einen Sonderbedarf. Patienten, die von B-Stadt aus in Richtung H-Stadt wohnten, könnten mit Röntgenreizbestrahlungen problemlos von der eigenen Praxis versorgt werden, so deren Angabe. Sämtliche mit der Sonderbedarfszulassung beantragten Bestrahlungen könnten in der eigenen Praxis angeboten werden. Im Quartal könnten zusätzlich 60 Patienten aufgenommen werden, die Wartezeit liege bei zwei Tagen.
23
In Anbetracht der in der Praxis durch die Strahlentherapeuten bislang erzielten Fallzahlen (+25,7%) erachtete der Beklagte die genannten freien Kapazitäten maximal im angegebenen Umfang als plausibel.
- Eine Praxis aus W-Stadt, in der insgesamt acht en tätig seien, bejahe den Bedarf für eine Sonderbedarfszulassung. Die Praxis gebe jedoch einzig an, strahlentherapeutische Leistungen auch selbst zu erbringen. Zu Vakanzen oder Wartezeiten in der Praxis gebe es keine Ausführungen. Auch werde die Befürwortung nicht weiter begründet.
24
Eine Fallzahlanalyse der dortigen Strahlentherapeuten lasse jedoch freie Kapazitäten auch in größerem Umfang naheliegend erscheinen. Die Praxis liege in den Quartalen 3/2020 bis 2/2021 mit den Fallzahlen 50,1% unter dem Fachgruppendurchschnitt.
25
Zusammenfassend sei festzustellen, dass, auch wenn einzelne Angaben zu freien Behandlungsplätzen zur korrigieren seien und eine Praxis den Sonderbedarf bejahe (ohne Begründung), ausreichend freie Versorgungskapazitäten zur Erbringung strahlentherapeutischer Leistungen bestünden, so dass diesbezüglich ein Bedarf für eine Zulassung im Rahmen eines Sonderbedarfs nicht gegeben sei.
26
Eine Abrechnungsprüfung zeige darüber hinaus, dass von den bestehenden strahlentherapeutischen Praxen die gesamte Breite des strahlentherapeutischen Versorgungsspektrums abgedeckt werde. Zutreffend sei, dass in einem Umkreis von 60 km einzig Herr Dr. G. die GOP 25310 EBM (Weichstrahl- oder Orthovolttherapie) in den Quartalen 3/2020 bis 2/2021 erbracht und abgerechnet habe. Auch wenn jedoch einzelne Leistungen nicht angeboten oder abgerechnet würden, könne dies nicht Grundlage eines Sonderbedarfs sein, da hierfür ein Bedarf in der kompletten Breite des Zulassungsgebietes bestehen müsse.
27
Auch die Rückmeldungen im Rahmen einer durch die Klägerin selbst durchgeführten Befragung von (potentiellen) Zuweisern könne keinen Sonderbedarf begründen. Zwar würden durch die antwortenden Zuweiser Bedenken geäußert, dass bei einem Tätigkeitsende von Herrn Dr. G. eine Versorgungslücke entstehen könnte, allerdings gäben die antwortenden Praxen an, dass in diesem Falle eine Lücke (nur) im Bereich der Röntgenreizbestrahlung gesehen werde. Jedoch sei, wie dargestellt, für die Zuerkennung eines Sonderbedarfs eine Versorgungslücke in der gesamten Breite des Versorgungsgebietes notwendig, da bei Fehlen lediglich von Einzelleistungen allenfalls eine Ermächtigung speziell zu diesen Leistungen statthaft wäre.
28
Dagegen hat die Klägerin am 24.03.2022 Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben und diese mit Schriftsätzen vom 18.07.2023 und 30.07.2024 wie folgt begründet:
29
Die Klägerin habe einen Anspruch auf Genehmigung der Anstellung, da trotz Zulassungsbeschränkungen die Anstellung aufgrund eines lokalen Sonderbedarfs notwendig sei.
30
Der Beklagte habe den Versorgungsbedarf nicht entsprechend der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 17.03.2021, B 6 KA 2/20 R) ermittelt. So sei insbesondere auch die Versorgung durch den bis Oktober 2022 im Rahmen des MVZ strahlentherapeutisch tätigen Arzt bei der Feststellung der Versorgungslage mitberücksichtigt worden. Im vorliegenden Verfahren geht es jedoch gerade um den drohenden Wegfall dieses Leistungsangebotes.
31
Weiter seien auch die Vorgaben des BSG zur Befragung der im Einzugsbereich tätigen Vertragsärzte vom Beklagten nicht ausreichend berücksichtigt worden. Eine kritische Würdigung der Angaben insbesondere der befragten Praxis aus B-Stadt habe nicht stattgefunden. Man verweise auf die Ausführungen im Widerspruchsverfahren.
32
Eine erneute (in der Anlage zu Schriftsatz vom 30.07.2024 beigefügte) Umfrage unter den Zuweisern habe bestätigt, dass diese nach wie vor einen Bedarf für die Beteiligung der Klägerin an der vertragsärztlichen Versorgung insbesondere im Bereich der Röntgenschmerbestrahlung sähen. Diese Leistung werde von den vom Beklagten betrachteten Praxen im Umkreis der Klägerin nicht angeboten.
33
Das Alter des anzustellenden Beigeladenen zu 8) (Jahrgang 1948) dürfe keine Rolle bei der Frage nach einer Anstellungsgenehmigung wegen Sonderbedarfs spielen.
