Titel:
Verurteilung wegen Untreue: Entfernung eines Beamten aus dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit als Realschuldirektor
Normenketten:
BeamtStG § 33, § 34, § 47
BayDG Art. 11, Art. 14, Art. 25 Abs. 1
StGB § 185, § 266
Leitsätze:
1. Die Strafandrohung in § 266 StGB "mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe", wodurch der Gesetzgeber einen allgemeinen Unwertgehalt des Verhaltens zum Ausdruck gebracht hat, eröffnet einen Orientierungsrahmen bis zur Höchstmaßnahme. Diesbezüglich bedarf es (noch) keiner Berücksichtigung des Charakters innerdienstlichen Handelns und der Frage der Verwirklichung eines besonders schweren Falls. (Rn. 62) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Ausschöpfung des maßgeblich in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn dies auch dem Schweregehalt des vom Beamten konkret begangenen Dienstvergehens entspricht. Dabei verbietet sich ein wie auch immer gearteter Schematismus. Hierbei bedarf es jeweils einer Betrachtung der Umstände des Einzelfalls. (Rn. 63) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Höhe des Gesamtschadens ist ein Erschwerungsgrund neben anderen, der bei einem Gesamtschaden von über 5.000,- € die Höchstmaßnahme ohne Hinzutreten weiterer Erschwernisgründe rechtfertigen kann; eine Schadenshöhe von über 5.000,- € insgesamt ist jedenfalls nicht als gering einzustufen. (Rn. 66) (redaktioneller Leitsatz)
4. Soweit ein Beamter disziplinarisch und strafrechtlich nicht vorbelastet ist, stellt dies an sich eine Selbstverständlichkeit und ein sozial zu erwartendes Verhalten dar und kann sich damit nicht entlastend zu seinen Gunsten auswirken. (Rn. 73) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
(Landes) Disziplinarrecht, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, Innerdienstliche Untreue, Realschuldirektor, Hohes Maß an krimineller Energie durch Verschleierungshandlungen
Fundstelle:
BeckRS 2024, 3855
Tenor
I. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt im Wege der Disziplinarklage die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit als Realschuldirektor beim Freistaat B. Dem liegt der Vorwurf innerdienstlicher Untreue mit Betrugshandlungen sowie Beleidigung zugrunde.
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1. Der im Jahre 1967 geborene Beklagte ist seit 15. September 2000 Beamter auf Lebenszeit beim Freistaat B., seit dem 1. Januar 2011 als Realschuldirektor. Hinsichtlich seines Werdegangs mit dem Studium der Betriebswissenschaften, Geschichte und Kommunikationswissenschaften sowie im Anschluss des Lehramts für Realschulen mit erfolgreicher Ablegung der zwei Staatsprüfungen für das Lehramt an Realschulen, hinsichtlich seiner beruflichen Laufbahn bis zur Ernennung als Realschuldirektor und hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse wird auf die Ausführungen in der Disziplinarklage und auf die beigezogene Personalakte Bezug genommen. Ebenso wird verwiesen auf die guten Beurteilungen in den Jahren 2003, 2006 und 2014 sowie die Leistungsprämie im Jahre 2009. Zudem wird auf das im Disziplinarverfahren eingeholte Persönlichkeitsbild Bezug genommen. Der Beklagte, bei dem mit Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 2. Dezember 2026 eine Behinderung i.S.v. § 2 SGB IX mit einem GdB von 30 festgestellt wurde und der mit Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 16. August 2017 gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist, ist in der Besoldungsgruppe A15 mit Zulage besoldet. Er ist verheiratet und Vater zweier im Jahre 2001 sowie 2009 geborener Kinder. Mit Ausnahme der ihm im vorliegenden Verfahren zur Last gelegten Handlungen ist der seit April 2019 vorläufig des Dienstes enthobene Beamte weder disziplinarisch noch strafrechtlich vorbelastet. Wegen der vorliegend disziplinarisch erhobenen Vorwürfe wurde der Beklagte mit seit 10. September 2020 rechtskräftigen Berufungsurteil des Landgerichts Traunstein vom 2. September 2020 – Az. … – wegen Untreue in Tateinheit mit zwei tatmehrheitlichen Fällen der Beleidigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 160 Tagessätzen verurteilt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die beigezogene Strafakte der Staatsanwaltschaft Traunstein Bezug genommen. Ein Strafverfahren wegen unerlaubten Waffenbesitzes wurde gemäß § 154 Abs. 1 StPO im Laufe des o.g. Verfahrens eingestellt, ein weiteres Strafverfahren wegen Verleumdung – Az. … … … – gemäß § 154 Abs. 2 StPO.
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2. Nach Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Beklagten durch die Landesanwaltschaft Bayern als Disziplinarbehörde vom … … 2018 und Information an die Staatsanwaltschaft Traunstein wurde das Disziplinarverfahren wegen des gleichzeitigen, sachgleichen Strafverfahrens gegen den Beklagten gemäß Art. 24 Abs. 3 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) zunächst ausgesetzt.
