Inhalt

VerfGH München, Entscheidung v. 16.12.2024 – Vf. 19-VIII-22
Titel:

Unzulässige Meinungsverschiedenheit bei unkonkreter Kritik am Gesetz

Normenketten:
BayHIG Art. 11, Art. 15, Art. 16
BV Art. 75 Abs. 3
BayVfGHG Art. 49
Leitsätze:
Zur Unzulässigkeit einer Meinungsverschiedenheit über die Verfassungsmäßigkeit der Art. 11, 15 und 16 BayHIG, weil die geltend gemachte Meinungsverschiedenheit während der Gesetzesberatungen im Landtag nicht konkretisiert zum Ausdruck gebracht worden ist. (Rn. 50)
Eine Meinungsverschiedenheit über die Verfassungsmäßigkeit der Art. 11, 15 und 16 BayHIG ist unzulässig, wenn die geltend gemachte Meinungsverschiedenheit während der Gesetzesberatungen im Landtag nicht konkretisiert zum Ausdruck gebracht worden ist. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Meinungsverschiedenheit, Verfassungsmäßigkeit, Wissenschaftsfreiheit, Gleichheitssatz, Berufsfreiheit
Fundstelle:
BeckRS 2024, 38977

Tenor

Der Antrag wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Gegenstand der Meinungsverschiedenheit ist die Frage, ob die Bestimmungen in Art. 11, 15 und 16 des Bayerischen Hochschulinnovationsgesetzes (BayHIG) vom 5. August 2022 (GVBl S. 414, BayRS 2210-1-3-WK), das am 1. Januar 2023 in Kraft getreten und zuletzt durch § 1 des Gesetzes vom 23. Juli 2024 (GVBl S. 257) geändert worden ist, mit der Bayerischen Verfassung vereinbar sind.
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1. Durch die Bayerische Staatsregierung wurde zur Reform des bayerischen Hochschulrechts am 4. Mai 2022 der Gesetzentwurf zum Bayerischen Hochschulinnovationsgesetz in den Bayerischen Landtag eingebracht (LT-Drs.18/ 22504). Der Gesetzentwurf wurde in Erster Lesung am 11. Mai 2022 im Bayerischen Landtag beraten (Plenarprotokoll 18/114 S. 15672 ff.). Die Zweite Lesung fand am 21. Juli 2022 statt (Plenarprotokoll 18/122 S. 16811 ff.).
3
Der Abgeordnete Prof. Dr. H1. als Mitglied der Antragstellerin äußerte sich zu diesem Gesetzentwurf der Bayerischen Staatsregierung sowohl in der Ersten als auch in der Zweiten Lesung im Plenum des Bayerischen Landtags.
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Das Bayerische Hochschulinnovationsgesetz wurde sodann am 21. Juli 2022 in Dritter Lesung mit den Stimmen der Fraktionen der CSU und der FREIEN WÄHLER sowie eines fraktionslosen Abgeordneten beschlossen. Gegen den Entwurf stimmten die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der AfD.
Die Fraktion der FDP enthielt sich der Stimme (Plenarprotokoll 18/122 S. 16842 f.). Das Gesetz wurde im Bayerischen Gesetz- und Verordnungsblatt am 12. August 2022 (GVBl S. 414) veröffentlicht.
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2. Die beanstandeten Vorschriften haben folgenden Wortlaut:
Art. 11
Finanzierung, Innovationsfonds
(1) 1Der Freistaat Bayern stellt den Hochschulen zur Durchführung ihrer Aufgaben im Rahmen des Art. 4 Abs. 2
1. nach Maßgabe des Staatshaushalts
a) Stellen und
b) im Rahmen eines Haushalts mit verdichteter Titelstruktur Mittel sowie
2. staatliche Liegenschaften und Gegenstände zur unentgeltlichen Nutzung zur Verfügung. 2Der Freistaat Bayern kann im Rahmen des staatlichen Immobilienmanagements weitere Grundstücke erwerben und den Hochschulen im Rahmen des Art. 4 Abs. 2 zur unentgeltlichen Nutzung überlassen. 3Die Zuweisung der Stellen und Mittel orientiert sich an dem zur Erfüllung der Aufgaben nach den Art. 2 und 3 erforderlichen Bedarf und an den in Forschung und Lehre sowie bei der Förderung des wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses erbrachten Leistungen. 4Dabei sind auch Fortschritte bei der Erfüllung des Gleichstellungsauftrages zu berücksichtigen. 5Am Ende des Haushaltsjahres nicht verbrauchte Mittel, ausgenommen die Mittel für gemeinsam bewirtschaftete Personalausgaben für das an den Stellenplan gebundene Personal und für Große Baumaßnahmen, stehen der Hochschule zur Erfüllung ihrer Aufgaben grundsätzlich überjährig zur Verfügung. 6Bei verschlechterter Haushaltssituation kann die Staatsregierung mit Zustimmung des Landtags am Ende des Haushaltsjahres nicht verbrauchte Mittel einziehen.
(2) 1Die Hochschulen tragen zur Finanzierung ihrer Aufgaben
1. durch Einwerbung von Mitteln Dritter und durch sonstige Einnahmen sowie
2. mit ihrem Körperschaftsvermögen und durch unentgeltliche Bereitstellung körperschaftseigener Liegenschaften bei. 2Von der Hochschule im Rahmen von Art. 4 Abs. 2 und durch die Erhebung von Gebühren und Entgelten erzielte Einnahmen stehen dieser zur Verwendung für Hochschulzwecke zur Verfügung.
(3) 1Die Hochschule bewirtschaftet nach Art. 4 Abs. 2 die Stellen und Mittel im Rahmen des Staatshaushalts auf der Grundlage der für die Haushalts- und Wirtschaftsführung geltenden staatlichen Vorschriften, soweit nichts anderes bestimmt ist; die Regelungen über das Körperschaftsvermögen bleiben unberührt. 2Für die Veranschlagung von Planstellen und anderen Stellen im staatlichen Haushaltsplan gilt Art. 17 BayHO; sind die Hochschulen bei den anderen Stellen bei der Bewirtschaftung der Personalausgaben nicht an die Stellenpläne gebunden, soll ein pauschaler mengenmäßiger Ausweis dieser Stellen erfolgen. 3Der Hochschule kann durch das Staatsministerium in bestimmtem Umfang und nach Maßgabe des Staatshaushalts die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit unbefristeten Arbeitsverträgen zu Lasten von Mitteln gestattet werden; die Hochschule hat bei Wegfall der Mittel die Anschlussfinanzierung sicherzustellen. 4Die Aufnahme von Krediten zur Deckung der Ausgaben sowie die Übernahme von Bürgschaften oder Garantien sind ausgeschlossen. 5Bei ihrer Wirtschaftsführung berücksichtigt die Hochschule die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. 6Zum Nachweis der wirtschaftlichen Verwendung der Stellen und Mittel setzt die Hochschule ein Controlling ein, das die Kosten- und Leistungsrechnung sowie grundsätzlich eine Kennzahlsteuerung und ein Berichtswesen umfasst.
(4) 1Die Hochschulleitung überprüft auch im Lichte der Hochschulverträge nach Art. 8 Abs. 2 regelmäßig den Ressourceneinsatz, insbesondere die Zuordnung von Stellen und Mitteln auf ihre Organisationseinheiten nach Art. 29 Abs. 3 zur Weiterentwicklung des Hochschulprofils und zur Stärkung der Innovationskraft. 2Aus den dadurch frei gemachten Ressourcen wird von der Hochschulleitung ein Innovationsfonds eingerichtet und gespeist, mit dem eigene strategische Schwerpunktsetzungen der Hochschule, Erfordernisse aufgrund unvorhersehbarer Entwicklungen und die Beteiligung an staatlichen Programmen und Initiativen („Matching“) unterstützt werden können.
