Titel:
Kein Ersatz von Mietwagenkosten nach Unfall bei abgelaufener HU
Normenketten:
BGB § 249 Abs. 2 S. 1
StVZO § 29
Leitsätze:
1. Ein Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten setzt ebenso wie der Anspruch auf Erstattung von Nutzungsausfall eine fühlbare Beeinträchtigung der tatsächlichen und rechtlichen Nutzungsmöglichkeit seines Fahrzeugs voraus. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. An einer rechtlichen Nutzungsmöglichkeit fehlt es, wenn im Unfallzeitpunkt die Frist zur Hauptuntersuchung bereits überschritten war. (Rn. 29 – 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Mietwagenkosten, Hauptuntersuchung, TÜV
Vorinstanz:
AG Erlangen, Endurteil vom 28.09.2022 – 11 C 893/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 03.12.2024 – VI ZR 117/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 39194
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Erlangen vom 28.09.2022, Az. 11 C 893/21, abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
4. Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 990,08 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie ordnungsgemäß begründet (§§ 517, 519 f. ZPO). Das Rechtsmittel ist auch in der Sache begründet.
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In tatsächlicher Hinsicht wird zunächst auf den Tatbestand des Ersturteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).
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Das Amtsgericht hat der Klage auf restlichen Schadenersatz (Mietwagenkosten in Höhe von 1.024,73 €) aus einem Verkehrsunfall vom 05.11.2018, für den die Beklagte als Haftpflichtversicherer dem Grunde nach in vollem Umfang haftet, in Höhe von 990,08 € samt Zinsen stattgegeben. Das Amtsgericht ist der Auffassung, dass die Tatsache, dass beim Fahrzeug des Klägers bereits seit März 2018 Haupt- und Abgasuntersuchung abgelaufen waren, der Ersatzpflicht nicht entgegenstehe. Der Höhe nach sei der Anspruch wegen ersparter Eigenaufwendungen um 3% zu kürzen. Insoweit entfalte das zwischen dem Kläger und dem Vermieter des Ersatzfahrzeugs ergangene Urteil über 1.024,73 € keine Bindungswirkung.
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Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf Klageabweisung in vollem Umfang weiterverfolgt. Mit der Berufung wird gerügt, dass das Erstgericht die Bedeutung der abgelaufenen Haupt- und Abgasuntersuchung für die Nutzbarkeit des unfallgeschädigten Fahrzeugs und der gerade unfallbedingten Erforderlichkeit der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs verkannt habe.
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Der Kläger verteidigt das Urteil des Amtsgerichts.
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Eine Beweisaufnahme hat im Berufungsverfahren nicht stattgefunden.
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Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
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Mit Beschluss vom 17.01.2024 hat das Gericht im Einverständnis der Parteien die Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet, wobei die Frist zur Einreichung von Schriftsätzen auf den 14.02.2024 bestimmt war.
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Die zulässige Berufung ist begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch wegen der ihm entstandenen Mietwagenkosten zu.
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I. Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Angriffe gegen die Feststellungen des Amtsgerichts bringt die Berufungsbegründung jedoch nicht vor. Diese wendet sich lediglich gegen die vom Amtsgericht auf Basis dieser Feststellungen getroffene rechtliche Bewertung. Die Feststellungen des Amtsgerichts sind deshalb auch im Berufungsverfahren zugrundezulegen.
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II. Auf dieser Grundlage ist das Amtsgericht zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger hinsichtlich der streitgegenständlichen Schadensersatzforderung aktivlegitimiert ist. Ungeachtet der Wirksamkeit einer vorausgegangenen Abtretung der Schadensersatzforderung an den Vermieter ist der Kläger infolge der hinreichend bestimmten und auch sonst wirksamen Rückabtretung vom 24.11.2021 (Anlage K5) – wieder – Inhaber der streitgegenständlichen Forderung.
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III. Die von der Berufung vorgebrachten Einwände hinsichtlich der Bedeutung der abgelaufenen Haupt- und Abgasuntersuchung für die Nutzbarkeit des unfallgeschädigten Fahrzeugs und der gerade unfallbedingten Erforderlichkeit der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs sind zutreffend. Der Kläger kann aus Rechtsgründen keinen Ersatz der Mietwagenkosten verlangen.
