Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 21.10.2024 – AN 6 K 21.02159
Titel:

Erstattungsanspruch bezüglich Jugendhilfe für unbegleitete minderjährige Ausländer

Normenketten:
AGSG Art. 52a Abs. 1
SGB VIII § 89d Abs. 1, § 89f
Leitsätze:
1. Aufgewendete Kosten iSd § 89f Abs. 1 S. 1 SGB VIII sind die Ausgaben eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, die eindeutig abgrenzbar einer bestimmten Jugendhilfemaßnahme individuell konkret zugeordnet werden können. Hierunter fällt grundsätzlich auch ein Entgelt, das einem Träger der öffentlichen Jugendhilfe von einem Träger der freien Jugendhilfe für die diesem im Einklang mit dem Gesetz übertragene Durchführung einer Aufgabe in Rechnung gestellt wird. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zu den Verwaltungskosten iSd § 109 S. 1 SGB X gehören alle Aufwendungen, die ein Träger der öffentlichen Jugendhilfe für Personal und Sachmittel aufbringt, um einen funktionsfähigen Dienstleistungsapparat vorzuhalten. Sie dienen der Finanzierung des Personal- und Sachaufwandes, der losgelöst von einer konkret-individuellen Maßnahme abstrakt und generell im Hinblick auf die übertragenen Aufgaben im Rahmen des alltäglichen Verwaltungsbetriebes kontinuierlich entsteht und auch sonst nicht einzelnen Maßnahmen zugeordnet werden kann. Sie sind aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungsökonomie von der Erstattung ausgeschlossen, um Streitigkeiten über Kosten zu vermeiden, die bezogen auf einen einzelnen Verwaltungsvorgang häufig nur einen geringen Betrag ausmachen und schwer feststellbar sind, sodass sie der erstattungsberechtigte Träger nur schwer spezifizieren und der erstattungspflichtige Träger sie nur schwer auf ihre Berechtigung überprüfen kann. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erstattungsanspruch bezüglich Jugendhilfe für unbegleitete minderjährige Ausländer, Gesetzeskonformität der aufgewendeten Kosten, Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, Berechnung der Tagessätze, Verwaltungskosten, Ausschluss, Jugendhilfemaßnahme
Fundstelle:
BeckRS 2024, 38837

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 1.239.732,71 EUR zu erstatten, zuzüglich Prozesszinsen in Höhe von 4% ab Rechtshängigkeit.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Erstattung der Kosten, die er selbst den Beigeladenen für die Gewährung von Jugendhilfe für unbegleitete minderjährige Ausländer erstattet hat.
2
Die Beigeladenen erbrachten in den Jahren 2015, 2016 und 2017 für eine Vielzahl von unbegleiteten minderjährigen Ausländern Jugendhilfe in Form der Inobhutnahme, deren Kosten ihnen seitens des Klägers erstattet wurden. Der Beklagte erstattete dem Kläger wiederum die Kosten nur insoweit, als die Tagessätze für den jeweiligen Minderjährigen 250,00 EUR nicht überstiegen. Diesen „fiktiven“ Tagessatz in Höhe von 250,00 EUR bildete der Beklagte aus einem Durchschnittswert aus den Entgeltsätzen von fünf kostenintensiven Jugendhilfeeinrichtungen in … Der Beklagte kürzte den Erstattungsbetrag, soweit er die vorliegend streitgegenständlichen Ansprüche betrifft, dementsprechend um 1.239.732,71 EUR. Die seitens des Beklagten vorgenommene Kürzung der Erstattungssumme betrifft zehn Jugendhilfefälle des Beigeladenen zu 1. (Kürzungssumme 77.814,59 EUR) und 150 Jugendhilfefälle des Beigeladenen zu 2. (Kürzungssumme 1.161.918,12 EUR), die jeweils in so genannten „Notunterkünften“ untergebracht waren.
3
Der Beigeladene zu 1. brachte die Minderjährigen in zwei Notunterkünften (Erstaufnahmegruppe … und Erstaufnahmegruppe …*) unter, die jeweils durch einen freien Träger der Jugendhilfe betrieben wurden. Nach den mit diesen freien Trägern geschlossenen Vereinbarungen bezahlte der Beigeladene zu 1. die Räumlichkeiten mit allen verbundenen Betriebs- und Nebenkosten, das Telefon, Internet und die Instandhaltung des Inventars und der Räumlichkeiten. Des Weiteren wurde vereinbart, dass die durch den Träger erbrachten Leistungen belegungsunabhängig vergütet werden. Im Rahmen der Abrechnungen mit dem Kläger wurden die an den freien Träger gezahlte Vergütung und die sonstigen Kosten des Beigeladenen zu 1. für die Einrichtung jeweils auf die im jeweiligen Zeitraum untergebrachten Minderjährigen umgerechnet, so dass sich ein variabler Tagessatz ergab. Der höchste Tagessatz betrug 497,71 EUR einen Fall betreffend. Für die anderen neun streitgegenständlichen Fälle betrug der Tagessatz zwischen 276,01 EUR und 406,01 EUR. Von der streitgegenständlichen Kürzung sind beim Beigeladenen zu 1. nur unbegleitete minderjährige Ausländer betroffen, die ab dem 1. November 2015 in die Bundesrepublik eingereist sind.
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Der Beigeladene zu 2. brachte die Minderjährigen in einer Notunterkunft mit insgesamt 96 Plätzen unter. Betrieben wurde die Notunterkunft von einem freien Träger der Jugendhilfe, der sich in der Vereinbarung verpflichtete, alle Kosten der Einrichtung zu übernehmen. Hinsichtlich der Vergütung wurde vereinbart, dass die monatlichen Gesamtkosten bei einer Belegung bis 70 Personen unabhängig von der konkreten Belegung bezahlt wurden. Die Abrechnung erfolgte monatlich unter Darstellung eines variablen Tagessatzes pro Minderjährigem. Ab der 71. Person wurde ein tägliches Entgelt von 146,51 EUR vereinbart. Der höchste Tagessatz betrug 595,00 EUR in 18 Fällen für das 1. Quartal 2017. Für 24 Jugendhilfefälle betrug der Tagessatz im 4. Quartal 2016 511,26 EUR. In den übrigen streitgegenständlichen Fällen und Zeiträumen wurden Tagessätze zwischen 332,62 EUR und 430,89 EUR zur Erstattung beim Kläger angemeldet. In den vorliegend streitgegenständlichen Jugendhilfefällen sind acht unbegleitete minderjährige Ausländer vor dem 1. November 2015 (Kürzungssumme 31.440,69 EUR) und 142 unbegleitete minderjährige Ausländer ab dem 1. November 2015 (Kürzungssumme 1.130.477,43 EUR) eingereist.