Art. 15
Körperschaftsvermögen
(1) 1Die Hochschule verwaltet ihr Körperschaftsvermögen unbeschadet des Teils VI BayHO unter Beachtung des Art. 4 Abs. 3 eigenverantwortlich und getrennt vom Landesvermögen. 2Es darf nur für Zwecke der Hochschule im Rahmen ihrer Aufgaben verwendet werden. 3Etwaige Zweckbestimmungen bei Zuwendungen Dritter an die Körperschaft sind zu beachten.
(2) 1Mit staatlichen Mitteln bebaute körperschaftseigene Grundstücke, die nicht mehr den Zwecken der Hochschule dienen, übereignet die Hochschule auf Verlangen dem Freistaat Bayern. 2Er hat Anspruch auf Wertausgleich zum jeweiligen Verkehrswert, wenn die mit seinen Mitteln bebauten körperschaftseigenen Grundstücke an Dritte veräußert werden.
Art. 16
Beteiligung an und Gründung von Unternehmen
(1) 1Die Hochschule kann sich als Körperschaft im Rahmen ihrer Aufgaben nach vorheriger Zustimmung des Hochschulrats an Unternehmen in der Rechtsform einer juristischen Person des privaten Rechts beteiligen, solche errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern, wenn
1.
die Einlageverpflichtung der Hochschule aus ihrem Körperschaftsvermögen, durch die Übertragung von Rechten an geistigem Eigentum oder aus freien, nach Art. 4 Abs. 2 verwalteten Drittmitteln geleistet wird,
2.
die Haftung der Hochschule begrenzt, insbesondere auf die Einlage oder den Wert des Gesellschaftsanteils beschränkt wird und
3.
ein entsprechend den Regelungen für öffentliche Unternehmen des Freistaates Bayern hinreichend wirksames Beteiligungsmanagement gewährleistet ist.
2Art. 4 Abs. 3 Satz 2 ist zu beachten. 3Die Zustimmung des Hochschulrats entfällt, sofern die Bilanzsumme des Unternehmens weniger als 100.000 € beträgt oder bei Unternehmensgründungen voraussichtlich betragen wird; die entsprechende Beteiligung ist dem Hochschulrat anzuzeigen. 4Aus Rechtsgeschäften nach Satz 1 wird der Freistaat Bayern weder berechtigt noch verpflichtet.
(2) Gehört der Hochschule oder dieser zusammen mit einer oder mehreren juristischen Personen des öffentlichen Rechts die Mehrheit der Anteile, werden der Jahresabschluss und die Wirtschaftsführung ab einer Bilanzsumme von 100.000 € von einer Wirtschaftsprüferin oder einem Wirtschaftsprüfer geprüft.
(3) Art. 65 BayHO ist nicht entsprechend anwendbar.
(4) Die Hochschule berichtet dem Staatsministerium jährlich über Art und Umfang aller ihrer Beteiligungen im Sinne des Abs. 1.
II.
6
Die AfD-Landtagsfraktion, die im parlamentarischen Verfahren gegen das Bayerische Hochschulinnovationsgesetz gestimmt hatte, begehrt im Verfahren der Meinungsverschiedenheit als Antragstellerin gegenüber der Bayerischen Staatsregierung und dem Bayerischen Landtag als Antragsgegnern die Feststellung, dass die Art. 11, 15 und 16 BayHIG gegen die Art. 101, 108, 118 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 7 Abs. 2 BV sowie Art. 80 Abs. 1, Art. 82 und 78 Abs. 1 BV verstoßen und damit verfassungswidrig und nichtig sind. Hilfsweise beantragt sie, die Art. 11, 15 und 16 BayHIG zur Vereinbarkeit mit der Bayerischen Verfassung dahingehend auszulegen, als damit Prüfungsrechte des Obersten Rechnungshofs, welche zuvor bereits nach dem Bayerischen Hochschulgesetz bestanden haben, nicht eingeschränkt werden.
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1. Der Antrag im Verfahren der Meinungsverschiedenheit nach Art. 75 Abs. 3 BV i. V. m. Art. 49 VfGHG sei zulässig.
8
a) Eine Landtagsfraktion sei nach Art. 49 Abs. 1 VfGHG antragsberechtigt, da Landtagsfraktionen in der Bayerischen Verfassung mit eigenen Rechten ausgestattet seien. Bei dem angefochtenen Gesetz handle es sich um ein förmliches Parlamentsgesetz und damit einen tauglichen Antragsgegenstand einer Meinungsverschiedenheit. Bezüglich des Antragsgegenstands müsse eine Meinungsverschiedenheit unter den am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten bestehen. Die Meinungsverschiedenheit müsse sich dabei auf die Verfassungsmäßigkeit eines einfachen förmlichen Gesetzes beziehen oder auf die Frage, ob durch ein verfassungsänderndes Gesetz gegen Art. 75 Abs. 1 Satz 2 BV verstoßen werde. Zudem sei es erforderlich, dass die Meinungsverschiedenheit bereits im Gesetzgebungsverfahren erkennbar geworden sei. Die Meinungsverschiedenheit müsse in hinreichend konkretisierter Form zum Ausdruck gebracht worden sein.
9
b) Vorliegend stellten die parlamentarischen Äußerungen des Abgeordneten Prof. Dr. H1. als Mitglied der Antragstellerin den zentralen Anknüpfungspunkt für die Erkennbarkeit der bestehenden Meinungsverschiedenheit bereits während des Gesetzgebungsverfahrens dar. Die Äußerungen einzelner Abgeordneter reichten zur Erkennbarkeit der Meinungsverschiedenheit aus.
10
In der Ersten Lesung des Gesetzentwurfes habe sich der Abgeordnete Prof. Dr. H1. detailliert mit dem vorgelegten Gesetzentwurf der Staatsregierung befasst. Dabei habe er ausgeführt, dass die geplante Veränderung des Profils der Hochschulen in Bayern durch die Regelungen des Bayerischen Hochschulinnovationsgesetzes im Kontrast zur freien Lehre und freien Forschung stünde. In der Sache würden nicht mehr die Wissenschaftler darüber entscheiden, was Innovation sei (Plenarprotokoll 18/114 S. 15686 ff.). Aus Sicht der Antragstellerin sei durch die Äußerung des Abgeordneten Prof. Dr. H1. die Verfassungsmäßigkeit der Normen des Bayerischen Hochschulinnovationsgesetzes im Hinblick auf die Wissenschaftsfreiheit und die Freiheit der Lehre aus Art. 108 BV thematisiert und konkret in Zweifel gezogen worden. Zudem habe der Abgeordnete Prof. Dr. H1. in einem späteren Wortbeitrag in der Ersten Lesung vom 11. Mai 2022 in Reaktion auf einen Wortbeitrag eines Abgeordneten der FDP-Fraktion seine verfassungsrechtlichen Vorbehalte wiederholt. Prof. Dr. H1. habe ausgeführt, an den Hochschulen würden Unternehmensgründungen und der wirtschaftliche Gedanke um sich greifen. Dies führe zur Benachteiligung der kleinen Fächer und der Geisteswissenschaften. Die Freiheit der Lehre und Forschung müsse aber für alle gleich sein (Plenarprotokoll 18/114 S. 15687).
