Titel:
Verwaltungsgerichte, Asylverfahren, Massenzustrom, Abstrakter Rechtssatz, Divergenzrüge, Bundsverwaltungsgericht, Innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, Vorübergehender Schutz, Verfahrensmangel, Klageabweisung, Berufungsverfahren, Rechtliches Gehör, Durchführungsbeschluss, Rechtsmittelführer, Kostenentscheidung, Zulassungsantrag, Abschiebungsschutz, Darlegungsanforderungen, Divergenzberufung, Gerichtskosten
Schlagwort:
Massenzustrom-Richtlinie
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 02.02.2024 – AN 4 K 23.30036
Fundstellen:
InfAuslR 2025, 37
LSK 2024, 38327
BeckRS 2024, 38327
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG), einer Abweichung von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) und eines Verfahrensmangels durch Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
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1. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn eine konkrete, fallübergreifende und bislang obergerichtlich ungeklärte Tatsachen- oder Rechtsfrage für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, deren Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 29.11.2023 – 6 B 10.23 – juris Rn. 20). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist oder aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, B.v. 19.1.2022 – 1 B 83.21 – juris Rn. 21; B.v. 24.4.2017 – 1 B 22.17 – NVwZ 2017, 1204 = juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 22.1.2020 – 11 ZB 20.30210 – juris Rn. 3). Zur Erfüllung der Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG muss der Rechtsmittelführer in seinem Zulassungsantrag erläutern, dass und inwiefern die Berufungsentscheidung zur Klärung der Frage führen kann, und sich dabei mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzen (vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2024 – 1 C 15.23 – juris Rn. 2).
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Hiervon ausgehend ist die Berufung nicht zur Klärung der Fragen zuzulassen, „ob es sich unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 GG tatsächlich um eine Ungleichbehandlung von nicht vergleichbaren Sachverhalten handelt, wenn im Asylverfahren andere Maßstäbe für die im Rahmen der Rückkehrprognose getroffenen Erwägungen hinsichtlich der im Heimatland bestehenden Gefahren getroffen werden als bei der Prüfung der Voraussetzungen eines Aufenthaltstitels nach § 24 AufenthG“, und „inwieweit eine zwangsweise Rückführung eines Asylantragstellers in die Ukraine unter Berücksichtigung der im Durchführungsbeschluss vom 19. Oktober 2023 genannten Erwägungen unter Berücksichtigung der Maßstäbe der EMRK überhaupt rechtlich zulässig ist“.
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a) Die Antragsbegründung genügt bereits nicht den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG. Sie beschränkt sich auf die Gegenüberstellung wörtlicher Zitate aus dem angefochtenen Urteil und dem Durchführungsbeschluss (EU) 2023/2409 des Rates vom 19. Oktober 2023 zur Verlängerung des vorübergehenden Schutzes für Vertriebene aus der Ukraine (ABl L v. 24.10.2023 S. 1) auf der Grundlage der RL 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten (ABl L 212 v. 7.8.2001 S. 12; im Folgenden Massenzustrom-Richtlinie). Über die wörtlichen Zitate und die formulierte Frage hinaus enthält die Begründung des Zulassungsantrags keinerlei Ausführungen zur Erläuterung der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung. Das Verwaltungsgericht ist zu dem Ergebnis gekommen, der Kläger sei in der Westukraine hinreichend sicher, und hat dargelegt, aus welchen Gründen es die Entscheidung des Normgebers für gerechtfertigt hält, für den Schutz gemäß § 24 AufenthG danach zu differenzieren, ob die Betroffenen vor oder nach dem russischen Angriff aus der Ukraine ausgereist sind (UA S. 11). Abgesehen davon, dass ein Schutz nach § 24 AufenthG nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist, setzt sich der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter mit den darauf bezogenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht substantiiert auseinander. Insbesondere fehlt jegliche Erläuterung dazu, woraus sich die von ihm geforderte Angleichung des Prüfungsmaßstabs in Asylverfahren an die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG i.V.m. den hierzu erlassenen europarechtlichen Regelungen für ukrainische Schutzsuchende ergeben sollte, die – soweit ersichtlich – nirgendwo vertreten wird.
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b) Im Übrigen ergibt sich aus den formulierten Fragen auch keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG.
