Inhalt

VG München, Urteil v. 18.09.2024 – M 9 K 22.2832
Titel:

Nachbarklage, Gesicherte Erschließung, Rücksichtnahmegebot

Normenketten:
BauGB § 34
BauNVO § 15
Schlagworte:
Nachbarklage, Gesicherte Erschließung, Rücksichtnahmegebot
Fundstelle:
BeckRS 2024, 39159

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1. zu tragen. Die Beigeladene zu 2. trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen eine dem Beigeladenen zu 1. erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Einfamilienhauses mit Garage vom 28. April 2022 auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung … (i.F. Baugrundstück).
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Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung … (i.F. sind alle genannten Flurnummern solche der Gemarkung …) sowie des östlich davon gelegenen Grundstücks mit der FlNr. … Das Baugrundstück grenzt östlich an das Grundstück FlNr. … an. Es verläuft ferner auf einer Länge von ca. 12 Metern und einer Breite von ca. 5 Metern entlang dessen Nordgrenze. Der Beigeladene zu 1. ist Eigentümer des Baugrundstücks sowie des daran im Nordosten angrenzenden Grundstücks FlNr. …4. Bei FlNr. …4 handelt es sich um ein ca. 5 m breites Wegegrundstück, das als Zufahrt in den Weg FlNr. … im Norden mündet.
3
Datiert auf den 13. Dezember 2021 beantragte der Beigeladene zu 1. die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau eines Einfamilienhauses mit Garage. Bereits zuvor war ein Vorbescheid mit Bescheid vom 1. Dezember 2014 genehmigt worden, welcher zuletzt mit Bescheid vom 21. Oktober 2019 um weitere zwei Jahre verlängert wurde. Gegen die Verlängerung wurde Klage erhoben, welche mit rechtskräftigem Gerichtsbescheid vom 2. Juni 2020 abgewiesen wurde. Auf das diesbezügliche Klageverfahren M 9 K 19.5605 wird Bezug genommen.
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Mit Beschluss vom 11. Januar 2022 erteilte die Gemeinde ihr Einvernehmen zu dem mit Bauantrag vom 13. Dezember 2021 zur Genehmigung gestellten Vorhaben.
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Mit Bescheid vom 28. April 2022 wurde die Baugenehmigung für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Garage erteilt.
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Dagegen erhob der Kläger am 30. Mai 2022 Klage zur Niederschrift beim Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragt,
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Der Bescheid des Landratsamtes E. vom 28.04.2022, Az.: …, zugestellt am 30.04.2022, wird aufgehoben.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass die dem Beigeladenen zu 1. erteilte Baugenehmigung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße. Denn die Beigeladene zu 2. habe nach Erlass eines Bebauungsplans – hier des „Straßenführungsplans Ortsstraße Nr. …“ in … – zu erkennen gegeben, dass sie diesen Plan überhaupt nicht verwirklichen wolle. Es sei ein Fall ausdrücklich verweigerter Planverwirklichung gegeben. Wenn die Beigeladene zu 2. diesen Plan nicht mehr wolle, müsse sie ihn aufheben und sich der daraus ergebenden Entschädigungspflicht stellen. Vor diesem Hintergrund werde auch das derzeit auf dem Baugrundstück bereits vorhandene Haus planungswidrig über die FlNrn. … und … angefahren. Nach den Informationen des Klägers habe die Enteignungsbehörde mitgeteilt, dass es der Beigeladenen zu 2. zumutbar sei, einen Enteignungsantrag für die Grundstücke des Klägers zu stellen. Ein Angebot zur Grundabtretung sei dem Kläger seitens der Beigeladenen zu 2. ebenfalls nicht unterbreitet worden. Der Straßenführungsplan werde weder umgesetzt noch aufgehoben. Es werde beantragt, die Akten des Bebauungsplans beizuziehen. Durch die Baugenehmigung werde der Kläger in seinem Eigentumsrecht verletzt, weil selbst