11
In der Zweiten Lesung seien die „wissenschaftsfreiheitlichen Bedenken“ erneuert worden. Nicht der Erkenntnisgewinn, sondern die „ergebnisorientierte Wirtschaftlichkeit des Hochschulbetriebs“ stünde im Vordergrund. Damit werde systematisch die Ausübung der Wissenschaftsfreiheit eingeschränkt (Plenarprotokoll 18/122 S. 16819 ff.). Auch habe der Abgeordnete Prof. Dr. H1. die geplante Neuregelung der Hochschulfinanzierung angesprochen und die Frage nach deren Vereinbarkeit mit der Bayerischen Verfassung aufgeworfen. So habe er (in der Ersten Lesung) ausgeführt, neben die Grundpfeiler von Forschung und Lehre trete gleichberechtigt die Unternehmensgründung als neue Aufgabe. Es liege auf der Hand, was dies für die sog. kleinen Fächer und die Geisteswissenschaften bedeute. Somit fördere dies all jene Fächer, die hohe Gewinne versprächen (Plenarprotokoll 18/114 S. 15686 f.).
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Auch in einer Zwischenbemerkung des Abgeordneten Prof. Dr. H1. zum Beitrag von Staatsminister Blume habe der Abgeordnete seine Kritik an der Ausweitung der hochschuleigenen Unternehmensgründungen erneuert und ergänzt. Auch habe er auf die nachteiligen Auswirkungen auf den Bayerischen Haushalt verwiesen (Plenarprotokoll 18/122 S. 16838) und damit der Sache nach einen Verstoß gegen die Art. 78 ff. BV geltend gemacht. Neben den erneuten Zweifeln an der Vereinbarkeit der geplanten Hochschulfinanzierung mit Art. 108 BV sei zudem die Frage nach der Vereinbarkeit des Gesetzes mit Art. 118 Abs. 1 BV explizit angesprochen worden. Die Möglichkeit der Gründung von Unternehmen durch Hochschulen nach Art. 11 und 16 BayHIG führe nach Ansicht des Abgeordneten Prof. Dr. H1. dazu, dass die Ausübung freier Lehre und Forschung in verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigender Weise eingeschränkt werde. Auch habe der Abgeordnete die gleichheitswidrig divergierende Behandlung der Wissenschaftsdisziplinen durch den Staat je nach ihrer Vermarktbarkeit hervorgehoben (Plenarprotokoll 18/122 S. 16820).
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Zusätzlich sei vom Abgeordneten das wissenschaftsfremde Differenzierungskriterium der zahlenmäßigen Größe des Wissenschaftszweigs zur Bevorzugung bzw. Benachteiligung bei der finanziellen Ausstattung abgelehnt worden. Die Kommerzialisierung der Wissenschaft beruhe ihrerseits auf einem Verstoß gegen Art. 80 BV. Prof. Dr. H1. habe sich ausdrücklich mit der Loslösung der Unternehmensgründung von staatlicher Kontrolle beschäftigt (Plenarprotokoll 18/114 S. 15687).
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Dem Obersten Rechnungshof werde aufgrund der Änderung der Rechtslage künftig eine umfassende Prüfung der staatlichen und staatlich finanzierten Tätigkeit im Bereich der hochschulspezifischen Wissenschaft verwehrt. Dies ermögliche den gegründeten Unternehmen, ohne die mit der staatlichen Finanzierung korrespondierende Überwachung und Rechenschaftspflichten tätig zu sein.
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Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, es habe sich insgesamt um eine verfassungsrechtliche Argumentation gegen die infrage stehenden Normen des Bayerischen Hochschulinnovationsgesetzes gehandelt. Erkennbar seien im Bayerischen Landtag verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gerügten Normen vorgetragen worden. Die Meinungsverschiedenheit nach Art. 75 Abs. 3 BV sei in Gänze zulässig.
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2. Der Antrag sei auch begründet. Die angefochtenen Rechtsvorschriften verstießen gegen Art. 108 (Freiheit von Wissenschaft und Lehre), Art. 118 Abs. 1 (Gleichheitssatz), Art. 101 (allgemeine Handlungsfreiheit) sowie Art. 80 Abs. 1 BV (parlamentarische Budgetkontrolle; Rechnungsprüfung durch den Obersten Rechnungshof). Die Umstellung der Finanzierung in Art. 11 BayHIG (Finanzierung, Innovationsfonds) stelle auch einen Verstoß gegen das Grundrecht auf demokratische Teilhabe an der Staatsgewalt aus Art. 7 Abs. 2 und Art. 14 Abs. 1 BV dar. Gleichfalls verstoße die Umstellung der Finanzierung gegen die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 101 BV i. V. m. Art. 80 BV sowie gegen Art. 80 BV. Zudem liege ein Verstoß gegen Art. 101 BV in Bezug auf die Berufsfreiheit des Präsidenten sowie der übrigen Mitglieder des Obersten Rechnungshofs und zugeteilter Prüfungsbeamter vor. Außerdem verstoße die Umstellung der Finanzierung gegen das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 108 BV. Auch könnte die Regelung des Art. 11 BayHIG nicht nur freiheitswidrig, sondern ebenso gleichheitswidrig sein und damit einen Verstoß gegen Art. 118 Abs. 1 BV darstellen. Durch die Umstellung der Regelungen des Körperschaftsvermögens der Hochschulen in Art. 15 (Körperschaftsvermögen) und Art. 16 BayHIG (Beteiligung an und Gründung von Unternehmen) ergäben sich entsprechende Grundrechtsverstöße wie bei Art. 11 BayHIG. Die Ausführungen seien auf die verfassungsrechtliche Bewertung dieser Vorschriften entsprechend anwendbar. Aufgrund der verfassungswidrigen Ausgestaltung der Finanzierung der Hochschulen fehle es zudem an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage gemäß Art. 82 Abs. 4 BV. Ferner sprächen gewichtige Argumente für einen Verstoß gegen die in Art. 78 BV gewährleistete parlamentarische Budgethoheit, da Globalhaushalte ohne ein wirksames Kontrollregime eingerichtet worden seien.
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a) Zur Begründung wird unter anderem ausgeführt, mit Art. 11 BayHIG werde die staatliche Finanzierung der Hochschulen in Bayern insgesamt neu geregelt und dabei von der sie bislang parallel begleitenden Rechnungskontrolle durch den Obersten Rechnungshof entkoppelt. Die Transformation der Hochschulen von staatlichen Einrichtungen zu selbstständig agierenden Körperschaften verfolge das Ziel, die Leistung der Hochschulen mittels des Durchschlagens von Effekten und Mechanismen des Kapitalmarkts zu optimieren. Eine „Grundfinanzierung“ durch den Freistaat Bayern per Bereitstellung eines Globalbudgets solle stattfin den, um eigenverantwortliches Wirtschaften und strategische Entwicklungschancen der Hochschulen zu ermöglichen. Durch die wirtschaftliche Neuausrichtung der Hochschulen finde eine Dezentralisierung der Haushaltsverantwortung von den allgemeinen Staatsbehörden zu den eigenständigen Hochschulverwaltungen und -leitungen statt. In der Folge werde die sachliche und zeitliche Zweckbindung der Mittel im Haushaltsplan gelöst. Es übernehme nicht länger der Freistaat selbst und unmittelbar durch landeseigene Behörden die Überprüfung der Einhaltung von haushaltsrechtlichen Rechtsvorschriften. Vielmehr werde entgegen dem Rechtsstaatsgebot des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV das Transparenzniveau bei der staatlichen Hochschulfinanzierung in Bezug auf die Überprüfung der Einhaltung der verfassungsrechtlichen Leitlinien deutlich abgesenkt statt angehoben.
