Titel:
BayKiBiG, Rücknahme eines Bewilligungsbescheids, Rückforderung von Fördermitteln, Übersteigen der zulässigen Mindestbuchungszeit, Kein Vertrauensschutz bei rechtswidrigen Förderleistungen für öffentliche Rechtsträger
Normenketten:
BayKiBiG Art. 21 Abs. 4 S. 5
SGB X § 45
Schlagworte:
BayKiBiG, Rücknahme eines Bewilligungsbescheids, Rückforderung von Fördermitteln, Übersteigen der zulässigen Mindestbuchungszeit, Kein Vertrauensschutz bei rechtswidrigen Förderleistungen für öffentliche Rechtsträger
Fundstelle:
BeckRS 2024, 39150
Tenor
I. Die Verfahren werden eingestellt, soweit sie für erledigt erklärt wurden. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens hat die Beklagte jeweils 7/10, die Klägerin jeweils 3/10 zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldne darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten in den Vorverfahren wird für jeweils nicht notwendig erklärt.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Fördermitteln für das Bewilligungsjahr 2015 nach dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG).
2
Der Beklagte bewilligte mit Bewilligungsbescheiden vom 12. August 2016 jeweils Fördermittel, mit denen die Klägerin die Trägerin der Kindergärten … Kinderhaus M. V. (M 15 K 21.2607) und St. V. K. (M 15 K 21.2608) als staatlichem Anteil – zusätzlich zur kommunalen Förderung – förderte.
3
Im November 2016 führte der Beklagte eine stichprobenartige Belegprüfung des Bewilligungsjahres 2015 durch. Dabei wurde festgestellt, dass die Trägerinnen in den beiden streitgegenständlichen Kindergärten Mindestbuchungszeiten von länger als 4 Stunden täglich bzw. 20 Stunden pro Woche festgelegt hatten.
4
Mit Bescheiden vom 16. März 2017 nahm der Beklagte die Bewilligungsbescheide jeweils insoweit zurück, als sie die zu Recht erbrachten Leistungen für das Betriebsjahr 2015 überstiegen. Die Klägerin habe einen Rückforderungsbetrag (staatlicher Anteil) in Höhe von 45.068,- EUR (M 15 K 21.2607) bzw. 25.379,- EUR (M 15. K 21.2608) zu erstatten. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Trägerinnen der streitgegenständlichen Kindergärten gegen Art. 21 Abs. 4 Satz 5 BayKiBiG verstoßen hätten, indem sie Mindestbuchungszeiten von mehr als 4 Stunden täglich bzw. 20 Stunden pro Woche vorgegeben hätten. Es seien keine Buchungen unter 5-6 Stunden zugelassen gewesen. Als Konsequenz seien die Kinder mit den Buchungszeitfaktoren 1,50 (5-6 Stunden) und 1,75 (6-7 Stunden) mit dem Buchungszeitfaktor 1,25 (4-5 Stunden) abzurechnen. Der Förderanspruch gemäß Art. 18 Abs. 2 BayKiBiG der Gemeinden gegenüber dem Staat setze voraus, dass die entsprechende Kindertagesstätte die Fördervoraussetzungen nach Art. 19 BayKiBiG erfülle. Diese seien bei den betreffenden Einrichtungen nicht erfüllt gewesen. Die Klägerin habe gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 AVBayKiBiG den Gesamtantrag zu prüfen und gebe ihn bei Vorliegen der Förderleistungen im Computerprogramm KiBiG.web frei. Dazu habe die Klägerin im Vertrauen auf das Erklärungsprinzip, dass der Träger die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht habe, auch im Rahmen des Förderantrags eine Erklärung abgegeben, dass die Bestimmungen der Verordnung zur Ausführung des BayKiBiG (AVBayKiBiG) und des BayKiBiG eingehalten würden. Die dargestellten Mängel führten dazu, dass der Bescheid von Anfang an rechtswidrig gewesen sei und daher unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB X zurückgenommen werden könne. Bei der gemäß § 45 Abs. 2 SGB X vorzunehmenden Ermessensabwägung sei im vorliegenden Fall der Ermessensspielraum aufgrund intendierten Ermessens beschränkt. Des Weiteren könne eine Behörde sich nicht gegenüber einer anderen Behörde auf Vertrauensschutz berufen, insbesondere sei die Klägerin als Körperschaft des öffentlichen Rechts an den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gebunden. Die Erstattungspflicht beruhe auf § 50 Abs. 1 SGB X, die Verzinsung ergebe sich aus § 50 Abs. 2 SGB X. Im Bescheid zum Verfahren M 15 K 21.2608 wurde zudem ausgeführt, die Einrichtung habe die Anzahl von 30 zulässigen Schließtagen überschritten, wobei für einen Tag der Nachweis der Notwendigkeit für eine Fortbildung nicht habe geführt werden können.