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Der Beklagte begründete die streitgegenständliche Kürzung der Erstattungssumme gegenüber dem Kläger jeweils damit, dass Kosten in eigenen Einrichtungen nur insoweit erstattungsfähig seien, als diese platzbasiert ermittelt worden seien. Eine rein belegungsbasierte Kostenaufteilung auf die gerade in dem jeweiligen Monat in der Einrichtung befindlichen Jugendhilfefällen sei unzulässig. Um eine komplette und für alle Seiten aufwendige Darlegung der monatlichen Kosten auf den Einzelfall unter platzbasiert möglicher Auslastung zu vermeiden, sei eine Obergrenze für die Tagessätze in Höhe von 250,00 EUR festgelegt worden.
6
Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2021 erhob der Kläger Klage auf Erstattung der gekürzten Kosten. Die Anspruchsgrundlage für die Erstattung der Kosten der Jugendhilfe ergebe sich für Fälle, die bis zum 31. Oktober 2015 entstanden seien, aus Art. 7 Abs. 1 Aufnahmegesetz und für Fälle, die ab dem 1. November 2015 entstanden sind aus Art. 52a AGSG. Vorliegend seien nur Ansprüche nach Art. 52a AGSG streitig. Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erstattungsansprüche seien unstreitig. Die betroffenen unbegleiteten Personen hätten unstreitig Ansprüche auf Leistungen nach § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und Abs. 4 SGB VIII gehabt. Streitig sei lediglich die Höhe der Kostenerstattung. Der Kläger habe an die Beigeladenen Kostenerstattung nach § 89d SGB VIII in voller Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten geleistet. Während der Hochphase der „Flüchtlingskrise“ hätten die Beigeladenen sog. Notunterkünfte geschaffen, um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gut und schnell in Obhut nehmen zu können. Mit Schreiben der damaligen Staatsministerin für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 31. Juli 2015 sei darauf hingewiesen worden, dass für 2015 mit mindestens 10.000 Neuzugängen zu rechnen sei und daher alle Landkreise und kreisfreie Städte ihre Platzkapazitäten ausbauen müssten. Aufgrund der schwankenden Belegungszahlen und der nicht absehbaren Entwicklung der Zahl der einreisenden minderjährigen Ausländer hätten die Beigeladenen entsprechende Vorhaltungen machen müssen, um einen unerwartet hohen Bedarf von Plätzen abdecken zu können. Zur Sicherstellung dieser Platzkontingente seien langfristige Verträge mit Jugendhilfeträgern beziehungsweise langfristige Mietverträge erforderlich gewesen. Diese Verträge sowie die Notwendigkeit eines Sicherheitsdienstes hätten zu hohen Fixkosten geführt. Vergütet worden seien die belegten Plätze. Der Beigeladene zu 2. sei ein sog. Aufgriffsjugendamt gewesen. In den Jahren 2014 bis 2016 seien insgesamt 700 unbegleitete minderjährige Ausländer in Obhut genommen worden. Wegen fehlender Inobhutnahmeplätze seien vier Notunterkünfte geschaffen worden. Da eine Prognose bezüglich des weiteren Flüchtlingszustroms nicht möglich gewesen sei, hätten die Beigeladenen Platzkapazitäten schaffen und vorhalten müssen. Die höheren Kosten seien entstanden, als nach und nach weniger unbegleitete minderjährige Ausländer angekommen seien, aber dennoch die kostenintensive Rund-um-Betreuung und der Sicherheitsdienst gewährleistet hätten werden müssen. Der seitens des Beklagten herangezogene Vergleich zu einer dauerhaft betriebenen Jugendhilfeeinrichtung, in der regelmäßig auch alle Plätze belegt seien, mit einer Notunterkunft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die in größerer Zahl hätten vorgehalten werden müssen, sei daher unrichtig. Bei einer Gemeinschaftsunterkunft für erwachsene Flüchtlinge würden alle monatlich anfallenden Kosten der Einrichtung vom Staat getragen. Bei jugendhilferechtlichen Einrichtungen müssten die Kosten einer Person zugeordnet werden. Da die Beigeladenen an die abgeschlossenen Verträge gebunden gewesen seien, könne sich der Beklagte nicht auf den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit berufen. Der Beklagte habe erstmals nachträglich im April 2018 einen solchen Einwand erhoben. Es sei verfehlt, wenn sich der Beklagte an einem Durchschnittswert für dauerhaft betriebene Jugendhilfeeinrichtungen orientiere, da aufgrund der Sondersituation der Flüchtlingskrise eine dauerhafte Belegung nicht erfolgt sei. Wie willkürlich die Obergrenze von 250,00 EUR sei, zeige sich daran, dass seitens der Regierung von … eine Höhe von bis zu 500,00 EUR diskutiert werde. Anders als in Art. 8 Abs. 1 Satz 1 AufnG finde sich in Art. 52a AGSG kein Hinweis mehr auf die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Dass dies eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gewesen sei, verdeutliche die Genese der Vorschrift. Der damaligen Staatsregierung seien die Sorge und Nöte der Kommunen bei der Unterbringung der Flüchtlinge und die Notwendigkeit einer pragmatischen Lösung bekannt gewesen. Die damalige Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales habe im Schreiben vom 12. Mai 2015 ausgeführt, dass sie den Bund gebeten habe, die geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen unbürokratisch und pragmatisch auszulegen. Dieses Ansinnen habe der Bayerische Gesetzgeber mit Art. 52a AGSG umgesetzt. Es sei rechtssystematisch fehlerhaft, den in Art. 7 Bayerische Haushaltsordnung angesprochenen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit heranzuziehen, um jugendhilferechtlichen Bedarf von vornherein zu begrenzen. Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der Kinder- und Jugendhilfeleistungen ergäben sich nicht. Die Beigeladenen hätten die Beträge als Jugendhilfeleistungen in den Einrichtungen tatsachlich aufgewandt. Die Leistungen hätten neben Unterkunft und Verpflegung auch die pädagogische Versorgung sowie Aufwendungen für zusätzliche Leistungsbereiche, für die Schule oder Ausbildung sowie den Sicherheitsdienst umfasst. Der Beklagte könne die einzelnen Positionen nicht mit bloßen Hinweis auf den Grundsatz der „Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“ in Frage stellen. Weder der Kläger noch die Beigeladenen hätten aufgrund der politischen Versprechungen damit rechnen müssen, im Nachhinein mit einer „Kappungsgrenze“ konfrontiert zu werden. Darüber hinaus habe der Kläger bei der Erstattung der Kosten den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachtet. Die Regelungen zu den Entgeltvereinbarungen in §§ 78b ff. SGB VIII seien auf Leistungen für Inobhutnahmen nach § 42a SGB VIII nicht anwendbar. Gemäß § 78a Abs. 2 SGB VIII könne Landesrecht bestimmen, dass die §§ 78b bis 78g SGB VIII auch für Inobhutnahmen gelten. Eine landesrechtliche Regelung sei jedoch nicht erfolgt. Zur damaligen Zeit hätte auch keine günstigere Unterbringung der unbegleiteten minderjährigen Ausländer erfolgen können. Die betroffenen Kommunen seien aufgrund der Marktmacht der Anbieter nicht in der Lage gewesen, Wohnraum je nach konkretem Bedarf kurzfristig anzumieten beziehungsweise zu kündigen. Daher sei die personenkonzentrierte Abrechnung der Notunterkunftskosten als Abrechnung von Sachkosten der Hilfegewährung im Zuge der politisch geforderten Erhöhung der Platzkapazität zu sehen. Die Beweislast dafür, dass tatsächlich günstigere Unterkünfte zur Verfügung gestanden hätten, trage der Beklagte. Insgesamt sei der Kostenerstattungsanspruch des Klägers zu Unrecht gekürzt worden. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten hätten am 23. November 2018, 24. Mai 2019 und 20. Januar 2021 Verhandlungen stattgefunden.
