Inhalt

AG München, Endurteil v. 08.07.2024 – 1291 C 15828/23 WEG
Titel:

Beschluss über eine Aufzugssanierung

Normenkette:
WEG § 18, § 19
Leitsätze:
1. Das Wirtschaftlichkeitsgebot soll die Wohnungseigentümer nur vor sinnlosen Maßnahmen schützen, für die keinerlei Bedarf besteht, oder vor völlig überteuerten Maßnahmen. Wurde ein Sanierungsbedarf festgestellt, haben die Wohnungseigentümer grundsätzlich einen Ermessenspielraum, ob sie Reparaturen durchführen oder eine Erneuerung vornehmen. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist ein Angebot dem Beschluss eindeutig zuordenbar, ist der Beschluss hinreichend bestimmt. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch für die Leistung von Architekten sind Alternativangebote erforderlich, selbst dann, wenn das Angebot auf Basis der HOAI erstellt wurde. (Rn. 47 – 49) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Alternativangebote, Ingenieurleistungen, Wirtschaftlichkeitsgebot, Bestimmtheit
Fundstellen:
BeckRS 2024, 38410
FDMietR 2025, 938410
LSK 2024, 38410
ZMR 2024, 979

Tenor

1. Der in der Eigentümerversammlung vom 27.06.2023 unter TOP 10 c) (Teilerneuerung der Aufzugsanlagen) gefasste Beschluss wird insoweit für ungültig erklärt als begleitende Ingenieurleistungen Baubetreuung und Abnahme durch die Firma … beschlossen wurden.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Klägerin zu 1) trägt 40 %, die Klägerin zu 2) 60 % der Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 103.828,29 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Gültigkeit mehrerer Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung der Beklagten.
2
Die Klägerinnen sind als Eigentümerinnen der Sondereigentumseinheiten Nr. 47 und Nr. 57 mit einem Miteigentumsanteil von 5,4/1.000 (Klägerin zu 1)) und 11,30/1.000 (Klägerin zu 2)) Mitglied der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft mit 130 Wohneinheiten, die seit 01.01.2022 von der Hausverwaltung … verwaltet wird.
3
Die Wohnanlage verfügt über 12 Aufzüge der Firma … (Alter: 22 Jahre).
4
Die Rechtsbeziehungen innerhalb der WEG sind im Wesentlichen geregelt durch die als Anlage K 1 der Klägerin zu 2) vorgelegte Teilungserklärung nebst Gemeinschaftsordnung vom 14.06.2000. Insoweit wird insbesondere auf die Regelung in § 7 Ziff. 3 GO verwiesen.
5
Im Auftrag der Hausverwaltung erstellte die Fa. … jeweils ohne vorherigen Beschluss der Eigentümerversammlung einen Anlagenzustandsbericht für die vorhandenen Aufzüge (vorgelegt als Anlage B1) und ein Angebot vom 25.02.2022 über Planungs- und Beratungsleistungen sowie Bauüberwachung und Abnahme einer technischen Sanierung der Aufzugsanlagen (vorgelegt als Anlage K 2 der Klägerin zu 1)).
6
Auf der Eigentümerversammlung vom 23.08.2022 wurde unter TOP 5 lit. k) die Beauftragung der Fa. … mit den Planungs- und Beratungsleistungen gemäß des Angebots vom 25.02.2022 durch Beschluss genehmigt. Infolgedessen hat die Fa. … ein Ausschreibungsverfahren durchgeführt. Der Beschluss wurde auf Anfechtung u.a. der Klägerin zu 2) hin im Verfahren 1291 C 13459/22 WEG durch Urteil des Amtsgerichts München vom 15.01.2024 für ungültig erklärt.
7
Im Vorfeld der streitgegenständlichen Beschlussfassungen holte die Hausverwaltung sechs Vergleichsangebote für die technische Sanierung der zwölf Aufzugsanlagen inklusive Wartungs- und Notrufverträge ein.
8
Dem Einladungsschreiben zur Eigentümerversammlung vom 27.06.2023 – vorgelegt als Anlage B 2 – waren hinsichtlich TOP 10) die Vergabeempfehlung der … vom 24.05.2023 samt Preisspiegel und das Angebot der Fa. … vom 25.02.2022 über die begleitenden Sachverständigenleistungen beigefügt.
9
In der Eigentümerversammlung vom 27.06.2023 wurden jeweils mehrheitlich folgende streitgegenständlichen Beschlüsse gefasst:
„TOP 10 Teilerneuerung der Aufzugsanlagen
TOP 10 c)
„Die zukünftige Teilerneuerung der Aufzüge Bestand erfolgt mit offenen und nicht codierten Systemen einschließlich Wartung und Notrufweiterleitung auf Grundlage des Ausschreibungsverfahrens der Firma … durch die Firma … bei Baubetreuung und Abnahme durch die … (Maßnahme gesamt bzw. Maßnahmen bei gestaffelter Ausführung und Festpreisbindung bis Ende 2024 ca. 57.120,00 € gemittelt aufgrund unterschiedlicher Haltestellenzahl je Aufzug, zuzüglich begleitender Ingenieurleistungen Baubetreuung und Abnahme 34.986,00 € bei Gesamtausführung bzw. 2.915,50 € je Aufzug bei gestaffelter Ausführung – jeweils incl. MwSt).“
TOP 10 d)
Die Erneuerung des ersten zwei Aufzugsanlage bei Einlagerung von wiederwendbaren Komponenten der ausgebauten Altanlagen – soll auf Grundlage des TOP 10c beginnend im I. oder II. Quartal 2024 priorisiert nach Substanzschäden und Ausfallhäufigkeit der Bestandsanlagen im letzten Betriebsjahr erfolgen. Die Finanzierung der Maßnahme in Höhe von ca. € 114.240,00 für die Aufzugsteilerneuerung durch die Firma … und ca. € 5.831,00 für die Baubetreuung und die Abnahme durch die … (jeweils inkl. MwSt.) erfolgt durch entsprechende Entnahmen aus der Erhaltungsrücklage (Gegenfinanzierung über Auffüllung der Erhaltungsrücklage mittels Sonderumlage siehe TOP 12).