5
Mit Bescheiden vom 18. April 2017 forderte die Klägerin von den Trägerinnen 86.809,- EUR (staatlicher und kommunaler Anteil, M 15 K 21.2607) bzw. 49.308,04 EUR (staatlicher und kommunaler Anteil, M 15 K 21.2608) zurück. Gegen diesen Bescheid erhoben die Trägerinnen am 3. Mai 2017 jeweils Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München (M 15 K 22.4091 und M 15 K 22.4092). Die Klagen wurden mit Urteil vom heutigen Tag abgewiesen.
6
Die Klägerin legte mit Schreiben vom 4. Mai 2017 jeweils Widerspruch ein.
7
Die Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheiden vom 24. Juli 2019 (M 15 K 21.2607) und 29. Juli 2019 (M 15 K 21.2608) zurückgewiesen. Die Förderleistungen seien durch den Träger hinsichtlich der Mindestbuchzeiten nicht eingehalten worden. Dass der Wortlaut von Art. 21 Abs. 4 Satz 5 BayKiBiG nicht erkennen ließe, dass es sich bei der eingeräumten Kernzeit um eine Höchstregelung handele, sei nicht ersichtlich. Die Bezeichnung „Mindestbuchungszeit“ beziehe sich auf die Festlegung eines unteren zeitlichen Rahmens, während dessen das Kind mindestens betreut werden müsse. Der Umkehrschluss zeige, dass der Gesetzgeber die Vorschrift aus der Elternperspektive so gemeint habe. Eine Mindestbuchungszeit, wie sie die Trägerin in ihrem Widerspruchsschreiben verstehe, würde bedeuten, dass Eltern in ihrem Wunsch- und Wahlrecht eingeschränkt würden, dass sie flächendeckend zur Buchung von mindestens fünf Stunden täglich verpflichtet werden könnten. Da das BayKiBiG auch für Horte gelte, die regelmäßig deutlich geringere Buchungszeiten aufwiesen, entspräche eine solche hohe Mindestbuchungszeit nicht der Lebenswirklichkeit vieler Eltern und Kinder. Aus der wörtlichen Bezugnahme auf den Träger in Art. 21 BayKiBiG sei zudem ersichtlich, dass diese Vorschrift von ihm einzuhalten sei. Eine Verpflichtung dazu sei mit Art. 19 Nr. 10 BayKiBiG auch direkt an den Förderanspruch geknüpft. Es wurde auf Kommentarliteratur verwiesen. Eine Betrachtung im gleichen Einzugsbereich liegender … Kindergärten scheide aus, da es sich um unterschiedliche Trägerinnen handle. Nach dem Prüfleitfaden des Staatsministeriums führe ein Verstoß gegen die Vorgaben zur Mindestbuchungszeit zu einer Kürzung der Förderung. Da dieser Maßstab in ähnlich gelagerten Fällen angewendet würde, sei kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu erkennen. Auf Vertrauensschutz dürfe sich die Klägerin nicht berufen. Das Ermessen sei aufgrund des intendierten Ermessens stark eingeschränkt. Das öffentliche Interesse an der Rückforderung überwiege regelmäßig andere Gesichtspunkte.
8
Hinsichtlich des Kindergartens St. V. K. (M 15 K 21.2608) wurde zudem ausgeführt, dass die Jahresförderstufe um 1/220 zu kürzen gewesen sei, da anstelle der in Art. 21 Abs. 4 Satz 3 Halbs. 2 BayKiBiG vorgesehenen 30 Schließtagen der Kindergarten an 32 Tagen geschlossen gewesen sei, ohne dass die Trägerin den Nachweis habe führen können, dass es sich um Fortbildungstage gehandelt habe.