7
Der Kläger beantragt unter sinngemäßer Auslegung in diesem Verfahren:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.239.732,71 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4% gemäß § 108 SGB X zu erstatten.
8
Der Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
9
Zur Begründung wurde vorgetragen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen nach Art. 52a AGSG nicht vorlägen. Da Art. 52a Abs. 1 Satz 2 AGSG auf die Vorschrift des § 89d SGB VIII rekurriert, sei das Vorliegen der materiellen und formellen Voraussetzungen dieses Kostenerstattungsanspruchs inzident zu prüfen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII seien für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum unstreitig. Streitig sei allein, in welcher Höhe der Kostenerstattungsanspruch bestehe. Gemäß § 89f Abs. 1 SGB VIII seien nur solche aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften des SGB VIII entsprochen habe. Ergänzt würden diese Grundsätze durch die unmittelbare Anwendung der §§ 108 Abs. 1, 109, 111-113 SGB X. Darüber hinaus sei die Einhaltung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gemäß Art. 7 BayHO Grundvoraussetzung für die Auszahlung von Haushaltsmitteln des Beklagten. Zu erstatten seien nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i.V.m. § 89f Abs. 1 SGB VIII die vom kostenerstattungsberechtigten Träger aufgewendeten Kosten. Diese umfassten gemäß § 109 Satz 1 SGB X nicht die Verwaltungskosten, sondern nur die Sachkosten der Hilfegewährung. Sachkosten seien Kosten, die einer eindeutig abgrenzbaren individuellen Hilfemaßnahme nach dem SGB VIII konkret zugeordnet werden könnten. Mangels konkret-individueller Zuordnung gehörten bloße Vorhaltekosten oder Restbetriebskosten nicht zu den erstattungsfähigen Kosten. Die Gewähr einer Jugendhilfemaßnahme gegenüber unbegleiteten minderjährigen Ausländern erfordere jedoch in jedem Einzelfall eine Entscheidung des Jugendhilfeträgers gegenüber dem jeweiligen Hilfeempfänger. Allein im Vorhalten von Unterbringungs- und Betreuungsmöglichkeiten liege noch keine konkret-individuelle Jugendhilfemaßnahme. Die von den Beigeladenen jeweils vereinbarten individuellen vertraglichen Rahmenbedingungen, zielten darauf ab, die einrichtungsbezogenen Fixkosten vollständig und belegungsunabhängig zu Gunsten des Betreibers zu amortisieren. Dadurch sei das Risiko von Mindereinnahmen durch teilweisen Leerstand der Jugendhilfeeinrichtung vollumfänglich auf den örtlichen Träger verlagert worden. Diese Verlagerung des Leerstandsrisikos widerspreche jedoch dem im SGB VIII und SGB X geregelten Erstattungssystem. Die von den Beigeladenen abgeschlossenen Verträge hätten weder den Regelungen des auf Landesebene bestehenden Rahmenvertrags im Sinne des § 78f SGB VIII, noch den Voraussetzungen für die Übernahme des Leistungsentgelts nach § 78 Abs. 1 SGB VIII entsprochen. Nach §§ 12 und 14 des Rahmenvertrages hätte die Entgeltberechnung anhand von Berechnungstagen erfolgen müssen, die durch die einrichtungsbezogenen Öffnungstage und durch die voraussichtliche Auslastungsquote ermittelt hätte werden müssen. Ohne Rechtspflicht sei durch den Beklagten dennoch der Versuch unternommen worden, eine Tagessatzkalkulation ex post nachzuvollziehen, um den Kläger und die Beigeladenen nicht völlig ohne Erstattung zu belassen. Unter Würdigung der besonderen Situation im Jahr 2015 sei festgelegt worden, dass in Fällen ohne Vereinbarung nach § 78b Abs. 1 SGB VIII zur Beurteilung der Angemessenheit von Tagessätzen ein Schnitt der Tagessätze der fünf teuersten regulären Inobhutnahmeeinrichtungen im Regierungsbezirk … gebildet werde. Beim Angebotstyp „Notunterbringung“ liege der durchschnittliche Tagessatz mit 150,00 EUR sogar unter den angebotenen 250,00 EUR. Die Kappungsgrenze in Höhe von 250,00 EUR diene einem legitimen Zweck unter Abwägung der verschiedenen Interessenlagen und der großen Herausforderungen in der fraglichen Zeit. Sie berücksichtige die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in ausreichender Weise. Das Abweichen der Beigeladenen von allgemeinen Vorgaben zur Entgeltvereinbarung und Kostenkalkulation hätte mangels eindeutiger Zuordenbarkeit der entstandenen Kosten ans sich bereits einen Ausschluss der Kostenerstattung gerechtfertigt. Dass sich der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Art. 52a AGSG bewusst von den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit abgewandt habe, ergebe sich weder aus dem Gesetz noch aus der Gesetzesbegründung. Die neu strukturierte Kostentragung habe lediglich unabhängig vom Aufenthaltsstatus des unbegleiteten minderjährigen Ausländers erfolgen sollen. Die Monierung von nicht hinreichend konkretisierter personenbezogener Kosten, die auf die seitens der Beigeladenen abgeschlossenen Verträge zurückzuführen seien, stelle weder den Versuch dar, die sozialpädagogische Einschätzung der Jugendhilfemaßnahme zu hinterfragen noch die jeweiligen Wirkungskreise zu vermengen. Der Beklagte handle bei der entsprechenden Überprüfung des Kostenerstattungsanspruchs in seinem gesetzmäßigen Wirkungskreis und Aufgabenbereich. Es würden weder jugendhilferechtliche Bedarfe in toto noch in Bezug auf Einzelpositionen in Frage gestellt oder von vornherein der Höhe nach begrenzt. Vielmehr seien die zur Erstattung geltend gemachten Kosten nicht nach den Regelungen des SGB VIII ermittelt worden. Es hätten keine rechtskonformen Entgeltvereinbarungen nach § 78b SGB VIII vorgelegen. Die vom BayVGH aufgestellte Regelvermutung zu Gunsten der Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit finde daher keine Anwendung.