TOP 10 e)
„Die Verwalterin wird beauftragt und bevollmächtigt, ab Beginn des ersten Abschnitts der Aufzugerneuerung die Wartungs- und Notrufverträge mit der Firma… zu kündigen und die entsprechenden Verträge mit der Firma … für alle Aufzüge des Anwesens abzuschließen. Die Finanzierung der umlagefähigen Kosten in Höhe von ca. € 17.250,24 jährlich anstatt vorher € 33.996,74 jährlich (jeweils inkl. MwSt. erfolgt über laufendes Budget.“
TOP 12 b)
„Die Gegenfinanzierung der unter TOP 8 bis 11 und 13 über entsprechende Entnahmen aus der Enthaltungsrücklage Wohnungen beschlossenen Maßnahmen erfolgt durch Auffüllung der Erhaltungsrücklage Wohnungen mittels Erhebung einer Sonderumlage in Höhe von € 36.000,00 -fällig zum 01.02.2024. Die Kostenverteilung erfolgt nach Miteigentumsanteilen Wohnungen und Hobbyräumen. Die Höhe der anteiligen Kosten wird den Miteigentümern mit separatem Schreiben mitgeteilt.“
10
Die Hausverwaltung und die Fa. … begründeten die Maßnahme damit, dass die Instandhaltungskosten der Aufzüge jährlich exorbitant anstiegen. Die Reparaturkosten der Fa. … für die Aufzüge betrugen im Jahr 2020 27.500,00 €, im Jahr 2021 32.000,00 € und im Jahr 2022 23.200,00 €.
11
Die Klägerin zu 1) hat mit am 24.07.2023 beim Amtsgericht München eingegangenem Schriftsatz desselben Tages Anfechtungsklage eingereicht und diese mit am 23.08.2023 beim Amtsgericht München eingereichtem Schriftsatz begründet. Beide Schriftsätze wurden dem Beklagtenvertreter am 30.08.2023 zugestellt. Die Klägerin zu 2) hat mit am 27.07.2023 eingegangenem Schriftsatz desselben Tages Anfechtungsklage eingereicht und diese mit am 28.08.2023 (Montag) beim Amtsgericht München eingereichtem Schriftsatz begründet. Dem Gericht liegen PZUs für eine erfolgreiche Zustellung der Klageschrift und der Klagebegründung an die Verwalterin vom 18.08.2023 und vom 31.08.2023 vor. Die Schriftsätze wurden dem Beklagtenvertreter am 16.01.2024 erneut übersandt.
12
Die Klage der Klägerin zu 2) wurde bis zur Verbindung am 25.01.2024 unter dem Az. 1291 C 16024/23 WEG geführt.
13
Die Klägerin zu 1) behauptet, die Aufzüge seien voll funktionsfähig, seien immer vorbildlich gepflegt und gewartet worden, sie seien ohne jegliche Mängel und Beanstandungen. Die Teilsanierung sei nicht nötig. Es würden „no-name-Bauteile“ verwendet werden. Die Teilsanierung sei höchst risikoreich und werde zu nicht absehbaren finanziellen Schäden der Gemeinschaft führen. Durch „Verbastelungen“ würden Aufzüge entstehen, die technisch kaum vergleichbar seien.
14
Die Klägerin zu 1) behauptet außerdem, aufgrund des massiven Eigeninteresses der Firma … sei der Anlagenzustandsbericht weder neutral, noch ergebe sich daraus die Notwendigkeit für die Sanierungsarbeiten.
15
Nach Auffassung der Klägerinnen verstoßen die Beschlüsse TOP 10 c), 10 d) und 10 e) gegen das Bestimmtheitsgebot.
16
Die Klägerinnen bewerten die zu TOP 10 c) und 10 d) beschlossenen Maßnahmen als bauliche Veränderung, jedenfalls in Form der modernisierenden Instandsetzung, die nach §§ 20 ff. WEG zu beurteilen sei.
17
Die Klägerin zu 1) rügt darüber hinaus im Hinblick auf TOP 10 c) das Fehlen von Vergleichsangeboten für die begleitenden Ingenieurleistungen.
18
Die Klägerin zu 1) ist außerdem der Auffassung, dass die zu TOP 10 c) und 10 d) gefassten Beschlüsse aus mehreren Gründen gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen. Insbesondere hätte eine Wirtschaftlichkeitsberechnung bzw. Amortisationsanalyse durchgeführt werden müssen.