nach dreißig Jahren kein Rechtsfrieden in Sicht sei. Nachdem sich die Beigeladene zu 2. weigere, den Straßenführungsplan umzusetzen, liege der Grad einer ordnungsrechtlich beachtlichen Störung der öffentlichen Ordnung vor. Dieser Mangel könne nur behoben werden, wenn die straßenmäßige Erschließung der hier streitgegenständlichen Baugenehmigung bzw. die straßenmäßige Erschließung der rückwärtigen Anlieger dem Kläger aufgezwungen würden. Im Übrigen sei der für das Baugrundstück vormals erteilte Vorbescheid entgegen dem Vortrag des Beklagten abgelaufen. Der Beigeladene zu 1. habe im Übrigen jederzeit die Möglichkeit, die straßenmäßige Erschließung über die Grundstücke des Klägers zu erzwingen. Des Weiteren sei die Erschließung über den Teilabschnitt FlNr. … nicht ausreichend gesichert. Aus den Plänen für das streitgegenständliche Bauvorhaben sei im Übrigen nicht genau zu entnehmen, was Gegenstand der Bauanträge und damit der nachfolgenden Baugenehmigung sein solle. Das betreffe das Maß der baulichen Nutzung sowie die Art. Der Umfang der gewerblichen Tätigkeit könne ebenfalls nicht entnommen werden. Die Abstandsflächen würden nicht eingehalten. Darüber hinaus habe der Eigentümer des Grundstücks FlNr. … mitgeteilt, dass die (bisherige) Niederschlagswasserbeseitigung des Baugrundstücks mit bestehendem Wohnhaus über sein Grundstück erfolge und er dies nicht weiter dulden werde. Er beabsichtige, die entsprechenden Rohrdurchleitungen auf seinem Grundstück zu entfernen. Einer Inanspruchnahme seines Grundstücks zur Niederschlagswasserbeseitigung des geplanten Neubaus werde er nicht zustimmen. Sollte der Eigentümer des Grundstücks FlNr. … in der Tat so verfahren, würde dies für den Kläger und seine Grundstücke eine Verschlechterung darstellen, da das anfallende Niederschlagswasser des streitgegenständlichen Neubaus (neben dem anfallenden Niederschlagswasser mit Blick auf das bereits bestehende Gebäude) aufgrund des schräg zum Grundstück des Klägers abfallenden Geländes auf das Grundstück des Klägers fließen würde. Dies habe eine negative und wertmindernde Wirkung mit Blick auf sein Eigentum. Die niederschlagswassertechnische Erschließung sei daher unmöglich und das gehe zu Lasten des Klägers. Im Übrigen weise die streitgegenständliche Baugenehmigung keine Auflagen oder Regelungen mit Blick auf die Niederschlagswasserbeseitigung auf. Darüber hinaus sei am 25. Mai 2023 seitens des Wasserwirtschaftsamtes Rosenheim eine Ortseinsicht durchgeführt worden. Auf den diesbezüglichen Aktenvermerk bzw. Prüfbericht werde Bezug genommen. Bei Starkregen sei es bereits mehrmals vorgekommen, dass die Grundstücke des Klägers überschwemmt worden seien. Auch bei den Nachbarn habe es Überschwemmungen gegeben. Diese hätten sich – unter anderem auch der Beigeladene zu 1. – durch Mauern zum Schutz ihrer Grundstücke beholfen. Dies habe wiederum negative Auswirkungen zulasten des Klägers und seiner Grundstücke, die nun noch mehr überschwemmt würden. Das streitgegenständliche Baugrundstück sei niederschlagswassertechnisch nicht erschlossen und auch der Hochwasserschutz sei nicht berücksichtigt. Die Beigeladene zu 2. habe auch nach wie vor kein Starkregenmanagement erstellt. Eine weitere Ortseinsicht habe durch das Wasserwirtschaftsamt Rosenheim am 22. Juni 2023 stattgefunden. Auf den Bericht vom 17. Juli 2023 werde Bezug genommen. Darüber hinaus werde angeregt, einen Augenscheintermin durchzuführen.
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Auf die Schriftsätze bzw. Protokolle der Rechtsantragstelle vom 27. Oktober 2022, 31. Oktober 2022, 16. November 2022, 26. Januar 2023, 14. Februar 2023, 23. Februar 2023, 3. März 2023, 18. April 2023, 31. Mai 2023, 14. Juni 2023, 17. August 2023 und 2. Januar 2024 wird im Übrigen Bezug genommen.