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Mit Beschluss vom 21. Oktober 2024 wurde vom vorliegenden Verfahren das Verfahren insoweit abgetrennt, als Kostenerstattungsansprüche des Klägers betroffen sind, die Jugendhilfefälle der ursprünglich im Verfahren als Beigeladene zu 2. geführten Stadt … umfassen (streitgegenständliche Kürzungssumme 45.780,00 EUR). Dieses Verfahren wird unter dem Verfahren AN 6 K 24.2638 fortgeführt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte sowie auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Streitgegenständlich in diesem Verfahren sind allein die Kostenerstattungsansprüche des Klägers, die die Jugendhilfefälle des Beigeladenen zu 1. und des Beigeladenen zu 2. (ursprünglich Beigeladener zu 3.) betreffen, da das Verfahren im Übrigen durch Beschluss des Gerichts vom 21. Oktober 2024 abgetrennt wurde und unter dem Aktenzeichen AN 6 K 24.2638 fortgeführt wird. Dementsprechend war der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag des Klägers entsprechend dahingehend auszulegen, dass in diesem Verfahren lediglich die Kostenerstattungsansprüche die Beigeladenen zu 1. und zu 2. betreffend eingeklagt werden, § 88 VwGO.
13
Die als allgemeine Leistungsklage zulässige Klage ist insoweit begründet, als dem Kläger gemäß Art. 52a Abs. 1 AGSG ein Anspruch auf eine weitere Kostenerstattung in Höhe von 1.239.732,71 EUR gegen den Beklagten zukommt. Der Anspruch des Klägers richtet sich nicht nach Art. 7 Abs. 3 Satz 2 AufnG a.F., da diese Regelung gemäß Art. 10a AufnG a.F. nur auf Kosten anwendbar ist, die dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor dem 1. November 2015 entstanden sind (vgl. VG Augsburg, U.v. 16.06.2020 – Au 3 K 18.1530 – juris Rn. 18). Streitgegenständlich sind vorliegend, soweit ersichtlich, nur Kosten, die den Beigeladenen ab dem 1. November 2015 entstanden sind. Dies wurde seitens des Beklagten nicht bestritten.
14
Gemäß Art. 52a AGSG erstattet der Staat dem zuständigen Bezirk die Kosten der öffentlichen Jugendhilfe für unbegleitete Kinder und Jugendliche, die diesem nach § 89d Abs. 1 SGB VIIII entstehen.
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Im Rahmen des Art. 52a AGSG ist der jeweilige Kostenerstattungsanspruch der Beigeladenen gegenüber dem Kläger inzident zu prüfen (vgl. VG Augsburg, U.v. 16.06.2020 – Au 3 K 18.1530 – juris Rn. 19). Anspruchsgrundlage der Beigeladenen gegenüber dem Kläger ist § 89d Abs. 1 SGB VIII (vgl. § 42d Abs. 5 Satz 2 SGB VIII). Gemäß § 89d Abs. 1 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, vom Land zu erstatten, wenn innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet. Die Beigeladenen haben in den streitgegenständlichen Fällen minderjährigen unbegleiteten Ausländern Jugendhilfe in Form von Inobhutnahmen gewährt. Dass die Voraussetzungen des § 89d Abs. 1 SGB VIII (Monatsfrist, örtliche Zuständigkeit etc.) vorliegen, wird seitens des Beklagten nicht in Frage gestellt. Gegenteilige Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht aus den vorgelegten Akten.
16
Der Umfang der Kostenerstattung nach § 89d Abs. 1 SGB VIII ergibt sich aus § 89f SGB VIII. Gemäß § 89f Abs. 1 SGB VIII sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Dabei gelten die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden.
17
§ 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII statuiert das Gebot der Gesetzeskonformität der aufgewendeten Kosten (BVerwG, U.v. 22.06.2017 – 5 C 3/16 – juris Rn. 20). Dienen die Erstattungsansprüche der Realisierung der im SGB VIII materiell-rechtlich bestimmten Lastenverteilung zwischen verschiedenen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe, so beschränkt sich der Ausgleich im Grundsatz von vornherein auf solche Leistungen, die im Einklang mit den Bestimmungen dieses Gesetzes und denjenigen Grundsätzen erbracht wurden, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt wurden (BVerwG, U.v. 22.06.2017 – 5 C 3/16 – juris Rn. 20). Das Gebot der Gesetzeskonformität der aufgewendeten Kosten zielt darauf ab, zum einen sicherzustellen, dass der erstattungsberechtigte Jugendhilfeträger bei der Leistungsgewährung nicht in Erwartung einer Erstattungsleistung die durch das SGB VIII gezogenen Grenzen überschreitet, und zum anderen den erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger davor zu bewahren, Aufwendungen für solche Leistungen zu erstatten, die bei ordnungsgemäßer Leistungsgewährung nach Art oder Umfang so nicht hätten erbracht werden müssen (BVerwG, U.v. 13.06.2013 – 5 C 30/12 – juris Rn. 14). Das Gebot der Gesetzeskonformität der aufgewendeten Kosten verlangt bereits nach seinem Wortlaut nicht, dass die Leistungsgewährung in jeder Hinsicht objektiv rechtmäßig gewesen ist, und ist beschränkt auf die Vorschriften des Achten Buches Sozialgesetzbuch (BVerwG, U.v. 29.06.2006 – 5 C 24/05 – juris Rn. 16). Der Kostenerstattung begehrende Träger hat bei der Leistungsgewährung die rechtlich gebotene Sorgfalt anzuwenden, zu deren Einhaltung er in eigenen Angelegenheiten gehalten ist; der auf Erstattung in Anspruch genommene Jugendhilfeträger kann eine darüber hinausgehende Prüfung der Leistungsvoraussetzungen nicht verlangen und daher eine Erstattung nicht verweigern, wenn auch er selbst die angefallenen Kosten nicht hätte vermeiden können, weil er nach dem im Zeitpunkt der Entscheidung über die Hilfegewährung gegebenen Erkenntnisstand nicht anders gehandelt hätte (BVerwG, U.v. 29.06.2006 – 5 C 24/05 – juris Rn. 16). Dass dem Gebot der Gesetzeskonformität entsprochen ist, wenn der Kostenerstattung begehrende Jugendhilfeträger vernünftigerweise nicht anders als tatsächlich geschehen handeln konnte und dies auch für den auf Erstattung in Anspruch genommenen Jugendhilfeträger gilt, entspricht zudem einer sachgerechten Lastenverteilung bei einem Handeln unter Bedingungen von Ungewissheit (BVerwG, U.v. 29.06.2006 – 5 C 24/05 – juris Rn. 17). Da gerade bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern sofortiger Handlungsbedarf besteht, kann dem für die Leistungsgewährung zuständigen Jugendhilfeträger für die Gesetzeskonformität im Erstattungsrechtsverhältnis nur abverlangt werden, dass er die Entscheidung über die Leistungsgewährung auf der Grundlage der ihm im Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung stehenden, erreichbaren Informationen mit der ihm objektiv abzuverlangenden, von ihm auch in eigenen Angelegenheiten aufgewendeten Sorgfalt trifft (BVerwG, U.v. 29.06.2006 – 5 C 24/05 – juris Rn. 17). Die Entscheidung über die individuell erforderlichen Hilfemaßnahmen ist dabei vom erstattungsberechtigten Träger in eigener Verantwortung zu treffen; dessen Einschätzung und Beurteilungsspielraum ist für den erstattungspflichtigen Träger verbindlich (BayVGH, B.v. 12.08.2014 – 12 B 14.805 – juris Rn. 34). Die Darlegungs- und Beweisführungslast für das Vorliegen einer (beachtlichen) Rechtswidrigkeit der Hilfe liegt allein beim kostenerstattungspflichtigen Träger (BayVGH, B.v. 12.08.2014 – 12 B 14.805 – juris Rn. 34).