19
Mit Schriftsatz vom 14.11.2023 hat die Klägerin zu 1) im Hinblick auf TOP 10 c) und d) noch vorgetragen, dass konkurrierende Angebote zur Fa. … in der Eigentümerversammlung nicht zur Abstimmung gestellt worden seien und es nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspreche, einen Beschluss über die Auftragsvergabe mit einem derartigen Volumen zu fassen, ohne die Notwendigkeit hierfür zunächst durch eine neutrale Instanz überprüfen zu lassen.
20
Die Klägerin zu 1) macht im Hinblick auf TOP 10 e) außerdem geltend, dass Alternativangebote in der Eigentümerversammlung nicht vorgelegt worden seien.
21
Im Hinblick auf den zu TOP 12 gefassten Sonderumlagebeschluss sind die Klägerinnen der Auffassung, dass die Ungültigerklärung der zu TOP 10 c), d) und e) gefassten Beschlüsse auch die Ungültigkeit des Beschlusses zur Gegenfinanzierung zur Folge hat. Es entspreche nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, von den Eigentümern in erheblichem Umfang Kosten für nicht rechtmäßige Maßnahmen einzuziehen. Die Klägerin zu 2) rügt auch insoweit einen Verstoß gegen § 21 Abs. 2 Nr. 1 WEG.
22
Die Klägerinnen beantragen:
I. Der in der Eigentümerversammlung vom 27.06.2023 unter TOP 10 c gefasste Beschluss (zukünftige Teilerneuerungen der Aufzüge Bestand) wird für ungültig erklärt.
II. Der in der Eigentümerversammlung vom 27.06.2023 unter TOP 10 d gefasste Beschluss (Erneuerung der ersten zwei Aufzuganlagen) wird für ungültig erklärt.
III. Der in der Eigentümerversammlung vom 27.06.2023 unter TOP 10 e gefasste Beschluss (Kündigung der Wartungs- und Notrufverträge mit der Firma … und Neuabschluss der Verträge mit der Firma … wird für ungültig erklärt.
IV. Der unter TOP 12 gefasste Beschluss (Gegenfinanzierung der unter TOP 8 bis 11 und 13 beschlossenen Maßnahmen) wird für ungültig erklärt.
23
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung
24
Aus Sicht der Beklagten nehmen die zu TOP 10 c), d) und e) hinreichend Bezug auf das Angebot der Firma …. Im Hinblick auf die begleitenden Ingenieurleistungen (TOP 10 c) sei die Einholung von Vergleichsangeboten entbehrlich, da die Vergütung nach den Mindestsätzen der HOAI erfolge und es sich um einen Folgeauftrag handle.
25
Die Beschlüsse verstoßen nach Ansicht der Beklagten auch nicht gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot. Nach dem Anlagenzustandsbericht bestehe kurz- und mittelfristig Instandsetzungsbedarf. Die Firma … nutze ihre Monopol-Stellung dazu, bei Reparaturen und Wartungen höhere Preise als vergleichbare andere Aufzugsfirmen in Ansatz zu bringen. Da es sich um eine Erhaltungsmaßnahme und nicht um eine bauliche Veränderung handle, müsse eine Ersparnis im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsberechnung oder einer Amortisationsanalyse nicht dargelegt werden. Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang auch auf die reduzierten Wartungskosten.
26
Es handle sich nicht um eine modernisierende Instandsetzung. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung liege jedenfalls der absolute Schwerpunkt in der Erneuerung, d.h. dem Austausch der Aufzugsanlage. Selbst wenn es sich bei einzelnen Maßnahmen um eine modernisierende Instandsetzung handeln sollte und selbst wenn diese als bauliche Veränderung zu qualifizieren wäre, hätte dies keinen Einfluss auf das Ergebnis des hiesigen Verfahrens, da sich aufgrund der Sonderregelung in § 7 Ziff. 3 GO keine unterschiedlichen Rechtsfolgen ergäben.
27
Nach Ansicht der Beklagten erfasst eine etwaige Ungültigerklärung der vorstehenden Beschlüsse nicht den Sonderumlagebeschluss (TOP 12), da es sich bei den Beschlüssen zu TOP 10 um jeweils selbständige Beschlüsse handle und die beschlossenen und bereits vergebenen Aufträge finanziert werden müssten. Im Übrigen finanziere der Beschluss zu TOP 12 auch die unter TOP 8, 9, 11 und 13 beschlossenen Maßnahmen.
28
Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 25.03.2024 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

29
Die zulässige Klage ist überwiegend unbegründet.
A.
30
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Amtsgericht München als Wohnungseigentumsgericht gem. §§ 43 Abs. 2 Nr. 4 WEG, 23 Nr. 2c GVG örtlich und sachlich ausschließlich zuständig.
B.
31
Die Klage ist überwiegend unbegründet. Der Beschluss zu TOP 10 c) wurde insoweit auf unzureichender Tatsachengrundlage gefasst als begleitende Ingenieurleistungen Baubetreuung und Abnahme durch die Firma … beschlossen wurden. Im Übrigen sind die Beschlüsse zu TOP 10 c), d) und e) und TOP 12) weder nichtig noch widersprechen sie aus den innerhalb der materiellen Ausschlussfrist des § 45 WEG vorgetragenen Gründen ordnungsgemäßer Verwaltung
I. TOP 10 c)
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1. Die beschlossene Teilerneuerung der Aufzüge durch die Firma … verstößt nicht aus den durch die Klägerin zu 1) vorgetragenen Gründen gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot.
