Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 31.10.2024 – 203 StObWs 427/24
Titel:

Antrag auf gerichtliche Entscheidung nur für Einzelmaßnahmen der Vollzugsbehörde

Normenketten:
StVollzG § 109
BayStVollzG Art. 24
Leitsätze:
1. Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff. StVollzG muss sich auf eine bestimmte den Gefangenen betreffende und beschwerende konkrete Einzelmaßnahme einer Vollzugsbehörde beziehen. Bezugspunkt ist eine Regelung mit Rechtswirkung. (Rn. 3)
2. Die Gestaltung des Einkaufs nach Art. 24 BayStVollzG steht grundsätzlich im Ermessen des Anstaltsleiters. Lässt die Anstalt Leistungen durch einen privaten Betreiber erbringen, auf den die Gefangenen ohne eine am Markt frei wählbare Alternative angewiesen sind, muss die Anstalt sicherstellen, dass der ausgewählte private Anbieter die Leistung zu marktgerechten Preisen erbringt. (Rn. 4)
3. Eine vom Antragsteller geäußerte pauschale Behauptung, die Preise der in der Anstalt vertriebenen Artikel seien im Vergleich zu den Verhältnissen außerhalb der Anstalt überhöht, genügt nicht, um eine Einzelmaßnahme im Sinne von § 109 StVollzG darzulegen. (Rn. 4)
Schlagworte:
Strafvollzug, Gefangeneneinkauf, Preisvergleich, gerichtliche Überprüfung, Einzelmaßnahmen
Vorinstanz:
LG Landshut, Beschluss vom 31.07.2024 – 3 StVK 372/23
Fundstelle:
BeckRS 2024, 39083

Tenor

I. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landshut vom 31. Juli 2024 wird gemäß § 119 Abs. 3 StVollzG i.V.m. Art. 208 BayStVollzG auf Kosten des Antragstellers einstimmig als offensichtlich unzulässig verworfen.
II. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 500,00 € festgesetzt.

Gründe

1
Ergänzend bemerkt der Senat:
2
Die Rechtsbeschwerde ist ungeachtet der formalen Voraussetzungen nach § 118 StVollzG offensichtlich unzulässig. Es fehlt bereits an der vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensvoraussetzung eines zulässigen Antrages auf gerichtliche Entscheidung.
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1. Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff. StVollzG muss sich auf eine bestimmte den Gefangenen betreffende und beschwerende konkrete Einzelmaßnahme einer Vollzugsbehörde beziehen (st. Rspr., vgl. etwa OLG Karlsruhe, Beschluss vom 12. Januar 2021 – 2 Ws 146/20 –, juris). Bezugspunkt ist eine Regelung mit Rechtswirkung. Bei dem Verfahrensgegenstand muss es sich um einen Akt der Vollzugsbehörde handeln, der in das Rechtsverhältnis zwischen dem Gefangenen und dem Staat gestaltend eingreifen soll, also um die Regelung einer einzelnen Angelegenheit, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist und diesbezüglich Verbindlichkeit beansprucht (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 6. Februar 2020 – 2 Ws 3/20 Vollz –, juris Rn. 8; Arloth/Krä, StVollzG 5. Aufl. § 109 Rn. 6, 7, jeweils mwN). Bestimmungen allgemeiner Art können nicht Gegenstand der Überprüfung im vollzuglichen Gerichtsverfahren sein (Laubenthal in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetz, 7. Aufl. 2020, 12. Kapitel Rechtsbehelfe B § 109 Rn. 12). Auch Verwaltungsinterna ohne Außenwirkung sind der gerichtlichen Überprüfung nach §§ 109 ff. StVollzG entzogen (Arloth/Krä a.a.O. § 109 Rn. 6).
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2. Nach diesen Vorgaben erweisen sich die Anträge des Strafgefangenen als unzulässig. Der vom Antragsteller begehrte Preisvergleich stellt einen behördeninternen Vorgang ohne unmittelbare Außenwirkung dar. Die Gestaltung des Einkaufs nach Art. 24 BayStVollzG steht grundsätzlich im Ermessen des Anstaltsleiters (Arloth/Krä a.a.O. § 22 Rn. 2 zu § 22 StVollzG). Die Fürsorgepflicht der Vollzugsanstalt gebietet es, die finanziellen Interessen der Gefangenen zu wahren (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 8. November 2017 – 2 BvR 2221/16 –, juris Rn. 19). Dies entspricht dem Grundsatz, dass die Missachtung wirtschaftlicher Interessen der Gefangenen mit dem verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebot unvereinbar wäre. Jedenfalls für Konstellationen, in denen die Anstalt im Zusammenhang mit einer gesetzlichen Verpflichtung Leistungen durch einen privaten Betreiber erbringen lässt, auf den die Gefangenen ohne eine am Markt frei wählbare Alternative angewiesen sind, ist dementsprechend anerkannt, dass die Anstalt sicherstellen muss, dass der ausgewählte private Anbieter die Leistung zu marktgerechten Preisen erbringt (BVerfG a.a.O. Rn. 21). Die Vollzugsbehörde ist verpflichtet, auch Preisvergleiche durchzuführen (Laubenthal a.a.O. 6. Kapitel Grundversorgung und Gesundheitsfürsorge C Rn. 9; Arloth/Krä a.a.O. § 22 Rn. 2). Der Strafgefangene kann diese Pflicht zu regelmäßigen Preisvergleichen jedoch nicht anlasslos einklagen. Er muss vielmehr von der Preisgestaltung konkret nachteilig betroffen sein (vgl. zu einem Preisvergleich einer identischen oder baugleichen Ware in einem konkreten Fall OLG Hamm, Beschluss vom 9. September 2020 – III-1 Vollz (Ws) 276/20 –, juris Rn. 9). Eine konkrete Betroffenheit lässt sich dem Vortrag des Antragstellers unter Berücksichtigung der beigefügten Preislisten nicht entnehmen. Welcher der dort aufgelisteten Artikel zu einem überhöhten Preis angeboten worden sein soll, ist daraus ebenso wenig ersichtlich wie eine konkrete Erwerbsabsicht des Antragstellers. Die vom Antragsteller geäußerte pauschale Behauptung, die Preise seien im Vergleich zu den Verhältnissen außerhalb der Anstalt überhöht, kann den fehlenden Vortrag nicht ersetzen, zumal die Vollzugsanstalt dargelegt hat, dass sie Preisvergleiche durchgeführt habe, danach der Einzelhandel insbesondere bei den Markenprodukten im Durchschnitt deutlich teurer sei, von Seiten des Anbieters eine Mischkalkulation vorgenommen werde, die Angebotsvielfalt gewährleistet werden solle und die von der Anstalt angefragten Discounter an einem Vertrieb in der Anstalt wegen des damit verbundenen Aufwands nicht interessiert seien.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 208 BayStVollzG, § 121 Abs. 2 StVollzG. Die Entscheidung über den Gegenstandswert ergibt sich aus §§ 65, 60, 52 GKG.