Inhalt

VGH München, Urteil v. 18.06.2024 – 22 A 20.40009
Titel:

Verbandsklage auf atomaufsichtliches Einschreiten gegen Forschungsreaktor

Normenketten:
AarhusÜ Art. 9 Abs. 3, Abs. 4
UmwRG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 6, S. 2, Abs. 4, § 2 Abs. 1 S. 1, S. 2, Abs. 3, Abs. 4 S. 1, § 3, § 8 Abs. 1, Abs. 2
VwGO § 42 Abs. 1 Alt. 2, § 43 Abs. 2 S. 2
AtG § 1 Nr. 4, § 7 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 17 Abs. 1 S. 3, S. 4, Abs. 3 Nr. 2, Nr. 3, § 19 Abs. 3 S. 1, S. 2 Nr. 3, § 21 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 1a S. 1 Nr. 2, S. 2, Abs. 3
BayVwVfG Art. 36 Abs. 2 Nr. 4, Art. 44 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 4, Abs. 5
AtVfV § 18 Abs. 3
AtSKostV § 1 S. 3, § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4
VwKostG § 3, § 8, § 9 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 1
BayKG Art. 2 Abs. 1 S. 1, Art. 6 Abs. 1 S. 3, Art. 8
Leitsätze:
1. Zur Abgrenzung von Inhalts- und Nebenbestimmungen (Auflagen). (Rn. 67 – 70)
2. Eine Versagungsgegenklage, die auf die Verpflichtung der Behörde zur Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes gerichtet ist (Art. 44 Abs. 5 BayVwVfG), steht gleichberechtigt neben der Nichtigkeitsfeststellungsklage (§ 43 Abs. 2 Satz 2 VwGO). (Rn. 103 – 104)
3. Zur Bestimmung umweltbezogener Rechtsvorschriften i.S.d. § 1 Abs. 4 UmwRG. (Rn. 110 – 112)
Schlagworte:
Umweltbezogene Rechtsvorschriften, Genehmigungserfordernis, formelle Illegalität, Kennenkönnen, schuldhafte Nichtkenntnis, Brennelemente, hochangereichertes Uran, Proliferationsvorsorge, Abgrenzung von Inhalts- und Nebenbestimmungen, Auflage, Unmöglichkeit der Auflagenerfüllung, Teilnichtigkeit, Kostenfreiheit bei Beantragung aufsichtlichen Einschreitens (verneint), effektiver Rechtsschutz, unverhältnismäßige Kostenhöhe, Verhältnis einer Klage auf Verpflichtung der Behörde zur Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts zur Nichtigkeitsfeststellungsklage, atomrechtliches Versagungsermessen, atomrechtlicher Widerruf, atomrechtliche Teilgenehmigung für den Betrieb eines Forschungsreaktors, umweltbezogene Rechtsvorschriften
Fundstellen:
LSK 2024, 38210
BeckRS 2024, 38210
ZUR 2025, 240

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger, eine nach § 3 Abs. 1 UmwRG anerkannte und landesweit tätige Umweltvereinigung, begehrt das atomaufsichtliche Einschreiten des Beklagten in Bezug auf den von der TUM in G. bei M. für den Beklagten betriebenen Forschungsreaktor (Hochflussneutronenquelle M. – FRM II).
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Kernpunkt der Auseinandersetzung ist der Anreicherungsgrad der im Reaktor eingesetzten Brennelemente mit dem Uranisotop 235 (im Folgenden Uran-235). Während der Beklagte davon ausgeht, dass der Betrieb mit hochangereichertem Uran (im Folgenden „HEU“ für engl. highly enriched uranium) bei einer Anreicherung des Brennstoffs von 89% bis 93,2% Uran-235 von der Genehmigung gedeckt sei, ist nach Auffassung des Klägers ab dem 1. Januar 2011 nur noch der Betrieb mit Uran mit höchstens 50% Uran-235 Anreicherung (im Folgenden „MEU“ für engl. medium enriched uranium) zulässig; er fordert langfristig eine Umrüstung auf Brennelemente mit schwach angereichertem Uran, d.h. auf weniger als 20% Anreicherung (im Folgenden „LEU“ für engl. lightly enriched uranium).