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Der Beklagte beantragt
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Klageabweisung.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass die mit Bescheid vom 28. April 2022 erteilte Baugenehmigung rechtmäßig sei und Nachbarrechte nicht verletze. Die Überprüfung des vorgetragenen Sachverhalts habe gezeigt, dass bei dem streitgegenständlichen Bauvorhaben die erforderlichen Abstandsflächen eingehalten und auch sonst keine Anhaltspunkte für ein dem Kläger unzumutbares bauliches Übermaß erkennbar seien. Das Erfordernis der gesicherten Erschließung diene grundsätzlich nur dem öffentlichen Interesse und habe keine nachbarschützende Funktion. Der Kläger sei Eigentümer der Grundstücke FlNr. … und … Der dazwischenliegende Weg mit der FlNr. … sei im Eigentum der Gemeinde A. und als öffentlicher Geh- und Radweg gewidmet und auch entsprechend so beschildert. Ebenso solle der Weg auf FlNr. … zur Erschließung für die Grundstücke mit den FlNrn. …3, …2, … … … … … … … … … und … aufgrund des Bebauungsplans (Straßenführungsplans) „Ortsstraße Nr. … in …“ dienen. Jedoch sei der Weg derzeit noch zu schmal, um die Erschließung dieser Grundstücke zu sichern. Die Verbreiterung der Straße könne nur erfolgen, wenn die Beigeladene zu 2. dem Kläger Teile der Grundstücke mit der FlNr. … und … abkaufe. Weder der Weg auf FlNr. … noch die beiden Grundstücke des Klägers (FlNrn. … und …) seien jedoch Gegenstand des Verfahrens und für die Erschließung des Baugrundstücks erforderlich. Das Baugrundstück befinde sich im Innenbereich und werde über die FlNrn. … und …4 erschlossen. Für beide Grundstücke lägen Dienstbarkeiten vor. Das Wegegrundstück FlNr. …4 sei als Wohnweg zum Baugrundstück an den Bauherrn überlassen worden (grundbuchwirksam gesichertes Geh- und Fahrtrecht). Laut Auskunft der Beigeladenen zu 2. sei die Straßenfläche FlNr. … nur teilweise abgemarkt bzw. mit Grenzsteinen versehen, aber als öffentliche Verkehrsfläche durchgängig gewidmet. Die Widmung sei in einem kurzen Teilstück bei Hausnummer 30 nur in einer Breite von ca. 1,50 m erfolgt. Dies trete jedoch vor Ort nicht in Erscheinung, weil die tatsächlich nutzbare Verkehrsfläche breiter sei. Über diese Straße würden fünf Anwesen erschlossen. Ein unmittelbarer Begegnungsverkehr sei auf dem Teilstück bei Hausnummer 30 zwar nicht möglich, allerdings sei aufgrund des zusätzlichen Verkehrs, welcher durch das Bauvorhaben entstehe, und aufgrund des kurzen Wegstücks und der Übersichtlichkeit jedoch keine Gefahr für die verkehrsmäßige Abwicklung bzw. für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu befürchten. Auch für den Teilabschnitt auf FlNr. … liege ein grundbuchwirksam gesichertes Geh- und Fahrtrecht vor.
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Auf den Schriftsatz vom 1. August 2022 wird im Übrigen Bezug genommen.
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Der Beigeladene zu 1. beantragt
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Klageabweisung.
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Zu Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die klägerseits vorgetragenen Argumente größtenteils nicht Prüfungsgegenstand einer nachbarlichen Drittanfechtungsklage seien. Eine Rechtsverletzung komme ohnehin – wenn überhaupt – hinsichtlich des Grundstücks FlNr. … infrage, da das Grundstück FlNr. … nicht an das Baugrundstück angrenze. Der Kläger werde durch die Erschließungssituation nicht in drittschützenden Rechten verletzt, denn die Erschließung diene ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der geordneten städtebaulichen Entwicklung. Eine etwaige unmittelbare Rechtsverschlechterung des Klägers in Gestalt des Duldenmüssens eines Notwegerechts sei fernliegend und im Übrigen auch nicht substantiiert vorgetragen worden. Hinsichtlich der Erschließung des Baugrundstücks sei nicht nur faktisch eine Erschließung vorhanden, sondern diese sei auch im Rechtssinne „gesichert“ und zur ordnungsgemäßen Benutzung im Sinne von § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB ausreichend. Der Kläger habe daher kein Notwegerecht auf seinem Grundstück und keine Beeinträchtigung seiner Eigentumsposition zu befürchten. Der Vortrag hinsichtlich der Widmung der öffentlichen Verkehrsfläche FlNr. … sei nicht relevant, da insofern nur öffentliche Interessen betroffen seien.
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Auch die niederschlagstechnische Erschließung des Vorhabens verletze den Kläger nicht in drittschützenden Rechten. Im Übrigen werde das Baugrundstück zusätzlich zum bestehenden Sickerschacht mit zwei weiteren Sickerschächten und einer Zisterne ausgestattet. Eine Verwässerung des klägerischen Grundstücks sei nicht zu befürchten.