34
Der Beklagte hat mit Schriftsätzen vom 16.08.2023, 15.05.2024 und 08.07.2024 erwidert, die Voraussetzungen für eine Sonderbedarfszulassung des Beigeladenen zu 8) lägen nicht vor. Der Facharzt für Strahlentherapie allein könne keine qualifikationsbezogene Sonderbedarfsanstellung begründen. Einzelne GOP für die Facharztgruppe könnten allenfalls eine Ermächtigung begründen – vorausgesetzt es bestünde ein Bedarf bzw. eine Versorgungslücke. Ein lokaler Sonderbedarf sei ebenfalls nicht gegeben, weil es hierfür einer lokalen Besonderheit (z.B. örtliche Tumorhäufungen durch erhöhte Strahlenbelastungen oder Asthmahäufungen durch klimatische Besonderheiten) bedürfte, die nicht vorliege. Die Prüfung und Auswertung der Umfrage bei den umliegenden en innerhalb eines Radius von 60 km hätten freie Kapazitäten ergeben. Der Standort B2-Stadt sei in die Befragung nicht mit einbezogen worden, weil er knapp über 60 km entfernt liege. Im Übrigen sei nicht bekannt, ob der Beigeladene zu 8), Jahrgang 1948, noch mittelfristig für die vertragsärztliche Versorgung zur Verfügung stehe. Im Rahmen des Sonderbedarfs spiele die wirtschaftliche und dauerhafte Tragfähigkeit der Praxis auch bei einer Anstellung eine Rolle.
35
Auf Nachfrage des Gerichts hat der Beigeladene zu 8) mit Schreiben vom 18.03.2024 mitgeteilt, er sei aktuell nicht bei der Klägerin beschäftigt, stehe aber für eine Anstellung bereit, wenn die Klägerin die streitgegenständliche Anstellungsgenehmigung wegen Sonderbedarfs (Strahlentherapie) erhalte.
36
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 09.04.2024 bestätigt, dass die strahlentherapeutischen Leistungen in ihrem MVZ in B-Stadt eingestellt worden seien.
37
Die drei bereits von der Beigeladenen zu 1) im Verwaltungsverfahren kontaktierten MVZ mit strahlentherapeutischem Angebot im Umfeld der Klägerin (B-Stadt, H-Stadt, W-Stadt) haben auf Nachfrage des Gerichts jeweils Folgendes mitgeteilt:
MVZ W-Stadt (27.03.2024):
38
Die freie Kapazität für strahlentherapeutische Behandlungen liege bei ca. 50 Fälle pro Quartal, die strahlentherapeutische Auslastung sei seit Oktober 2022 stabil. Es werde keine Weichteil- oder Orthovolttherapie angeboten, die Behandlung gutartiger Erkrankungen erfolge am Linearbeschleuniger. Die Wartezeit betrage je nach Dringlichkeit ein bis zehn Tage, sie habe sich seit 2021 nicht verändert. Das Einzugsgebiet der Praxis sei primär die nördliche O1, angrenzende Strahlentherapien seien hierbei diejenigen in A-Stadt, B-Stadt, R-Stadt und H-Stadt.
MVZ H-Stadt (17.04.2024):
39
Patienten mit bösartigen Erkrankungen würden im MVZ in J-Stadt umgehend terminiert. Für gutartige Erkrankungen bestünden aufgrund von Personalmangel aktuell keine zusätzlichen freien Kapazitäten. Aufgrund aktuellen Personalmangels könne die seinerzeit im März 2021 getätigte Aussage, noch Kapazitäten für 60 weitere Patienten zu haben, derzeit nicht aufrechterhalten werden. Weichteil- und Orthovolttherapie biete man nicht an. Man halte zwei Linearbeschleuniger in der Praxis vor, die auch zur Behandlung von Schmerzpatienten (GOP 25316) eingesetzt würden.