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Nach Ausdehnungen des Disziplinarverfahrens am 27. März 2019 und 3. April 2019 wurde der Beklagte mit Verfügung vom 25. April 2019 vorläufig des Dienstes enthoben und dadurch ein vorangegangenes Verbot der Führung der Dienstgeschäfte vom 29. November 2018, dem weitere, vorliegend nicht gegenständliche Vorwürfe zugrunde lagen und ein Eil-Rechtsmittel mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 19. Februar 2019 – M 5 S 19. … – ohne Erfolg geblieben war, ersetzt.
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Nach dem erstinstanzlichen Strafurteil dehnte die Landesanwaltschaft Bayern das Disziplinarverfahren auf die tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils des Amtsgerichts Rosenheim vom 11. September 2019 – … … … … – aus und setzte das Disziplinarverfahren gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 BayDG angesichts des strafrechtlichen Fortgangs des Verfahrens wiederum aus.
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Nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens wurde das Disziplinarverfahren mit Verfügung vom 4. November 2000 fortgesetzt und die erhobenen Vorwürfe erneut konkretisiert. Hierauf nahmen die Bevollmächtigten des Beklagten mit Schriftsatz vom 7. Januar 2021 Stellung.
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Im Vermerk über das Ergebnis der Ermittlungen der Landesanwaltschaft vom 10. Februar 2021 gemäß Art. 32 BayDG wurde das Disziplinarverfahren teilweise beschränkt und der Beklagte im Anschluss erneut angehört. Auf eine Stellungnahme der Bevollmächtigten des Beklagten vom 31. März 2021 wurden seitens der Landesanwaltschaft Bayern schriftliche Zeugenaussagen eingeholt, zu denen die Bevollmächtigten im Nachgang Stellung nahmen. Weitere Beweisanträge wurden seitens der Disziplinarbehörde sodann abgelehnt und der Beklagte unter dem 26. Mai 2021 erneut gemäß Art. 32 BayDG angehört. Eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 178 Abs. 2 SGB IX erfolgte und ein aktuelles Persönlichkeitsbild über den Beklagten wurde eingeholt. Auf die Stellungnahme der Bevollmächtigten des Beklagten vom 6. Juli 2021 lehnte die Disziplinarbehörde mit Schreiben vom 19. Juli 2021 wiederum deren Beweisanträge ab.
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3. Am 20. Juli 2021 hat der Kläger durch die Disziplinarbehörde sodann Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erhoben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Disziplinarklage sowie die schriftsätzlichen Erwiderungen der Landesanwaltschaft vom … Februar 2022 und … Dezember 2023 sowie die ergänzenden Ausführungen der Landesanwaltschaft Bayern in der mündlichen Verhandlung am 16. Januar 2024 Bezug genommen.
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Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
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Der Beklagte hat beantragt,
die Disziplinarklage zurückzuweisen, hilfsweise auf eine mildere Maßnahme zu erkennen.
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Mit Schriftsätzen vom 24. Februar 2022 und 27. Dezember 2023 hat sich der Beklagte durch seine Bevollmächtigten zur Disziplinarklage eingelassen, zuletzt insbesondere zur psychischen Gesundheit. In der mündlichen Verhandlung am 16. Januar 2024 hat der Beklagte den in der Disziplinarklage auf Seite 17 zur Last gelegten Sachverhalt bezüglich der Aufforderung an die Verwaltungsangestellte F. im Februar 2018 zu einer rückwirkenden, sein Verhalten verschleiernden Inventarisierung „unstreitig gestellt“, so dass eine Einvernahme der Zeugin unterbleiben konnte.
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Das Disziplinarverfahren wurde mit Beschluss vom 16. Januar 2024 in der mündlichen Verhandlung gemäß Art. 54 BayDG beschränkt, indem ein dem Beklagten zur Last gelegtes Verhalten bezüglich des Sachverhaltskomplexes unter III. 3. der Disziplinarklage ausgeschieden wurde, da es für die Maßnahmebemessung nicht ins Gewicht fallen würde.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Disziplinarakte der Landesanwaltschaft Bayern – LAB 2 DV 18.052 – mit deren Beiakten, die beigezogene Personalakte des Beklagten und die beigezogenen Strafakten der Staatsanwaltschaft Traunstein Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Auf die Disziplinarklage des Klägers hin wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis gemäß Art. 11 BayDG erkannt. Der Beklagte hat durch sein strafbares Verhalten ein derart schweres Dienstvergehen innerdienstlich begangen, dem keine Milderungsgründe von Gewicht gegenüberstehen, dass ein vollständiger Vertrauensverlust eingetreten ist.
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Formelle Mängel des Disziplinarverfahrens sind weder i.S.v. Art. 53 Abs. 1 BayDG geltend gemacht noch von Amts wegen ersichtlich. Insbesondere ist dem Beklagten jeweils Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt worden. Über die gestellten Beweisanträge hat die Landesanwaltschaft Bayern jeweils entschieden. Auch die Ausdehnungen, Fortsetzungen und Beschränkungen des Disziplinarverfahrens durch die Landesanwaltschaft sind in Übereinstimmung mit den verfahrensmäßigen Vorgaben des Bayerischen Disziplinargesetzes erfolgt. Die Schwerbehindertenvertretung wurde jeweils gesetzeskonform nach § 178 Abs. 2 SGB IX beteiligt.