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b) Gegen das Grundrecht auf demokratische Teilhabe an der Staatsgewalt werde verstoßen, da die Ausweitung der finanziellen Eigenständigkeit von Hochschulen mit dem demokratischen Legitimationsniveau nicht in ausreichendem Maß Schritt halte. Indem den Hochschulen ein größtenteils freihändiger Umgang mit staatlichen Mitteln zugestanden werde, ohne dass eine (gesteigerte) legitimatorische Rückbeziehung auf den direkt gewählten Landtag bestehe, überschreite der Gesetzgeber seine Kompetenzgrenzen. Die Hochschulen könnten ohne eine effektive Rechnungsprüfung durch den Rechnungshof zu viele Staatsausgaben am Parlament vorbei verursachen, was für den Landtag dann auch verbindlich sei.
Somit erscheine es möglich, dass der Schutzbereich des Grundrechts auf effektive Teilhabe an der Staatsgewalt aus Art. 7 Abs. 2 und Art. 14 Abs. 1 BV berührt werde und dass dieses Grundrecht sogar verletzt sein könnte.
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c) Die Umstellung der Finanzierung verstoße auch gegen die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 101 BV in Verbindung mit Art. 80 BV. Die Umstellung der Hochschulfinanzierung durch das Bayerische Hochschulinnovationsgesetz ohne Gewährleistung einer Kontrolle durch den Obersten Rechnungshof sei mit der Gefahr verbunden, dass dies zur Vereitelung einer effektiven Aufgabenerfüllung des Obersten Rechnungshofs in seiner Kernkompetenz führe. Möglicherweise liege ein Verstoß gegen Art. 80 Abs. 1 BV vor. Ohne dass der Frage nach der Rechts natur dieser Verfassungsnorm letztlich fallentscheidende Bedeutung zukomme, handle es sich dabei um ein Grundrecht des Obersten Rechnungshofs selbst. Denn dieser befinde sich als Institution bei Einschränkungen seiner Kompetenzen und Aufgaben in einer grundrechtstypischen Gefährdungslage.
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d) Weiter führten die angegriffenen Finanzierungs- und Beteiligungsregeln des Bayerischen Hochschulinnovationsgesetzes zu einem Eingriff in die Berufsfreiheit der Mitarbeiter des Obersten Rechnungshofs. Ein über Jahrzehnte verfestigter und funktionierender Bestandteil des Aufgabengebiets des Obersten Rechnungshofs falle weg, ohne dass die staatliche Aktivität in diesem Bereich eingestellt werde. Den angegriffenen Finanzierungs- und Beteiligungsregelungen des Bayerischen Hochschulinnovationsgesetzes komme nach Inhalt und Entstehungsgeschichte jedenfalls eine objektiv berufsregelnde Tendenz zu.
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e) Die Umstellung der Finanzierung ohne Sicherstellung der fortwährend umfassenden Prüfungskompetenz durch den Obersten Rechnungshof könne auch mit der Wissenschaftsfreiheit der bayerischen Hochschulen unvereinbar sein. Durch die Regelungen der Finanzierung und Unternehmensgründung werde per Rechtsakt, final, unmittelbar sowie mit Befehl und Zwang durchsetzbar in die Freiheitssphäre der einzelnen Wissenschaftler sowie der Hochschulen selbst eingegriffen. Der Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit sei verfassungsrechtlich jedoch nicht gerechtfertigt. Mangels eines ausdrücklichen Schrankenvorbehalts ergebe sich allein aus anderen verfassungsrechtlich geschützten Rechtspositionen die Möglichkeit zur Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit. Vorliegend komme die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der wissenschaftlichen Hochschulen und ihrer Organe als kollidierendes Verfassungsrecht in Betracht. Im Rahmen der zur Herstellung von praktischer Konkordanz erforderlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung sei der Rücksichtnahme auf die Eigengesetzlichkeiten des jeweiligen Wissenschaftszweiges besonderer Wert beizumessen. Vorliegend bestünden in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Wissenschaftsfreiheit erhebliche Bedenken. So diene die Überantwortung der finanziellen Rahmenbedingungen auf die Hochschulleitung ganz überwiegend der Förderung einer umsatzorientierten und um satzstarken Forschung. Es sei aber nicht sichergestellt, dass die Gremien der Hochschulleitung hinreichende Rücksicht auf die wissenschaftsspezifischen Belange der Grundrechtsträger nähmen. Durch die volle Entscheidungsgewalt über die finanzielle Ausstattung des Wissenschaftsbetriebs könne sich die Leitungsebene über den Willen der Wissenschaftler hinwegsetzen und die eigenen Vorstellungen selbstständig und vom jeweiligen Wissenschaftsbetrieb unabhängig festlegen.
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f) Die Regelungen könnten auch gleichheitswidrig sein und damit gegen Art. 118 Abs. 1 BV verstoßen. In Betracht komme eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung von staatlichen Hochschulen gegenüber nichtstaatlichen Hochschulen in finanzieller und wissenschaftlicher Hinsicht. Auch diese Bedenken werden durch die Antragstellerin näher ausgeführt.
III.
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1. Die Antragsgegnerin zu 1, die Bayerische Staatsregierung, hält den Antrag bereits für unzulässig, im Übrigen für unbegründet.
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a) Die Antragstellerin verkenne bei ihrem Antrag die Rechtslage. Über weite Strecken werde dieser auf die vom Ministerrat am 20. Oktober 2020 beschlossenen „Eckpunkte zur Hochschulrechtsreform“ und eine erste Fassung des Regierungsentwurfs eines Bayerischen Hochschulinnovationsgesetzes gestützt und nicht auf die tatsächlich in Kraft getretene Fassung des Gesetzes. Insbesondere die Annahme, die Prüfungsrechte des Obersten Rechnungshofs seien im Vergleich zum Bayerischen Hochschulgesetz (mit Ablauf des 31. Dezember 2022 außer Kraft getreten; BayHSchG a. K.) durch das Bayerische Hochschulinnovationsgesetz eingeschränkt worden, sei unzutreffend. Der entsprechende Rechtsstand sei nicht verändert worden.
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b) Nicht erkennbar sei, warum die Antragstellerin davon ausgehe, der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung der Hochschulfinanzierung die staatlich finanzierte Hochschullandschaft von der sie bislang parallel begleitenden Rechnungskontrolle durch staatliche Behörden entkoppelt. Diese angebliche Entkopplung ergebe sich weder aus Art. 4 noch aus Art. 11 BayHIG. Anders als von der Antragstellerin angeführt, bestehe die verpflichtende Kontrolle der Kosten- und Leistungsrechnung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 6 BayHSchG a. K. fort. Insoweit werde auf Art. 11 Abs. 3 Satz 6 BayHIG verwiesen.
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Soweit die Antragstellerin behaupte, der Ansatz des Art. 5 Abs. 2 BayHSchG a. K., wonach der Finanzrahmen an Leistungen in Forschung, Lehre und Nachwuchsförderung ausgerichtet war, wäre aufgegeben worden, sei dem der Wortlaut des Art. 11 Abs. 1 Satz 3 BayHIG entgegenzuhalten.