9
Zum Nachweis, dass die Eltern auch bei geringeren Mindestbuchzeiten Höherbuchungen vorgenommen hätten, hat die Klägerin im Herbst 2019 eine Elternbefragung durchgeführt. Es wurden im Verfahren M 15 K 21.2607 die Eltern von 133 von 150 Kindern, die im Bewilligungsjahr 2015 den streitgegenständlichen Kindergarten besucht haben, angeschrieben. Die Eltern von 107 Kindern machten Angaben, von ihnen antworteten 93, dass die angebotenen und gebuchten Betreuungszeiten den Wünschen der Eltern entsprochen hätten. Im Verfahren M 15 K 21.2608 wurden die Eltern von 117 von 127 Kindern, die im Bewilligungsjahr 2015 den Kindergarten besucht hatten, angeschrieben. Die Klägerin erhielt eine Rückmeldung von den Eltern von 79 Kindern, wovon die Eltern von 71 Kindern angaben, dass die angebotenen und gebuchten Betreuungszeiten den Wünschen der Eltern entsprochen hätten.
10
Am 23. August 2019 erhob die Klägerin jeweils Klage zum Bayerischen Verwaltungsrecht München und beantragte zuletzt,
den Bescheid vom 16. März 2017 in der Fassung des Bescheids vom 18. Mai 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juli 2019 aufzuheben (M 15 K 21.2607)
bzw. den Bescheid vom 16. März 2017 in der Fassung des Bescheids vom 28. Mai 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Juli 2019 aufzuheben (M 15 K 21.2608).
11
Zur Begründung wird ausgeführt: Nach dem Prüfleitfaden des bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales für Belegprüfungen trage der Träger die Beweislast, wenn er behaupte, dass die Eltern auch bei geringeren Mindestbuchungszeiten Höherbuchungen vorgenommen hätten. Um diesen Beweis zu führen, habe die Klägerin die Elternbefragung durchgeführt. Bezüglich näher aufgeführter Kinder sei der Beweis erbracht, dass die Eltern auch bei geringeren Mindestbuchzeiten dieselbe Buchung vorgenommen hätten. Auch für eine Vielzahl weiterer Kinder könne dieser Nachweis geführt werden. Das Landratsamt habe auch bei näher bezeichneten Kindern den Buchungszeitfaktor herabgesetzt, obwohl diese den ausweislich der Bescheidbegründung nicht herabzusetzenden Buchungszeitfaktor 2,0, 2,25 oder 2,50 hätten. Auch bei Kindern mit dem Buchungszeitfaktor 1,75 müsse davon ausgegangen werden, dass die Eltern keine geringeren Zeiträume gebucht hätten. Es sei davon auszugehen, dass die Eltern diese Buchungszeitfaktorkategorie bewusst gewählt hätten. Es könne nicht nachvollzogen werden, weshalb nach Ansicht des Beklagten erst beim „Überspringen“ einer Buchungskategorie sichergestellt sei, dass ein entsprechender Elternwunsch hinter der Buchung zum Ausdruck komme. Hinsichtlich der übrigen Kinder ergebe sich aus einer Zusammenschau der statistischen Auswertung der Elternbefragung und einem Vergleich mit der Buchungssystematik nach Durchführung der Satzungsänderung, dass auch deren Eltern dieselbe Buchung vorgenommen hätten. Der Vergleich der Jahre 2015 bis 2020 ergebe, dass die nunmehr mögliche Buchung der Buchungszeitfaktorkategorie 4-5 Stunden auf das tatsächliche Buchungsverhalten der Eltern kaum Einfluss gehabt habe. 87% bzw. 90% der befragten Eltern hätten angegeben, dass die gebuchten Buchungszeiten ihren Wünschen entsprochen hätten. Der Rückforderungsbetrag wäre hinsichtlich der Kinder, die nicht ohnehin nach den obigen Ausführungen bereits aus dem Rückforderungsbereich fielen, um 90% zu kürzen.
