Inhalt

VG München, Beschluss v. 20.12.2024 – M 18 E 24.7604
Titel:

Einstweilige Anordnung (Stattgabe), Hilfe für junge Volljährige, Teilbetreutes Wohnen, Bedarfsermittlung, Sozialpädagogische Fachlichkeit, Hilfeplanverfahren

Normenketten:
VwGO § 123
SGB VIII § 34
SGB VIII § 36
SGB VIII § 41
Schlagworte:
Einstweilige Anordnung (Stattgabe), Hilfe für junge Volljährige, Teilbetreutes Wohnen, Bedarfsermittlung, Sozialpädagogische Fachlichkeit, Hilfeplanverfahren
Fundstelle:
BeckRS 2024, 38421

Tenor

I. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, unverzüglich den aktuellen Hilfebedarf der Antragstellerin im Rahmen eines Hilfeplanverfahrens zu ermitteln und gezielte Hilfemaßnahmen festzulegen.
II. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig bis zu einer auf der Grundlage des nach vorstehendem Absatz erstellten Hilfeplans ergehenden Entscheidung die bis zum 31. Dezember 2024 gewährte Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII in Verbindung mit § 34 SGB VIII weiter zu bewilligen.
III. Der Antragsgegner trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners, ihr weiterhin Hilfe für junge Volljährige in Form des teilbetreuten Wohnens zu gewähren.
2
Die Antragstellerin reiste am 19. Mai 2022 als unbegleitete minderjährige Ausländerin in die Bundesrepublik Deutschland ein. Im Rahmen der durch den Antragsgegner durchgeführten Altersfeststellung wurde ihr Geburtsdatum auf den 1. Januar 2005 festgesetzt und durch das Amtsgericht L. Vormundschaft angeordnet. Der Antragsgegner leistete im folgenden Hilfe zur Erziehung gemäß §§ 27, 34 SGB VIII in vollstationärer Form. Anschließend leistete der Antragsgegner Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII i.V.m. § 34 SGB VIII zunächst in vollstationärer Form und ab 16. Januar 2023 in Form des teilbetreuten Wohnens.
3
Der Antragstellerin wurde im Jahr 2024 eine bis zum 17. Januar 2027 befristete Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG erteilt.
4
Im Hilfeplangespräch vom 15. Juli 2024 wurde vereinbart, dass die bisher geleistete Hilfe gemäß § 41 SGB VIII i.V.m. § 34 SGB VIII fortgesetzt werde, da sie weiterhin notwendig sowie geeignet sei. Das nächste Hilfeplangespräch solle „in ca. sechs Monaten“ stattfinden.
5
Mit Bescheid vom 6. August 2024 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin im Rahmen der Hilfe für junge Volljährige letztmalig ab 1. August 2024 die Unterbringung im Betreuten Wohnen in L. bis auf weiteres, längstens bis 31. Dezember 2024 (Ziffer 1 des Bescheids).
6
Die Antragstellerin beantragte mit Schreiben vom 10. Dezember 2024 die Weitergewährung der Hilfe für junge Volljährige in Gestalt des Betreuten Wohnens in L.
7
Die betreuende Einrichtung teilte dem Antragsgegner mit Schreiben vom 12. Dezember 2024 mit, dass der Antragsgegner ihr am 10. Dezember 2024 mitgeteilt habe, dass die Hilfe für junge Volljährige für die Antragstellerin über den 31. Dezember 2024 hinaus nicht mehr verlängert werde. Die Antragstellerin weise jedoch weiterhin einen hohen Bedarf für die Maßnahme des betreuten Wohnens auf. Es werde um Verbescheidung des Antrags der Antragstellerin auf Weiterführung der Hilfe gebeten.
8
Daraufhin teilte der Antragsgegner der betreuenden Einrichtung mit E-Mail vom 12. Dezember 2024 mit, dass der Bescheid über die Unterbringung der Antragstellerin in ihrer Wohngruppe befristet sei und zum 31. Dezember 2024 auslaufe. Eine Verlängerung der stationären Unterbringung in der Einrichtung werde nicht erfolgen. Der Antragsgegner werde im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes eine Wohnmöglichkeit in einer dezentralen Unterkunft zur Verfügung stellen. Einen noch bestehenden Jugendhilfebedarf werde er durch ambulante Leistungen abdecken. Aufgrund der Feiertage sei der tatsächliche Umzug für die zweite bzw. dritte Kalenderwoche geplant. Der Antragsgegner sei bereit, der betreuenden Einrichtung gegenüber auf Anforderung eine Kostenübernahmeerklärung für Januar, längstens bis zum geplanten Umzugstermin, abzugeben.
