Titel:
Nachbarklage, Gesicherte Erschließung, Rücksichtnahmegebot
Normenketten:
BauGB § 34
BauNVO § 15
Schlagworte:
Nachbarklage, Gesicherte Erschließung, Rücksichtnahmegebot
Fundstelle:
BeckRS 2024, 39160
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1. zu tragen. Die Beigeladene zu 2. trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen eine dem Beigeladenen zu 1. erteilte Baugenehmigung zum Neubau eines Nebengebäudes für Geräte mit Hasenstall nach Abbruch von bestehenden Gebäuden auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung … (i.F. Baugrundstück).
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Das Nebengebäude soll mit den Grundmaßen 9,00 m auf 4,50 m und mit einer Wandhöhe von 2,92 m an der westlichen Grundstücksgrenze errichtet werden und erhält ein Satteldach. Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung … sowie des östlich davon gelegenen Grundstücks mit der FlNr. …, Gemarkung … (i.F. sind alle genannten Flurnummern solche der Gemarkung …*). Das Baugrundstück grenzt östlich an das Grundstück FlNr. … an. Es verläuft ferner auf einer Länge von ca. 12 Metern und einer Breite von ca. 5 Metern entlang dessen Nordgrenze. Der Beigeladene zu 1. ist Eigentümer des Baugrundstücks sowie des daran im Nordosten angrenzenden Grundstücks FlNr. …4. Bei FlNr. …4 handelt es sich um ein ca. 5 m breites Wegegrundstück, das als Zufahrt in den Weg FlNr. … im Norden mündet.
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Datiert auf den 21. August 2022 beantragte der Beigeladene zu 1. die Baugenehmigung für den Neubau eines Nebengebäudes für Geräte mit Hasenstall nach Abbruch von bestehenden Gebäuden auf dem Baugrundstück.
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Mit Beschluss vom 25. Oktober 2022 erteilte die Beigeladene zu 2. ihr Einvernehmen unter dem Vorbehalt, dass eine Erklärung zur Niederschlagswasserbeseitigung die Versickerung des Regenwassers auf dem Grundstück bestätigt.
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Mit Bescheid vom 9. November 2022 wurde die Baugenehmigung antragsgemäß erteilt.
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Dagegen erhob der Kläger am 20. Dezember 2022 Klage zur Niederschrift beim Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragt,
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Der Bescheid des Landratsamts ... vom 09.11.2022, Aktenzeichen* …, zugestellt am 22.11.2022, wird aufgehoben.
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Zur Begründung werde vollumfänglich Bezug genommen auf die im Verfahren M 9 K 22.2832 vorgetragene Begründung. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass der Beigeladene zu 1. der Festsetzung des Bebauungsplanes (Straßenführungsplan) Ortsstraße Nr. … in …, Gemeinde … über die Art der straßenmäßigen Erschließung seines Baugrundstückes gemeinsam mit den Eigentümern der rückwärtigen Grundstücke mit den FlNr. … … … … und …4 unterworfen sei. Durch die hier streitgegenständliche Baugenehmigung werde der Kläger rechtlich schlechter gestellt, weil sich der straßenmäßige Erschließungsdruck direkt vor seiner Haustüre erheblich erhöhe.
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Auf die Schriftsätze bzw. Protokolle der Rechtsantragstelle vom 14. Februar 2023, 23. Februar 2023, 3. März 2023, 20. März 2023, 18. April 2023, 31. Mai 2023, 14. Juni 2023, 17. August 2023, 2. Januar 2024, 9. Januar 2024 sowie die Ausführungen in den beigezogenen Verfahren M 9 K 22.2832 und M 9 SN 23.1350 wird im Übrigen Bezug genommen.
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Der Beklagte beantragt
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Eine Rechtsverletzung sei nicht erkennbar, insbesondere seien die Abstandsflächen eingehalten. Anhaltspunkte, die erkennen ließen, dass mit der genehmigten Anlage ein für den Kläger unzumutbares Übermaß entstehe, seien nicht ersichtlich. Durch den Baugenehmigungsbescheid werde der Kläger auch nicht durch die Frage der Erschließung des Vorhabens in seinen Rechten beeinträchtigt, da die baurechtliche Erschließung nicht zu den nachbarschützenden Rechten zähle. Auf den Schriftsatz vom 5. April 2023 wird im Übrigen Bezug genommen.
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Die Beigeladene zu 1. beantragt
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Eine Rechtsverletzung des Klägers sei weder mit Blick auf die Frage der Erschließung des Bauvorhabens noch mit Blick auf andere drittschützenden Vorschriften gegeben. Die Wirksamkeit des Bebauungsplanes (Straßenführungsplan) sowie ein etwaiges Enteignungsverfahren seien nicht Prüfungsgegenstand der Drittanfechtungsklage.
