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VG Würzburg, Beschluss v. 15.02.2024 – W 1 K 24.30044
Titel:

zum zureichenden Grund für die Nichtbescheidung im Asylverfahren

Normenketten:
VwGO § 75
AsylG § 24 Abs. 4
Leitsatz:
Kommt das Bundesamt seiner Informations- und Unterrichtungspflicht über die Gründe für die Überschreitung der gesetzlich vorgesehenen Entscheidungsfrist nicht nach, kann das Bundesamt, auch wenn objektiv entsprechende Gründe vorgelegen haben, nicht auf einen zureichenden Grund für die Nichtbescheidung berufen. (Rn. 4 – 6) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Entscheidungsfrist, Nichtbescheidung, Informationspflicht, Unterrichtungspflicht, zureichender Grund
Fundstelle:
BeckRS 2024, 3874

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

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1. Die Beteiligten haben das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Verfahren ist daher in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Zudem fallen grundsätzlich im Falle des § 75 VwGO stets die Kosten der Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Beklagte einen zureichenden Grund für die Nichtbescheidung hatte und dem Kläger dieser Grund bekannt war oder bekannt sein musste (BVerwG, B.v. 23.7.1991 – 3 C 56/90 – NVwZ 1991, 1180/1181).
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Gemessen daran sind die Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen.
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1.1 Der Kläger durfte vorliegend mit einer Bescheidung seines Asylantrags vor Klageerhebung rechnen. Dies ergibt sich bereits aus der Regelung des § 24 Abs. 4 Satz 1 AsylG, wonach die Beklagte im Regelfall binnen sechs Monaten gerechnet ab der förmlichen Asylantragstellung i.S.v.§ 14 Abs. 1 AsylG über einen Asylantrag zu entscheiden hat. Die Beklagte hat über den förmlichen Asylantrag des Klägers vom 16. Dezember 2022 indes erst durch Erlass des Bescheids vom 17. Januar 2024 und damit nach Ablauf der gemäß § 24 Abs. 4 Satz 1 AsylG vorgegebene Entscheidungsfrist von sechs Monaten – sowie nach Klageerhebung am 10. Januar 2024 – entschieden.
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1.2 Darüber hinaus kann sich die Beklagte auch nicht auf einen zureichenden Grund für die Nichtbescheidung berufen, der dem Kläger zudem bekannt war oder bekannt sein musste.
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Soweit die Beklagte das Vorliegen eines zureichenden Grundes für die Überschreitung der Entscheidungsfrist i.S.d. § 75 Satz 1 VwGO, § 24 Abs. 4 Satz 2 AsylG mit einem pauschalen Verweis auf die lange Bearbeitungsdauer der physikalisch-technischen Dokumentenprüfung begründen will, die aufgrund der gestiegenen Asylbewerberzugänge und dem damit verbundenen erhöhten Verwaltungsaufwand derzeit mehrere Monate in Anspruch nehme, sind aus Sicht des Gerichts gewisse Zweifel angebracht, ob dieser substanzlosen Vortrag genügt, um einen Fall des § 24 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 AsylG anzunehmen.
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Doch selbst im Falle der Annahme, dass die Beklagte sich vorliegend auf einen zureichenden Grund für die Überschreitung der gesetzlich vorgesehenen Entscheidungsfrist berufen könnte, war dem Kläger dieser Grund weder bekannt noch hätte er ihm bekannt sein müssen. Denn die Beklagte hat weder eine hierauf gestützte ausdrückliche Verlängerungsentscheidung gemäß § 24 Abs. 4 Satz 2 und 3 AsylG getroffen noch den Kläger gemäß § 24 Abs. 8 AsylG darüber unterrichtet, dass innerhalb von sechs Monaten seit förmlicher Antragstellung keine Entscheidung ergehen kann.
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Sofern die Beklagte meint, dass die Gründe für die Verzögerung für den Kläger erkennbar gewesen seien, da ihm die Einreichung der zu prüfenden Personaldokumente bekannt gewesen sei, überzeugt dies das Gericht nicht. Denn zum einen kann vernünftiger Weise von einem Asylantragsteller nicht erwartet werden, dass er die Bearbeitungsdauer derlei rein behördeninternen Vorgänge einzuschätzen vermag. Zum anderen soll gerade die in § 24 Abs. 8 AsylG normierte Pflicht der Beklagten, einen Asylbewerber von Amts wegen (und nicht erst auf dessen Antrag) über die Verzögerung zu informieren und ihn auf sein Verlangen über die Gründe für die Verzögerung und den zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen mit einer Entscheidung zu rechnen ist, zu unterrichten, dem betroffenen Asylbewerber Klarheit verschaffen, wie lange voraussichtlich die Dauer seines Asylverfahrens sein wird. Vor diesem Hintergrund kann es dem Kläger nicht entgegengehalten werden, wenn die Beklagte – wie vorliegend – ihrerseits ihrer Informations- und Unterrichtungspflicht nicht nachkommt.
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2. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).