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Die Fragen beziehen sich auf die normativ angelegte, unterschiedliche Schutzgewährung für Flüchtlinge aus der Ukraine nach den allgemeinen Regelungen des Asylrechts einerseits und nach § 24 AufenthG i.V.m. der Massenzustrom-Richtlinie und den hierzu ergangenen Durchführungsbeschlüssen (EU) 2022/382 des Rates vom 4. März 2022 (ABl L 71 v. 4.3.2022, S. 1) zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes sowie 2023/2409 vom 19. Oktober 2023 zur Verlängerung dieses Schutzes andererseits. Diese grundsätzlich nebeneinander anwendbaren Schutzsysteme verfolgen unterschiedliche Zielsetzungen: Die Regelungen des Asylrechts sind auf eine individuelle Prüfung und bei positivem Ergebnis grundsätzlich unbefristete Schutzgewährung angelegt, während die Massenzustrom-Richtlinie bei Zustrom einer großen Zahl Vertriebener sofort vorübergehenden Schutz von beschränkter Dauer gewähren soll, um der EUweit koordinierten Aufnahme einer großen Zahl von Flüchtlingen jenseits des individuellen Asylverfahrens und jenseits des Dublin-Systems zu ermöglichen (vgl. Erwägungsgründe 2 und 8 sowie Art. 1 der Massenzustrom-Richtlinie). Die Schutzsysteme sind bei Aktivierung der Massenzustrom-Richtlinie durch Beschluss des Rates auf Vorschlag der Kommission (vgl. Art. 5 der Massenzustrom-Richtlinie) parallel anwendbar. Der vorübergehende Schutz berührt ausdrücklich nicht die Anerkennung des Flüchtlingsstatus im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (Art. 3 Abs. 1 der Massenzustrom-Richtlinie). Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, haben jederzeit Zugang zum regulären Asylverfahren (vgl. Art. 17, Art. 19 Abs. 2 der Massenzustrom-Richtlinie). Es ist ihnen somit nicht verwehrt, einen Antrag auf Asyl zu stellen. Allerdings ruht das Asylverfahren zur Vermeidung einer Doppelbelastung der Behörden, solange dem Ausländer vorübergehender Schutz nach § 24 AufenthG gewährt wird (§ 32a Abs. 1 Satz 1 AsylG).
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Damit ermöglicht die Massenzustrom-Richtlinie im Falle einer Krise, die mit der Migration oder Evakuierung einer großen Zahl von Personen einhergeht, hier ausgelöst durch den russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022, dem betreffenden Personenkreis auf schnellem und möglichst unbürokratischem Wege ohne Prüfung eines individuellen Verfolgungsschicksals Schutz zu gewähren. Sie erweitert den Schutz für individuell betroffene Flüchtlinge oder Schutzsuchende, der ansonsten nur nach Einzelfallprüfung in einem aufwendigen Anerkennungsverfahren gewährt werden kann, beschleunigt das Aufnahmeverfahren durch die generelle Festlegung des begünstigten Personenkreises und entlastet damit die für die Einzelfallprüfung zuständigen Behörden und Gerichte. Damit geht zwangsläufig einher, dass die im Falle einer Einzelfallprüfung erforderliche Klärung der Frage, ob der Betroffene in einem Teil seines Herkunftslands hinreichend sicher ist (für die Ukraine etwa BayVGH, U.v. 8.4.2024 – 11 B 20.30362 – juris Rn. 35 ff.), im Rahmen der Schutzgewährung nach der Massenzustrom-Richtlinie nicht zu prüfen ist. Eine solche mit größerem Aufwand verbundene Prüfung der Situation in verschiedenen Landesteilen widerspräche der Zielsetzung der Massenzustrom-Richtlinie, schnell und unbürokratisch Schutz zu gewähren, und wäre in diesem Verfahren nicht zu leisten.
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Als nicht justiziable politische Entscheidung (vgl. Dietz, NVwZ 2022, 505/506; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Juni 2024, § 24 AufenthG Rn. 17) nimmt der Durchführungsbeschluss vom 4. März 2022 zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes keine regionale Einschränkung vor (vgl. Erwägungsgrund 2 des Durchführungsbeschlusses). Allerdings kann daraus nicht hergeleitet werden, dass aus Gründen der Gleichbehandlung in Asylverfahren auf die individuelle Prüfung hinreichender Sicherheit in einem Landesteil der Ukraine zu verzichten wäre. Andernfalls käme es zu Unstimmigkeiten innerhalb des ansonsten kohärenten und auf Einzelfallprüfung angelegten Asylsystems, das auch bei ernsthafter individueller Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts die Prüfung verlangt, ob der Betreffende in einem Teil seines Herkunftslands hinreichend sicher ist (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG).
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2. Die Berufung ist auch nicht wegen einer Abweichung von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) zuzulassen.