33
a) Die Einholung einer Wirtschaftlichkeitsberechnung oder Amortisationsanalyse vor Beschlussfassung war nicht erforderlich.
34
Bei der beschlossenen Maßnahme handelt es sich jedenfalls im Schwerpunkt um eine Instandsetzungsmaßnahme i.S.d. § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG, da überwiegend Bauteile erneuert werden (Ersatzbeschaffung).
35
Es kann dahinstehen, ob die beschlossene Maßnahme Elemente der modernisierenden Instandsetzung enthält, soweit technische Neuerungen umgesetzt werden. Ebenso kann die umstrittene Frage dahinstehen, ob die modernisierende Instandsetzung auch nach neuer Rechtslage ein (unbenannter) Unterfall der Erhaltung gem. § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG ist, für die als spezieller Ausdruck des Wirtschaftlichkeitsgebots eine Kosten-Nutzen-Analyse vorliegen muss, die ersichtlich macht, ob in einem angemessenen Zeitraum eine Amortisierung zu erwarten ist, oder ob es sich um eine bauliche Veränderung i.S.d. § 20 WEG handelt (zum Streitstand z.B. Bärmann/Dötsch, 15. Aufl. 2023, WEG § 21 Rn. 23-25; 144; 161-163). Denn vorliegend ergeben sich aus dem Umstand, dass mit der beschlossenen Maßnahme auch technische Neuerungen umgesetzt werden, im Ergebnis keine weitergehenden Anforderungen im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot als diejenigen Anforderungen, die allgemein an eine Instandsetzungsmaßnahme zu stellen sind.
36
Denn wie die Beklagte zutreffend ausführt, liegt der absolute Schwerpunkt der beschlossenen Maßnahme in der Erneuerung der Aufzugsanlagen. Soweit technische Neuerungen umgesetzt werden sollen, die Maßnahme also über die Erneuerung einzelner Teile im Sinne einer Ersatzbeschaffung hinausgeht, handelt es sich gemessen an der Gesamtmaßnahme um untergeordnete Maßnahmen. Technische Neuerungen sind lediglich die Sicherheitsbremse als Schutzeinrichtung gegen den unkontrollierten Sturz nach oben und der unbeabsichtigten Bewegung in den Haltestellen mit offenen Türen gemäß EN 81-20/50-A3 sowie nach dem Vortrag der Klägerin zu 1) im Schriftsatz vom 03.06.2024 einige der unter Ziff. 5.1 des Leistungsverzeichnisses genannten Maßnahmen (Anlage B 3 Ziff. 5.1 und 5.11). Lichtvorhänge sind bereits teilweise vorhanden (Anlagenzustandsbericht Anlage B 1 Ziff. 2.0).
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Da das beschlossene Angebot für diese gemischte Maßnahme lediglich eine Kostenpauschale vorsieht (Anlage B 3 Ziff. 11.0), können die Kosten, die auf die untergeordneten technischen Neuerungen entfallen, vorliegend nicht von den sonstigen Instandsetzungskosten getrennt werden. Nach Auffassung des Gerichts ist es hier nicht sachgerecht, eine Kosten-Nutzen-Analyse in Bezug auf die Gesamtmaßnahme zu fordern, obwohl der Schwerpunkt der Maßnahme in der Instandsetzung liegt. Denn die technischen Neuerungen dienen überwiegend lediglich dazu, die aktuell gültigen Aufzugsnormen – also einen allgemein üblichen Standard – zu erfüllen (vgl. Anlage B 3 Ziff. 5.1 und 5.11).
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b) Soweit die Klägerin zu 1) geltend macht, den Eigentümern lagen bei Beschlussfassung keine Antwort auf die Frage der Haftung im Schadensfall, keine detaillierte Leistungsbeschreibung, kein schriftliches Angebot des Lieferanten, keine Auflistung der auszutauschenden Bauteile und keine Angabe der gesetzlich vorgeschriebenen Modernisierungserfordernisse vor, so folgt daraus kein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot.