12
Die Beklagte beantragte,
13
Mit Bescheid vom 18. Mai 2022 änderte die Beklagte den Bescheid vom 16. März 2017 im Verfahren M 15 K 21.2607 wie folgt: Die Klägerin hat einen Rückforderungsbetrag in Höhe von 18.142,- EUR (staatlicher Anteil) zu erstatten. Mit Bescheid vom 28. Mai 2022 änderte die Beklagte den Bescheid vom 16. März 2017 im Verfahren M 15 K 21.2608 wie folgt: Die Klägerin habe einen Rückforderungsbetrag in Höhe von 10.829,- EUR (staatlicher Anteil) zu erstatten. Unter Berücksichtigung der Rückmeldungen der Elternbefragung könnten in 75 Fällen die Buchungen auf die ursprünglich gebuchte Zeit korrigiert werden. In all diesen Fällen läge ein körperliches Dokument vor, aus dem der Elternwille zum entsprechenden Buchungszeitfaktor eindeutig hervorgehe.
14
In der mündlichen Verhandlung am 18. Juli 2024 wurden die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Die Klägerin stellte die Rückforderung bzgl. des zusätzlichen Schließtages unstreitig. Des Weiteren hob der Beklagte die Rückforderung bzgl. der restlichen Kinder mit den Buchungszeitfaktoren 2,0, 2,25 und 2,5 auf. Die Beteiligten erklärten die Verfahren übereinstimmend insoweit für erledigt, als vom Beklagten eine Abhilfe erfolgte. Der Beklagte verzichtete auf die förmliche Zustellung der Ladung im Verfahren M 15 K 21.2608, nachdem die ordnungsgemäße Ladung nicht mehr aufgeklärt werden konnte.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 18. Juli 2024 Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Entscheidungsgründe
16
Die Klagen sind zulässig, insbesondere ist die Klageänderung in Gestalt der Einbeziehung der Teilabhilfebescheide in die Verfahren sachdienlich i.S.v. § 91 Abs. 1 Alt. 2 VwGO.
17
Die Klagen sind im aufrecht erhaltenen Umfang aber unbegründet. Die streitgegenständlichen Bescheide in Gestalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
18
1. Die streitgegenständlichen Rücknahmebescheide des Beklagten vom 16. März 2017 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 24. und 29. Juli 2019 sind sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht rechtmäßig. Die Rücknahme bezieht sich auf rechtswidrige begünstigende Bewilligungsbescheide. Die Klägerin kann sich nicht auf Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 SGB X berufen. Zudem hat der Beklagte das ihm eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt und die Rücknahmefrist nach § 45 Abs. 4 SGB X gewahrt.
19
2. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 von § 45 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
20
2.1 Die Vorschriften der §§ 45 ff. SGB X finden im vorliegenden Fall Anwendung (VG München, U.v. 29.11.2023 – M 17 K 19.4763 – juris Rn. 27). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich die Anwendbarkeit dieser Vorschrift schon daraus ergibt, dass das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz ein Gesetz zur Ausführung der §§ 22 ff. SGB VIII ist und die Vorschriften des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 4, Art. 1 BayVwVfG anzuwenden sind (BayVGH, B.v. 1.10.2015 – 12 ZB 15.1698 – BeckRS), oder ob § 23 Abs. 4 Satz 1 AVBayKibiG eine Rechtsvorschrift im Sinne des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayVwVfG darstellt, die abweichend von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BayVwVfG die Anwendung der Verfahrensvorschriften des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch für die Rücknahme und den Widerruf konstitutiv anordnet (vgl. VG Augsburg, U. v. 24.7.2020 – Au 3 K 19.138 – juris).