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1. Aus dem Vorprozess vor dem Amtsgericht Erlangen, Az.: 6 C 568/20, in dem der Kläger zur Zahlung von Mietwagenkosten in Höhe von 1.024,73 € an den Vermieter des Ersatzfahrzeugs verurteilt worden ist, kann der Kläger keine Bindungswirkung zu Lasten der Beklagten herleiten.
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a. Wenn – wie im Streitfall – der Streitverkündungsempfänger (die hiesige Beklagte) dem Streitverkünder (dem hiesigen Kläger) nicht beitritt, hängt die Interventionswirkung auf der Grundlage des § 74 Abs. 3 i.V.m. § 68 ZPO davon ab, ob die Streitverkündung zulässig war und wirksam erfolgte, was im Folgeprozess zu prüfen ist (BGH NJW 2015, 559 Rn. 13; BGH NJW 1982, 281; BeckOK ZPO/Dressler, 50. Ed. 1.9.2023, ZPO § 74 Rn. 9 m.w.N.). Die Beklagte hat sich mit der Klageerwiderung auch gegen eine Bindungswirkung und damit erkennbar die Zulässigkeit der Streitverkündung im Vorprozess ausgesprochen (aaO unter II, Gerichtsakte S.10; vgl. BGH NJW 1976, 292).
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Eine Streitverkündung ist grundsätzlich zulässig, wenn der Streitverkünder zu der Annahme berechtigt ist, dass durch die im Vorprozess zu treffenden Feststellungen ein Folgeprozess ganz oder teilweise entbehrlich werden könnte (BGH NJW 2009, 1488). Eine Streitverkündung ist aber dann unzulässig, wenn der ihr zugrunde liegende Anspruch auch aus der Sicht des
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Streitverkünders vom Ausgang des Rechtsstreits nicht berührt werden kann (BGH NJW 2019, 1953 Rn. 29).
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b. Gemessen daran war entgegen der Auffassung des Erstgerichts im Streitfall keine Bindungswirkung des Vorprozesses zu Lasten der Beklagten eingetreten (insoweit handelt es sich im Hinweisbeschluss der Kammer vom 23.10.2023 unter B.I.2. um ein – offensichtliches - Schreibversehen):
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Dem Vorprozess lag ein vertraglicher Schadensersatzanspruch der Autovermietung gegen ihren Kunden (Kläger) zugrunde. Der hier streitgegenständliche Verkehrsunfall vom 5.11.2018 war dabei lediglich Motiv bzw. Anlass für die Anmietung. Der Kläger wurde verurteilt, den vertraglich vereinbarten und damit geschuldeten Mietzins an die Autovermietung zu bezahlen.
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Hiervon unabhängig ist die Frage, ob und in welcher Höhe ein Unfallgegner Schadensersatz leisten muss. Gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB geht der Anspruch des Geschädigten auf den dazu erforderlichen Geldbetrag. Sein Anspruch ist auf Befriedigung seines Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrags und nicht etwa auf Ausgleich von ihm bezahlter Rechnungsbeträge gerichtet (st. Rspr. BGH 7.2.2023 – VI ZR 137/22, NJW 2023, 1718 Rn. 52).
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So kommt es z.B. auch nicht darauf an, ob der Mietpreis für das Ersatzfahrzeug zwischen Mieter und Vermieter wirksam vereinbart worden ist. Der Schädiger und sein Haftpflichtversicherer können sich in einem solchen Fall nicht im Hinblick auf möglicherweise bestehende vertragliche Ansprüche des Geschädigten gegen den Vermieter von der Schadensersatzverpflichtung befreien. In ihrem Verhältnis zum Geschädigten spielen solche Ansprüche angesichts der Regelung des § 249 Abs. 2 S.1 BGB keine Rolle (BGH 16.9.2008 – VI ZR 226/07, r+s 2009, 261; BGH 9.10.2007 – VI ZR 27/07, r+s 2008, 37).