9
Die betreuende Einrichtung nahm mit Schreiben an den Antragsgegner vom 17. Dezember 2024 zum o.g. Weitergewährungsantrag der Antragstellerin ergänzend dahingehend Stellung, dass zum jetzigen Zeitpunkt ein Umzug der Antragstellerin in eine dezentrale Unterkunft aus fachlich-pädagogischer Sicht ihre Teilhabe massiv gefährden bzw. unmöglich machen würde. Ihr weiterer Verbleib in einer stationären Wohnform mit Betreuung im derzeit vereinbarten Maß sei daher unumgänglich.
10
Die Antragstellerin beantragte am 18. Dezember 2024 zur Niederschrift beim Verwaltungsgericht München,
11
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, die Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 i.V.m. § 34 SGB VIII weiter zu bewilligen.
12
Mit Beschluss vom 18. Dezember 2024 wurde der Rechtsstreit gemäß § 6 VwGO zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
13
Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2024 übermittelte der Antragsgegner die Behördenakten und führte aus, dass die Entscheidung über die geeignete Maßnahme dem Jugendamt obliege. Die Auswahl der Hilfe richte sich nach der individuellen Situation des jungen Menschen. Die Antragstellerin werde nicht in die Obdachlosigkeit entlassen. Für sie werde ein Platz in einer dezentralen Unterkunft organisiert, dort erhalte sie weiterhin Unterstützung durch geeignete ambulante Helfer.
14
Am selben Tag sicherte der Antragsgegner gegenüber der betreuenden Einrichtung zu, dass er für die Zeit vom 1. Januar 2025 bis zur Entscheidung des Gerichts im Eilverfahren die Kosten für die weitere Unterbringung der Antragstellerin im Betreuten Wohnen in L. übernehme.
15
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
16
Der entsprechend § 88 VwGO ausgelegte zulässige Antrag hat Erfolg.
17
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete streitige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO.
18
Für das Vorliegen eines Anordnungsgrunds ist grundsätzlich Voraussetzung, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen nicht zumutbar ist, eine Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2011 – 12 CE 11.2215 – juris Rn. 6).
19
Grundsätzlich dient die einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses. Mit der von der Antragstellerin begehrten Entscheidung wird die Hauptsache aber – zumindest teilweise – vorweggenommen. In einem solchen Fall sind an die Prüfung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch qualifiziert hohe Anforderungen zu stellen, d.h. der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur in Betracht, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache – jedenfalls dem Grunde nach – spricht und der Antragsteller ohne die einstweilige Anordnung unzumutbaren Nachteilen ausgesetzt wäre (BayVGH, B.v. 18.3.2016 – 12 CE 16.66 – juris Rn. 4).
20
Nach diesen Maßgaben hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
21
Die Antragstellerin hat einen Anspruch darauf, dass der Antragsgegner auf Grundlage eines ordnungsgemäßen Hilfeplanverfahrens den aktuellen Hilfebedarf der Antragstellerin ermittelt und darauf beruhend eine im Rahmen der sozialpädagogischen Fachlichkeit getroffene Hilfemaßnahme festlegt.
22
Bis zu einer solchen Entscheidung hat die Antragstellerin einen Anspruch auf Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII i.V.m. 34 SGB VIII, dem vorliegend allein durch die teilbetreute individuelle Unterbringung in der, die Antragstellerin auch bisher betreuenden, Einrichtung Rechnung getragen werden kann, ausreichend glaubhaft gemacht.
23
Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erhalten junge Volljährige geeignete und notwendige Hilfe, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden, § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII. Für die Ausgestaltung der Hilfe gelten § 27 Abs. 3 und 4 sowie die §§ 28 bis 30, 33 bis 36, 39 und 40 SGB VIII entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Personensorgeberechtigten, des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt, § 41 Abs. 2 SGB VIII.