21
2.2 Die Bewilligungsbescheide vom 12. August 2016 gewährten der Klägerin durch die Bewilligung von Fördermitteln einen rechtlichen Vorteil und waren rechtswidrig, soweit sie der Klägerin staatliche Fördermittel bewilligten, obwohl die jeweiligen Einrichtungsträger die Mindestbuchungszeiten des Art. 21 Abs. 4 Satz 5 BayKiBiG nicht eingehalten haben. Denn die Gemeinde hat gemäß Art. 18 Abs. 2 BayKiBiG für Kindertageseinrichtungen, die die Fördervoraussetzungen nach Art. 19 BayKiBiG erfüllen, bei rechtzeitiger Antragstellung einen Förderanspruch gegenüber dem Staat nach Maßgabe von Art. 21 BayKiBiG. Die staatliche Förderung an die Gemeinde richtet sich gemäß Art. 21 Abs. 1 BayKiBiG nach der Förderung für jedes Kind, das von der Gemeinde gefördert wird. Die Berechnung der Höhe des Anspruchs erfolgt nach sogenannten Buchungszeitfaktoren. Für den in Streit stehenden Betrag haben die entsprechenden Kindergärten die Voraussetzungen des Art. 19 BayKiBiG jedoch nicht erfüllt (VG München, U.v. 18.7.2024 – M 15 K 21.4091 und M 15 K 21.4092). Die Klägerin als Gemeinde hat dementsprechend die jeweiligen Kinder nicht im Sinne des Art. 21 BayKiBiG gefördert, sondern die entsprechenden Förderbeträge – in rechtmäßiger Weise (VG München, U.v. 18.7.2024 – M 15 K 21.4091 und M 15 K 21.4092) – zurückgefordert, da die Trägerinnen der betroffenen Kindergärten im streitgegenständlichen Jahr 2015 entgegen der Vorgabe des Art. 21 Abs. 4 Satz 5 BayKiBiG fünf Stunden täglich als Mindestbuchungszeitraum festsetzten. Auf den hypothetischen Elternwillen, den die Klägerin mit Verweis auf die prozentuale Zustimmungsquote zu den vorgegebenen Mindestbuchungszeiten verweist, kommt es nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht an. Die für das Gericht allein maßgeblichen Vorschriften des BayKiBiG knüpfen mit Blick auf das Bestehen des Förderanspruchs gerade nicht an den Willen der Eltern an (vgl. VG München, U.v. 29.11.2023 – M 17 K 19.4763 – juris Rn. 33).
22
3. § 45 Abs. 2 SGB X kann die Klägerin nicht für sich in Anspruch nehmen.
23
3.1 Eine Behörde kann sich gegenüber einer anderen Behörde nicht auf Vertrauensschutz berufen (vgl. BVerwG, B. v. 29.4.1999 – 8 B 87/99 – juris, Rn. 4 mwN; st.Rspr.). Dies gilt auch für Gemeinden als Körperschaften des öffentlichen Rechts, die an den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gebunden sind und nicht auf den Fortbestand eines rechtswidrigen Zustands vertrauen dürfen, sondern darauf achten müssen, dass öffentliche Mittel sachgerecht und rechtmäßig verwendet werden (vgl. BayVGH, B. v. 11.2.2011 – 4 ZB 09.3145 – juris Rn. 10; B. v. 31.7.2009 – 4 ZB 07.1297 – juris Rn. 8 m. w. N., B.v. 1.10.2015 – 12 ZB 15.1698 – juris Rn. 21).
24
3.2 Nachdem im Urteil vom 18. Juli 2024 (M 15 K 21.4091 und M 15 K 21.4092) festgestellt wurde, dass sich auch die Trägerinnen der Kindergärten auf Vertrauensschutz nicht berufen können, kommt es auf die vom Klägerbevollmächtigten aufgeworfene Frage, ob sich die Gemeinde gegenüber dem Freistaat insoweit auf Vertrauensschutz berufen kann, als dieser ihr gegenüber vom Träger geltend gemacht wurde, nicht an (so Dunkl/Niedermeier, BayKiBiG, 8. Aufl. 2022, Art. 26 Rn. 5.3).
25
4. Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X wurde eingehalten. Die genannte Frist beginnt nach dieser Vorschrift zu dem Zeitpunkt, in dem die Behörde Kenntnis der Tatsachen hat, die die Rücknahme rechtfertigen. Frühestens mit der detaillierten Prüfung, d.h. der Belegprüfung am 16. November 2016 bzw. 30. November 2016, wurde der Verstoß positiv festgestellt (vgl. VG München, U.v. 29.11.2023 – M 17 K 19.4763 – juris Rn. 44), so dass die Bescheide am 16. März 2017 binnen Jahresfrist erfolgten.
26
5. Ermessensfehler im Rahmen der Rücknahme sind nicht ersichtlich. Das Verwaltungsgericht hat hierbei innerhalb der Grenzen des § 114 VwGO nur zu prüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde.