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Dem Beklagten liegt nach der Disziplinarklage vom 20. Juli 2021 mit Ausnahme des in der mündlichen Verhandlung ausgeschiedenen Sachverhaltskomplexes unter III. 3. der Disziplinarklage folgender Sachverhalt zur Last:
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„1. Den tatsächlichen Feststellungen des seit 10.09.2020 rechtskräftigen erstinstanzlichen Urteils des Amtsgerichts Rosenheim vom 11.09.2019 (Az. … … … …) ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:
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„1. Zum Tatkomplex „Untreue“
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1.1 Die Staatliche Realschule … führte in Zusammenarbeit mit der Dienststelle des Ministerialbeauftragten für die Realschulen in Oberbayern – Ost (im Folgenden: MBDienststelle) unter der Leitung des Angeklagten als Realschuldirektor zwei länderübergreifende Schulprojekte, die als …- …-Projekte von der Europäischen Union finanziell gefördert wurden, durch.
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Diese Fördergelder wurden beim Sekretariat der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland – Pädagogischer Austauschdienst – Nationale Agentur für EU-Programme im Schulbereich (im Folgenden: Nationale Agentur), … Str. …, … …, beantragt, das über die Bewilligung zu entscheiden hat. Antragsteller war jeweils die MB-Dienststelle, wobei dieser durch den Angeklagten H. als verantwortlichem Projektleiter vertreten wurde. Der Angeklagte R. unterstützte den Angeklagten H. bei der Planung und Durchführung der beiden Projekte.
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Nach Abschluss des ersten Projektes im Jahr 2012 war den beiden Angeklagten persönlich dadurch ein finanzieller Verlust in Höhe von 1.500,00 EUR entstanden, dass Leistungen, bei denen sie in Vorkasse getreten waren, nicht von der MB-Dienststelle vertreten durch den Ministerialbeauftragten erstattet worden sind.
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1.2 Das zweite …- …-Projekt wurde im Jahr 2014/2015 abgeschlossen. Für die Durchführung dieses deutsch-ungarischen Schulprojektes hatte die Nationale Agentur insgesamt Fördergelder in Höhe von 45.000,00 Euro bewilligt, die in zwei Tranchen zu 36.000,00 Euro und 9.000,00 Euro auf das auf den Ministerialbeauftragten … K. laufenden Konto IBAN … … … … … … bei der Kreis- und Stadtsparkasse … … … überwiesen wurden, zuletzt am 06.02.2015. Am Ende des Projektes verblieben auf diesem Konto Restmittel für das Projekt in Höhe von 9.267,02 Euro, die von der MB-Dienststelle am 13.02.2015 auf das Konto der Staatlichen Realschule …, IBAN … … … … … … bei der Sparkasse … … … überwiesen wurden. Der Betrag resultierte dabei im Wesentlichen daraus, dass die Fördergelder für Mobilitätskosten, die pauschal 20.000,00 Euro betrugen, nicht vollständig ausgeschöpft worden waren.
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Von diesem Restbetrag in Höhe von 9.267,02 Euro erhielten beide Angeklagte jeweils mit Zustimmung des Ministerialbeauftragten 2.000,00 Euro, da sie diesen Betrag im Rahmen des Projekts mit Privatmitteln vorfinanziert hatten. Über die Verwendung des restlichen Betrages von 5.267,02 Euro herrschte indes Uneinigkeit.
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Die Angeklagten wollten, dass ihnen der Betrag als Entlohnung für die im Rahmen des Projektes geleistete unvergütete Mehrarbeit ausbezahlt wird. Um diese Möglichkeit auszuloten, rief der Angeklagte R. zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt bei der Nationalen Agentur an und erkundigte sich hierüber bei der zuständigen Sachbearbeiterin H. Diese teilte dem Angeklagten nach Schilderung des Sachverhalts mit, dass seitens der Nationalen Agentur keine Bedenken bestehen, den Restbetrag als Personalkosten auszuzahlen. Das Geld müsse lediglich projektbezogen verwendet werden, worunter auch eine Entlohnung für die Projektmanager zu verstehen sein könne.
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Seitens des, wie die Angeklagten wussten, letztlich entscheidungsbefugten Ministerialbeauftragen K. stieß die von den Angeklagten angedachte Verwendung der Restgelder als Entlohnung jedoch auf Bedenken. Dieser ließ daher seinerseits über den bei seiner Behörde tätigen Regierungsamtsrat R. bei der Nationalen Agentur nachfragen, ob eine Auszahlung der Gelder an die Angeklagten zulässig sei. Wohl aufgrund eines Missverständnisses wurde die telefonische Auskunft der Zeugin H. von der MB-Dienststelle so verstanden, dass die verbleibenden Restmittel zweckgebunden zu verwenden seien, wobei die Verwendung in Verbindung mit dem abgelaufenen oder einem künftigen Projekt stehen müsse. Eine Verwendung als Gehalt für die Organisationen sei nicht möglich. Denkbar sei aber beispielsweise eine Verwendung für schulische Zwecke. Über diese Auskunft wurden die Angeklagten durch die MB-Dienststelle mit Schreiben vom 13.02.2015 in Kenntnis gesetzt.