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1. Die TUM stellte mit Schreiben vom 4. April 1993 als künftige Betreiberin im Auftrag des Beklagten den Antrag auf Erteilung der erforderlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des FRM II als ortsfester Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Atomgesetz (AtG). Gleichzeitig beantragte sie gemäß § 18 Abs. 1 Atomrechtliche Verfahrensverordnung (AtVfV), in drei Teilgenehmigungen (TG) zu entscheiden. Nach Durchführung der jeweiligen Verfahren erteilte das (damalige) Bayerische Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen (StMLU) mit Bescheiden vom 4. April 1996 und vom 9. Oktober 1997 die nach gerichtlicher Abweisung mehrerer Klagen zwischenzeitlich bestandskräftige 1. und 2. Teilgenehmigung, mit denen die verfahrensmäßigen Voraussetzungen gemäß § 7 AtG für die Errichtung der gesamten Anlage und deren nichtnukleare Inbetriebsetzung gegeben waren.
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2. Mit Schreiben vom 24. Mai 1999 beantragte die TUM für den Beklagten die Erteilung einer dritten (gleichzeitig abschließenden) Teilgenehmigung (3. TG) „zur nuklearen Inbetriebsetzung und zum Betrieb des FRM II“. Nach Durchführung des Genehmigungsverfahrens wurde diese mit Bescheid des StMLU vom 2. Mai 2003 erteilt. Sie ist zwischenzeitlich ebenfalls bestandskräftig geworden und umfasst u.a.
- die Handhabung unbestrahlter Brennelemente und unbestrahlter Konverterplattenanordnungen (Brennstoffplattenanordnungen) der Strahlrohrkonverteranlage mit einer Anreicherung von bis zu 93,2% Uran-235 bei einer Urandichte im Brennstoffkern von bis zu 3,2 g/cm3 sowie den Einsatz der Brennelemente und Konverterplattenanordnungen im Reaktor (Abschnitt I. 2.1),
- die gleichzeitige Lagerung von bis zu 10 unbestrahlten Brennelementen und einer unbestrahlten Konverterplattenanordnung der Strahlrohrkonverteranlage mit einer Anreicherung von bis zu 93,2% Uran-235 bei einer Urandichte im Brennstoffkern von bis zu 3,2 g/cm3 im Trockenlager für unbestrahlte Brennelemente (Abschnitt I. 2.2),
- die Handhabung der in der Hochflussneutronenquelle M. (FRM II) bestrahlten Brennelemente und Konverterplattenanordnungen einschließlich ihrer Bearbeitung und Vorbereitung in der Heißen Zelle und ihrer Bereitstellung zum Abtransport (Abschnitt I. 2.3),
- die Abgabe von unbestrahlten und bestrahlten Brennelementen und Konverterplattenanordnungen aus dem FRM II an hierfür zugelassene Stellen (Abschnitt I. 2.5),
- den Umgang mit Uran-235 in umschlossener Form in den Spaltkammern der Kerninstrumentierung und zwar bis zu einer Uranmasse von 1,2 g pro Spaltkammer mit einer maximalen Anreicherung von bis zu 93,2% Uran-235 (Abschnitt I. 2.6),
- die nukleare Inbetriebsetzung des FRM II einschließlich der Nullleistungsprüfungen und der Leistungsprüfungen bis zu einer thermischen Reaktorleistung von 20 MW (Abschnitt I. 2.9) sowie
- den bestimmungsgemäßen Betrieb des FRM II (Routinebetrieb) bis zu einer thermischen Reaktorleistung von 20 MW zur Erzeugung und Nutzung von Neutronen in Verbindung mit den durch die 1. TG und 2. TG zugelassenen Einrichtungen des FRM II (Abschnitt I. 2.10).