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Hochschulen, die reine Körperschaften seien, existierten in Bayern nicht. Während Art. 11 Abs. 1 BayHSchG a. K. die Hochschulen in terminologisch enger Anlehnung an § 58 Abs. 1 Satz 1 des Hochschulrahmengesetzes (HRG) als Körperschaften des öffentlichen Rechts mit dem Recht der Selbstverwaltung im Rahmen der Gesetze und „zugleich“ als staatliche Einrichtungen beschrieben habe, schaffe Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayHIG mehr Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, indem er an der bisherigen Rechtslage und Terminologie festhalte, zugleich aber für die staatlichen Hochschulen die Sphären klarer trenne. Nach dieser Vorschrift seien die staatlichen Hochschulen nunmehr staatliche Einrichtungen und daneben rechtsfähige Personalkörperschaften des öffentlichen Rechts. Durch den sprachlichen Wechsel zu „daneben“ werde besser als nach der Formulierung im zuvor geltenden Bayerischen Hochschulgesetz verdeutlicht, dass die Hochschulen gleichzeitig beide Eigenschaften hätten, beide Sphären aber (hochschul- und haushaltsrechtlich) voneinander getrennt zu betrachten seien. Dass demgegenüber in der ersten Fassung des Regierungsentwurfs geplant gewesen sei, die staatlichen Hochschulen in reine Körperschaften umzuwandeln, könne dahinstehen, da dieser Entwurf nicht in den Landtag eingebracht worden sei.
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Auch die behauptete Einführung von Globalhaushalten an den Bayerischen Hochschulen sei im Bayerischen Hochschulinnovationsgesetz nicht enthalten. Insoweit komme es nicht darauf an, dass dies in der ersten Fassung des Regierungsentwurfs anders gewesen sei.
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c) Der Antrag der Antragstellerin sei unzulässig, da im Gesetzgebungsverfahren die Meinungsverschiedenheit nicht erkennbar gewesen sei. Der Antrag nach Art. 75 Abs. 3 BV setze voraus, dass die Meinungsverschiedenheit bereits im Gesetzgebungsverfahren bzw. vor dem abschließenden Plenarbeschluss des Bayerischen Landtags über das Gesetz erkennbar geworden sei. Sie müsse im Gesetzgebungsverfahren konkret angesprochen worden sein. Eine unspezifische Erhebung allgemeiner verfassungsrechtlicher Bedenken ohne Bezug auf konkrete Verfassungsverstöße durch bestimmte Normen des Gesetzes reiche nicht aus. Voraussetzung sei zudem, dass Identität zwischen der während der Landtagsberatung erhobenen Rüge und der den Gegenstand des Verfahrens nach Art. 75 Abs. 3 BV bildenden Meinungsverschiedenheit bestehe.
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Diese Anforderungen seien nicht erfüllt, soweit sich die Antragstellerin gegen die Vereinbarkeit der Art. 11, 15 und 16 BayHIG mit der Bayerischen Verfassung wende. Ausweislich der seitens der Antragstellerin in Bezug genommenen Plenarprotokolle 18/114 und 18/122 seien durch den Abgeordneten Prof. Dr. H1. in den Lesungen im Plenum keine konkreten verfassungsmäßigen Zweifel erhoben worden, die den Anforderungen des Art. 75 Abs. 3 BV gerecht würden. Im Rahmen der Kritik an einer angeblichen Ökonomisierung der Hochschulen seien lediglich allgemeingültige Aussagen und unspezifische rechtliche Bedenken vorgebracht worden. Diese Bedenken seien nicht näher begründet worden und hätten keine konkrete Benennung der spezifischen verfassungsrechtlichen Meinungsverschiedenheit enthalten. Die verfahrensgegenständlichen Normen, Art. 11, 15 und 16 BayHIG, seien zu keinem Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens durch den Abgeordneten Prof. Dr. H1. oder die Antragstellerin explizit angesprochen worden. Die seitens der Antragstellerin zitierten Wortbeiträge in der Ersten und Zweiten Lesung hätten sich vage auf eine „Kommerzialisierung“ und „Verwirtschaftlichung“ der Wissenschaft bezogen, ohne konkretisiert auf die Ausgestaltung der Finanzierung der Hochschulen einzugehen. Die Ausführungen der Antragstellerin, wonach der Abgeordnete Prof. Dr. H1. sich ausdrücklich mit der Loslösung der Unternehmensgründung von staatlicher Kontrolle befasst habe, seien unter Zugrundelegung der angeführten Fundstellen im Plenarprotokoll nicht nachvollziehbar. Es sei vielmehr so, dass insbesondere die Prüfrechte des Obersten Rechnungshofs im Gesetzgebungsverfahren zu keinem Zeitpunkt diskutiert oder Gegenstand einer Meinungsverschiedenheit gewesen seien. Der Zusammenhang zwischen einer angeblichen Ökonomisierung der Hochschulen und dem Prüfungsrecht des Obersten Rechnungshofs sei auch nicht derart zwingend, dass allein ein Eingehen auf die Ökonomisierung nahelegen würde, dass hiermit auch das Prüfungsrecht angesprochen worden sei.
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Soweit die Antragstellerin ausführe, dass die Frage der Vereinbarkeit des Gesetzes mit Art. 118 Abs. 1 BV thematisiert worden sei, beziehe sich dies lediglich auf die nicht konkretisierte Behauptung einer Ungleichbehandlung bzw. Benachteiligung „kleiner Fächer“ und der Geisteswissenschaften, nicht aber auf eine Ungleichbehandlung mit Blick auf private Hochschulen, welche im vorliegenden Verfahren gerügt werde. Auch diesbezüglich liege somit keine Rügeidentität vor.
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d) Tauglicher Antragsgegner der Meinungsverschiedenheit sei angesichts des kontradiktorischen Charakters des Verfahrens dasjenige Verfassungsorgan bzw. derjenige Organteil, durch den in der Debatte über das Gesetz die Gegenposition des Antragstellers vertreten worden sei. Im vorliegenden Fall sei dies nicht der Landtag als Gesamtorgan, sondern die Regierungsfraktionen bzw. diejenigen Landtagsfraktionen, die dem Bayerischen Hochschulinnovationsgesetz bei der Schlussabstimmung im Plenum zugestimmt hätten. Gegen diese Fraktionen sei der Antrag aber nicht explizit gerichtet. Das prozessuale Verhältnis zwischen Landtag und Regierungsfraktionen bleibe im Unklaren. Diese Widersprüchlichkeit gehe zulasten der Antragstellerin. Tauglicher Antragsgegner sei hier prinzipiell die Bayerische Staatsregierung, weil diese den infrage stehenden Gesetzentwurf in den Bayerischen Landtag eingebracht habe.
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e) Der Antrag sei auch unbegründet. Ein Verstoß gegen Art. 80 Abs. 1 BV liege nicht vor. Das Prüfungsrecht des Obersten Rechnungshofs gegenüber den Hochschulen sei im Vergleich zur bisherigen Rechtslage in keiner Weise verändert worden. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 BV sei außerdem deshalb nicht verletzt, weil schon der Wortlaut dieser Regelung keine Anhaltspunkte dafür enthalte, dass ein bestimmter Umfang der Prüfungskompetenz des Obersten Rechnungshofs verfassungsrechtlich garantiert sei.