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Die Angeklagten entschieden in gemeinsamer Absprache, sich über das Verbot der weisungsbefugten Dienststelle, das sie auch angesichts der von ihnen zuvor erteilten Auskunft der Zeugin H. als ungerecht empfanden, eigenmächtig hinwegzusetzen und den Restbetrag, ohne den Verwaltungs- und Rechtsweg gegen die Entscheidung der MBDienststelle zu bestreiten, an sich privat auszukehren.
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Um zu verschleiern, dass sie entgegen der Weisung des Ministerialbeauftragten die Restfördergelder für private Zwecke vereinnahmen, bestellten die beiden Angeklagte sodann in gemeinsamer Absprache bei der Internetversandfirma Amazon am 17.03.2015 eine Digitalkamera „Sony Alpha 7s“ nebst Standardobjektiv zum Kaufpreis von 2.972,68 Euro sowie ebenfalls über Amazon bei der Firma … am 19.03.2015 einen Computer „Apple iMac 27“ zum Kaufpreis von 2.296,90 Euro. Rechnungsadresse der beiden hierüber ergangenen Rechnungen vom 18.03.2015 bzw. 20.03.2015 war in beiden Fällen die Staatliche Realschule …, Lieferadresse im Fall der Kamera ebenfalls die Realschule und im Falle des Computers die Anschrift des Angeklagten R. Wie von Anfang an von beiden Angeklagten gemeinsam geplant sandten die beiden Angeklagten die gekauften Geräte jedoch unmittelbar nach Erhalt wieder zurück, so dass der Kaufpreis rückerstattet wurde.
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In Umsetzung der gemeinsamen Entscheidung, sich den Restbetrag entgegen der Anweisung des Ministerialbeauftragten einzuverleiben, hob der Angeklagte H. , der für das Konto der Realschule als dessen Leiter im Gegensatz zum Angeklagten R. verfügungsberechtigt war, am 22.04.2015 schließlich einen Betrag in Höhe von 5.350,00 Euro in Bar von diesem vorgenannten Konto der Staatlichen Realschule … ab und übergab die Hälfte des abgehobenen Betrages, also 2.675,00 Euro, an den Angeklagten R. Jeder der Angeklagten behielt die Hälfte des in Bar abgehobenen Betrages für sich und verwendete es für private Zwecke.
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1.3 Als der Angeklagte H. Ende des Jahres 2017 durch den Ministerialbeauftragten K. aufgefordert wurde, einen Verwendungsnachweis über den Restbetrag aus der Fördersumme in Höhe von 5.267,02 Euro bis spätestens 31.12.2017 vorzulegen, übersandte er, wie von Anfang an für diesen Fall angedacht, die vorgenannten Rechnungen vom 18.03.2015 bzw. 20.03.2015 betreffend der vorgenannten Kamera und des vorgenannten Computers, an die MB-Dienststelle, wo diese am 24.01.2018 eingingen. Als die MB-Dienststelle die angeblich für die Schule gekauften Geräte sehen wollte, kauften der Angeklagte H. über das Internet bei der Firma … einen weniger werthaltigen Computer „Apple i Mac 27“ aus dem Jahr 2012 zu einem Kaufpreis von 879,99 Euro mit Rechnungsdatum vom 05.02.2018 und der Angeklagte R. ebenfalls über das Internet von einer … S. aus D. eine wesentlich günstigere Version der Digitalkamera „Sony Alpha 7“ zum Kaufpreis von 853,68 Euro. Nach Erhalt platzierten die beiden Angeklagten in gemeinsamer Absprache die beiden Geräte in den Räumlichkeiten der Realschule, wo sie am 13.07.2018 durch die Polizei sichergestellt wurden. Dabei handelten die Angeklagten im bewussten und gewollten Zusammenwirken in der Absicht, die ordnungsgemäße Verwendung des von der MB-Dienststelle überwiesenen Betrages in Höhe von 5.267,02 Euro für Schulzwecke vorzutäuschen und hierdurch eine Rückforderung der Beträge durch die MB-Dienststelle zu verhindern.
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1.4 Der Angeklagte R. hat den zu Unrecht erhaltenen Betrag von 2.675,00 Euro in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der anstehenden Hauptverhandlung an die MB-Dienststelle zurückerstattet.
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2. Zum Tatkomplex „Beleidigung“
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In den nach genannten Einzelfällen bezeichnete der Angeklagte H. die Geschädigte E., Lehrerin an der vom Angeklagten geleiteten Staatlichen Realschule in …, im Rahmen interner Besprechungen gegenüber anwesenden Kollegen zum Ausdruck seiner Missachtung der Geschädigten gegenüber in deren Abwesenheit bewusst und gewollt als „fette Sau“.
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Die Geschädigte erhielt von diesen Äußerungen erst im Rahmen einer polizeilichen Befragung durch den ermittelnden Kriminalbeamten Z. am 10.01.2019 Kenntnis und stellte sodann am 10.01.2019 form- und fristgerecht schriftlich Strafantrag gegen den Angeklagten.