24
Grundsätzlich unterliegt die Entscheidung über die Erforderlichkeit und Geeignetheit einer bestimmten Hilfemaßnahme nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung einem kooperativen, sozialpädagogischen Entscheidungsprozess unter Mitwirkung des betroffenen Hilfeempfängers und der Fachkräfte des Jugendamtes, welche nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, sondern nur eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthalten muss, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss (sog. sozialpädagogische Fachlichkeit). Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung hat sich in diesem Fall darauf zu beschränken, ob allgemeingültige fachliche Maßstäbe beachtet wurden, keine sachfremden Erwägungen eingeflossen und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt worden sind. Die Entscheidung über die Geeignetheit und Notwendigkeit einer bestimmten Hilfemaßnahme ist damit gerichtlich nur auf ihre Vertretbarkeit hin überprüfbar (BayVGH, B.v. 6.2.2017 – 12 C 16.2159 – juris Rn. 11 m.w.N.).
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Will ein Betroffener – wie hier die Antragstellerin – die Verpflichtung des Jugendhilfeträgers zur Durchführung einer bestimmten Hilfemaßnahme im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erwirken, muss er im Hinblick auf den im Rahmen der sozialpädagogischen Fachlichkeit bestehenden Beurteilungsspielraum des Jugendamts darlegen und glaubhaft machen, dass allein die beanspruchte Hilfemaßnahme zur Deckung des Hilfebedarfs erforderlich und geeignet ist (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2017 – 12 C 16.1693 – juris Rn. 8; B.v. 17.8.2015 – 12 AE 15.1691 – juris Rn. 31; B.v. 21.2.2013 – 12 CE 12.2136 – juris Rn. 30).
26
Ein grundsätzlicher Bedarf der Antragstellerin auf Hilfe zur Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenständigen Lebensführung im Sinne des § 41 Abs. 1 SGB VIII ist vorliegend – auch nach der Stellungnahme des Antragsgegners vom 19. Dezember 2024 – unstreitig. Allerdings erachtet der Antragsgegner nicht die Weitergewährung der teilbetreuten Unterbringung nach § 34 SGB VIII als erforderlich, sondern eine Hilfe in Form der Erziehungsbeistandschaft gemäß § 41 i.V.m. § 30 SGB VIII als ausreichend.
27
Diese Beurteilung ist unter Zugrundelegung des Prüfungsmaßstabs der sozialpädagogischen Fachlichkeit nicht vertretbar. Wie sich aus den vorgelegten Behördenakten eindeutig entnehmen lässt, wurde die Entscheidung des Antragsgegners entgegen der Beurteilung des Jugendamtes und ohne jede sozialpädagogische Beurteilungsgrundlage getroffen. Der Antragsgegner hat damit die Grundzüge des Jugendhilferechts verkannt und sich über Grundsätze des Hilfeverfahrens hinweggesetzt (vgl. hierzu: VG München, U.v. 7.7.2021 – M 18 K 18.2218 – juris Rn. 97 ff.). Die Entscheidung des Antragsgegners kann daher unter keinerlei Gesichtspunkten als rechtmäßig erachtet werden.
28
Dies zugrunde gelegt hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass sich der hinsichtlich der Auswahl der konkreten Hilfemaßnahme gegebene Beurteilungsspielraum des Antragsgegners vorliegend bis zu einer fachgerechten Überprüfung des Jugendhilfebedarfs auf Grundlage einer Entscheidung nach sozialpädagogischer Fachlichkeit (vgl. VG München, B.v. 30.8.2024 – M 18 E 24.4980 – juris m.w.N.; VGH BW, B.v. 23.5.2023 – 12 S 457/23 – juris Rn. 20 ff.) allein auf die beantragte weitere Unterbringung im teilbetreuten Wohnen verengt hat.
29
Es obliegt dem Jugendamt des Antragsgegners, unverzüglich den aktuellen Hilfebedarf der Antragstellerin zu ermitteln und darauf beruhend eine Entscheidung auf Grundlage sozialpädagogischer Fachlichkeit zu treffen.
30
Aus den vorgelegten Behördenakten des Jugendamtes ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Jugendamt des Antragsgegners diesen Anforderungen bis zu der streitgegenständlichen Entscheidung nicht gerecht wurde. Weitere Ausführungen zu den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Verfahren erscheinen daher vorliegend nicht erforderlich.