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Auf die Schriftsätze vom 3. Januar 2023 und 6. September 2024 wird im Übrigen Bezug genommen.
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Die Beigeladene zu 2. hat keinen Antrag gestellt.
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Mit Beschluss vom 9. Januar 2024 wurde der zur Niederschrift am 20. März 2023 gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Freistaat Bayern vom 20. Dezember 2022 abgelehnt. Auf den rechtskräftigen Beschluss nebst Begründung wird Bezug genommen (M 9 SN 23.1350).
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Das Gericht hat am 18. September 2024 Beweis erhoben über die baulichen und örtlichen Verhältnisse des Vorhabenstandortes und dessen Umgebung durch Einnahme eines Augenscheins. Auf das Augenscheinprotokoll vom 18. September 2024 wird Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 18. September 2024 sowie die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte in diesem Verfahren sowie in den Verfahren M 9 K 22.2832, M 9 SN 23.1350, M 9 SN 22.5301 und M 9 K 19.5605 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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1. Sie ist zulässig, jedoch unbegründet. Die dem Beigeladenen zu 1. mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. November 2022 erteilte Baugenehmigung verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Zu berücksichtigen ist, dass Nachbarn bzw. Dritte eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten können, wenn sie hierdurch in einem ihnen zustehenden, subjektiv-öffentlichen Recht verletzt werden. Es würde daher nicht genügen, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstoßen würde, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke dienen. Dementsprechend findet im gerichtlichen Verfahren aufgrund einer Nachbarklage keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt (vgl. die ständige Rechtsprechung des Gerichts, zuletzt etwa im Beschluss vom 28.02.2024 – M 9 SN 23.5626 – m.w.N.). Die Prüfung beschränkt sich vielmehr darauf, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem jeweiligen Nachbarn bzw. Dritten einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind. Dabei ist außerdem zu beachten, dass ein Nachbar bzw. Dritter eine Baugenehmigung nur dann erfolgreich angreifen kann, wenn die Rechtswidrigkeit der Genehmigung sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die im jeweiligen Verfahren Gegenstand der Prüfung im Baugenehmigungsverfahren sind.
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Gemessen hieran liegt eine Verletzung des Klägers in ihn schützenden Rechtspositionen unter Berücksichtigung der vorgelegten Akten, den genehmigten Bauvorlagen sowie des Eindrucks, den das Gericht im Rahmen des am 18. September 2024 durchgeführten Augenscheins gewinnen konnte und der konkreten örtlichen Verhältnisse, nicht vor. Insofern wird mit Blick auf den allgemeinen Themenkomplex Erschließung, Niederschlagswasserbeseitigung und wild abfließendes Oberflächenwasser vollumfänglich auf die Begründung im Urteil vom 18. September 2024 im Verfahren M 9 K 22.2832, die Begründung im Beschluss vom 9. Januar 2024 im Verfahren M 9 SN 23.1350 und die Begründung im Beschluss vom 9. Januar 2024 im Verfahren M 9 SN 22.5301 Bezug genommen. Betreffend die auch im vorliegenden Fall angeführte Verletzung von nachbarschützenden Vorschriften bezogen auf die Abstandsflächen haben sich im Vergleich zu der Einschätzung des Gerichts im Beschluss vom 9. Januar 2024 im Verfahren M 9 SN 23.1350 nach Durchführung des Augenscheins und unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse vor Ort mit Blick auf die rechtliche Beurteilung keine Änderungen ergeben. Eine Verletzung des Abstandsflächenrechts ist nach wie vor weder substantiiert dargetan noch sonst ersichtlich. Zweifel mit Blick auf die hinreichende Bestimmtheit der Baugenehmigung ergeben sich weiterhin nicht. Auf die Ausführungen in den Beschlüssen vom 9. Januar 2024 (M 9 SN 23.1350 bzw. M 9 SN 22.5301) wird im Übrigen Bezug genommen.
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Nach alledem wird die Klage abgewiesen.
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladene zu 1. hat einen Antrag gestellt und sich damit einem Prozesskostenrisiko ausgesetzt. Es entspricht daher der Billigkeit, dem unterlegenen Kläger seine Kosten aufzuerlegen. Die Beigeladene zu 2. hat keinen Antrag gestellt. Sie trägt daher ihre außergerichtlichen Kosten selbst, § 162 Abs. 3 VwGO i.V.m. dem Rechtsgedanken von § 154 Abs. 3 Hs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.