MVZ Klinikum B-Stadt (22.04.2024):
40
Das MVZ sei aktuell mit der bestehenden personellen Stärke bei weiter bestehendem krankheitsbedingten Ausfall zweier Mitarbeiterinnen nahezu ausgelastet. Bei uneingeschränkter Nutzung der personellen Kapazitäten und weiteren Verbesserungen in den Behandlungsabläufen seien höhere Kapazitäten möglich. Das nunmehr bekannt gewordene Gerichtsverfahren habe zu einem einstweiligen Stopp der Personalgewinnungsmaßnahmen und der Bemühungen um Ausweitung der Behandlungszeiten geführt, da keine Planungssicherheit mehr gegeben sei. Bei der Befragung durch die Beigeladene zu 1) im März 2021 habe man tatsächlich über zusätzliche Behandlungskapazitäten in großem Umfang verfügt aufgrund der coronabedingten erheblichen Reduzierung der Behandlung von Patienten. Man habe bereits eine Erhöhung der Kapazitäten um über 400 Fälle pro Quartal erreicht. Durch personelle Aufstockungen und längere Laufzeiten der Geräte wären weitere Behandlungskapazitäten möglich. Man gehe davon aus, dass bei einer Erhöhung der Laufzeit um zwei Stunden täglich weitere 150 Patienten pro Quartal zusätzlich behandelt werden könnten. Ab Oktober 2022 habe man zunehmend Anfragen von Patienten erhalten mit dem Hinweis, die Röntgenpraxis (der Klägerin) führe die Therapie nicht mehr durch. Außerdem habe ein vorübergehend erhöhtes Patientenaufkommen durch die Umbauarbeiten der Strahlentherapie am Standort W-Stadt bestanden, das soweit möglich ebenfalls mitzuversorgen gewesen sei. Aufgrund eines personellen ärztlichen Engpasses der Strahlentherapie in H-Stadt habe man auch Tumorpatienten von dort zur Behandlung übernehmen müssen und tue dies weiter. Die beiden letztgenannten Punkte seien nur vorübergehender Natur. Die Zahl der behandelten Patientenfälle mit gutartiger Erkrankung (GOP 25210) sei von 482 im Jahr 2021 auf hochgerechnet 1836 im Jahr 2024 (3,7-fach) angestiegen. Die Zahl der Bestrahlungssitzungen (GOP 25216) am Gerät sei von 2202 auf 7020 (3,2-fach) angestiegen, zusätzlich sei bei einem steigenden Anteil der Patienten gleich ein zweites Zielgebiet behandelt worden (GOP 25217), um die Kapazitäten weiter zu steigern und Kosten zu sparen. Die gesamte Zahl der bestrahlten Herdgebiete bei somit von 2619 auf 8672 (3,3-fach) gesteigert worden. Durch weiterer Personalgewinnung und Aufteilung der Vertragsarztsitze auf mehrere Ärzte strebe man eine weitere Steigerung der Behandlungskapazitäten an. Die im MVZ des Klinikums B-Stadt vorhandenen Bestrahlungsgeräte (Linearbeschleuniger) seien zur Behandlung aller Erkrankungen, für die eine Orthovolttherapie infrage komme, ebenfalls bestens geeignet; sie ermöglichten eine individuellere, hautschonendere Dosiseinstellung und Bestrahlungsplanung als Röntgengeräte. Die Bestrahlungstherapie gutartiger Erkrankungen mit Beschleuniger werde durch die GOP 25216/25217 im EBM abgebildet, die beide vom MVZ des Klinikums B-Stadt zur Abrechnung gebracht würden. Die GOP 25310 werde dagegen nicht abgerechnet, da die GOP 25216/25217 mit den genannten Vorteilen der Beschleunigerbehandlung ja die Behandlungsindikationen letztlich vollumfänglich abdecke. Die Wartezeit für eine Erstvorstellung bei gutartiger Indikation betrage aktuell ca. acht Wochen, die Zeit von Erstvorstellung bis zur ersten Bestallung ca. vier bis sechs Wochen. Die mittlere Wartezeit für eine Erstvorstellung bei bösartigen Tumorerkrankung betrage aktuell fünf Tage, die Zeit von der Erstvorstellung bis zur ersten Bestrahlung medial zwei Wochen. Es sei darauf hinzuweisen, dass die Strahlenbehandlung bei gutartigen Erkrankungen keine Akutmaßnahme gegen Schmerzen mit sofortiger Wirkung sei, sondern Prozesse anstoße, die im Verlauf von mehreren Wochen zu einer Schmerzverbesserung führen könnten. Bei solchen nicht vital lebensbedrohlichen Erkrankungen seien gewisse Wartezeiten im Sinne einer ausreichenden und zweckmäßigen Versorgung akzeptabel. Anders sei dies bei einer Strahlentherapie im Rahmen einer Krebserkrankung. Diesem Unterschied versuche man durch eine differenzierte Terminplanung gerecht zu werden. Das Einzugsgebiet des MVZ des Klinikums B-Stadt für gutartige Erkrankungen seien Stadt und Landkreis B-Stadt und K-Stadt, Anteile der Grenzregion zur O1 und Grenzregionen zu den Landkreisen L. und F.. Für Krebspatienten biete man Spezialtechniken an, hier sei das Einzugsgebiet wesentlich größer.
41
Die Beigeladene zu 1) hat dem Gericht auf Aufforderung die Quartalsdaten 4/2022 bis 3/2023 für die strahlentherapeutischen Praxen in B-Stadt, H-Stadt, W-Stadt und B2-Stadt übersandt, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird.
42
In der mündlichen Verhandlung am 01.08.2024 hat der Beigeladene zu 8) erklärt, er würde nicht jeden Tag von seinem Wohnort H-Stadt nach I-Stadt fahren wollen, sondern würde dies nur bedarfsabhängig machen und auch nicht durchgehend. In der Anlaufphase wäre er aber bereit, zunächst vorübergehend 2-mal wöchentlich nach B-Stadt zu fahren. Aufgrund des Bestrahlungsrhythmus würde dies auch den Bedarf decken.
43
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Berufungsausschusses vom 21.12.2021 (Bescheid vom 24.02.2022) aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsansicht des Gerichts den Antrag auf Anstellung des Beigeladenen zu 8) im Rahmen eines Sonderbedarfs neu zu bescheiden.
44
Der Beklagte beantragt,
45
Die Beigeladene zu 1) beantragt,
46
Die übrigen Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
47
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
48
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet Der angefochtene Beschluss des Beklagten vom 21.12.2021 ist als rechtmäßig anzusehen. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Sonderbedarfsanstellung des Beigeladenen zu 8).