18
Dass die Voraussetzungen für die Hilfegewährung in Form der Inobhutnahme nach § 42a SGB VIII und § 42 SGB bezüglich der jeweiligen Jugendhilfefälle vorlagen und der konkrete Umfang der Hilfe erforderlich war, wird seitens des Beklagten nicht in Frage gestellt. Anhaltspunkte dafür, die insoweit für eine Rechtswidrigkeit der Hilfegewährung sprechen, drängen sich für das Gericht auch unter Berücksichtigung der seitens der Beteiligten vorgelegten Behördenakten nicht auf.
19
Entgegen der Auffassung des Beklagten entsprechen auch die seitens der Beigeladenen abgerechneten Tagessätze dem Gebot der Gesetzeskonformität im Sinne des § 89f Abs. 1 SGB VIII. Dass eine Umrechnung der monatlichen Kosten für eine jugendhilferechtliche Einrichtung auf die jeweils in der Einrichtung untergebrachten unbegleiteten minderjährigen und ein damit verbundener variabler Tagessatz die Grenzen des SGB VIII überschreitet, ergibt sich für das Gericht nicht.
20
Dass die von den Beigeladenen abgeschlossenen Verträge mit den Trägern der freien Jugendhilfe nicht den seitens der Beklagten vorgelegten Rahmenverträgen entsprechen, ist unschädlich, da die Rahmenverträge auf Inobhutnahmen nach §§ 42, 42a SGB VIII nicht anwendbar sind (vgl. § 2 Abs. 2 Rahmenvertrag). Weiter kommt es nicht darauf an, ob die abgeschlossenen Verträge und die gewählte Berechnung der Tagessätze den §§ 78a ff. SGB VIII entsprechen, da auch diese Vorschriften gemäß § 78a SGB VIII nicht anwendbar sind. Von der Möglichkeit nach § 78a Abs. 2 SGB VIII, mittels Landesrecht die §§ 78b ff. SGB VIII für anwendbar zu erklären, wurde in Bayern nicht Gebrauch gemacht. Darüber hinaus ergibt sich aus den §§ 78b ff. SGB VIII kein absolutes Gebot, eine Entgeltberechnung anhand von so genannten Berechnungstagen, die wiederum durch die einrichtungsbezogenen Öffnungstage und durch die voraussichtliche Auslastungsquote ermittelt werden, vorzunehmen. Selbst § 12 des Rahmenvertrags, der eine Entgeltberechnung nach Berechnungstagen grundsätzlich vorsieht, lässt abweichende Vereinbarungen in Ausnahmefällen zu, vgl. § 12 Abs. 4 Rahmenvertrag.
21
Da die §§ 78b ff SGB VIII vorliegend nicht einschlägig sind, ist auf § 77 Abs. 1 SGB VIII zurückzugreifen (vgl. BVerwG, U.v. 11.07.2013 – 5 C 24/12 – juris Rn. 46; a.A. wohl Janda, in: Rolfs/Jox/Wellenhofer, beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand August 2024, § 77 SGB VIII Rn. 3 und Schindler/Elmauer, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 8. Aufl. 2022, § 77 Rn. 1, die den Anwendungsbereich des § 77 SGB VIII auf ambulante Leistungen beschränkt sehen). § 77 SGB VIII enthält selbst keine konkreten Vorgaben für die einzelnen Entgeltvereinbarungen. Jedenfalls sind aber die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten, da nur unter der Beachtung dieser Grundsätze eine Vergütung für die Leistung eines freien Trägers angemessen sein kann (vgl. VG München, U.v. 30.04.2014 – M 18 K 12.6299 – juris Rn. 26, 31; VG Augsburg, B.v. 13.09.2001 – Au 3 E 01.1147 – juris Rn. 19; Janda, in: Rolfs/Jox/Wellenhofer, beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand August 2024, § 77 SGB VIII Rn. 31; Winkler, in: Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, BeckOK Sozialrecht, Stand September 2024, § 1 SGB VIII Rn. 10a). Eine Vereinbarung ist dann als wirtschaftlich anzusehen, wenn zwischen der angebotenen Leistung und dem hierfür geforderten Entgelt ein ausgewogenes Verhältnis besteht (vgl. BVerwG, U.v. 01.12.1998 – 5 C 29/97 – juris Rn. 11). Im Rahmen der Wirtschaftlichkeit wird zum einen das vereinbarte Entgelt mit anderen Einrichtungen, die eine vergleichbare Leistung anbieten, verglichen (externer Vergleich). Zum anderen wird überprüft, inwiefern die einzelnen Kalkulationsposten einer betriebswirtschaftlichen Kalkulation entsprechen (interner Vergleich) (vgl. Kilz, in: Rolfs/Jox/Wellenhofer, beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand August 2024, § 78 SGB VIII Rn. 32 ff.). Das Gebot der Sparsamkeit soll die Anerkennung unnötiger Kosten verhindern und zwingt den öffentlichen Träger, unter geeigneten Mitteln nach dem Gesichtspunkt der Kostengünstigkeit auszuwählen (vgl. BVerwG, U.v. 01.12.1998 – 5 C 29/97 – juris Rn. 13). Neben dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit muss aber auch die Gesamtverantwortung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe für eine bedarfsgerechte, effiziente und effektive Hilfe für Kinder und Jugendliche beachtet werden (Schindler/Elmauer, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 8. Aufl. 2022, § 77 Rn. 6).
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Inwiefern die seitens der Beigeladenen abgeschlossenen Verträge dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entsprechen, ist im Hinblick auf die im Rahmen des § 89f Abs. 1 SGB VIII geltenden Maßstäbe (s.o.) nur dahingehend zu überprüfen, ob die Beigeladenen die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten beachtet oder in Erwartung einer Erstattung die Grenzen des SGB VIII überschritten haben. Dabei kommt es auch darauf an, ob der Kläger beziehungsweise der Beklagte als jeweils Erstattungspflichtige die angefallenen Kosten vermeiden hätten können, indem sie eine wirtschaftlichere oder sparsamere Unterbringung der unbegleiteten minderjährigen Ausländer organisieren hätten können.