27
5.1 Die Entscheidung über die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit steht nach § 45 Abs. 1 SGB X regelmäßig im Ermessen der Behörde, weshalb die Rechtmäßigkeit der Rücknahme grundsätzlich eine entsprechende Ermessensausübung voraussetzt. In dieser Beziehung gelten jedoch Besonderheiten, wenn der zu treffenden Entscheidung durch das einschlägige Fachrecht eine bestimmte Richtung vorgegeben ist, das heißt kraft dieses Fachrechts das Ermessen im Regelfall nur durch eine bestimmte Entscheidung – hier: durch eine Entscheidung für die Rücknahme des Verwaltungsakts – rechtmäßig ausgeübt werden kann (sogenanntes intendiertes Ermessen), und ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vorliegt. Trifft das nämlich zu, so bedarf es, wenn in dem durch das Gesetz vorgegebenen Sinne entschieden wird, keiner Abwägung des Für und Wider mehr, womit zugleich eine nähere Begründungspflicht der Behörde entfällt (BayVGH, B. v. 1.10.2015 – 12 ZB 15.1698 – juris Rn. 22 m.w.N).
28
5.2 So liegt der Fall hier. Das BayKiBiG bestimmt in Art. 18 Abs. 2 Satz 1, dass ein Anspruch der Gemeinde auf staatliche Förderung nach Maßgabe des Art. 21 BayKiBiG nur dann besteht, wenn die Kindertageseinrichtung, mit anderen Worten deren Träger, die Fördervoraussetzungen nach Art. 19 BayKiBiG erfüllt. Das schließt für den Fall einer unter Verstoß gegen diese Vorschrift erfolgten Förderleistung die Anordnung der Rücknahme des entsprechenden Bewilligungsbescheids und die Rückforderung des gezahlten Betrages ein. Auch die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung zeichnen in der Regel die Rücknahme von Geldleistungsbescheiden als nicht weiter begründungsbedürftige Konsequenz vor. Bei der Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts nach § 45 Abs. 1 SGB X bleibt deshalb im Regelfall für die Ausübung von Ermessen kein Raum (BayVGH, B.v. 1.10. 2015 – 12 ZB 15.1698 – juris Rn. 23 m.w.N.) Etwaige besondere gewichtige Gesichtspunkte, die hier zur Annahme eines Ausnahmefalls führen könnten, sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
29
6. Die bereits erbrachten Leistungen sind daher gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten, soweit die Bewilligungsbescheide vom 12. August 2016 aufgehoben wurden.
30
Soweit die Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt wurden, waren die Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechend; s. Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 161 Rn. 14).
31
Im Übrigen waren die Klagen nach den obigen Ausführungen abzuweisen.
32
Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war nicht festzustellen. Für die Behörde ist die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Regelfall zu verneinen, weil sie über eigene fach- und rechtskundige Bedienstete verfügt bzw. Unterstützung der Aufsichtsbehörde in Anspruch nehmen kann (vgl. VG München, U.v. 29.11.2023 – M 17 K 19.4763 – juris Rn. 47). Etwas Anderes kann nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen gelten, wenn etwa in einer kleinen Gemeinde ohne juristisch vorgebildete Mitarbeiter komplexe Rechtsfragen außerhalb ihres gesetzlichen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs zu bewältigen sind (VGH BW B. v. 27.6.2005 – 2 S 2844/04 – BeckRS 2005, 27789; Eyermann/Schübel-Pfister VwGO, 16. Aufl. 2022, § 162 Rn. 30). Um einen solchen Ausnahmefall handelt es sich hier bei der Stadt … mit ca. 34.000 Einwohnern nicht, zumal die Förderung nach dem BayKiBiG in ihren Aufgabenbereich fällt. Auch unter Berücksichtigung der Komplexität der Streitsache selbst war es der Stadt nicht unzumutbar, sich im Widerspruchsverfahren selbst zu vertreten.
33
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO, wobei hinsichtlich des erledigten Teils der Beklagte die Kosten zu tragen hat, der sich durch die (Teil-) Abhilfe in die Rolle der Unterlegenen begeben hat, im Übrigen trifft jedoch die Klägerin die Kostenlast, die mit ihrer aufrechterhaltenen Klage jeweils unterlegen ist.
34
Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.
35
Soweit das Verfahren eingestellt wurde, ist die Entscheidung unanfechtbar (§ 93 Abs. 3 Satz 2 VwGO entsprechend; s. Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022 – § 161 Rn. 14).
36
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
37
Soweit das Verfahren eingestellt wurde, ist die Entscheidung unanfechtbar (§ 93 Abs. 3 Satz 2 VwGO entsprechend; s. Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022 – § 161 Rn. 14).