49
Rechtsgrundlage für die Besetzung der Arztstelle eines angestellten Arztes in einem zugelassenen MVZ ist zunächst § 95 Abs. 2 Satz 7 und 8 iVm Satz 5 SGB V. Danach bedarf die Anstellung eines Arztes in einem MVZ der Genehmigung des Zulassungsausschusses, die nur erteilt werden darf, wenn der Arzt in das Arztregister eingetragen ist. Gemäß § 95 Abs. 2 Satz 9 SGB V, § 19 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV sind Anträge auf Genehmigung der Anstellung eines Arztes in einem MVZ jedoch abzulehnen, wenn bei Antragstellung für die dort tätigen Ärzte Zulassungsbeschränkungen wegen Überversorgung gemäß § 103 Abs. 1 Satz 2 SGB V angeordnet sind. Dies ist vorliegend der Fall. Streitig ist ein Sonderbedarf auf dem Gebiet der Strahlentherapie. Das Gebiet der Strahlentherapie war bei Antragstellung und ist wegen Überversorgung (136,17% – Stand 02.08.2024) vom Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen gemäß § 103 Abs. 1 und 2 SGB V gesperrt.
50
Als Ausnahme davon ist die Anstellung im Wege einer Sonderbedarfszulassung wegen eines zusätzlichen lokalen oder eines qualifikationsbezogenen Versorgungsbedarfs (§ 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 iVm §§ 36, 37 Bedarfsplanungs-Richtlinie) möglich, wie sie hier im Streit steht.
51
Für das Zulassungsbegehren der Klägerin sind die Grundsätze über die Vornahmeklagen anzuwenden. Danach sind grundsätzlich alle Tatsachenänderungen bis zur mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz und alle Rechtsänderungen bis zum Abschluss der Revisionsinstanz zu berücksichtigen (ständ. Rspr, BSG Urteil vom 28.6.2017, B 6 KA 28/16 R).
52
Grundsätzlich steht dem Beklagten bei der Beantwortung der Frage, ob ein besonderer Versorgungsbedarf iSv § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V iVm § 36 Bedarfsplanungs-Richtlinie vorliegt, der die Besetzung eines zusätzlichen Vertragsarztsitzes zur Wahrung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung in dem betroffenen Versorgungsbereich unerlässlich macht, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die ortsnahen fachkundigen Zulassungsinstanzen können nämlich nur ungefähr entscheiden, ob und inwieweit die bereits niedergelassenen Ärzte eine qualitativ ausreichende Versorgung gewährleisten, da zur Beantwortung dieser Frage eine Vielzahl von Faktoren in die Entscheidung einzubeziehen sind. Dies rechtfertigt es, den Zulassungsgremien einen Beurteilungsspielraum zuzugestehen und deren Entscheidung hinzunehmen, solange sie sich im Rahmen der Beurteilungsermächtigung hält. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich daher – wie in ähnlichen Fällen der Bedarfsfeststellung – darauf, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die durch Auslegung des Begriffs besonderer Versorgungsbedarf zu ermittelnden Grenzen eingehalten und ob die Subsumtionserwägungen so hinreichend in der Begründung der Entscheidung verdeutlicht wurden, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (st. Rspr. des BSG, z.B. BSG, Urteil vom 28.06.2000, B 6 KA 35/99 R).
53
Die Voraussetzungen für einen qualifikationsbezogenen Sonderbedarf nach § 36, 37 Bedarfsplanungs-Richtlinie liegen nicht vor. Nach § 37 Abs. 1 a) Bedarfsplanungs-Richtlinie ist die Prüfung und Feststellung einer bestimmten Qualifikation nach Abs. 2 erforderlich. Danach ist eine besondere Qualifikation anzunehmen, wie sie durch den Inhalt des Schwerpunktes, einer fakultativen Weiterbildung oder einer besonderen Fachkunde für das Facharztgebiet nach der Weiterbildungsordnung beschrieben ist. Auch eine Zusatzweiterbildung oder eine Zusatzbezeichnung kann einen qualifikationsbezogenen Sonderbedarf begründen, wenn sie den vorgenannten Qualifikationen vom zeitlichen und qualitativen Umfang her gleichsteht. Ein besonderer qualifikationsbezogener Versorgungsbedarf kann schließlich auch bei einer Facharztbezeichnung vorliegen, wenn die Arbeitsgruppe gemäß §§ 11 bis 14 Bedarfsplanungs-Richtlinie mehrere unterschiedliche Facharztbezeichnungen umfasst. Wie der Beklagte zutreffend in angefochtenen Beschluss vom 21.12.2021 festgestellt hat, besitzt der Beigeladene zu 8) als Facharzt für Strahlentherapie keine spezifische Qualifikation. Die Arztgruppe dar Strahlentherapeuten umfasst auch keine unterschiedlichen Facharztbezeichnungen.
54
Zu Recht hat der Beklagte auch die Voraussetzungen für einen lokalen Sonderbedarf iSv § 101 Abs. 1 Nr. 3 SGB V iVm §§ 36, 37 Bedarfsplanungs-Richtlinie verneint, ohne hierbei die Grenzen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums zu überschreiten. Insbesondere tragen die Feststellungen des Beklagten zur Bedarfslage jedenfalls im Ergebnis auch seine Verneinung eines lokalen Sonderbedarfs.