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Eine die Zulassung der Berufung eröffnende Abweichung setzt voraus, dass die Entscheidung der Vorinstanz auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gerichte (das dem Ausgangsgericht übergeordnete Oberverwaltungsgericht bzw. hier der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder das Bundesverfassungsgericht) in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt haben (vgl. BVerwG, B.v. 29.11.2023 – 6 B 10.23 – Rn. 21). Das vom Klägerbevollmächtigten in seiner Begründung benannte, allerdings ohne Angabe des Entscheidungsdatums und Aktenzeichens zitierte Verwaltungsgericht Würzburg zählt von vornherein nicht zu den Divergenzgerichten gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG. Soweit sich die Divergenzrüge auf die Beschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. Oktober 2021 (9 ZB 21.31227) und des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. August 2018 (1 B 25.18) stützt, fehlt es an der gebotenen Gegenüberstellung divergierender Rechtssätze des Ausgangsgerichts einerseits und der übergeordneten Divergenzgerichte andererseits. Die Divergenzberufung ist ein Unterfall der Grundsatzberufung; sie dient der Sicherung der Rechtseinheit und nicht der Einzelfallgerechtigkeit (Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Auflage 2022, § 78 AsylG Rn. 18). Deshalb genügt allein das Aufzeigen einer nach Auffassung des Rechtsmittelführers fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gerichte den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht. Vielmehr muss zwischen den Gerichten ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen. Deshalb erfordert die Darlegung der Divergenz die Angabe eines inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatzes, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Dabei sind die divergierenden Rechtssätze einander präzise gegenüberzustellen (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 13.2.2019 – 1 B 2.19 – juris Rn. 15 m.w.N.; Bergmann in Bergmann/Dienelt, a.a.O., Rn. 19). Solche abstrakten Rechtssätze stellt der Klägerbevollmächtigte in seiner Antragsbegründung jedoch nicht gegenüber, sondern macht lediglich die Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geltend, was zur Darlegung der Divergenzrüge nicht ausreicht, weil die Geltendmachung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach der abschließenden und gegenüber § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vorrangigen Sonderregelung des § 78 Abs. 3 AsylG kein Grund für die Zulassung der Berufung in Asylverfahren ist.
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3. Schließlich ist die Berufung auch nicht wegen eines Verfahrensmangels durch Verletzung des klägerischen Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs in Form einer unzulässigen Überraschungsentscheidung (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
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Die Verfahrensgarantie gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO besteht nach obergerichtlicher Rechtsprechung darin, jedem Verfahrensbeteiligten die Gelegenheit zu geben, sich zu dem gesamten, nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblichen Stoff des gerichtlichen Verfahrens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern, was nicht die Verpflichtung des Gerichts einschließt, dem Vortrag des Beteiligten in der Sache zu folgen oder auf den Inhalt der beabsichtigten Entscheidung vorab hinzuweisen (vgl. BVerwG, B.v. 7.6.2017 – 5 C 5.17 D u.a. – juris Rn. 8 m.w.N; Funke-Kaiser in GK-AsylG, Stand September 2024, § 78 Rn. 261, 272 f.). Eine den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzende Überraschungsentscheidung liegt nur dann vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen braucht (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 21.11.2022 – 1 B 37.22 – juris Rn. 4; B.v. 15.11.2022 – 1 B 71.22 – juris Rn. 8). Dies ist aber nicht schon dann der Fall, wenn das Gericht Tatsachen, zu denen der Kläger sich äußern konnte, in einer Weise würdigt oder aus ihnen Schlussfolgerungen zieht, die nicht seinen subjektiven Erwartungen entsprechen oder von ihm für unrichtig gehalten werden (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 25.5.2017 – 5 B 75.15 D – juris Rn. 11 m.w.N.).
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Eine unzulässige Überraschungsentscheidung ist hier nicht deshalb anzunehmen, weil „das Gericht auf der einen Seite die Sinnhaftigkeit einer ablehnenden Asylentscheidung in Frage stellt und dann selbst eine ablehnende Entscheidung trifft.“ Trotz des Hinweises des Verwaltungsgerichts an die Beteiligten mit Schreiben vom 11. Januar 2024, „dass im Zusammenhang mit den kriegerischen Auseinandersetzungen ausgereiste Personen ohne weiteres den Schutz aus § 24 AufenthG in Anspruch nehmen können und sich so die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer möglicherweise ablehnenden Entscheidung durch die Beklagte vor dem Hintergrund stellt, dass sich die Bundesrepublik bewusst zur Aufnahme entschieden hat“, musste der Kläger mit einer Klageabweisung rechnen. Prüfungsmaßstab für das Gericht sind allein Gesetz und Recht (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG), unabhängig davon, wie das Gericht die Sinnhaftigkeit der einschlägigen Vorschriften und etwaiger Konsequenzen aus der zu treffenden Entscheidung bewertet. Hierzu hat das Verwaltungsgericht in seinem Schreiben hinsichtlich eines möglichen Abschiebeschutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG an die hohen gesetzlichen Anforderungen, insbesondere an Attestierungen, erinnert und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es angesichts der Erkenntnislage dazu neigt, die Westukraine als vor Kampfhandlungen sicher einzustufen. Hiervon ausgehend konnte der Kläger von der Klageabweisung, auch was die Bewertung der von ihm vorgelegten Atteste betrifft, nicht überrascht sein.
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Was der Klägerbevollmächtigte in diesem Zusammenhang mit seinen Ausführungen „Zweifelt das Gericht nämlich an einem für den geltend gemachten Anspruch maßgeblichen Umstand (hier: der Herkunft der Kläger), …“ zum Ausdruck bringen will, bleibt unklar. Das Verwaltungsgericht hat zur Herkunft des Klägers (nicht: der Kläger) im Tatbestand ausgeführt, er sei nach eigenen Angaben staatenloser armenischer Volkszugehöriger und habe von 1992 bis 2014 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Ukraine gehabt. Davon ist es auch in seinen Entscheidungsgründen ausgegangen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
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5. Dieser Beschluss, mit dem das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG), ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).