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Der Beklagte hat nicht vorgetragen, dass einzelne Verträge, die der Beigeladene zu 1. selbst abgeschlossen hat oder die Kosten, die die freien Träger als Betreiber der Unterkünfte in ihre Tagessatzkalkulation eingestellt haben, nicht dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit oder Sparsamkeit entsprechen. Aus den seitens der Beteiligten vorgelegten Akten ergeben sich hierfür auch keine Anhaltspunkte. Der Beklagte beschränkt sich vielmehr darauf vorzubringen, dass die seitens der Beklagten gewählte Umrechnung der monatlichen Kosten auf die jeweils untergebrachten unbegleiteten minderjährigen Ausländer und die damit verbundene vollständige Übernahme des Risikos einer Nichtbelegung von Plätzen durch den öffentlichen Träger unwirtschaftlich und nicht sparsam sei. Zwar ist dem Beklagten insoweit zuzustimmen, dass die aus dieser Berechnung im Einzelfall folgenden Tagessätze von bis zu 497,71 EUR im Falle des Beigeladenen zu 1. und bis zu 595,00 EUR im Falle des Beigeladenen zu 2. von den in der Kinder- und Jugendhilfe üblichen Tagessätzen abweichen. Allerdings bestimmt § 89f Abs. 1 Satz 2 SGB VIII, dass das Gebot der Gesetzeskonformität der Kosten von den Grundsätzen determiniert wird, die im Zeitpunkt des Tätigwerdens angewandt wurden. Daher ist bei der Frage, inwiefern die seitens der Beigeladenen herangezogene Berechnung der Tagessätze gesetzeskonform im Sinne des § 89f Abs. 1 SGB VIII ist, die besondere Situation hinsichtlich unbegleiteter minderjähriger Ausländer in den Jahren 2015 und 2016 zu berücksichtigen. Die Beigeladenen hatten den ausdrücklichen Auftrag seitens des Ministeriums, entsprechende Notunterkunftsplätze in kürzester Zeit zu schaffen, wie sich nachdrücklich aus dem Schreiben der damaligen Staatsministerin für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 31. Juli 2015 ergibt, demzufolge für 2015 mit mindestens 10.000 Neuzugängen zu rechnen sei und daher alle Landkreise und kreisfreie Städte ihre Platzkapazitäten ausbauen müssten. Wie viele unbegleitete minderjährige Ausländer tatsächlich unterzubringen sind, war damit unter Zugrundelegung einer objektivierten ex-ante-Betrachtung kaum absehbar. Damit war aber die seitens des Beklagten geforderte Berechnung der Tagessätze anhand einer Auslastungsquote nicht ohne weiteres umsetzbar, da eine entsprechende Auslastungsquote aufgrund der volantilen Situation nicht sinnvoll bestimmbar und im Verhältnis zu den jeweiligen Leistungserbringern kaum durchsetzbar gewesen wäre. Vielmehr erscheint für das Gericht gut nachvollziehbar, dass mangels geeigneter Alternativen ein entsprechender Vertragsschluss für die Beigeladenen faktisch durch äußere Umstände erzwungen wurde. Damit verbietet sich aus Sicht des Gerichts auch der seitens des Beklagten vorgenommene Vergleich mit Jugendhilfeeinrichtungen, die inländische Minderjährige aufnehmen, da in diesen Fällen ein konkreter regionaler Bedarf aufgrund früherer Erfahrungen abschätzbar ist. Hinzu kommt, dass im Bereich der „inländischen“ Kinder- und Jugendhilfe grundsätzlich nicht ad hoc eine Vielzahl an neuen Unterbringungsplätze geschaffen werden muss. Die besonderen Anforderungen (vgl. VG Karlsruhe, U.v. 12.07.2005 – 5 K 281/04 – juris Rn. 29 ff.) und der akute Handlungsbedarf (BVerwG, 29.06.2006 – 5 C 24/05 – juris Rn. 17), der mit der Unterbringung und Betreuung unbegleiteter minderjähriger Ausländer einhergeht, muss im Rahmen der Beurteilung, inwiefern Kosten gesetzeskonform im Sinne von § 89f SGB VIII entstanden sind, berücksichtigt werden. Dass sich die freien Träger der Jugendhilfe in dieser besonderen Situation nicht auf die übliche Berechnung der Tagessätze eingelassen haben, ist für das Gericht aus den genannten Gründen jedenfalls nachvollziehbar. Aus Sicht des Gerichts ist auch die Anzahl der seitens der Beigeladenen geschaffenen Plätze jedenfalls nicht als derart zu hoch anzusehen, dass die Grenzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit als überschritten anzusehen sind. Angesichts dessen, dass Notunterkünfte für die 2015, 2016 und 2017 erwarteten unbegleiteten minderjährigen Ausländer nicht in ausreichender Zahl vorhanden waren, aber in kürzester Zeit geschaffen werden mussten, hatten die Beigeladenen zum damaligen Zeitpunkt keine große Auswahl beispielsweise hinsichtlich der Räumlichkeiten oder den Betreibern der Einrichtungen. Um dennoch freie Träger für den Betrieb einer Notunterkunft zu gewinnen, mussten die Beigeladenen diesen zwangsläufig bei den Kosten der Unterbringung und der Risikoverteilung entgegenkommen – zumal die Verträge zunächst jeweils nur für ein Jahr abgeschlossen wurden, was für die Planung und Organisation der freien Träger insbesondere hinsichtlich des benötigten pädagogischen Personals jedenfalls ein Nachteil darstellt. Darüber hinaus haben die Beigeladenen auf den im Laufe der Zeit abnehmenden Bedarf an Plätzen für unbegleitete minderjährige Ausländer mit unterschiedlichen Maßnahmen, z.B. die Schließung von Wohngruppen reagiert, um die Kosten so gering wie möglich zu halten.
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Entgegen des Beklagten handelt es sich bei den geltend gemachten Kosten auch nicht um Verwaltungskosten im Sinne von § 109 SGB X. Aufgewendete Kosten im Sinne des § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind die Ausgaben eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, die eindeutig abgrenzbar einer bestimmten Jugendhilfemaßnahme individuell konkret zugeordnet werden können. Hierunter fällt grundsätzlich auch ein Entgelt, das einem Träger der öffentlichen Jugendhilfe von einem Träger der freien Jugendhilfe für die diesem im Einklang mit dem Gesetz übertragene Durchführung einer Aufgabe in Rechnung gestellt wird (BVerwG, U.v. 22.10.2009 – 5 C 16/08 – juris Rn. 20). Zu den hiervon zu unterscheidenden Verwaltungskosten im Sinne des § 109 Satz 1 SGB X gehören demgegenüber alle Aufwendungen, die ein Träger der öffentlichen Jugendhilfe für Personal und Sachmittel aufbringt, um einen funktionsfähigen Dienstleistungsapparat vorzuhalten. Sie dienen der Finanzierung des Personal- und Sachaufwandes, der losgelöst von einer konkret-individuellen Maßnahme abstrakt und generell im Hinblick auf die übertragenen Aufgaben im Rahmen des alltäglichen Verwaltungsbetriebes kontinuierlich entsteht und auch sonst nicht einzelnen Maßnahmen zugeordnet werden kann. Sie sind aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungsökonomie von der Erstattung ausgeschlossen, um Streitigkeiten über Kosten zu vermeiden, die bezogen auf einen einzelnen Verwaltungsvorgang häufig nur einen geringen Betrag ausmachen und schwer feststellbar sind, sodass sie der erstattungsberechtigte Träger nur schwer spezifizieren und der erstattungspflichtige Träger sie nur schwer auf ihre Berechtigung überprüfen kann (BVerwG, U.v. 22.10.2009 – 5 C 16/08 – juris Rn. 22; BVerwG, U.v. 22.10.1992 – 5 C 23/89 – juris Rn. 15). Es liegen keine Verwaltungskosten vor, wenn das Entgelt dazu dient, einen zusätzlichen und gesondert abgrenzbar, außerhalb des dem Kläger zur Verfügung stehenden Verwaltungsapparats entstehenden Personal- und Sachaufwand zu decken (BVerwG, U.v. 22.10.2009 – 5 C 16/08 – juris Rn. 23).