39
c) Der klägerische Vortrag, die Teilerneuerung sei nicht nötig, kann unterstellt werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin zu 1) muss die Sanierung nicht notwendig sein, d.h. es muss kein dringender Sanierungsbedarf bestehen. Zwar handelt es sich angesichts des Kostenvolumens von 671.731,20 € für die Teilerneuerung auch aus Sicht des Gerichts um eine hohe Investition, die trotz der Größe der Wohnanlage mit 130 Einheiten zu einer erheblichen Kostenbelastung für die einzelnen Wohnungseigentümer führt. Das Wirtschaftlichkeitsgebot soll die Wohnungseigentümer aber nur vor sinnlosen Maßnahmen schützen, für die keinerlei Bedarf besteht, oder vor völlig überteuerten Maßnahmen. Wurde ein Sanierungsbedarf festgestellt, haben die Wohnungseigentümer grundsätzlich einen Ermessenspielraum, ob sie Reparaturen durchführen oder eine Erneuerung vornehmen. Hier wurde ein Sanierungsbedarf festgestellt. Wie sich aus dem Anlagenzustandsbericht ergibt, liegt die nominale Lebensdauer die Aufzugsanlagen mit den eingebauten Produkten bei ca. 20 bis maximal 25 Jahren (Anlage B1 S. 5). Die Klägerin zu 1) behauptet zwar, die Aufzüge seien voll funktionsfähig, seien immer vorbildlich gepflegt und gewartet worden, sie seien ohne jegliche Mängel und Beanstandungen. Die Feststellungen des Anlagenzustandsberichts stellt die Klägerin zu 1) inhaltlich jedoch nicht in Frage. Die 22 Jahre alten Aufzüge haben also ihre betriebsgewöhnliche Nutzungszeit erreicht. Daher können die Wohnungseigentümer grundsätzlich selbst bestimmen, ob sie den tatsächlichen Verschleiß einzelner Bauteile abwarten und diese nach und nach reparieren oder austauschen oder ob sie die Bauteile bereits zum jetzigen Zeitpunkt erneuern lassen, auch wenn die Reparaturkosten in den letzten drei Jahren nicht exorbitant gestiegen sind (2020: 27.500,00 €, 2021: 32.000,00 C, 2022: 23.200,00 €. Diese Reparaturkosten hat die Beklagte zuletzt nicht mehr bestritten). Umstände, die dazu führen, dass die Wohnungseigentümer gezwungen sind, auf eine Erneuerung von Bauteilen nach dem Ende der betriebsgewöhnlichen Nutzungszeit zu verzichten, kann das Gericht hier nicht erkennen. Die Erneuerung versetzt die Aufzüge lediglich in einen allgemein üblichen Zustand. Von sechs eingeholten Angeboten wurde das günstigste Angebot ausgewählt. Dass der mit der Sanierung verbundene Umstieg auf offene und nicht codierte Systeme zu zusätzlichen Kostensteigerungen führt, wurde nicht substantiiert vorgetragen. Soweit die Klägerin zu 1) vorträgt, es würden „no-name-Bautelle“ verwendet werden, die Teilsanierung sei höchst risikoreich und werde zu nicht absehbaren finanziellen Schäden der Gemeinschaft führen und durch „Verbastelungen“ würden Aufzüge entstehen, die technisch kaum vergleichbar seien, so ist die bloße Mutmaßung, dass ein kleinerer Anbieter qualitativ minderwertige Arbeit verrichten wird, kein substantiierter Sachvortrag. Dafür besteht auch kein allgemeiner Erfahrungssatz.
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2. Auch einen Verstoß gegen § 21 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WEG können die Klägerinnen nicht erfolgreich geltend machen. Denn für bauliche Veränderungen und Aufwendungen, die über die ordnungsgemäße Instandsetzung und Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, regelt § 7 Ziff. 3 GO, dass alle Wohnungseigentümer, auch die nicht zugestimmt haben, die Durchführung der Maßnahme zu dulden haben, jedem Wohnungseigentümer gebührt die Nutzung und alle Wohnungseigentümer haben die Kosten gemeinsam zu tragen. Wie die Beklagte zutreffend ausführt, gilt die Regelung trotz § 47 WEG unverändert fort, da sich die gesetzliche Regelung, von der abgewichen wurde, nicht geändert hat. § 16 Abs. 3 WEG in der zum Zeitpunkt der Teilungserklärung geltenden Fassung entsprach seit 01.07.2007 inhaltlich § 16 Abs. 6 WEG a.F. Seit dem 01.12.2020 befindet sich diese Regelung nunmehr in § 21 Abs. 3 WEG.
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3. Der Beschluss ist auch hinreichend bestimmt.
42
Es ist allgemein anerkannt, dass der Wortlaut eines Beschlusses zur näheren Erläuterung inhaltlich Bezug auf bestimmte Ereignisse, Tatsachen oder auch Schriftstücke nehmen kann, wenn der in Bezug genommene äußere Umstand selbst wiederum zweifelsfrei bestimmbar ist. Nur dann ist sichergestellt, dass auch ein Dritter, insbesondere der Sonderrechtsnachfolger eines Wohnungseigentümers, dem Beschluss entnehmen kann, welchen Inhalt dieser genau hat. (Bärmann/Merle, WEG, 15. Aufl. 2023, § 23 Rn. 90).
43
Diesen Anforderungen genügt der Beschluss. Der Beschlusstext selbst benennt zwar nur die Auftragnehmerin Firma … und das Kostenvolumen i.H.v. 671.731,20 €. Das Angebot (Anlage B 3) ist dem Beschluss jedoch eindeutig zuordenbar. Mit dem Einladungsschreiben wurde der Preisspiegel versandt, aus dem sich ergibt, dass es sich bei dem Betrag 671.731,20 € um die Angebotssumme der Firma … handelt. Es ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass es im Zeitpunkt der Beschlussfassung ein weiteres Angebot der Firma … noch dazu mit entsprechender Auftragssumme, gab. Entgegen der Auffassung der Klägerin zu 1) ist also sichergestellt, dass auch ein Dritter, insbesondere der Sonderrechtsnachfolger eines Wohnungseigentümers, durch Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen den Beschlussinhalt entnehmen kann. Daher ist entgegen der Auffassung der Klägerin zu 2) auch unerheblich, dass das Angebot dem Protokoll nicht als Anlage beigefügt wurde und nicht in die Beschlusssammlung aufgenommen wurde.