55
Ein lokaler Sonderbedarf iSv § 101 Abs. 1 Nr. 3 SGB V iVm §§ 36, 37 Bedarfsplanungs-Richtlinie setzt u.a. voraus, dass aufgrund durch den Zulassungsausschuss/Berufungsausschuss festzustellender Besonderheiten des maßgeblichen Planungsbereichs (z.B. in Struktur, Zuschnitt, Lage, Infrastruktur, geographische Besonderheiten, Verkehrsanbindung, Verteilung der niedergelassenen Ärzte) ein zumutbar Zugang der Versicherten zur vertragsärztlichen Versorgung nicht gewährleistet ist und aufgrund dessen Versorgungsdefizite bestehen. Bei der Beurteilung ist den unterschiedlichen Anforderungen der Versorgungsebenen der §§ 11 bis 14 Bedarfsplanungs-Richtlinie Rechnung zu tragen (§ 36 Abs. 4 Bedarfsplanung-Richtlinie). Ein lokaler Sonderbedarf wird typischerweise bejaht, wenn in einer begrenzten Region eine besondere Häufung von Krankheiten vorkommt, die eine strahlentherapeutische Behandlung erforderlich machen, oder wenn es sich um eine sogenannte Enklavenlage handelt. Letzteres ist vorliegend nicht der Fall. Da jedoch auch eine besonders ungünstige bzw. ungleichmäßige Verteilung der niedergelassenen Ärzte eine Besonderheit im o.g. Sinn darstellen kann, hat der Beklagte richtigerweise weiter geprüft (und im Ergebnis verneint), ob die Verteilung der en für Patienten im Umkreis des MVZ der Klägerin (von 60 km) derart ungünstig ist, dass eine Sonderbedarfszulassung zur Bedarfsdeckung vonnöten wäre.
56
Bei der Entscheidung über Sonderbedarfszulassungen müssen sich die Zulassungsgremien ein möglichst genaues Bild der Versorgungslage im betroffenen Planungsbereich machen und ermitteln, welche Leistungen in welchem Umfang zur Wahrung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung iSd § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V im Planungsbereich erforderlich sind, von den dort zugelassenen Ärzten aber nicht angeboten werden. Zur Ermittlung der konkreten Bedarfssituation ist es regelmäßig geboten, die bereits niedergelassenen Ärzte nach ihrem Leistungsangebot und der Aufnahmekapazität ihrer Praxen zu befragen. Zu berücksichtigen sind nur reale, nicht dagegen potenzielle Versorgungsangebote, die tatsächlich nicht zur Verfügung stehen, weil Leistungserbringer (evtl. trotz freier Kapazitäten) nicht zur Erbringung weiterer Leistungen bereit oder tatsächlich nicht in der Lage sind. Die Sachverhaltsermittlungen dürfen sich typischerweise nicht in Befragungen der im Einzugsbereich tätigen Vertragsärzte erschöpfen, weil die Gefahr besteht, dass die Äußerungen der befragten Ärzte in starkem Maße auf deren subjektiven Einschätzungen beruhen und von deren individueller Interessenlage beeinflusst sein können. Daher fordert das BSG in ständiger Rechtsprechung, dass die Zulassungsgremien die Antworten kritisch würdigen und sie objektivieren und verifizieren; auf jeden Fall sind die Aussagen der befragten Ärzte nicht ohne Weiteres als Entscheidungsgrundlage ausreichend (vgl. insg. BSG, Urteil vom 17.03.2021, B 6 KA 2/20 R, mwN auf die eigene Rspr.).
57
Ausgehend von diesen Maßstäben besteht im Einzugsbereich des MVZ der Klägerin in I-Stadt kein Bedarf für die begehrte Anstellungsgenehmigung im Sonderbedarf.
58
§ 36 Abs. 4 Satz 4 Bedarfsplanungs-Richtlinie bestimmt ausdrücklich, dass bei der Beurteilung, ob ein zumutbarer Zugang der Versicherten zur vertragsärztlichen Versorgung nicht gewährleistet ist und aufgrund dessen Versorgungsdefizite bestehen, den unterschiedlichen Anforderungen der Versorgungsebenen der §§ 11 bis 14 Bedarfsplanungs-Richtlinie Rechnung zu tragen ist. Soweit es – wie hier im Rahmen der Strahlentherapie – um die spezialisierte fachärztliche Versorgung geht (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 7 Bedarfsplanungs-Richtlinie), geht das BSG davon aus, dass bei Fahrtzeiten von rund 45 Minuten grundsätzlich an der Zumutbarkeit der Erreichbarkeit nicht zu zweifeln ist. Das schließt jedoch laut BSG nicht aus, dass die Zulassungsgremien in Ausübung ihres Beurteilungsspielraums im Einzelfall – etwa unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten in besonders dünn besiedelten ländlichen Gebieten – zu dem Ergebnis kommen, dass auch längere Wegzeiten zumutbar sind, soweit sie dies näher begründen. Die Grenze von 60 Minuten darf dabei aber regelmäßig nicht überschritten werden. Dabei kommt es grundsätzlich bei der Beurteilung der zumutbaren Erreichbarkeit anderer Praxen im ländlichen Raum auf Entfernungen mit dem PKW und damit auf die Zeit an, die man mit dem PKW benötigt (vgl. BSG, Urteil vom 17.03.2021, B 6 KA 2/20 R).