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Das seitens des Beigeladenen zu 2. gezahlte Entgelt an den freien Träger lässt sich ohne weiteres von den Kosten abgrenzen, die die eigene Verwaltung des Beigeladenen zu 2. verursacht. Dies folgt bereits daraus, dass die Zahlung an eine externe außerhalb der Verwaltung des Beigeladenen zu 2. stehende Stelle gezahlt wird. Gleiches gilt für die Verträge, welche der Beigeladene zu 1. mit dem freien Jugendhilfeträger abgeschlossen hat. Aber auch die weiteren Kosten, welche der Beigeladene zu 1. auf die einzelnen untergebrachten Jugendlichen umgerechnet hat (Mietkosten, Kosten für Reparaturen und Inventar, Kosten des Sicherheitsdienstes etc.), sind von den eigenen Verwaltungskosten eindeutig abgrenzbar. Die erforderliche individuelle Zuordenbarkeit und damit die Erstattungsfähigkeit werden auch nicht dadurch infrage gestellt, dass es sich bei den geltend gemachten Kosten letztlich um einen Pauschalbetrag handelt (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2009 – 5 C 16/08 – juris Rn. 24). Die Gesamtkosten der Notunterkunft können ohne Weiteres der jeweiligen Jugendhilfemaßnahme und dem jeweils in Obhut genommenen minderjährigen Ausländer zugeordnet werden. Das seitens des Beklagten zitierte Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu so genannten „Restbetriebskosten“ lässt sich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen. In diesem Fall wurden verschiedene Personal- und Sachkosten, die für den Betrieb von Kindertagesstätten aufgewendet wurden, vollständig losgelöst von der jeweiligen Belegung als erstattungsfähige Kosten geltend gemacht (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2014 – 12 ZB 11.1417 – juris Rn. 25), so dass letztlich eine Zuordnung zu dem konkreten Jugendhilfefall nicht möglich war. Durch die streitgegenständliche Abrechnung der Beigeladenen ist aber durchaus erkennbar, welche Kosten eine konkrete Inobhutnahme jeweils verursacht hat.
26
Über die bisherige Prüfung hinaus ist auch nicht erkennbar, dass die Beigeladenen gegenüber dem Kläger beziehungsweise letztlich dem Beklagten den kostenrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz verletzt haben. Der den Grundsatz von Treu und Glauben konkretisierende kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz begründet die Pflicht des erstattungsberechtigten Sozialleistungsträgers, bei der Leistungsgewährung die rechtlich gebotene Sorgfalt anzuwenden, zu deren Einhaltung er in eigenen Angelegenheiten gehalten ist, und sich bei der Gewährung von Leistungen ungeachtet einer etwaigen Einstandspflicht eines anderen Trägers so zu verhalten, als verbliebe die Kostenlast endgültig bei ihm selbst. In Umsetzung dieser Grundsätze ist der erstattungsberechtigte Träger gehalten, bei der Leistungsgewährung auch die Interessen des erstattungspflichtigen Trägers zu wahren und im Vorfeld einer Erstattung darauf hinzuwirken, dass der Anspruch gegenüber dem Erstattungspflichtigen gar nicht erst entsteht oder jedenfalls der erstattungsfähige Aufwand gering ausfällt. (BVerwG, U.v. 22.06.2017 – 5 C 3/16 – juris Rn. 25; BVerwG, U.v. 13.06.2013 – 5 C 30/12 – juris Rn. 19). Die seitens des Beklagten vorgetragenen Aspekte der nicht gesetzeskonformen Abrechnung der Kosten und der fehlenden Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit wurden bereits im Rahmen der Gesetzeskonformität der Aufgabenerfüllung geprüft. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Darüber hinaus trägt der Beklagte nichts vor und ergeben sich für das Gericht auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladenen die rechtlich gebotene Sorgfalt bei der Leistungsgewährung nicht eingehalten hätten.