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Allenfalls könnte die Höhe der vertraglich geschuldeten Mietwagenkosten Bedeutung erlangen, wenn der Kläger mit seinem Vermieter keine Vereinbarung zur Höhe des Mietzinses getroffen hätte. Denn fehlt es an der Vereinbarung über den zu entrichtenden Mietzins, müsste nicht davon ausgegangen werden, dass ein unentgeltliches Geschäft (Leihe, § 598 BGB) vorliegt (BGH NJW 2003, 1317). Wäre die Entgelthöhe offen gelassen, gleichwohl aber eine Bindung gewollt, so ist die Lücke entweder über eine ergänzende Vertragsauslegung oder über die analoge Anwendung der §§ 612 Abs. 2, § 632 Abs. 2 BGB zu schließen; dies führt zum angemessenen oder ortsüblichen Mietzins (BGH NJW 2003, 1317 mwN). Der verständige Geschädigte wird unter diesen Umständen im Regelfall also davon ausgehen, dass dem Vermieter der übliche Mietpreis zusteht. Dieser ist dann regelmäßig schadensrechtlich erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB (vgl. zu Sachverständigenkosten BGH 28.2.2017 – VI ZR 76/16, r+s 2017, 443; BGH 5.6.2018 – VI ZR 171/16, VersR 2018, 1338; vgl. auch BGH 13.12.2022 – VI ZR 324/21, r+s 2023, 185). Denn mehr als das, was vertraglich geschuldet ist, kann schadensersatzrechtlich nicht erforderlich sein.
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Tatsächlich aber hatte der Kläger mit seinem Vermieter eine Preisvereinbarung getroffen. Wie sich dem als Anlage K6 vorgelegten Mietvertrag entnehmen lässt, wurde die Preisliste des Vermieters zur Vertragsgrundlage gemacht. In einem eingerahmten Textblock unmittelbar über der Unterschriftszeile heißt es – in der vorgelegten Kopie schlecht lesbar:
„Durch meine Unterschrift bestätige ich als Mieter, dass ich in die derzeitige Preisliste bei Abschluss des Mietvertrages Einsicht nehmen konnte. Die Preisliste ist ausdrücklich Bestandteil des Mietvertrages. …“
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Der Verfahrensausgang im Vorprozess hat daher keine Auswirkung auf die Rechtsbeziehung im hiesigen Streitfall. Die Streitverkündung war unzulässig, so dass der Kläger sich schon deshalb nicht auf eine Interventionswirkung berufen kann.
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2. Der Kläger kann die entgangene Nutzungsmöglichkeit seines Fahrzeugs nicht als ersatzfähigen Unfallschaden beanspruchen.
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a. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH gehören die Mietwagenkosten zu den Herstellungskosten, d.h. sie sind Teil der Aufwendungen, die der Schädiger dem Geschädigten nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ersetzen muss, um die wirtschaftliche Lage herzustellen, in der sich der Geschädigte ohne den Schadensfall befände (BGH 4.12.1984 – VI ZR 225/82, r+s 1985, 62 m.w.N.).
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Dabei darf der Geschädigte nicht aus anderen Gründen ohnehin an der Benutzung seines Fahrzeugs während der Ausfallzeit gehindert sein (BGH aaO). Er kann dann den Schadensfall nicht zum Anlass nehmen, sich für die Vereitelung einer bloß abstrakten Nutzungsmöglichkeit eine Entschädigung zahlen zu lassen und so am Unfall zu verdienen (vgl. BGH 15.4.1966 – VI ZR 271/64, NJW 1966, 1260).
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Ein Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten setzt also, ebenso wie der Anspruch auf Erstattung von Nutzungsausfall für ein unfallbeschädigtes Kfz (z.B. BGH 11.10.2022 – VI ZR 35/22, r+s 2023, 89) eine fühlbare Beeinträchtigung der tatsächlichen und rechtlichen Nutzungsmöglichkeit seines Fahrzeugs voraus.