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Im Einzelnen handelt es sich um folgende Vorfälle:
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2.1 Zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt Anfang April 2017 tätigte der Angeklagte die Äußerung gegenüber dem Konrektor der Staatlichen Realschule in …, dem Zeugen P.
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2.2 Zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt am 30.05.2017 tätigte der Angeklagte die Äußerung gegenüber seinen beiden Kollegen P. und L. (..).“
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Das Landgericht Traunstein hat unter Ziffer II., 2. des Berufungsurteils vom 02.09.2020 (Az. … … … …) folgende zusätzlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen:
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„Aufgrund der wirksamen Beschränkungen sämtlicher Berufungen auf den Rechtsfolgenausspruch ist der Schuldspruch – mit Ausnahme des Tatkomplexes „Unerlaubter Waffenbesitz“, hinsichtlich dessen eine Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO erfolgte – in Rechtskraft erwachsen. Bezüglich des diesem zu Grunde liegenden Sachverhalts ist die Kammer daher an die Feststellungen des Erstgerichts gebunden. Insoweit wird auf die Feststellungen unter Ziffer III des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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Darüber hinaus hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen:
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Antragssteller und Zuwendungsempfänger sämtlicher Fördergelder im Rahmen der beiden …- …-Projekte war die Dienststelle des Ministerialbeauftragten für die Realschulen in Oberbayern (im Weiteren: MB-Dienststelle).
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Die von der Europäischen Union im Rahmen des zweiten …- …-Projekts an die MB-Dienststelle gewährten Fördergelder in Höhe von 45.000, – € teilen sich auf in eine Pauschale von 20.000, -€ für sogenannte Mobilitätskosten, d.h. Reisekosten der Projektteilnehmer, sowie 25.000, – € für die inhaltliche Projektgestaltung. Während die Kosten für die inhaltliche Gestaltung konkret nachgewiesen und abgerechnet werden mussten, wurde die Mobilitätskosten-Pauschale unabhängig von den tatsächlich angefallenen Kosten bereits dann gezahlt, wenn eine Mindestteilnehmerzahl von 24 Personen bei dem Projekt nachgewiesen wurde.
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Soweit nach Abschluss des Projekts aus der Mobilitätskosten-Pauschale Überschüsse verblieben, konnten diese vom Zuwendungsempfänger frei verwendet werden. Die Beratungsstelle beim Sekretariat der ständigen Konferenz der Kultusminister der LänderNationale Agentur für EU-Programme im Schulbereich (im Folgenden. Nationale Agentur) – gab den Zuwendungsempfängern bei Nachfragen insoweit den Rat, die Überschüsse projektbezogen oder zumindest für Projekte mit europäischem Bezug einzusetzen. Eine verbindliche Anweisung war damit jedoch jedenfalls seitens der Beratungsstelle der Nationalen Agentur nicht verbunden. Eine Umwidmung der Überschüsse aus der Rubrik Mobilitätskosten in Projektkosten war möglich. Insoweit hätten auch tatsächlich angefallene und nachgewiesene Personalkosten daraus bestritten werden können.
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Eine Honorarvereinbarung zwischen den beiden Angeklagten und der MB-Dienststelle bezüglich der Organisation und Betreuung beider …- …-Projekte bestand nicht. Auch reichte keiner der beiden Angeklagten eine Honorarabrechnung bei der MBDienststelle für die Projekte ein.
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Gegenüber dem Ministerialbeauftragten K. brachten die Angeklagten nicht das
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finanzielle Defizit aus dem ersten …- …-Projekt als Argument für die Auszahlung der Überschüsse aus dem zweiten Projekt an sie vor."
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Die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts Rosenheim und im Berufungsurteil des Landgerichts Traunstein stehen nach Art. 25 Abs. 1 BayDG im behördlichen Disziplinarverfahren mit bindender Wirkung fest. Der Beklagte hat in der Berufungshauptverhandlung den gesamten Tatvorwurf eingeräumt.
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2. Ergänzend liegt in Zusammenhang mit den in den Urteilen festgestellten Tatsachen noch folgender Sachverhalt vor:
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Am 01.02.2018 kam der Beklagte zur Verwaltungsangestellten … F., die im Schulsekretariat beschäftigt ist, und beauftragte sie, einen PC Apple iMac sowie eine Sony Kamera mit Objektiv rückwirkend zum 01.04.2015 zu inventarisieren. Auf den Hinweis von Frau F., dass dies nicht möglich sei, da die Inventarverzeichnisse für die Jahre 2015, 2016 und 2017 bereits dem Landratsamt vorliegen würden, erklärte der Beklagte, dies sei ohne Belang, da er das Verzeichnis nur für den Ministerialbeauftragten benötigen würde.