44
4. Soweit die Klägerin zu 1) in der Klagebegründungsschrift vorgetragen hat, dass die Hausverwaltung und die Fa. … die Maßnahme mit der Behauptung begründet haben, die Instandhaltungskosten der Aufzüge stiegen jährlich exorbitant, obwohl die tatsächlichen Reparatur- und Wartungskosten lediglich den normalen inflationsbedingten Steigerungen unterliegen, hat sie damit nicht einen Verstoß der Hausverwaltung gegen ihre Informations- und Vorbereitungspflicht gerügt. Für die Wahrung der Anfechtungsbegründungsfrist ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass der Kläger den tatsächlichen Lebenssachverhalt in seinem wesentlichen Kern benennt, auf den er seine Klage stützen will und den zur Überprüfung gestellten Sachverhalt zumindest in Umrissen vorträgt (Bärmann/Göbel, 15. Aufl. 2023, WEG § 45 Rn. 31). Daran fehlt es hier, weil aus dem gesamten Vortrag der Klägerin zu 1) nicht im Ansatz hervorgeht, dass die Behauptung der Hausverwaltung zu einer Fehlvorstellung der Klägerin zu 1) oder sonstiger Wohnungseigentümer über die tatsächlichen Reparatur- und Wartungskosten, die über das Einsichtsrecht des § 18 Abs. 4 WEG sämtlichen Wohnungseigentümern zugänglich sind, geführt hat.
45
5. Die Klägerin zu 1) hat erstmals in der Replik vorgetragen, dass konkurrierende Angebote zur … in der Eigentümerversammlung nicht zur Abstimmung gestellt worden seien. Damit wurde dieser Anfechtungsgrund nicht innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist gem. § 45 S. 1 2. Alt. WEG gerügt. Mit diesem Anfechtungsgrund können die Klägerinnen daher nicht mehr durchdringen. Im Übrigen waren sämtliche Angebote über den Preisspiegel, der mit dem Einladungsschreiben an sämtliche Eigentümer versandt wurde, bekannt und über das Einsichtsrecht gem. § 18 Abs. 4 WEG im Vorfeld der Versammlung zugänglich.
46
6. Die Klägerin zu 1) hat auch erstmals in der Replik vorgetragen, dass es nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspreche, einen Beschluss über die Auftragsvergabe mit einem derartigen Volumen zu fassen, ohne die Notwendigkeit hierfür zunächst durch eine neutrale Instanz überprüfen zu lassen. Damit wurde auch dieser Anfechtungsgrund nicht fristgerecht vorgetragen. Ein Nichtigkeitsgrund ist dies nicht.
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7. Der Beschluss wurde aber insoweit ohne ausreichende Entscheidungsgrundlage gefasst als die … ohne die Einholung von Vergleichsangeboten mit den begleitenden Ingenieurleistungen Baubetreuung und Abnahme (Kostenvolumen 34.986,00 €) beauftragt wurde. Grundsätzlich ist vor einem Vertragsschluss die Ermessensausübung der Wohnungseigentümer dadurch vorzubereiten, dass bei Maßnahmen größeren Umfangs durch die Einholung von Vergleichsangeboten die Grundlage für eine sachgerechte Entscheidung geschaffen wird. Die Einholung von Vergleichsangeboten war vorliegend nicht ausnahmsweise entbehrlich.
48
a) Soweit die Rechtsprechung bei der Beauftragung von Planungsleistungen durch einen Sachverständigen teilweise auf die Einholung von Vergleichsangeboten verzichtet, weil sich die Sachlage bei der Beauftragung gutachterlicher Tätigkeiten von der Beauftragung von Handwerkern unterscheide (LG Frankfurt ZWE 2021, 373, Rn. 9 f; LG München I, ZMR 2023, 222, Rn. 92), kann dem nicht gefolgt werden, weil für die Wohnungseigentümergemeinschaft jedenfalls die Angemessenheit der Preisbildung überprüfbar sein muss.
49
b) Die Einholung von Vergleichsangeboten war auch nicht ausnahmsweise deshalb entbehrlich, weil das vorliegende Angebot auf Grundlage der HOAI erstellt wurde. Die Eigentümer konnten nicht davon ausgehen, kein wirtschaftlich günstigeres Angebot zu erlangen. Die Feststellung des EuGH (EuGH 4. Kammer, Urt. v. 4.7.2019 – C-377/17 Kommission/Bundesrepublik Deutschland NVwZ 2019, 1120, m. Anm. Oriwol und Honer), dass das Preisrecht der HOAI gegen Unionsrecht verstößt, hat zur Folge, dass auch die wirksame Vereinbarung eines niedrigeren Preises möglich gewesen wäre.
50
c) Die Einholung von Vergleichsangeboten war auch nicht deshalb entbehrlich, weil es sich um einen Folgeauftrag handelt. Zwar hat die Hausverwaltung die Fa. … im Außenverhältnis wirksam beauftragt, das Ausschreibungsverfahren durchzuführen und der Auftrag wurde bereits vollzogen. Allerdings fehlt im Innenverhältnis eine wirksame Beschlussfassung für die Auftragserteilung. Der Genehmigungsbeschluss zu TOP 5 lit. k) auf der Eigentümerversammlung vom 23.08.2022 wurde wegen fehlender Vergleichsangebote für ungültig erklärt, § 23 Abs. 4 S. 2 WEG. Dass es um einen Folgeauftrag geht, kann nur dann zu einer Befreiung von der Pflicht zur Vorlage von Vergleichsangeboten führen, wenn die Auswahl des Auftragnehmers ursprünglich ordnungsgemäß aufgrund einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage erfolgt ist. Würde man auf einen ordnungsgemäß beschlossenen Erstauftrag verzichten, könnten wiederholt Aufträge an dem durch das Wohnungseigentumsgesetz vorgesehenen Weg vorbei erteilt werden. Die Erwägung der Beklagten, es sei nicht gerechtfertigt, dass sich die WEG mit einem Mitverschulden und Mitverschuldensquoten herumschlagen müsse, wenn mit der Bauüberwachung ein anderes Unternehmen beauftragt werde, kann lediglich unter mehreren Anbietern ein Auswahlkriterium zugunsten der Fa. … sein.