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f) Eine Verletzung des Grundrechts auf Teilhabe an der Staatsgewalt nach Art. 7 Abs. 2, Art. 14 Abs. 1 BV sei ebenfalls nicht gegeben. Das Grundrecht auf demokratische Teilhabe sei nur dann verletzt, wenn das Wahlrecht in einem für die politische Selbstbestimmung des Volkes wesentlichen Bereich leerzulaufen drohe, d. h., wenn die demokratische Selbstregulierung des Volkes dauerhaft derart eingeschränkt werde, dass zentrale politische Entscheidungen nicht mehr selbstständig getroffen werden könnten. Dieser im Wahlrecht verankerte Anspruch des Bürgers auf demokratische Selbstbestimmung sei auf den in der Würde des Menschen wurzelnden Kern des Demokratieprinzips begrenzt. Durch die Antragstellerin werde nicht ansatzweise dargelegt, dass durch die angegriffenen Normen der unveränderbare Kern des Demokratieprinzips tangiert sei.
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g) Eine Verletzung der Berufsfreiheit sei schon deswegen offenkundig ausgeschlossen, weil dieses Grundrecht nicht auf öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse, respektive auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter juristischer Person des öffentlichen Rechts ohne eigene Grundrechtsberechtigung anwendbar sei. Soweit die Antragstellerin auf die Berufsfreiheit des Präsidenten und der übrigen Mitglieder des Obersten Rechnungshofs abstelle, sei vorrangig die speziellere Norm des Art. 95 BV heranzuziehen. Auch die über Art. 95 BV geschützten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums vermittelten aber kein Recht auf unveränderte und ungeschmälerte Ausübung der einmal übertragenen Amtsgeschäfte. Im Übrigen läge bei einer Veränderung der Modalitäten der Kontrolle der staatlichen Hochschulen lediglich eine Berufsausübungsregelung vor, die sich gegebenenfalls verfassungsrechtlich rechtfertigen ließe.
36
h) Ein Verstoß gegen die Wissenschaftsfreiheit nach Art. 108 BV sei nicht gegeben. Die Antragstellerin übersehe, dass mit dem Bayerischen Hochschulinnovationsgesetz die hochschulinternen Kontrollmechanismen für finanzrelevante Entscheidungen der Hochschulleitung sowie die Staatsaufsicht über die Hochschulen nicht verändert worden seien. Auch die Prognose der Antragstellerin, richtungsweisende Organisationsentscheidungen über die Forschungstätigkeit der Wissenschaftler würden von der Hochschulleitung künftig primär unter dem Aspekt der optimierten Wirtschaftlichkeit getroffen, sei in keiner Weise nachvollziehbar begründet und übergehe die fortbestehende Grundrechtsbindung der Hochschulleitung gegenüber den einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Ähnliches gelte für die angebliche Benachteiligung der Lehre.
37
i) Ebenso liege kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vor. Eine Ungleichbehandlung von staatlichen gegenüber nichtstaatlichen Hochschulen könne nicht damit begründet werden, dass die nichtstaatlichen Hochschulen ihre finanzielle Ausstattung selbst sicherstellen müssten. In diesem Fall läge die Ungleichbehandlung nämlich schon in der bloßen Existenz der beiden Hochschularten. Staatliche und nichtstaatliche Hochschulen unterschieden sich trotz gemeinsamer Zugehörigkeit zum „tertiären Bildungsbereich“ in erheblicher und verfassungsrechtlich relevanter Weise.
38
j) In welcher konkreten Regelung im Bayerischen Hochschulinnovationsgesetz die Antragstellerin einen Verstoß gegen Art. 82 Abs. 4 BV sehe, sei unklar. Ähnliches gelte für den angeblichen Verstoß gegen Art. 78 Abs. 1 BV, bei dem die Antragstellerin unberücksichtigt lasse, dass Globalhaushalte an staatlichen bayerischen Hochschulen auch künftig nicht existierten.
39
2. Nach Ansicht des Antragsgegners zu 2, des Bayerischen Landtags, ist der Antrag unzulässig und überdies unbegründet.
40
a) Die konkret gerügten Punkte, insbesondere die angebliche Einschränkung der Kontrollbefugnisse des Obersten Rechnungshofs, seien im Gesetzgebungsverfahren seitens der Antragstellerin, einzelner ihrer Abgeordneter oder anderer Fraktionen und Abgeordneter nicht vorgebracht worden. Daher bestehe schon kein Rechtsschutzbedürfnis. Ein Antrag nach Art. 75 Abs. 3 BV setze voraus, dass die Meinungsverschiedenheit bereits im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens erkennbar geworden sei. Auch liege kein tauglicher Antragsgegenstand vor. Die Zulässigkeit von Anträgen nach Art. 75 Abs. 3 BV setze voraus, dass die beanstandete Norm überhaupt den Inhalt haben könne, der als verfassungswidrig beanstandet werde. Eine offensichtliche Fehlinterpretation berechtige nicht dazu, Anträge nach Art. 75 Abs. 3 BV zu stellen. Die Antragsteller würden insoweit die Rechtslage verkennen, was sich bereits darin zeige, dass sich die Argumentation über weite Strecken auf Eckpunkte zur Hochschulrechtsreform stütze, die niemals Gesetz geworden seien. Auch die Annahme, die Prüfungsrechte des Obersten Rechnungshofs seien im Vergleich zum außer Kraft getretenen Bayerischen Hochschulgesetz durch das Bayerische Hochschulinnovationsgesetz eingeschränkt worden, sei unzutreffend. Der entsprechende Rechtsstand sei nicht verändert worden.
41
b) Auch bezüglich der Begründetheit gehe die Antragstellerin von einer Rechtslage aus, die so nicht existiere. Die Hochschulen seien u. a. nicht in reine Körperschaften umgewandelt worden und hätten auch keine Globalhaushalte. Die Regelungen der Bayerischen Haushaltsordnung zu den Prüfungsrechten des Obersten Rechnungshofs bestünden unverändert fort. Die Ansicht, Art. 80 Abs. 1 BV beinhalte ein Grundrecht und der Oberste Rechnungshof befinde sich in einer grundrechtstypischen Gefährdungslage, werde weder in Rechtsprechung noch Literatur vertreten. Auch liege kein Verstoß gegen die Berufsfreiheit der Mitglieder des Obersten Rechnungshofs vor. Dessen Beamtinnen und Beamte seien bei ihrem amtlichen Handeln nicht grundrechtsfähig. Selbst wenn man den Antragstellern folgen wollte, wäre die Qualifikation der Regelungen des Bayerischen Hochschulinnovationsgesetzes als „objektive Berufswahlregelung“ offensichtlich unhaltbar, da eine Berufsausübungsregelung, selbst wenn diese besonders schwerwiegend sei, nicht allein deshalb zur Berufswahlregelung werde.
42
Ein Verstoß gegen die Wissenschaftsfreiheit nach Art. 108 BV sei nicht gegeben, da die Prüfungsrechte des Obersten Rechnungshofs durch das Bayerische Hochschulinnovationsgesetz nicht verändert worden seien und die bisherigen Prüfungsrechte nicht in die Wissenschaftsfreiheit eingriffen.
43
Ein Verstoß gegen Art. 118 BV sei ebenfalls nicht gegeben, da private und staatliche Hochschulen schon wegen des grundrechtlich geschützten Einflusses des privaten Hochschulträgers auf „seine Hochschule“ nicht „wesentlich gleich“ seien. Es reiche nicht aus, dass beide Hochschultypen Forschung und Lehre betrieben.
IV.
44
In der mündlichen Verhandlung am 26. November 2024 haben die Beteiligten ihren Vortrag jeweils wiederholt und vertieft.