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Dieser Sachverhalt steht aufgrund der Zeugenaussage von Frau F. vor dem Amtsgericht Rosenheim am 30.07.2019, die im Disziplinarverfahren nach Art. 26 Abs. 2 BayDG verwertet wird, sowie des in der Beiakte 2 befindlichen Schreibens von Frau F. vom 28.02.2018 an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus fest. Der Beklagte war mit Schreiben des Ministerialbeauftragten vom 25.01.2018 aufgefordert worden, dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus gegenüber die Notwendigkeit der Anschaffung derartig exklusiver Geräte, die Inventarisierung, den Standort und die Verwendung der Geräte an der Schule zu erklären. In seinem Antwortschreiben an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 26.02.2018 behauptete der Beklagte neben anderen Unwahrheiten zur Anschaffung und Verwendung der Geräte auch wahrheitswidrig, dass die Geräte im Jahre 2015 an die Schule geliefert worden seien, Frau F. aber die Inventarisierung mit den Worten „die Geräte kämen nicht über den Sachaufwandsträger“ verschoben habe. Frau F. stellte in ihrem Schreiben klar, dass dies in keinster Weise der Wahrheit entspreche. Sie bestätigte, dass der Beklagte sich wie oben dargestellt verhalten habe und dass sie entgegen der Anweisung die Geräte erst zum 01.02.2018 in die Inventarliste aufgenommen habe.
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In ihrer schriftlichen Zeugenaussage vom 20.04.2021 (DA BI. 595) hat Frau F. den Sachverhalt nochmals bestätigt; der Beklagte hat diesen in der Stellungnahme vom 14.05.2021 im Wesentlichen zugestanden.
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(Auszug aus der Disziplinarklage vom 20. Juli 2021)
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Der dem Beklagten vorstehend zur Last gelegte Sachverhalt steht fest. Dies ergibt sich aus der Bindungswirkung der tatsächlichen Feststellungen der strafgerichtlichen Urteile gemäß Art. 25 Abs. 1 BayDG in Verbindung mit den Erkenntnissen aus den beigezogenen Akten, insbesondere mit den protokollierten Aussagen der Zeugin F., und den geständigen Einlassungen des Beklagten.
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Der Beklagte hat durch das ihm zur Last gelegte Verhalten ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) begangen.
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Durch die innerdienstliche Untreue gemäß § 266 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) hat der Beklagte gegen seine Pflicht zur Beachtung der Gesetze gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG gehandelt.
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Dabei kommt es vorliegend nicht darauf an, dass der Beklagte als Amtsträger handelte und ob insoweit auch ein besonders schwerer Fall gemäß § 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 StGB zu bejahen ist. In beiden Strafinstanzen wurde das Handeln des Beklagten in seiner Eigenschaft als Amtsträger bejaht, jedoch angenommen, dass sich die Schuld des Beklagten derart vom Regelfall abhebe, dass die Anwendung des erhöhten Strafrahmens unangemessen erscheine.
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Dahinstehen kann auch die strafrechtliche Einwertung des Betrugs als mitbestrafte Nachtat. Die nachträglichen Verschleierungshandlungen des Beklagten sind unabhängig von der strafrechtlichen Relevanz jedenfalls im Rahmen der nachstehenden Maßnahmebemessung erschwerend zu berücksichtigen.
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Mit seinen strafbaren Beleidigungen bzgl. Frau E. hat der Beklagte zudem gegen seine Pflicht zur Beachtung der Gesetze i.V.m. § 185 StGB verstoßen.
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Das strafbare Verhalten des Beklagten stellt sich zudem jeweils als Verstoß gegen die beamtenrechtliche Pflicht zu ansehens- und vertrauenswürdigem Verhalten gemäß § 34 Satz 3 BeamtStG dar. Dies gilt auch für das Einwirken auf die Zeugen F. zur rückwirkenden Inventarisierung als spätere Verschleierungshandlung.
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Der Beklagte handelte jeweils vorsätzlich und ohne Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe.
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Unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens mit Würdigung der Umstände des Einzelfalls, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit ist auch angesichts des bisherigen dienstlichen Verhaltens des Beklagten und seines Persönlichkeitsbilds als Gesichtspunkte der Maßnahmebemessung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG die Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gemäß Art. 11 BayDG aufgrund vollständigen Vertrauensverlustes i.S.v. Art. 14 Abs. 2 BayDG geboten und angemessen.
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1. Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung ist die Schwere des Dienstvergehens und im Rahmen dessen die schwerste Dienstpflichtverletzung.
62
a) Dabei eröffnet vorliegend bereits die Strafandrohung – mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe gemäß § 266 StGB –, wodurch der Gesetzgeber einen allgemeinen Unwertgehalt des Verhaltens zum Ausdruck gebracht hat, einen Orientierungsrahmen bis zur Höchstmaßnahme (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 20; BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24/16 – juris Rn. 14). Diesbezüglich bedarf es (noch) keiner Berücksichtigung des Charakters innerdienstlichen Handelns und der Frage der Verwirklichung eines besonders schweren Falls.
63
b) Die Ausschöpfung des maßgeblich in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn dies auch dem Schweregehalt des vom Beamten konkret begangenen Dienstvergehens entspricht (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 17). Dabei verbietet sich ein wie auch immer gearteter Schematismus (BVerwG, a.a.O. m.w.N.). Hierbei bedarf es jeweils einer Betrachtung der Umstände des Einzelfalls. Dem konkreten Strafausspruch kommt insoweit keine Bedeutung.