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Hätte das beschädigte Fahrzeug demnach ungeachtet des Schadensereignisses aus Rechtsgründen ohnehin nicht benutzt werden dürfen, so kann seinem Eigentümer auch kein Schaden entstanden sein (z.B. wegen fehlender Verkehrssicherheit, so dass eine Prüfplakette nach § 29 StVZO nicht mehr zugeteilt werden könnte: Kammerbeschluss v. 22.7.2020 – 2 S 1503/20, NJW-RR 2020, 1356; zust. Wenker, jurisPR-VerkR 23/2020 Anm. 3; Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 249 BGB (Stand: 08.08.2023) Rn. 221; auch z.B. wegen fehlender Haftpflichtversicherung: OLG Karlsruhe v. 25.9.1987 – 10 U 10/87, VersR 1989, 58; LG Frankfurt/M. v. 7.12.1983 – 1 S 233/83, VersR 1985, 1099; vgl. auch OLG Frankfurt 4.3.1994 – 2 U 200/93, NZV 1995, 68; Zwickel in: Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, § 28 Rn. 28.12; a.A. – wenngleich ohne nähere inhaltliche Begründung – LG Stuttgart 4.3.2021 – 5 S 195/20 (vorgelegt vom Beklagtenvertreter als Anlage) bei „ordnungswidriger Nutzung“ des beschädigten Fahrzeugs sowie LG Frankfurt 5.2.1992 – 2/16 S 179/91, NJW-RR 1992, 1183).
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b. Gemessen daran war es dem Kläger im Streitfall bereits aus unfallunabhängigen Gründen nicht möglich, sein Fahrzeug berechtigterweise zu nutzen können:
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Unstreitig waren am beschädigten Fahrzeug die Fristen zur Durchführung der Haupt- und Abgasuntersuchung im Unfallzeitpunkt seit mehr als einem halben Jahr abgelaufen. Hätte der streitgegenständliche Verkehrsunfall nicht stattgefunden, hätte der Kläger deshalb sein Fahrzeug mangels Haupt- und Abgasuntersuchung auch nicht mit Billigung der Rechtsordnung nutzen dürfen.
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Die Untersuchungspflicht ist in § 29 StVZO normiert. Demnach vergibt ein technischer Prüfer die Bescheinigung, dass das Fahrzeug verkehrssicher und umweltverträglich ist. Wenn die Haupt- und Abgasuntersuchung nicht fristgerecht vorgenommen wird, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 69a Abs. 2 Nr. 14 StVZO). Die Behörden können zudem die Stilllegung des Fahrzeugs androhen und auch durchsetzen (§ 29 Abs. 7 S. 4, 5 StVZO).
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Folglich geschah die Anmietung des Mietwagens vom Kläger nicht unfallbedingt, sondern lediglich anlässlich des Verkehrsunfalls; sie hätte also zur Herstellung der Mobilität in jedem Fall erfolgen müssen, bis das klägerische Fahrzeug mit bestandener Haupt- und Abgasuntersuchung als nachweislich verkehrssicher und zulassungsfähig (§ 29 Abs. 3 S. 2 iVm § 16 Abs. 1 StVZO) wieder hätte genutzt werden dürfen.
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Im Sinne der Einheitlichkeit der Rechtsordnung kann die faktisch mögliche, aber den Anforderungen der Rechtsordnung im Übrigen nicht entsprechende Nutzung des Fahrzeugs nicht den Schutz der Rechtsordnung einfordern und einen Anspruch auf Ausgleich des Nutzungsausfalls begründen. Dies muss jedenfalls im Hinblick auf den Sicherheitscharakter einer regelmäßigen Hauptuntersuchung gelten.
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Entgegen der Auffassung der Klageseite hätte der Kläger jederzeit mit einer sofortigen Entziehung des Fahrzeugs rechnen müssen (§ 29 Abs. 7 S. 4 StVZO; OVG Magdeburg Beschl. v. 24.1.2024 – 3 M 99/23, BeckRS 2024, 1609 Rn. 9 f.; Neu in: Freymann/Wellner, jurisPK- Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 29 StVZO (Stand: 20.02.2024) Rn. 43 ff.). Die Nutzung hätte folglich jederzeit beendet werden können, weswegen die faktische Nutzung keinen Geldwert darstellt.