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Detaillierte Angaben zu den Brennelementen finden sich in Abschnitt II. 1.2 (Technische Unterlagen) der 3. TG. Unter Nr. (10) wird dort auf den „Siemens Bericht KWUA1C-1300802-2, 3B 1100.0001, Rev. 2, vom 13. Juni 2000, Systembeschreibung Brennelement“ und unter Nr. (25) auf den „Siemens Bericht KWU, Rev. b, vom 21. August 2001 FRM-II Brennelemente, Spezifikation KSD 1100/FRM-II“, Bezug genommen. Darin werden technische Anforderungen im Einzelnen beschrieben und genau definiert. Zur isotopischen Zusammensetzung des Uranmetalls wird ein Anteil an Uran-235 von zwischen 89% bis 93,2% vorgegeben.
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In den Inhalts- und Nebenbestimmungen (Abschnitt III.) wird u.a. geregelt, dass die sicherheitstechnisch wichtigen Anlagenteile sowie die Betriebsweise der Anlage den Bestimmungen und Unterlagen aller für den FRM II erlassenen Genehmigungen gemäß § 7 AtG sowie den Zustimmungen, Verfügungen und Anordnungen gemäß § 19 AtG entsprechen müssten und dass wesentliche Änderungen i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 AtG der atomrechtlichen Genehmigung bedürften. Abschnitt III. 9 „Proliferationsvorsorge“ enthält folgende Regelungen:
„9.1 Das StMLU ist über ein Verfahren zur Vergabe eines Auftrages zur Entwicklung eines Brennstoffs mit höchstens 50% Uran-235 Anreicherung und von mit diesem Brennstoff bestückten Brennelementen durch den Freistaat Bayern, die Erteilung eines solchen Auftrags sowie regelmäßig über den Projektfortschritt zu unterrichten. Die vorgesehene Leistungsbeschreibung, Vergabeunterlagen und Vertragsbedingungen sind dem StMLU spätestens einen Monat vor der Aufforderung zur Angebotsabgabe zu übermitteln, jedoch nicht später als zum 1. April 2004. Die weiteren Berichte sind dem StMLU jährlich bis zum 31. Dezember vorzulegen. In dem bis zum 31. Dezember 2004 vorzulegenden Bericht sowie den nachfolgenden Berichten ist unter Berücksichtigung des internationalen Forschungs- und Entwicklungsstandes bei Brennstoffen mit abgesenktem Anreicherungsgrad insbesondere über den im Projekt erreichten Entwicklungsstand, die Möglichkeiten einer Beschleunigung des Entwicklungsprogramms und die zu erwartenden Konsequenzen für die kerntechnische Auslegung des Brennelements zu berichten sowie ein Zeitplan für eine fristgerechte Umrüstung des FRM II auf Brennstoff mit abgesenktem Anreicherungsgrad spätestens bis zum 31. Dezember 2010 vorzulegen.
9.2 Die erforderliche Genehmigung zur Umrüstung und zum Betrieb des Reaktors mit einem dem internationalen Forschungs- und Entwicklungsstand entsprechenden Brennstoff mit abgesenktem Anreicherungsgrad von höchstens 50% Uran-235 Anreicherung ist unter Beifügung der nach § 7 Abs. 1, 2 und 4 AtG i.V.m. § 3 AtVfV zur Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen erforderlichen Unterlagen so rechtzeitig zu beantragen, dass die Umrüstung auch unter Berücksichtigung der Dauer des Zulassungsverfahrens spätestens zum 31. Dezember 2010 abgeschlossen ist.
9.3 Die Umrüstung ist unverzüglich nach Vorliegen der erforderlichen Genehmigung vorzunehmen.“
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Laut Begründung (S. 43 der 3. TG) habe die 3. TG erteilt werden können, weil die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen und die Genehmigungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 2 AtG hinsichtlich des Gegenstands der 3. TG im Einzelnen erfüllt seien, im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 7 Abs. 2 AtG keine Gründe ersichtlich seien, die der beantragten Genehmigung entgegenstünden, und die übrigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften beachtet seien (§ 14 AtVfV).