51
d) Der Beschluss ist insoweit teilbar, da er sich auf verschiedene Leistungen/Auftragnehmer bezieht, die jeweils eigenständig zu beurteilen sind. Es ist auch davon auszugehen, dass die Eigentümer jedenfalls die Teilerneuerung der Aufzüge beschließen wollten, wenn auch noch nicht feststeht, welches Ingenieurbüro die Bauüberwachung übernimmt (§ 139 BGB analog).
II. TOP 10 d)
52
Der Beschluss ist weder nichtig noch widerspricht er aus den innerhalb der materiellen Ausschlussfrist des § 45 WEG vorgetragenen Gründen ordnungsgemäßer Verwaltung. Insoweit wird zunächst auf die Ausführungen unter Ziff. B. I.1.-6. verwiesen.
53
Soweit die Klägerin zu 2) geltend macht, es sei unklar, welche zwei Aufzugsanlagen zuerst erneuert werden sollen, führt dies nicht zur Unbestimmtheit des Beschlusses. Die beiden ersten zu erneuernden Aufzugsanlagen sind bestimmbar. Der Entscheidungsprozess ist im Beschluss ausdrücklich festgelegt. Es soll eine Priorisierung nach Substanzschäden und nach Ausfallhäufigkeit im letzten Betriebsjahr erfolgen.
54
Der Beschluss wurde auch aufgrund einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage gefasst, soweit die Firma … mit der Baubetreuung und Abnahme i.H.v. 5.831,00 € beauftragt wurde. Die Einholung von Vergleichsangeboten war aufgrund des Auftragsvolumens angesichts der Größe der WEG entbehrlich. Das Auftragsvolumen liegt nur unerheblich über dem Betrag von 5.000,00 €, den die Rechtsprechung auch in kleineren WEGs i.d.R. als Bagatellgrenze ansetzt. Zudem ist angesichts der Größe der WEG mit 130 Einheiten auch die anteilige Kostenbelastung als geringfügig einzustufen. Die Frage, ob die Beauftragung der Fa. … für die Bauüberwachung nur der Erneuerung der ersten beiden Aufzüge sinnvoll ist, obwohl die Beauftragung der Bauüberwachung insgesamt unter TOP 10 c) für ungültig zu erklären war, betrifft lediglich die Umsetzung des Beschlusses. Da die WEG zwei getrennte Beschlüsse gefasst hat, ist deren Inhalt jeweils gesondert zu prüfen.
III. TOP 10 e)
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Auch dieser Beschluss ist weder nichtig noch widerspricht er aus den innerhalb der materiellen Ausschlussfrist des § 45 WEG vorgetragenen Gründen ordnungsgemäßer Verwaltung. Insoweit wird zunächst wieder auf die Ausführungen unter Ziff. B. I.1.-6. verwiesen.
56
Soweit eingewendet wurde, die Vertragslaufzeit sei nicht bekannt, so ergibt sich eine 5-jährige Vertragslaufzeit aus dem Leistungsverzeichnis (Anlage B 3, Ziff. 8.0 und 9.0) und aus dem Preisspiegel, der bereits mit dem Einladungsschreiben versandt wurde. Der Beschluss ist hinreichend bestimmt.
57
Entgegen der Auffassung der Klägerin zu 1) war es nicht erforderlich, die Alternativangebote den Wohnungseigentümern in der Eigentümerversammlung vorzulegen. Mit der Übersendung des Preisspiegels zusammen mit dem Einladungsschreiben wurden sämtliche Wohnungseigentümer über die Eckpunkte der Angebote informiert. Jeder interessierte Wohnungseigentümer hatte dadurch die Gelegenheit, sich im Vorfeld der Versammlung durch Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen Kenntnis von den vollständigen Angeboten zu verschaffen. Die Klägerin zu 1) hat nicht vorgetragen, dass sie im Vorfeld der Versammlung oder zumindest in der Versammlung selbst ihr Einsichtnahmerecht geltend gemacht hat. Jedenfalls ohne entsprechende Anfrage müssen bei Versendung des Preisspiegels im Vorfeld der Versammlung die Vergleichsangebote den Wohnungseigentümern in der Eigentümerversammlung nicht vorgelegt werden. Auch die Rechtsprechung lässt es bei Übersendung des Preisspiegels oder sonstiger Bekanntgabe der Eckpunkte der Angebote genügen, dass den interessierten Wohnungseigentümern eine Kenntnisnahme der vollständigen Angebote nur auf entsprechende Anfrage ermöglicht wird (LG München I, ZMR 2015, 147, Rn. 9 – juris; BGH NJW-RR 2020, 960, 962).