V.
45
Der Antrag ist – im Haupt- und Hilfsantrag – unzulässig.
46
1. Nach Art. 75 Abs. 3 BV entscheidet der Verfassungsgerichtshof Meinungsverschiedenheiten darüber, ob durch ein Gesetz die Verfassung geändert wird oder ob ein Antrag auf unzulässige Verfassungsänderung vorliegt. Diese Voraussetzungen sind gemäß Art. 2 Nr. 8, Art. 49 Abs. 1 VfGHG auch erfüllt, wenn die Meinungsverschiedenheit darüber besteht, ob durch ein Gesetz die Verfassung verletzt wird (VerfGH vom 18.10.2023 BayVBl 2024, 154 Rn. 68; Brechmann in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 6. Aufl. 2020, Art. 75 Rn. 20). Die Meinungsverschiedenheit muss zwischen am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organen oder Teilen derselben entstanden sein. Ihnen stehen Fraktionen gleich, die in sich die Mehrheit der mit gegenteiligen Auffassungen sich gegenüberstehenden Abgeordneten vereinigen. Die Fraktionen können deshalb die auf Parlamentsebene geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken im Verfahren nach Art. 75 Abs. 3 BV weiterverfolgen (vgl. VerfGH vom 27.7.1972 VerfGHE 25, 97/107 ff.; vom 9.5.2016 VerfGHE 69, 125 Rn. 107 und 109; vom 30.7.2018 VerfGHE 71, 184 Rn. 39; vom 28.8.2020 BayVBl 2020, 803 Rn. 37; Brechmann, a. a. O., Art. 75 Rn. 19). Die Meinungsverschiedenheit muss bereits im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens erkennbar geworden sein. Zwischen der Meinungsverschiedenheit, wie sie den Gegenstand der Verfassungsstreitigkeit bildet, und den während der Gesetzesberatungen im Landtag erhobenen Rügen muss grundsätzlich Identität hinsichtlich der gesetzlichen Vorschriften und der als verletzt erachteten Verfassungsnormen bestehen (ständige Rechtsprechung; VerfGH vom 26.8.2021 BayVBl 2021, 808 Rn. 44; vom 26.8.2021 BayVBl 2022, 9, vgl. Rn. 51 bei juris – in BayVBl insoweit nicht abgedruckt; BayVBl 2024, 154 Rn. 68, jeweils m. w. N.). Für die Erkennbarkeit einer Meinungsverschiedenheit genügt eine ablehnende Abstimmung für sich allein nicht. Die Meinungsverschiedenheit muss vielmehr konkretisiert zum Ausdruck gebracht worden sein (VerfGHE 25, 97/113; VerfGH BayVBl 2022, 9 Rn. 52; Brechmann, a. a. O., Art. 75 Rn. 21; Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 75 Rn. 13).
47
a) Vorliegend hat die Antragstellerin, die AfD-Fraktion, die als Teil des Landtags nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1 VfGHG antragsberechtigt ist, am Gesetzgebungsverfahren mitgewirkt und das streitgegenständliche Gesetz abgelehnt. Als Fraktion kann sie, wie ausgeführt, grundsätzlich die auf Parlamentsebene durch einen ihrer Abgeordneten geäußerten Bedenken im Verfahren nach Art. 75 Abs. 3 BV weiterverfolgen.
48
b) Als Antragsgegnerin zu 1 hat die Antragstellerin zutreffend die Bayerische Staatsregierung, durch die das Bayerische Hochschulinnovationsgesetz in den Landtag eingebracht wurde, benannt.
49
Der als Antragsgegner zu 2 ebenfalls benannte Bayerische Landtag ist im vorliegenden Verfahren allerdings nur Beteiligter, nicht Streitteil. Als Antragsgegner wird er durch die Antragstellerin zu Unrecht in Anspruch genommen (vgl. VerfGH vom 27.6.2023 – Vf. 12-VIII-22 u. a. – juris Rn. 50; BayVBl 2024, 154, vgl. Rn. 70 bei juris – in BayVBl insoweit nicht abgedruckt).
50
c) Jedoch ist die geltend gemachte Meinungsverschiedenheit zwischen der Antragstellerin und der zulässig in Anspruch genommenen Antragsgegnerin zu 1 nicht im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens erkennbar geworden. Die erfolgte ablehnende Abstimmung für sich allein genommen reicht nicht aus. Vielmehr hätte, wie dargelegt, die Meinungsverschiedenheit konkretisiert zum Ausdruck gebracht werden müssen (VerfGHE 25, 97/113; VerfGHE 47, 241/252 f.; VerfGH BayVBl 2024, 254 Rn. 72).
51
aa) In Bezug auf Art. 80 Abs. 1 BV (Rechnungslegung, Rechnungsprüfung) ist im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens keine Meinungsverschiedenheit hervorgetreten.
52
Gegenstand einer Meinungsverschiedenheit nach Art. 75 Abs. 3 BV kann zwar auch die Verletzung rein objektiven Verfassungsrechts sein (vgl. VerfGHE 25, 97/ 107 und 109). Ausweislich der Protokolle der Plenarsitzungen des Bayerischen Landtags vom 11. Mai und 21. Juli 2022 wurden aber weder in der Ersten noch in der Zweiten Lesung zum Bayerischen Hochschulinnovationsgesetz konkrete Zweifel im Hinblick auf Art. 80 Abs. 1 BV erhoben, die den Anforderungen des Art. 75 Abs. 3 BV gerecht würden. Durch den Abgeordneten Prof. Dr. H1. wurden im Rahmen seines Redebeitrags in der Ersten Lesung vor allem die angebliche Ausrichtung des Bayerischen Hochschulinnovationsgesetzes nach dem „Zeitgeist“, die angestrebte „paritätische Besetzung“ der Hochschulleitung mit Frauen und Männern nach Art. 22 des Gesetzes sowie die Aufnahme der „Unternehmensgründung“ als neue Aufgabe der Hochschule thematisiert und kritisiert (Plenarprotokoll 18/114 S. 15686 f.). In der Sitzung vom 21. Juli 2022 monierte der Abgeordnete Prof. Dr. H1. neben Bedenken gegenüber einer „Verwirtschaftlichung“, erneuter Kritik an „Frauenquoten“ u. Ä. vor allem im Rahmen einer Zwischenbemerkung zum Redebeitrag von Staatsminister Blume die Möglichkeit, dass Unternehmensgründungen aus den Hochschulen auch ihren Sitz im Ausland haben könnten (Plenarprotokoll 18/122 S. 16818 ff., 16830, 16838).
53
Weder die verfahrensgegenständlichen Normen Art. 11 (Finanzierung, Innovationsfonds), Art. 15 (Körperschaftsvermögen) und Art. 16 BayHIG (Beteiligung an und Gründung von Unternehmen) noch das Prüfungsrecht des Obersten Rechnungshofs wurden seitens des Abgeordneten konkret angesprochen. Auch ist den Protokollen der Ersten und Zweiten Lesung des Bayerischen Hochschulinnovationsgesetzes vom 11. Mai und 21. Juli 2022 nicht zu entnehmen, dass etwaige Prüfungsrechte des Obersten Rechnungshofs überhaupt Thema der Parlamentsdebatten gewesen wären. Es besteht auch kein zwingender verfassungsrechtlicher Zusammenhang zwischen der Frage einer Ökonomisierung der Hochschulen und der Gestaltung des Prüfungsrechts des Obersten Rechnungshofs. Insoweit sind aus den Redebeiträgen des Abgeordneten Prof. Dr. H1. keine konkreten Anhaltspunkte für eine Meinungsverschiedenheit im Hinblick auf Art. 80 Abs. 1 BV zu erkennen.