59
Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte vorliegend im Rahmen der spezialisierten fachärztlichen Versorgung Wegstrecken bzw. Fahrzeiten von 60 km bzw. 60 Minuten im Raum O2nördliche O1 für (noch) zumutbar hält und er (bzw. die Beigeladene zu 1)) dementsprechend eine Umfrage unter den nächstgelegenen strahlentherapeutischen Praxen in B-Stadt, H-Stadt und W-Stadt (Entfernung zu Praxisstandort der Klägerin in B-Stadt jeweils unter 60 km bzw. 60 Minuten Fahrzeit) durchgeführt und deren Antworten mittels Fallzahlanalyse und Abrechnungsprüfung verifiziert hat.
60
Damit ist der Beklagte grundsätzlich seiner Pflicht nachgekommen, sich ein möglichst genaues Bild der Versorgungslage zu machen, wie sie von der Rechtsprechung gefordert wird.
61
Das strahlentherapeutische MVZ in H-Stadt gab gegenüber der Beigeladenen zu 1) an, Patienten, die von I-Stadt aus in Richtung H-Stadt wohnten, könne man problemlos in der eigenen Praxis versorgen. Dass die Praxis dennoch einen teilweisen Bedarf für einen Sonderbedarf in B-Stadt bejahte, dürfte lediglich besagen, dass man von J-Stadt aus nicht alle Patienten im Einzugsbereich von I-Stadt (insbesondere im Westen) mitversorgen kann. Die Praxis in J-Stadt gab an, im Quartal zusätzlich 60 Patienten aufnehmen zu können bei einer Wartezeit von zwei Tagen. Angesichts der in der Praxis durch die en bereits erzielten überdurchschnittlichen Fallzahlen (+25,7%) erschien dem Beklagten die Angabe freier Kapazitäten von zusätzlich 60 Patienten im Quartal maximal im angegebenen Umfang plausibel. Auf Nachfrage des Sozialgerichts hat die Praxis grundsätzlich auf ihre Angabe freier Kapazitäten für 60 weitere Patienten Bezug genommen, allerdings darauf hingewiesen, aktuell könne man diese nicht anbieten wegen akuten Personalmangels (Fallzahlen laut Daten der Beigeladenen zu 1) im Klageverfahren: (nur noch) +5,1% im Vergleich zum Durchschnitt). Ein akuter personeller Engpass kann jedoch nicht Grundlage für eine Sonderbedarfszulassung bzw.-anstellungsgenehmigung in einer anderen Praxis sein (vgl. zur Dauerhaftigkeit des Bedarfs Kremer/Wittmann, Vertragsärztliche Zulassungsverfahren, 2. Aufl. 2018, Rn. 696). Zwar ist für die Frage eines Sonderbedarfs auf die tatsächliche Versorgungslage abzustellen. Vorübergehende Unregelmäßigkeiten bzw. Vakanzen aufgrund personeller Wechsel an einzelnen Standorten können jedoch nicht zu einer langfristig in die Zukunft gerichteten Sonderbedarfszulassung führen; dies würde ein planvoll in die Zukunft gerichtete Bedarfsplanung verzerren bzw. unmöglich machen. Wenn ein „regulärer“ Arztsitz (vorübergehend) nicht besetzt werden kann, kann dies nicht zu einer neuen Stelle wegen lokalen Sonderbedarfs führen.
62
Bezüglich der strahlentherapeutischen Praxis in W-Stadt hat der Beklagte festgestellt, dass diese nur sehr vage Angaben gemacht habe. Aufgrund einer Fallzahlanalyse ist der Beklagte jedoch zu dem Schluss gekommen, dass die Praxis freie Kapazitäten in größerem Umfang haben muss, da diese in den Quartalen 3/2020 bis 2/2021 mit den Fallzahlen 50,01% unter dem Fachgruppendurchschnitt lag. Hier wären weitere Ermittlungen des Beklagten angezeigt gewesen. Dennoch trägt die eher vage Einschätzung der freien Behandlungskapazitäten und damit die Beurteilungsgrundlage letztlich die Entscheidung des Beklagten. Denn im Rahmen der gerichtlichen Ermittlungen im Klageverfahren hat das MVZ W-Stadt bestätigt, dass man über freie Kapazitäten für strahlentherapeutische Behandlungen (von ca. 50 Fällen pro Quartal) verfüge bei einer Wartezeit von ein bis zehn Tagen je nach Dringlichkeit. Angesichts weiterhin unterdurchschnittlicher Fallzahlen der Praxis (-45,2%) ist diese Angabe plausibel. Außerdem ist der Auskunft der weiteren strahlentherapeutischen Praxis in B-Stadt gegenüber dem Gericht zu entnehmen, das in W-Stadt wegen Umbauarbeiten – vorübergehend – weniger Patienten behandelt worden sind.