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Soweit der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 27.11.2023 darauf abstellt, dass die einschlägigen Normen „gerade kein Nutzungsverbot“ bewirkten, ist das – vorbehaltlich einer dahingehenden Untersagungsverfügung der zuständigen Behörde – zutreffend, verkennt aber den Kern der Argumentation: Die Nutzung des Fahrzeugs ohne wirksame Prüfplakette bleibt auch ohne konkret aktualisiertes „Nutzungsverbot“ von der Rechtsordnung missbilligt. Darauf, dass – wie der Kläger mit Schriftsatz vom 27.11.2023 erstmals vortragen lässt – sein Fahrzeug vor dem Unfall verkehrssicher war, kommt es deshalb nicht an. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob sich der Verstoß gegen § 69 Abs. 2 Nr. 14 StVZO als Dauerordnungswidrigkeit darstellt (vgl. Berufungserwiderung S. 7, Gerichtsakte S. 86) – was im Übrigen ja gerade für eine „dauernde“ Missbilligung der fortgesetzt unterlassenen Vorführung zur Hauptuntersuchung spricht. Dies wird nach Ansicht der Kammer auch im Urteil des LG Frankfurt vom 5.2.1992 (2/16 S 179/91, NJW-RR 1992, 1183) nicht hinreichend berücksichtigt.
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Die Kammer sieht sich in ihrer wertenden Auffassung vielmehr durch die Rechtsprechung des BGH bestätigt: So hat der BGH mit Urteil vom 28.1.1986 (VI ZR 151/84, NJW 1986, 1486) zum Verdienstausfall entschieden, dass ein entgangener Verdienst, der nur unter Verstoß gegen die Arbeitszeitordnung hätte erzielt werden können, keinen erstattungsfähigen Schaden darstellt. Ein zu erwartender Gewinn sei demnach dann nicht ersatzfähig, wenn er nur durch Verletzung eines gesetzlichen Verbots hätte erzielt werden können. Der Geschädigte könne als entgangenen Gewinn nicht fordern, was er nur mit rechtswidrigen Mitteln erlangt hätte; er solle im Wege des Schadensersatzes nicht einen Gewinn erhalten, dessen Erzielung andere gesetzliche Vorschriften gerade verhindern wollen. Die Rechtsordnung könne es nicht zulassen, dass im Wege des Schadensersatzes ein entgangener Verdienst ersetzt wird, der nur unter Verstoß gegen die Arbeitszeitbestimmungen hätte erzielt werden können.
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Diese Argumentation lässt sich als allgemeiner Grundsatz des Schadensersatzrechts auf den hier streitgegenständlichen Sachschaden bzw. Ersatz von Mietwagenkosten übertragen. Demnach kann die Rechtsordnung es nicht zulassen, dass im Wege des Schadensersatzes eine entgangene Nutzungsmöglichkeit eines Fahrzeugs ersetzt wird, die nur unter Verstoß gegen die Pflichten zur rechtzeitigen Einhaltung der Vorführungs- und Prüfungsfristen nach § 29 StVZO hätte realisiert werden können.
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3. Auf die Erforderlichkeit der Anmietung an sich und den Vorwurf der Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beklagten kommt es daher nicht mehr an.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt im Hinblick auf die Revisionszulassung aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Zugunsten der Klagepartei ist die Revision zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt der Divergenz zuzulassen (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO), da in der hiesigen Entscheidung ein abstrakter Rechtssatz aufgestellt wird, der von einem in einer anderen Entscheidung eines gleichgeordneten Gerichts aufgestellten abstrakten Rechtssatz abweicht, und die angegriffene Entscheidung auf dieser Abweichung beruht (BGH 16.10.2018 – II ZR 70/16, NJW-RR 2019, 524). So geht die Kammer – anders als das LG Stuttgart in seinem Urteil vom 4.3.2021 (5 S 195/20) und das LG Frankfurt in seinem Urteil vom 5.2.1992 (2/16 S 179/91, NJW-RR 1992, 1183) davon aus, dass einem Geschädigten kein Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten zusteht, wenn er das Fahrzeug schon vor dem Unfall nur unter Erfüllung des Tatbestandes einer Ordnungswidrigkeit nutzen konnte.
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Zudem hat diese sich in einer Vielzahl von Fällen stellende Frage grundsätzliche Bedeutung i.S.d. (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO; vgl. dazu Anders/Gehle/Nober, 82. Aufl. 2024, ZPO § 543 Rn. 7 ff m.w.N. zur BGH-Rspr.).