54
bb) Im Hinblick auf die gerügte Verletzung des Grundrechts auf Teilhabe an der Staatsgewalt nach Art. 7 Abs. 2, Art. 14 Abs. 1 BV finden sich ebenfalls keine Anhaltspunkte, dass bereits im Gesetzgebungsverfahren ein entsprechender Meinungsstreit hervorgetreten wäre.
55
Der Abgeordnete Prof. Dr. H1. ist in seinen Ausführungen in der Ersten und Zweiten Lesung des Gesetzentwurfs inhaltlich nicht konkret auf die in Art. 7 Abs. 2 und Art. 14 Abs. 1 BV enthaltenen Rechte eingegangen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass diese Themenbereiche im Rahmen der Debatten im Bayerischen Landtag zum Bayerischen Hochschulinnovationsgesetz sonst eine Rolle gespielt hätten. Im Hinblick auf Art. 7 Abs. 2 und Art. 14 Abs. 1 BV besteht daher keine geeignete Grundlage für eine im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens erkennbar gewordene Meinungsverschiedenheit.
56
cc) Eine Meinungsverschiedenheit über den von Art. 101 BV umfassten Schutz der Berufsfreiheit im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens ist ebenso wenig dargelegt oder ersichtlich.
57
In den Redebeiträgen des Abgeordneten Prof. Dr. H1. in den Sitzungen des Bayerischen Landtags vom 11. Mai und 21. Juli 2022 wurden Fragen der Berufsfreiheit, insbesondere der des Präsidenten und der übrigen Mitglieder des Obersten Rechnungshofs, nicht thematisiert. Im Rahmen der Parlamentsdebatten an beiden Tagen spielten derartige Fragen überhaupt keine Rolle.
58
dd) Auch im Hinblick auf die in Art. 108 BV geregelte Wissenschaftsfreiheit bestand im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin keine Meinungsverschiedenheit.
59
Zwar wurde durch den Abgeordneten Prof. Dr. H1. in seinem Redebeitrag vom 11. Mai 2022 als Konsequenz der „Unternehmensgründung“ als neuer Aufgabe der Hochschule eine Schlechterstellung „kleiner Fächer“ und der Geisteswissenschaften angesprochen. Die Frage einer Ungleichbehandlung im Hinblick auf private Hochschulen war aber nicht Gegenstand der Redebeiträge des Abgeordneten. Die behauptete Benachteiligung „kleiner Fächer“ und der Geisteswissenschaften wurde im Rahmen der Ausführungen von Prof. Dr. H1. im Verlauf der Parlamentsdebatte nicht näher konkretisiert oder erläutert. Die Norm des Art. 118 Abs. 1 BV wurde weder schlagwortartig nach ihrem Regelungsgegenstand benannt noch inhaltlich konkretisiert.
60
Zwar kritisierte der Abgeordnete Prof. Dr. H1. im Rahmen seiner Redebeiträge vom 11. Mai und 21. Juli 2022 außerdem, das Bayerische Hochschulinnovationsgesetz stehe im Kontrast zur freien Lehre und freien Forschung. Was Innovation sei, würden nicht mehr die Wissenschaftler entscheiden. Auch bei der gerügten Benachteiligung „kleiner Fächer“ und der Geisteswissenschaften merkte der Abgeordnete Prof. Dr. H1. an, dass die Freiheit der Lehre und Forschung für alle gleich sein müsse. Diese Ausführungen reichen aber nicht aus, um auf eine konkret zum Ausdruck gebrachte Meinungsverschiedenheit schließen zu können. Die Begriffe Freiheit der Lehre und Freiheit der Forschung wurden durch den Abgeordneten nur schlagwortartig im Rahmen seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem Bayerischen Hochschulinnovationsgesetz erwähnt. Nähere Ausführungen zu den betreffenden grundrechtlichen Fragestellungen finden sich im Rahmen der parlamentarischen Äußerungen des Abgeordneten jedoch nicht.
61
Gleiches gilt für den Einwand des Abgeordneten, aufgrund des neuen Gesetzes stehe anstelle eines Erkenntnisgewinns die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund. Diese pauschal gehaltene Befürchtung des Abgeordneten, die nicht erkennbar auf verfassungsrechtliche Aspekte der Wissenschaftsfreiheit eingeht, ist ebenfalls nicht geeignet, eine Meinungsverschiedenheit zu begründen.
62
Damit wurde auch insoweit keine Meinungsverschiedenheit konkret zum Ausdruck gebracht. Durch das Wort „Meinungsverschiedenheit“ ist klargestellt, dass der Verfassungsgerichtshof nicht von sich aus die betreffenden Fragen aufgreifen kann (Schweiger in Nawiasky/Schweiger/Knöpfle, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 75 Rn. 7 unter Verweis auf Prot. I S. 192; vgl. auch VerfGHE 25, 97/109 und 114). Darauf liefe es jedoch hinaus, wenn die bloße, lediglich pauschale Bezeichnung eines Grundrechts oder eine Bezugnahme auf die Grundrechte ohne konkrete Zuordnung für einen Meinungsstreit genügen würde (VerfGH BayVBl 2024, 154, vgl. Rn. 73 bei juris – in BayVBl insoweit nicht abgedruckt).
63
ee) Auch in Bezug auf Art. 118 Abs. 1 BV ist im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens keine Meinungsverschiedenheit, wie sie nun im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof geltend gemacht wird, zum Ausdruck gekommen.
64
Durch den Abgeordneten Prof. Dr. H1. wurden etwaige Unterschiede zwischen staatlichen und privaten Hochschulen sowie etwaige Ungleichbehandlungen dieser Träger nicht näher ausgeführt. Daher war eine Meinungsverschiedenheit auch bezüglich Art. 118 Abs. 1 BV im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens nicht erkennbar.
65
ff) Auf die in Art. 82 (Schuldenbremse) und Art. 78 BV (Haushaltsplan und Haushaltsgesetz, Haushaltsgrundsätze) normierten Punkte ging der Abgeordnete Prof. Dr. H1. im Rahmen seiner Redebeiträge ebenfalls nicht konkret ein. Auch insoweit ist keine Meinungsverschiedenheit im Gesetzgebungsverfahren erkennbar geworden.
66
d) Es fehlt nach alledem an einer Grundvoraussetzung für die von der Antragstellerin gewählte Verfahrensart der Meinungsverschiedenheit, bei der es sich um ein echtes kontradiktorisches Verfahren handelt.
67
Für die Klärung jeder Art von Zweifeln an der Vereinbarkeit von einfachem Recht mit Verfassungsrecht ist die Meinungsverschiedenheit nicht konzipiert. Die Funktion einer abstrakten Normenkontrolle übernimmt nach der Bayerischen Verfassung vielmehr in weiten Bereichen die Popularklage nach Art. 98 Satz 4 BV, die kein kontradiktorisches Streitverfahren darstellt und für die der Antragsteller grundsätzlich keine Betroffenheit in eigenen Grundrechten geltend machen muss (vgl. VerfGH BayVBl 2021, 808 Rn. 56; Müller in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 98 Satz 4 Rn. 1). Eine solche wurde gegen die hier beanstandeten Vorschriften ebenfalls erhoben (Parallelverfahren Vf. 18-VII-22).
VI.
68
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).