31
Die Antragstellerin hat zudem einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
32
Zwar möchte der Antragsgegner für die Antragstellerin einen Wohnplatz in einer dezentralen Unterkunft organisieren, so dass die Antragstellerin damit nicht unmittelbar in die Obdachlosigkeit entlassen würde. Mit dieser Unterbringungsform verkennt der Antragsgegner jedoch zum einen die rechtliche Situation der Antragstellerin als Person mit Aufenthaltserlaubnis und zum anderen die Bedürfnisse der Antragstellerin auf weitere Integration in die Gesellschaft, insbesondere auch in Bezug auf die Ermöglichung der Fortsetzung ihres Schulbesuchs in der FOS in L. Der allen Grundsätzen des Jugendhilferechts widersprechende geplante abrupte Abbruch der bisher durch das Jugendamt des Antragsgegners fachgerecht und erkennbar erfolgreich geleisteten Jugendhilfe könnte vielmehr dazu führen, bereits Erreichtes wesentlich zu gefährden.
33
So geben die in der Behördenakte befindlichen Berichte und Stellungnahmen zur persönlichen und gesundheitlichen Situation der Antragstellerin zu befürchten, dass sich insbesondere die psychische Verfassung der Antragstellerin durch einen abrupten Abbruch des teilbetreuten Wohnens deutlich verschlechtern könnte und dadurch auch ihre bisher erfolgreiche Schullaufbahn gefährdet würde. Konkrete Anhaltspunkte hierfür ergeben sich insbesondere aus der aktuellsten Stellungnahme der betreuenden Einrichtung im o.g. Schreiben an den Antragsgegner vom 17. Dezember 2024. Denn dort wurde betont, dass zum jetzigen Zeitpunkt ein Umzug der Antragstellerin in eine dezentrale Unterkunft aus fachlich-pädagogischer Sicht nicht verantwortbar sei und ihre Teilhabe massiv gefährden bzw. unmöglich machen würde. Denn die Antragstellerin sei hochemotional und sehr sensibel. Ihre psychische Verfassung sei instabil. Sie leide zudem sehr unter der Trennung von ihrer Familie in Syrien. Sie verbringe teilweise Nächte weinend und schlaflos. Deshalb benötige sie unbedingt ein stabiles Umfeld, das ihr Heimat und viel Sicherheit vermittle. Sie müsse noch lernen, eigene Lösungsmethoden für ihre Einsamkeitsgefühle und Verlustängste zu entwickeln. Ihre diesbezügliche Entwicklung sei sehr gefährdet, wenn sie ihren Sozialraum verlassen müsste. Die plötzlich im Raum stehende Veränderung ihres Lebens- und Sozialraums habe bei der Antragstellerin bereits jetzt eine große emotionale Krise ausgelöst, die sich psychosomatisch so geäußert habe, dass sie aufgrund einer einfachen Erkältung letztendlich mit hohem Fieber stationär ins Krankenhaus habe eingeliefert werden müssen. Zuvor sei es ihr mit Hilfe des stabilisierenden Umfelds in der Einrichtung gelungen, sich auf die Schule zu konzentrieren und das Abitur anzustreben. Sie befinde sich seit diesem Schuljahr in der FOS in L. und habe die Probezeit mit sehr guten Noten bestanden. Dennoch könne es für sie eine große Herausforderung werden, die emotionale Stabilität für das Erreichen des Abiturs aufzubringen. Um diesen Weg gehen zu können, benötige sie weiterhin das stabile Umfeld des Betreuten Wohnens. Dies sei auch deswegen erforderlich, weil die Antragstellerin in Bezug auf ihr Essverhalten noch engmaschige Begleitung brauche, um in emotional schwierigen Phasen nicht in „alte Muster“ zurückzufallen. Solange die Antragstellerin zudem keinen geeigneten Therapieplatz für eine Wiederaufnahme ihrer Psychotherapie gefunden habe, hätte sie auch hier keine haltgebende Unterstützung, wenn sie ihren Sozialraum jäh verlassen müsste.
34
Vor diesem Hintergrund vermochte auch die Bereitschaft des Antragsgegners in der E-Mail vom 12. Dezember 2024, auf Anforderung eine Kostenübernahmeerklärung bis zum Umzug in der zweiten oder dritten Kalenderwoche des Jahres 2025 gegenüber der derzeit betreuenden Einrichtung abzugeben, sowie die o.g. Kostenübernahmeerklärung des Antragsgegners vom 19. Dezember 2024 die Eilbedürftigkeit vorliegend nicht entfallen zu lassen.
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Dem Antrag war daher vollumfänglich stattzugeben.
36
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
37
Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.
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