63
Die weitere strahlentherapeutische Praxis mit Sitz in B-Stadt hat gegenüber dem Beklagten erklärt, es bestünden 500 freie Kapazitäten für Patienten für Reizbestrahlungen pro Quartal. Angesichts unterdurchschnittlicher Fallzahlen (-17,5% in den Quartalen 3/2020 bis 2/2021 und einer von der Praxis angegebenen Auslastung ihrer drei Bestrahlungsgeräte von damals nur etwa 60% stellte der Beklagte grundsätzlich freie Kapazitäten der Praxis fest, auch wenn die Angabe von 500 freien Behandlungsplätzen reduziert werden müsse, so der Beklagte. Weitere Ermittlungen bzw. eine Konkretisierung der tatsächlich dann angenommenen freien Kapazitäten erfolgten nicht – gerade auch angesichts der Frage, inwieweit die Angaben der Praxis in B-Stadt zu den eigenen Kapazitäten durch eigene wirtschaftliche Interessen verzerrt sein könnten, was deren ausführliche Stellungnahme gegenüber dem Beklagten bzw. der Beigeladenen zu 1) nahelegen könnte. Allerdings haben die ausführlichen Angaben der Praxis in B-Stadt gegenüber dem Sozialgericht bestätigt, dass tatsächlich Kapazitäten zur Behandlung weiterer Patienten mit gutartigen Erkrankungen in einer Größenordnung von ca. 400 pro Quartal bestanden und bereits realisiert wurden und dass – vorübergehende – Engpässe wegen Umbaus der Praxis in K-Stadt und wegen Personalmangels in W-Stadt weitgehend abgefangen werden konnten (Fallzahlen zuletzt +21,8% im Vergleicht zum Durchschnitt). Nachvollziehbar erscheint weiter die dargestellte Möglichkeit bzw. der bereits angestoßene Prozess, die Laufzeit der Bestrahlungsgeräte noch um zwei Stunden zu erhöhen, weiteres Personal zu akquirieren und Vertragsarztsitze aufzuteilen, um so noch weitere Behandlungskapazitäten zu schaffen.
64
Der Beklagte hat damit im Ergebnis zutreffende tatsächliche Annahmen seiner Beurteilung des streitigen Bedarfs zugrunde gelegt. Die weiteren Ermittlungen des Gerichts haben die Annahmen des Beklagten letztlich im Wesentlichen bestätigt. Zwar stellt eine unvollständige Sachverhaltsaufklärung der Zulassungsgremien einen Verfahrensfehler dar, der grundsätzlich zur Aufhebung des streitbefangenen Beschlusses und zur Verpflichtung führt, die Angelegenheit neu zu entscheiden. Dies kann sich aber dann erübrigen, wenn iSv § 42 Satz 1 SGB X offensichtlich ist, dass die unzureichenden Sachverhaltsermittlungen des Berufungsausschusses dessen Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst haben (BSG, Urteil vom 05.11.2008, B 6 KA 10/08 R). So ist es vorliegend. Noch weitergehende bzw. bis zur Entscheidung des Berufungsausschusses Ende 2021 aktualisierte Ermittlungen hätten nicht weniger freie Behandlungskapazitäten ergeben wie vom Beklagten angenommen. Er hätte also auch mit weiteren Erkenntnissen die beantragte Sonderbedarfsanstellungsgenehmigung jedenfalls versagt. Angesichts der vom Sozialgericht noch getätigten Ermittlungen bzw. gewonnenen Erkenntnisse und wegen § 42 Satz 1 SGB X kann damit dahingestellt bleiben, ob vorliegend der Beklagte noch weitergehende Sachverhaltsermittlungen hätte tätigen müssen oder nicht.
65
Wegen der jedenfalls auch während des Gerichtsverfahrens (d.h. nach Beendigung der Tätigkeit des Dr. G.) bestätigten bzw. noch vorhandenen freien Kapazitäten in den umliegenden strahlentherapeutischen Praxen kann es aus Sicht des Gerichts auch dahingestellt bleiben, ob der Beklagte zu Recht den damals noch bestehenden Versorgungsauftrag von Dr. G., um dessen Nachfolge es gerade ging bzw. geht, in die Bedarfsermittlung noch miteinbezogen hat – zumal der Beklagte explizit auf Seite 17 des angefochtenen Beschlusses vom 21.12.2021 ausführt hat, dass er freie Kapazitäten in dem bislang von Dr. G. erbrachten Umfang bei den bestehenden Praxen als vorhanden annehme.
66
In nicht zu beanstandender Weise ist damit der Beklagte davon ausgegangen, dass alle Patienten im von der Klägerin angegebenen Versorgungsbereich – Stadt und Landkreis
B-Stadt – und auch im vom Beklagten zugrunde gelegten Umkreis von 60 km um B-Stadt in anderen strahlentherapeutischen Praxen behandelt werden können. Dies ergibt sich aus den Ermittlungen bezüglich der weiteren strahlentherapeutischen Praxen in B-Stadt,
H-Stadt und W-Stadt. Alle Patienten in diesem Umfeld können innerhalb von maximal 60 Minuten (mit dem PKW) bzw. 60 km eine strahlentherapeutische Praxis mit ausreichenden Behandlungskapazitäten erreichen.