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Für das Gericht ergeben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass in den einzelnen Erstattungsfällen die Ausschlussfrist nach § 111 SGB X nicht eingehalten wurde. Gemäß § 111 Satz 1 SGB X ist der Erstattungsanspruch ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. § 111 SGB X findet im Rahmen der Erstattungsansprüche nach §§ 89a ff. SGB VIII auch insoweit Anwendung, als dass es um Inobhutnahmen geht (BVerwG, U.v. 17.12.2015 – 5 C 9/15 – juris Rn. 8 ff.; Schweigler, in: Rolfs/Jox/Wellenhofer, beckonline.GROSSKOMMENTAR, Stand August 2024, § 89f Rn. 22). Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass jedenfalls in den Fällen der Fallgruppe 3 (Einreise der unbegleiteten minderjährigen Ausländer ab dem 1. November 2015) die Ausschlussfrist nach § 111 SGB X geprüft worden sei. Der Beklagte hat in keinem der streitgegenständlichen Kostenerstattungsfälle dieser Fallgruppe die Einhaltung der Ausschlussfrist angezweifelt, so dass sich dem Gericht eine Nachprüfung der einzelnen Fälle auch unter Berücksichtigung der Amtsermittlungspflicht nach § 86 VwGO nicht aufdrängt. Nach der erfolgten Abtrennung sind im vorliegenden Verfahren darüber hinaus noch acht Jugendhilfefälle der Fallgruppe 2 (Einreise vor dem 1. November 2015, Kostenentstehung ab dem 1. November 2015) aus dem Bereich des Beigeladenen zu 2. streitgegenständlich. Auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, dass sich das Vertrauen des Beklagten im Hinblick auf die Einhaltung der Ausschlussfrist nur auf die Fallgruppe 3 beziehe, ergeben sich für das Gericht aus den nach mehrfacher gerichtlicher Aufforderung vorgelegten Akten der Beteiligten keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ausschlussfrist des § 111 SGB X nicht eingehalten wurde. Die Einhaltung der Ausschlussfrist wurde auch im Rahmen der Kostenerstattungsfälle der Fallgruppe 2 während des Erstattungsverfahrens seitens des Beklagten in keiner Weise problematisiert, obwohl sich aus den vorgelegten Akten ergibt, dass im Übrigen durchaus eine detaillierte Prüfung der einzelnen Kostenerstattungsansprüche stattfand. Aus Sicht des Gerichts ergeben sich vielmehr aus den vorgelegten Akten ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Beigeladene zu 2. auch die Kostenerstattungsansprüche der Fallgruppe 2 rechtzeitig im Sinne des § 111 SGB X beim Kläger angemeldet hat. An das Geltendmachen im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X dürfen keine überzogenen formalen oder inhaltlichen Anforderungen gestellt werden, solange der Wille des Erstattungsberechtigten, zumindest rechtssichernd tätig zu werden, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls der Erklärung deutlich erkennbar zugrunde liegt (BVerwG, U.v. 19.08.2010 – 5 C 14/09 – juris Rn. 22). Geringere inhaltliche Anforderungen gelten insbesondere, wenn der Erstattungsanspruch, was grundsätzlich zulässig ist, vor seiner Entstehung geltend gemacht wird. In einem derartigen Fall ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn die Angaben über Art und Umfang der künftigen Leistungen allgemein unter Verwendung der Kenntnisse gemacht werden, die im Zeitpunkt des Geltendmachens vorhanden sind (BVerwG, U.v. 19.08.2010 – 5 C 14/09 – juris Rn. 22). Aus der vorgelegten Akte Nr. … „…“ des Klägers ergibt sich, dass der Beigeladene zu 2. mit Schreiben vom 5. November 2015, eingegangen beim Bezirk am 6. November 2015 einige Fälle der Fallgruppe 2 beim Kläger zur Kostenerstattung verbindlich angemeldet hat. Zwar befinden sich auf der angefügten Liste nicht alle vorliegend betroffenen acht Jugendhilfefälle. Die Liste ist aber auch nicht vollständig abgedruckt. Jedenfalls aber ergibt sich für das Gericht aus diesem Schreiben, dass eine Anmeldung der Kostenerstattung bezüglich der unbegleiteten minderjährigen Ausländer grundsätzlich frühzeitig zu Beginn der Leistungsgewährung erfolgte. Anhaltspunkte, dass dies nicht in allen der acht streitgegenständlichen Fälle erfolgte, wurden weder seitens des Beklagten vorgetragen, noch sind solche für das Gericht erkennbar. Eine weitere Aufklärung der Umstände drängt sich dem Gericht nach den Umständen des Einzelfalls daher nicht auf (vgl. BVerwG, B.v. 02.08.2024 – 3 B 17 /24 – juris Rn. 11).
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Über die inzidente Prüfung des Kostenerstattungsanspruchs der Beigeladenen gegen den Kläger nach §§ 89d, 89f SGB VIII hinaus bestimmt Art. 52a Abs. 1 AGSG, dass nur Kosten der öffentlichen Jugendhilfe für unbegleitete ausländische Kinder und Jugendliche erstattet werden. Seitens des Beklagten wurde nicht in Frage gestellt, dass die vorliegend geltend gemachten Kosten für die Leistung von Jugendhilfe für unbegleitete ausländische Kinder und Jugendliche entstanden sind. Da sich auch aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Beteiligten keine gegenteiligen Anhaltspunkte ergeben, sieht das Gericht keine Veranlassung, diesbezügliche weitere Aufklärungsmaßnahem zu ergreifen. Darüber hinaus enthält Art. 52a AGSG keine weiteren Tatbestandsvoraussetzungen oder Einschränkungen hinsichtlich des Anspruchsumfangs. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, nach der der Staat dem zuständigen Bezirk die Kosten der öffentlichen Jugendhilfe für unbegleitete ausländische Kinder und Jugendliche erstattet, „die diesem nach § 89d Abs. 1 SGB VIII entstehen“. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ist zwar ein allgemeiner Grundsatz der Haushaltsführung (vgl. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayHO). Er kann aber nicht allgemein einem gesetzlich normierten Anspruch entgegengehalten werden. Zudem ist im Rahmen des Anspruchs der Beigeladenen gegen den Kläger die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Kosten geprüft worden. Daher muss der Beklagte dem Kläger gemäß Art. 52a Abs. 1 AGSG grundsätzlich die Kosten der öffentlichen Jugendhilfe für unbegleitete ausländische Kinder und Jugendliche in gleichem Umfang erstatten, wie die Beigeladenen einen Anspruch gegenüber dem Kläger auf Kostenerstattung nach §§ 89d, 89f SGB VIII haben. Wie ausgeführt, haben die Beigeladenen gegenüber dem Kläger einen Anspruch auf Erstattung auch insoweit, als die geltend gemachten Kosten für den einzelnen Jugendhilfefall einen höheren Tagessatz als 250,00 EUR beinhalten. Damit hat der Kläger gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Erstattung von weiteren 1.239.732,71 EUR. Nach den in den Beiakten befindlichen Übersichten des Klägers und des Beklagten ist dies der Betrag, der im Bereich der Beigeladenen zu 1. und zu 2. auf der durch den Beklagten vorgenommenen Kürzung der Tagessätze auf 250,00 EUR beruht.
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Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zinsen in Höhe von 4% nach § 108 SGB X zu, da diese Regelung nur für Ansprüche nach dem Sozialgesetzbuch selbst Anwendung findet. Darüber hinaus findet § 108 Abs. 2 SGB X nur Anwendung auf Ansprüche von Jugendhilfeträgern gegenüber anderen Leistungsträgern und nicht auf Ansprüche innerhalb von Jugendhilfeträgern (Roller, in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 108 Rn. 7). Wenn man also nicht bereits den Anwendungsbereich des § 108 SGB X auf den Anspruch des Klägers gegen den Beklagten aus Art. 52a Abs. 1 AGSG generell verneint, ist er dennoch nicht einschlägig, weil sich der Kläger und der Beklagte vorliegend als Träger der Jugendhilfe gegenüberstehen (vgl. Art. 24 Abs. 1 Satz 1 AGSG).
30
Dem Kläger steht jedoch ein Anspruch auf Prozesszinsen jedenfalls in Höhe von 4% in sinngemäßer Anwendung des § 291 Satz 1 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zu (vgl. BVerwG, U.v. 23.01.2014 – 5 C 8/13 – juris Rn. 22 f.). Die Höhe des Zinsanspruchs beträgt gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Hiernach wäre ein Zinsanspruch für die Jahre 2021 und 2022 in Höhe von 4,12%, für das Jahr 2023 in Höhe von 6,62% und im Jahr 2024 in Höhe von 8,12% gegeben. Es wurden jedoch lediglich Zinsen in Höhe von 4% beantragt. Da das Gericht nicht über das Klagebegehren hinausgehen darf (vgl. § 88 VwGO), ist lediglich ein Zinsanspruch in Höhe von 4% zuzusprechen gewesen.
31
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 Halbs. 2 VwGO.