IV. TOP 12
58
Der Beschluss über die Erhebung einer Sonderumlage i.H.v. 36.000,00 € entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung. Die teilweise Ungültigerklärung des zu TOP 10 c) gefassten Beschlusses, soweit begleitende Ingenieurleistungen i.H.v. 34.986,00 € beschlossen wurden, führt nicht zur Unzulässigkeit der Erhebung der Sonderumlage i.H.v. 36.000,00 €.
59
Der Anfechtungsgrund der Klägerin zu 1), von den Eigentümern dürften nicht in erheblichem Umfang Kosten für nicht rechtmäßige Maßnahmen eingezogen werden, greift hier nicht durch. Eine Auslegung des Beschlusses kommt zu dem Ergebnis, dass die Wohnungseigentümer die Sonderumlage auch dann erheben wollten, falls die unter den TOP 10 beschlossenen Maßnahmen im Nachhinein wegfallen. Denn der Beschluss zu TOP 12 finanziert nicht nur die zu TOP 10 c) und d), sondern auch die unter TOP 8, 9, 11 und 13 beschlossenen Maßnahmen. Selbst mit dem teilweisen Wegfall des zu TOP 10 c) gefassten Beschlusses verbleiben daher Maßnahmen mit einem Kostenvolumen von 723.009,80 € (TOP 10, TOP 8, TOP 11, TOP 13), die gegenfinanziert werden müssen.
60
V. Ein Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung war aufgrund der Ausführungen der Klägerin zu 1) im Schriftsatz vom 03.06.2024 und der Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 10.06.2024 nicht veranlasst. Das Angebot der Fa. … samt Leistungsverzeichnis war bereits mit der Klageerwiderung vom 23.10.2023 unter Verweis auf die sich daraus ergebenden konkreten Maßnahmen als Anlage B 3 vorgelegt worden. Die Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung vom 14.06.2000 war bereits als Anlage K 1 der Klägerin zu 2) vorgelegt worden. Die Stellungnahmen enthalten daher bloße Rechtsausführungen.
C.
61
I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 und § 100 Abs. 2 ZPO. Den Klagen wurde gemessen am Gesamtstreitwert von 103.828,29 € nur in geringem Umfang stattgegeben (Klägerin zu 1): 5,4/1.000 × 34.986,00 € × 7,5 = 1.416,93 €; Klägerin zu 2): 11,30/1.000 × 34.986,00 € × 7,5 = 2.965,06 €). Daher kommt der Rechtsgedanke des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zur Anwendung.
62
Aufgrund der unterschiedlichen Miteigentumsanteile der beiden Klägerinnen und der entsprechend erheblich voneinander abweichenden Streitwerte (vgl. Ausführungen unter Ziff. C.III) liegt eine Verschiedenheit der Beteiligung i.S.d. § 100 Abs. 2 ZPO vor (Thomas/Putzo, 43. Aufl. 2022, § 100, Rn. 9). Das Gericht hat insoweit von seinem Ermessen Gebrauch gemacht, die unterschiedlichen Beteiligungen zum Maßstab zu nehmen. Die angemessene Beteiligung ergibt sich entsprechend des Verhältnisses bei der Betrachtung von Einzelstreitwerten. Unter Zugrundelegung von Einzelstreitwerten von 33.573,22 € für die Klägerin zu 1) und von 70.255,07 € für die Klägerin zu 2) errechnen sich fiktive Kosten des Rechtsstreits von 6.871,45 € und 10.236,53 €. Demnach ist nach Auffassung des Gerichts eine Kostenquote von 40 % (Klägerin zu 1)) bzw. 60 % (Klägerin zu 2) sachgerecht.
63
II. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO.
64
III. Die Streitwertbemessung erfolgt gemäß § 49 GKG. Danach wird der Streitwert auf das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung festgesetzt. Er darf den siebeneinhalbfachen Wert des Interesses des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen sowie den Verkehrswert ihres Wohnungseigentums nicht überschreiten.
65
Für die Klage der Klägerin zu 1) liegt der Streitwert bei 33.573,22 €.
66
Für die Gesamtmaßnahme „Teilerneuerung der Aufzugsanlagen“ TOP 10 errechnen sich Kosten in Höhe von 792.968,40 €: TOP 10 c) 706.717,20 € (671.731,20 € Maßnahme gesamt + 34.986,00 € begleitende Ingenieurleistungen); TOP 10 e) 86.251,20 € (ausgehend von einer geschätzten Vertragslaufzeit für die Wartungs- und Notrufverträge von 5 Jahren)
67
Bei der zu TOP 12 beschlossenen Sonderumlage i.H.v. 36.000,00 € liegt entsprechend den Ausführungen unter Ziffer B IV entgegen der vorläufigen Auffassung des Gerichts bei der Festsetzung des vorläufigen Streitwerts keine wirtschaftliche Identität mit den zu TOP 10 gefassten Beschlüssen vor.
68
Das siebeneinhalbfache Klägerinteresse beträgt somit 33.573,22 € (5,4/1.000stel × 828.968,40 € × 7,5). Das Gesamtinteresse übersteigt diesen Betrag.
69
Für die Klage der Klägerin zu 2) liegt der Streitwert bei 70.255,07 € (11,30/1.000stel × 828.968,40 € × 7,5).
70
Die Einzelstreitwerte sind gem. § 39 Abs. 1 GKG zusammen zu rechnen.