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Zu Abschnitt III. 9 wird in der Begründung (S. 47, 51 ff. der 3. TG) ausgeführt, das StMLU habe sich u.a. mit den in den bundesaufsichtlichen Stellungnahmen gegebenen Hinweisen zur Berücksichtigung der Proliferationsvorsorge auseinandergesetzt. Es gebe zwar keine Rechtsgrundlagen für die Berücksichtigung der Proliferation im Sinne einer tatbestandlichen Genehmigungsvoraussetzung über die Gesichtspunkte der Anlagensicherung und der Beachtung der übrigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften hinaus. Die Proliferationsvorsorge sei aber im Rahmen des Versagungsermessens zu berücksichtigen gewesen. Unter Beachtung der Maßgaben der bundesaufsichtlichen Stellungnahmen ergebe sich der Rahmen des der Genehmigungsbehörde zustehenden Ermessens insbesondere aus den in § 1 AtG normierten Schutzzwecken, „so dass im Rahmen der Ermessensausübung auch Auswirkungen auf die gegenwärtigen und künftigen Formen der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kernenergienutzung und des Strahlenschutzes zu berücksichtigen sind (BVerfGE 49, 89/147).“ Im Hinblick auf die Zweckbestimmungen des Atomgesetzes, insbesondere zur Erfüllung internationaler Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Nichtverbreitung von Kernwaffen (§ 1 Nr. 4 AtG), seien daher bei der Ermessensentscheidung insbesondere einzelne Erwägungsgründe des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen sowie die Ergebnisse bestimmter internationaler Konferenzen zu berücksichtigen, die die im Hinblick auf die Nichtverbreitung bestehenden Vorteile einer Umrüstung der Brennelemente ziviler Forschungsreaktoren von hochangereichertem Uran auf schwach angereichertes Uran darlegten. Hieraus ergebe sich die internationale Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, im Rahmen ihrer nationalen Politik und Genehmigungspraxis „diese Vorteile in Abwägung mit anderen öffentlichen oder privaten Belangen zu berücksichtigen“.
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Weiter wird darauf hingewiesen, dass für Deutschland durch seine Vorbildfunktion die dem Zweck der internationalen Verträge entsprechende Verpflichtung bestehe, zu den Zielen des internationalen Nichtverbreitungsregimes und der internationalen Abreicherungsbemühungen aktiv beizutragen. Das nach Maßgabe der bundesaufsichtlichen Stellungnahme vom 30. Januar 2002 zu berücksichtigende Gutachten von Prof. Dr. R. komme zu dem Ergebnis, dass eine ablehnende Ermessensentscheidung im Genehmigungszeitpunkt nicht (allein) auf die zum Zeitpunkt des Erlasses der 1. TG bereits bekannten Ergebnisse der International Nuclear Fuel Cycle Evaluation (FNFCE) gestützt werden könne, weil die Genehmigungsbehörde andernfalls bereits die 1. TG hätte ablehnen müssen. Es komme daher entscheidend darauf an, ob sich seither neue Erkenntnisse ergeben hätten, die eine andere Ermessensentscheidung tragen könnten. Im Einzelnen wurde dazu auf Berichte, Stellungnahmen und Studien verwiesen, die neue technische Lösungen bei der Entwicklung von hochdichten Brennstoffen aufzeigten und eine Umrüstung von zivilen Forschungsreaktoren auf LEU als eine bedeutsame und nach den internationalen Erfahrungen realisierbare Maßnahme ansähen.
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Dem Abschnitt III. 9 liegt eine im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung zunächst nur paraphierte Vereinbarung zwischen dem (damaligen) Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (StMWFK) sowie dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zugrunde, auf die in der Begründung der 3. TG ebenfalls Bezug genommen wird. Darin erklärte sich der Beklagte bereit, den FRM II spätestens bis 31. Dezember 2010 auf Brennstoff mit höchstens 50% Uran-235 Anreicherung umzurüsten. Laut Präambel der Vereinbarung sollten mit der Umrüstung keine signifikanten Leistungseinbußen für die Nutzung des Reaktors eintreten.