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Auch eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots liege nicht vor. Insofern fehle es schon an einem substantiierten Vortrag. Der Kläger könne sich nicht auf jedwede Verschlechterung berufen. Er beschränke sich auf die pauschale Aussage, dass das Niederschlagswasser „unweigerlich eine negative, wertmindernde Beeinträchtigung“ seines Eigentums zur Folge habe. Das Baugrundstück und das Klägergrundstück befänden sich in Hanglage, wobei der natürliche Ablauf auf das niedriger gelegene Klägergrundstück gerichtet sei. Dies habe der Kläger auch im gegebenen Umfang hinzunehmen. Da die schadlose Versickerung des auf den befestigten Flächen niedergehenden Niederschlagswassers durch zwei zusätzliche Sickerschächte und eine Zisterne sichergestellt werde, sei nicht ersichtlich, weshalb das Vorhaben das Klägergrundstück dennoch in unzumutbarer Weise beeinträchtigen sollte. Eine etwaige Verschlechterung, die das Maß der Unzumutbarkeit nicht überschreite, führe nicht zu einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots und sei hinzunehmen. Die Oberflächenentwässerung sei im Übrigen nicht in der Baugenehmigung geregelt worden. Auf § 37 WHG werde darüber hinaus hingewiesen.
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Die Wirksamkeit des Bebauungsplanes sei für die streitgegenständliche Fragestellung ohne Bedeutung. Auch eine Verletzung der Abstandsflächen sowie die vorgetragene Unbestimmtheit der Baugenehmigung seien nicht ersichtlich.
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Auf die Schriftsätze vom 14. Dezember 2022 und 16. August 2024 wird im Übrigen Bezug genommen.
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Die Beigeladene zu 2. hat keinen Antrag gestellt.
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Mit Beschluss vom 9. Januar 2024 wurde der zur Niederschrift am 27. Oktober 2022 gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 30. Mai 2022 abgelehnt. Auf den rechtskräftigen Beschluss nebst Begründung wird Bezug genommen (M 9 SN 22.5301).
23
Das Gericht hat am 18. September 2024 Beweis erhoben über die baulichen und örtlichen Verhältnisse des Vorhabenstandortes und dessen Umgebung durch Einnahme eines Augenscheins. Auf das Augenscheinprotokoll vom 18. September 2024 wird Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 18. September 2024 sowie die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte in diesem Verfahren sowie in den Verfahren M 9 K 22.6337, M 9 SN 23.1350, M 9 SN 22.5301 und M 9 K 19.5605 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg.
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1. Sie ist zulässig, jedoch unbegründet. Die dem Beigeladenen zu 1. mit dem angefochtenen Bescheid vom 28. April 2022 erteilte Baugenehmigung verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Zu berücksichtigen ist, dass Nachbarn bzw. Dritte eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten können, wenn sie hierdurch in einem ihnen zustehenden, subjektiv-öffentlichen Recht verletzt werden. Es würde daher nicht genügen, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstoßen würde, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke dienen. Dementsprechend findet im gerichtlichen Verfahren aufgrund einer Nachbarklage keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt (vgl. die ständige Rechtsprechung des Gerichts, zuletzt etwa im Beschluss vom 28.02.2024 – M 9 SN 23.5626 – m.w.N.). Die Prüfung beschränkt sich vielmehr darauf, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem jeweiligen Nachbarn bzw. Dritten einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind. Dabei ist außerdem zu beachten, dass ein Nachbar bzw. Dritter eine Baugenehmigung nur dann erfolgreich angreifen kann, wenn die Rechtswidrigkeit der Genehmigung sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die im jeweiligen Verfahren Gegenstand der Prüfung im Baugenehmigungsverfahren sind.
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Gemessen hieran liegt eine Verletzung des Klägers in ihn drittschützenden Rechtspositionen unter Berücksichtigung der vorgelegten Akten, den genehmigten Bauvorlagen sowie des Eindrucks, den das Gericht im Rahmen des am 18. September 2024 durchgeführten Augenscheins gewinnen konnte, und der konkreten örtlichen Verhältnisse nicht vor.