67
Dabei kommt es nicht auf die Anfahrtszeiten bzw. Entfernung zwischen der klägerischen Praxis in B-Stadt und einer anderen strahlentherapeutischen Praxis an, sondern auf die Anfahrtszeiten bzw. die Entfernung zwischen dem Wohnort der Patienten und einer strahlentherapeutischen Praxis (vgl. BSG, Urteil vom 17.03.2021, B 6 KA 2/20 R). Für die östlich von B-Stadt wohnenden Patienten gilt dies angesichts der Versorgungsangebote in B-Stadt, H-Stadt und W-Stadt unproblematisch. Aber auch Patienten, die bis zu 60 km westlich von B-Stadt wohnen, steht ein ausreichendes strahlentherapeutisches Versorgungsangebot zur Verfügung, nämlich jedenfalls in B-Stadt. Sollte es hier zu einer übermäßigen Nachfrage nach strahlentherapeutischen Behandlungen kommen, so kann dies nicht einen Sonderbedarf begründen, sondern es ist Aufgabe der beteiligten Akteure, die Patientenströme unter Nutzung der vorhandenen Kapazitäten gegebenenfalls sinnvoll zu leiten. Darauf, inwieweit Behandlungskapazitäten für Patienten westlich von B-Stadt etwa auch in B2-Stadt oder C-Stadt bestehen, kommt es damit vorliegend nicht mehr an. Unberücksichtigt muss in diesem Zusammenhang auch bleiben, dass Zuweiser offensichtlich weiterhin gerne ein strahlentherapeutisches Angebot in der Praxis der Klägerin in B-Stadt in Anspruch nehmen würden. Das BSG führt hierzu aus: Ohne Bedeutung ist […], ob sich die Patienten die Behandlung gerade an einem bestimmten Ort (oder möglicherweise bei einem bestimmten Behandler) oder besonders wohnortnah wünschen, wenn hierdurch bestehende Kapazitäten nicht ausgelastet werden. Versicherte haben keinen Anspruch auf eine an ihren Wünschen ausgerichtete – optimale – Versorgung (BSG, Urteil vom 17.03.2021, B 6 KA 2/20 R).
68
Die Klägerin hat als Region, die durch die Anstellung versorgt werden soll, die kreisfreie Stadt I-Stadt sowie den Landkreis B-Stadt genannt. Hier leben 179.750 Menschen (Stand: Dezember 2023: 74.907 in der Stadt B-Stadt und 104.843 im Landkreis B-Stadt). Die allgemeine Verhältniszahl (ein Arzt je Anzahl Einwohner) der Arztgruppe der en beträgt gemäß § 14 Abs. 4 Bedarfsplanungs-RL 152.321. Laut den von der Beigeladenen zu 1) vorgelegten Unterlagen bestehen in B-Stadt 2,5 Vertragsarztsitze Strahlentherapie. Die Verhältniszahl in dem Gebiet, das die Klägerin mit der Sonderbedarfsanstellungsgenehmigung zu versorgen gedenkt, beträgt dagegen nur 71.900 (= 179.750 : 2,5), so dass sich auch hieraus kein Sonderbedarf ableiten lässt. (Faktisch wird von B-Stadt aus ein größeres Einzugsgebiet mitversorgt, wovon auch der Beklagte, der die Patientenversorgung im Umkreis von ca. 60 km von B-Stadt betrachtete, in seinen Erwägungen ausging, dabei aber ebenfalls keinen Sonderbedarf festgestellt hat.)
69
Dass die umliegenden befragten Praxen die strahlentherapeutische Behandlung gutartiger Erkrankungen nicht mit einer Weichteil- bzw. Orthovolttherapie behandeln und deshalb die GOP25310 nicht abrechnen, rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme eines Sonderbedarfs. Ungeachtet der Frage, welche Vor- und Nachteile Weichteil- bzw. Orthovolttherapie einerseits oder Behandlung mittels Linearbeschleuniger andererseits haben, ist festzuhalten, dass damit jedenfalls eine ausreichende und zweckmäßige strahlentherapeutische Behandlung gutartiger Erkrankungen gewährleistet ist. Im Übrigen käme eine Zulassung/Anstellungsgenehmigung wegen lokalen Sonderbedarfs nur dann in Betracht, wenn der Bedarf in Bezug auf das gesamte Leistungsspektrum des Fachgebiets der betreffenden Arztgruppe bestünde. Die Nichtabdeckung von Teilaspekten eines Fachgebiets kann keinen lokalen Sonderbedarf gemäß § 36 Bedarfsplanungs-Richtlinie rechtfertigen (ausführlich und überzeugend Kremer/Wittmann, Vertragsärztliche Zulassungsverfahren, 2. Aufl. 2018, Rn. 652 f.; vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.11.2021, L 9 KA 1/18), hier käme allenfalls eine Ermächtigung in Betracht.
70
Da kein Bedarf für eine strahlentherapeutische Sonderbedarfszulassung bzw. Sonderbedarfsanstellungsgenehmigung in B-Stadt besteht, kommt es auf die Frage, inwieweit eine Bedarfsdeckung mit dem in S-Stadt lebenden Beigeladenen zu 8), Jahrgang 1948, angesichts dessen in der mündlichen Verhandlung am 01.08.2024 eher zurückhaltend geäußerter Bereitschaft zu einer umfassenden Tätigkeitsaufnahme, überhaupt sinnvoll wäre, nicht mehr an.
71
Insgesamt ist damit der Beklagte in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass keine strahlentherapeutischen Versorgungsdefizite im von der Klägerin zu versorgenden Bereich (sei in Stadt und Landkreis B-Stadt laut klägerischem Antrag, sei es im Umkreis von 60 km bzw. 60 PKW-Minuten um B-Stadt) bestehen. Deshalb konnte die Klage keinen Erfolg haben.
72
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Danach trägt die unterliegende Klägerin die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1), die sich mit eigenen Argumenten und eigener Antragstellung am Rechtsstreit und damit auch Kostenrisiko beteiligt hat. Etwaige außergerichtlichen Kosten weiterer Beteiligter (= Beigeladene zu 2) bis 8)) sind nicht zu erstatten.