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In der Begründung der 3. TG wird der Vereinbarungsinhalt wiedergegeben und ausgeführt, es sei „daher davon auszugeben, dass bei rechtzeitiger Einleitung der erforderlichen Maßnahmen zur Brennstoffversorgung und ggf. zur erforderlichen Umrüstung der Reaktor spätestens ab dem 01.01.2011 ohne für die Nutzung des Reaktors signifikante Leistungsveränderungen mit einem Brennstoff betrieben werden kann, der dem internationalen Forschungs- und Entwicklungsstand für Brennstoffe mit abgesenktem Anreicherungsgrad Rechnung trägt“. Auch unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sei daher ein Betrieb des FRM II mit dem jetzt genehmigten Brennstoff mit einem Anreicherungsgrad von bis zu 93,2% Uran-235 jedenfalls über den 31. Dezember 2010 hinaus im Hinblick auf die Proliferationsfrage „nicht hinnehmbar“. Im Rahmen der Ermessensausübung habe von einer Versagung der beantragten Genehmigung jedoch abgesehen werden können, weil „in Abschnitt III. 9 der Inhalts- und Nebenbestimmungen eine unverzügliche Umrüstung des FRM II bis spätestens zum 31.12.2010 vorgeschrieben wird und bei einer Nichteinhaltung dieser für die Genehmigungserteilung bedeutsamen Voraussetzung oder der zur Proliferationsvorsorge getroffenen Auflagen ggf. die gesetzlichen Widerrufstatbestände des § 17 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AtG eingreifen würden“.
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Zur Begründung der angeordneten Inhalts- und Nebenbestimmungen wird ausgeführt (S. 89 der 3. TG), dass diese ihre Rechtsgrundlage in § 17 Abs. 1 Satz 2 AtG hätten, wonach atomrechtliche Genehmigungen inhaltlich beschränkt oder mit Auflagen verbunden werden könnten. Abschnitt III. 9 enthalte die „zur Regelung der Proliferationsvorsorge im Rahmen der Ermessensausübung gebotenen Auflagen“.
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3. Nach Erteilung der 3. TG schloss der Beklagte mit der Bundesrepublik Deutschland am 30. Mai 2003 die zuvor paraphierte Vereinbarung. Der FRM II befindet sich seit 2005 im nuklearen Routinebetrieb. Nachdem ein MEU-Brennstoff mit 50% Uran-235 Anreicherung noch nicht entwickelt worden war, wurde die Vereinbarung erstmalig am 13./22. Oktober 2010 angepasst sowie erneut am 18./21. Dezember 2021. In der Präambel der jüngsten Vereinbarung wird ausgeführt, dass nach dem weltweiten Stand von Wissenschaft und Technik eine Umstellung des FRM II bisher nicht möglich gewesen sei. Der Umrüstungstermin sei daher zunächst auf den 31. Dezember 2018 verschoben worden. Auf der Grundlage eines von den Vertragsparteien in Auftrag gegebenen Evaluierungsberichts seien sich diese darüber einig, dass in den vergangenen Jahren maßgebliche Fortschritte bei der Erforschung und Entwicklung eines geeigneten Brennstoffs erzielt worden seien und dass die TUM dabei eine „führende Rolle“ einnehme. Die Parteien gingen davon aus, dass im Jahr 2023 endgültig eine technisch umsetzbare Lösung identifiziert werden könne, die eine Umrüstung des FRM II auf niedriger angereichertes Uran in einer zeitlich vertretbaren Perspektive erlaube. Auf dieser Grundlage wurde vereinbart, dass sich die Parteien spätestens 2023 darüber verständigen, welche Materialvarianten zur Verfügung stehen und welche Lösungen ab welchem Zeitpunkt weiterverfolgt werden sollten. Nach der Entscheidung über die weitere Vorgehensweise werde die Vorlage eines Genehmigungsantrags samt Unterlagen bis Ende 2025 angestrebt. Nach Nr. 6 der Vereinbarung bestand Einigkeit darüber, dass der FRM II bis zum Zeitpunkt der Umrüstung weiterhin mit hochangereichertem Uran (HEU) betrieben werden müsse.