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a. Soweit der Kläger eine Rechtsverletzung bezogen auf die Erschließungssituation des Baugrundstücks vorträgt, führt dies nicht zum Erfolg der Klage. Denn eine für den Erfolg der Klage allein relevante Drittrechtsverletzung liegt insofern nicht vor. Aus dem allgemeinen Erfordernis einer ausreichenden, gesicherten Erschließung lässt sich ein Drittschutz nicht ableiten. Denn mit dem Erfordernis einer ausreichenden Erschließung soll insgesamt berücksichtigt werden, dass ein Mindestmaß an Zugänglichkeit der Grundstücke für Kraftfahrzeuge, und zwar nicht nur des Nutzers, sondern auch von öffentlichen Zwecken dienenden Fahrzeugen, wie z.B. die der Polizei, der Feuerwehr, des Rettungswesens und der Ver- und Entsorgung, gegeben ist (Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 147. EL 2022, § 35 Rn. 69). Dieses Erfordernis dient jedoch grundsätzlich nur öffentlichen Interessen; es hat keine nachbarschützende Funktion (z.B. BayVGH, B.v. 3.2.2014 – 9 CS 13.1916 – juris Rn. 14 m.w.N.). Dass sich ein Abwehrrecht des Klägers unmittelbar aus der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) etwa mit Blick auf ein mangels Erschließung entstehendes Notwegerecht (vgl. in diesem Zusammenhang BayVGH, B.v. 27.7.2018 – 1 CS 18.1265 – juris m.w.N.) ergeben könnte, ist im Übrigen weder ausreichend substantiiert dargelegt noch sonst ersichtlich. Auf die ausführlichen Erläuterungen im Rahmen der Begründung des Eilbeschlusses vom 9. Januar 2024 (M 9 SN 22.5301), auch mit Blick auf die Umstände betreffend den seitens des Klägers angeführten Straßenführungsplan, wird im Übrigen Bezug genommen. Die in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen des Gerichts haben sich im Rahmen der Augenscheinsfeststellungen am 18. September 2024 bestätigt. Das Gericht konnte sich von den konkreten Verhältnissen vor Ort ein Bild machen. Es ist danach nicht ersichtlich, inwieweit die hier streitgegenständliche, gesicherte und faktisch ausreichend vorhandene Erschließung eine Rechtsverletzung des Klägers in Form der Entstehung eines Notwegerechtes über seine Grundstücke FlNr. … und … begründen und sich daraus ein Abwehrrecht des Klägers unmittelbar aus der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) ergeben sollte (vgl. in diesem Zusammenhang BayVGH, B.v. 27.7.2018 – 1 CS 18.1265 – juris m.w.N.).
30
b. Soweit der Kläger eine Nachbarrechtsverletzung bezogen auf das Abstandsflächenrecht sowie die Unbestimmtheit der Baugenehmigung vorträgt, haben sich nach Durchführung des Augenscheins sowie der mündlichen Verhandlung am 18. September 2024 keine neuen Aspekte im Vergleich zu den Erwägungen im Beschluss vom 9. Januar 2024 (M 9 SN 22.5301) ergeben. In diesem Zusammenhang wird auf die entsprechenden Ausführungen Bezug genommen.
31
c. Eine Nachbarrechtsverletzung ist auch nicht ersichtlich, soweit der Kläger auf die Niederschlagswasserbeseitigung und die (allgemein) befürchtete Vernässungssituation auf seinem Grundstück bzw. die Oberflächenentwässerung unter anderem mit Blick auf die seitens des Wasserwirtschaftsamtes Rosenheim am 25. Mai 2023 und 22. Juni 2023 getroffenen Feststellungen verweist. Auch insofern wird auf die ausführliche Begründung im Beschluss vom 9. Januar 2024 (M 9 SN 22. 5301) Bezug genommen, die auch unter Berücksichtigung der getroffenen Augenscheinfeststellungen (vgl. Augenscheinsprotokoll vom 18. September 2024) sowie der konkreten Verhältnisse vor Ort nach wie vor Gültigkeit hat.
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Mangels Verletzung drittschützender Vorschriften wird die Klage nach alledem abgewiesen.
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladene zu 1. hat einen Antrag gestellt und sich damit einem Prozesskostenrisiko ausgesetzt. Es entspricht daher der Billigkeit, dem unterlegenen Kläger seine Kosten aufzuerlegen. Die Beigeladene zu 2. hat keinen Antrag gestellt. Sie trägt daher ihre außergerichtlichen Kosten selbst, § 162 Abs. 3 VwGO i.V.m. dem Rechtsgedanken von § 154 Abs. 3 Hs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.