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(1) Schwer fällt ins Gewicht, dass der Beklagte innerdienstlich und mit erheblicher krimineller Energie sowie „besonders dreist“, wie auch im Strafurteil herausgestellt wurde, handelte. Er ging bewusst und planvoll vor. Das verschleiernde Verhalten wiegt nochmals erschwerend, unabhängig davon, dass es bei selbständiger Betrachtung den Tatbestand des Betrugs erfüllt (vgl. insoweit die Ausführungen im strafgerichtlichen Urteil), ebenso das Einwirken auf die Verwaltungsangestellte F. zu einer rückwirkenden Inventarisierung.
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(2) Auch unter Berücksichtigung der hohen Anzahl an Überstunden und des großen Engagements des Beklagten für die Projekte handelte er eigennützig für sich bzw. für seinen Mitarbeiter. Dass er insoweit einen Mitarbeiter in sein strafbares Verhalten mitverwickelte, ist ebenfalls erschwerend zu berücksichtigen. Gleiches gilt für sein Versagen bezüglich der Vorbildfunktion, die einem Vorgesetzten und Schulleiter zukommt. Dass sich der Beklagte ungerecht behandelt gefühlt haben mag, entlastet nicht wesentlich. Dies gilt auch insoweit, als im Strafverfahren in Frage stand, ob eine Auszahlung der verbliebenen Projektgelder an den Beklagten rechtlich möglich gewesen wäre. Dabei darf nicht übersehen werden, dass hierüber nicht der Beklagte, sondern der Ministerialbeauftragte zu entscheiden hatte und eine Auszahlung ablehnte. Das Amtsgericht hat im erstinstanzlichen Urteil aus Sicht der vorliegend erkennenden Kammer daher zutreffend ausgeführt, es handle sich um eine „nachträgliche Schutzbehauptung“, dass die Angeklagten davon ausgegangen seien, ihnen stehe ein Anspruch auf die Auszahlung der Gelder zu. Insbesondere habe der Beklagten aus der langjährigen Tätigkeit in einer hierarchisch organisierten Behörde sehr wohl um die Bindungswirkung einer Entscheidung seines Dienstvorgesetzten gewusst. Auf die näheren Erläuterungen hierzu unter IV. 2.1.2 im Strafurteil wird Bezug genommen. Auch im Berufungsurteil wird herausgestellt, es sei nicht davon auszugehen, „dass der Angeklagte ernsthaft annahm, einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Auszahlung des Überschusses zu haben“.
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(3) Der Annahme eines vergleichsweise geringen Schadens, wie ihn das Landgericht im Berufungsurteil annimmt, folgt die Disziplinarkammer hingegen nicht. Zutreffend hat die Landesanwaltschaft Bayern auf die (frühere) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verwiesen, dass die Höhe des Gesamtschadens ein Erschwerungsgrund neben anderen ist, der bei einem Gesamtschaden von über 5.000,- € die Höchstmaßnahme ohne Hinzutreten weiterer Erschwernisgründe rechtfertigen kann (vgl. nur BVerwG, B.v. 6.5.2005 – 2 B 19/14 – juris Rn. 11). Auch nach Aufgabe einer Rechtsprechung mit schematischen Ansätzen und Schwellenwerten verbleibt jedoch die sich daraus zu entnehmende Annahme, dass eine Schadenshöhe von über 5.000,- € insgesamt jedenfalls nicht als gering einzustufen ist. Dabei ist nicht auf den Betrag abzustellen, der letztlich beim Beklagten verblieb, sondern auf den veruntreuten Gesamtbetrag. Die Ausführungen des damals Bevollmächtigten des Beklagten, der Betrag liege „weit entfernt vom früher geltenden Schwellenwert in Höhe von € 5.000,00“ vermögen daher nicht zu überzeugen.
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(4) Im Übrigen schließt sich die Kammer der Würdigung in den strafgerichtlichen Entscheidungen hingegen an.
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(5) Die Beleidigungen, eine Mitarbeiterin des Beklagten betreffend, sind erschwerend zu berücksichtigen. Innerdienstlich und als Führungskraft die eigene Mitarbeiterin derart derbe zu beleidigen, stellt durchaus eine Dienstpflichtverletzung von eigenem Gewicht dar. Dabei verkennt die Kammer die vom Beklagten dargestellte, eigene persönlich belastende Situation nicht. Das Amtsgericht hat im Strafurteil angenommen, der Beklagte habe im Affekt und zu Zeiten großer beruflicher Anstrengung gehandelt; es sei ebenfalls zu berücksichtigen, dass die Beleidigungen nicht direkt der Geschädigten gegenüber geäußert wurden. Auch das Berufungsgericht stellt heraus, dass die Beleidigungen „lediglich im engen Führungskreis der Schulleitung, nämlich gegenüber seinem Vertreter und dem 2. Konrektor“ getätigt worden seien. Dem verschließt sich auch das vorliegend erkennende Gericht nicht. Mildernd kann bezüglich der Beleidigungen auch berücksichtigt werden, dass der Beklagte zum damaligen Zeitpunkt Psychopharmaka einnahm, die ggf. als Nebenwirkung seine Reizbarkeit erhöht haben könnten (vgl. die Ausführungen auch im strafgerichtlichen Urteil des Amtsgerichts unter IV. 1.1.2).
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(6) In Bezug auf die Untreue- und Betrugshandlungen vermag die Kammer hingegen keinen Zusammenhang zum beklagtenseitigen Vortrag der psychischen Belastung des Beklagten durch die diagnostizierten depressiven Episoden, Anpassungsstörung etc. ausweislich der jeweils vorgelegten Atteste, zu erkennen. Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit sind schon nicht ersichtlich und im Übrigen auch im Strafverfahren nicht angenommen werden (vgl. insoweit zur Bindungswirkung BVerwG, U.v. 20.4.2023 – 2 A 18.21 – beck-online). Auch unterhalb der Schwelle des § 21 StGB ist nicht erkennbar, dass bzw. inwieweit das hohe Maß an krimineller Energie und planvollen Vorgehens aus Eigennutz durch die diagnostizierten psychischen Erkrankungen hätte beeinflusst sein können. Soweit die Bevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung ausführte, der Beklagte habe sich in einem Tunnel befunden mit der Folge, dass die Fähigkeit einzuschätzen, was ihm zustehe und was nicht, was gerecht sei und was nicht, eingeschränkt und verzerrt gewesen sei, vermag dies die kriminelle Energie des Beklagten nicht zu erklären. Auch enthielt das zeitnähere Attest vom 25. November 2015 – wie von der Disziplinarbehörde dargelegt – gerade die Aussage, inhaltliche Denkstörungen, Wahrnehmungsstörungen oder Zwänge seien nicht vorhanden. Jedoch selbst bei Annahme einer gewissen Einschränkung, fiele dies angesichts der Schwere des dienstpflichtwidrigen Handelns nicht erheblich ins Gewicht.
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Durch die Schwere des Dienstvergehens ist somit die Höchstmaßnahme Ausgangspunkt der weiteren Maßnahmebemessung.
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2. Dieser enormen Schwere des Dienstvergehens stehen keine Milderungsgründe von Gewicht gegenüber, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme nach sich ziehen würden bzw. dazu führten, dass nicht von einem vollständigen Vertrauensverlust ausgegangen werden könne.
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a) Zu Gunsten des Beklagten ist zwar zu berücksichtigen, dass er sich letztlich insgesamt geständig gezeigt hat. Amtsgericht und Landgericht haben im Strafverfahren ausgeführt, der Beklagte habe glaubhaft und nachvollziehbar Reue und Schuldeinsicht zum Ausdruck gebracht. Dabei ist aus der Sicht der Disziplinarkammer jedoch zu bemerken, dass der Beklagte zunächst die Vorwürfe abgestritten hatte und verschleiernde Maßnahmen ergriff und gegenüber seinen Vorgesetzten bewusst falsche Angaben machte. In Bezug auf das Verhalten bezüglich der Rückinventarisierung stellte der Beklagte dies sodann erst in der mündlichen Verhandlung unstreitig.
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b) Soweit der Beklagte disziplinarisch und strafrechtlich nicht vorbelastet ist, stellt dies an sich eine Selbstverständlichkeit und ein sozial zu erwartendes Verhalten dar und kann sich damit nicht entlastend zu seinen Gunsten auswirken (BayVGH, U.v. 12.2.2020 – 16a D 18.1038 – juris Rn. 46).
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c) Auch die guten Beurteilungen und das herausragende Engagement des Beklagten vermögen nicht, für sich genommen dem vollständigen Vertrauensverlust entgegenzuwirken Selbst bei überdurchschnittlichen Leistungen ist eine langjährig pflichtgemäße Dienstausübung für sich genommen regelmäßig nicht geeignet, derartige Pflichtverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (BayVGH, U.v. 18.3.2015 – 16a D 09. 3029 – juris Rn. 96). Dies gilt auch unter Berücksichtigung der vom Beklagten dargestellten schwierigen persönlichen Situation auf der Dienststelle.
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Auf die ausführlichen Erwägungen der Landesanwaltschaft Bayern in der Disziplinarklage wird zur Maßnahmebemessung ergänzend Bezug genommen.
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Damit stehen der erheblichen Schwere des Dienstvergehens keine Milderungsgründe von Gewicht gegenüber.
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Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als Höchstmaßnahme ist im Übrigen auch verhältnismäßig. Die innerdienstliche eigennützige Untreue verbunden mit Betrugshandlungen und erheblicher Energie zur Verschleierung in Funktion als Amtsträger und Vorgesetzter, verbunden mit Beleidigungen gegenüber einer Mitarbeiterin stellte ein Versagen als Realschuldirektor dar. Zur Wahrung des Ansehens des Berufsbeamtentums und insbesondere der Schulleiter ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erforderlich. Auch unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Verfassung des Beklagten zum Zeitpunkt der Begehung des Dienstvergehens als auch heute ist die Höchstmaßnahme angesichts des vollständigen Vertrauensverlustes und der vom Beklagten an den Tag gelegten kriminellen Energie verhältnismäßig.
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Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.