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4. Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 25. Oktober 2019 beim Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV), im Wege des atomaufsichtlichen Einschreitens gemäß § 19 Abs. 3 AtG der TUM den weiteren Betrieb des FRM II mit Brennstoff mit mehr als 50% Uran-235 Anreicherung zu untersagen. Darüber hinaus stellte er den Antrag, im Fall tatsächlicher objektiver Unmöglichkeit einer Umrüstung gemäß Art. 44 Abs. 5 BayVwVfG die Nichtigkeit der 3. TG vom 2. Mai 2003 festzustellen, andernfalls – sollte die Umrüstungsmöglichkeit bestehen – die 3. TG gemäß § 17 Abs. 3 AtG zu widerrufen. Zur Begründung legte er ein von ihm in Auftrag gegebenes atomrechtliches Gutachten vom 11. Juni 2019 vor.
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Das StMUV lehnte die Anträge mit Bescheid vom 3. April 2020 ab und setzte eine Gebühr von 7.600,00 Euro fest. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es nach dem Stand der internationalen Forschung weltweit bisher keinen qualifizierten hochdichten Uranbrennstoff mit einer Anreicherung bis maximal 50% Uran-235 gebe, der unter den Betriebsbedingungen und sicherheitstechnischen Anforderungen von Hochflussneutronenquellen, wie dem FRM II, einsetzbar wäre. Der Antrag werde nach pflichtgemäßem Ermessen abgelehnt, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten nicht gegeben seien. Die 3. TG gestatte einen unbefristeten Betrieb mit Brennstoff mit einer Anreicherung von bis zu 93,2% Uran-235. Abschnitt III. 9 der 3. TG stelle keine Inhaltsbestimmung und keine Befristung, sondern eine Auflage dar. Dies ergebe eine Auslegung unter Berücksichtigung der Begründung. Als solche sei sie rechtswidrig und teilnichtig. Die Aufnahme in die Genehmigung verstoße gegen das Atomgesetz. Bei Genehmigungserteilung habe es keine Grundlage dafür gegeben, das in § 7 Abs. 2 AtG grundsätzlich enthaltene Versagungsermessen auszuüben. Dies gelte auch im Hinblick auf die proliferationspolitische Positionierung der Bundesrepublik Deutschland, also auf die Positionierung zu Fragen der Nichtverbreitung von Kernwaffen. Rechtliche Verpflichtungen aus internationalen Verträgen, etwa im Hinblick auf Sicherungsmaßnahmen gegen einen unbefugten Zugriff auf HEU-Brennelemente oder gegen sonstige unzulässige Einwirkungen Dritter, seien durch die Beachtung der dafür einschlägigen Vorschriften abgedeckt. Darüber hinaus gebe es keine Pflicht, den FRM II auf LEU- oder MEU-Brennelemente umzustellen. Es bestehe lediglich eine allgemein gehaltene proliferationspolitische Zielsetzung. Soweit Abschnitt III. 9 der 3. TG dahingehend zu verstehen sei, dass eine Umstellung terminscharf bis zum 31. Dezember 2010 hätte erfolgen müssen, sei diese Nebenbestimmung teilweise nichtig und damit unwirksam. Die Umrüstung sei nämlich objektiv unmöglich gewesen. Davon unberührt blieben aber die weiteren, in diesem Abschnitt geregelten Pflichten, einen geeigneten MEU-Brennstoff zu entwickeln, nach erfolgreichem Abschluss ein Änderungsgenehmigungsverfahren einzuleiten sowie nach Vorliegen dieser Genehmigung die Umrüstung unverzüglich vorzunehmen. Die TUM habe die in Abschnitt III. 9 enthaltenen Auflagen im Übrigen erfüllt und erfülle sie weiterhin. Es liege daher kein Rechtsverstoß vor.
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Aus den genannten Gründen komme auch keine Nichtigkeitsfeststellung hinsichtlich der 3. TG in Betracht. Die nichtige Terminsetzung führe nicht zur Gesamtnichtigkeit. Die Genehmigungsbehörde hätte bei Kenntnis der Sach- und Rechtslage nach objektiver Betrachtung die Erteilung der 3. TG nicht versagen dürfen und auch nicht versagt. Eine Gesamtnichtigkeit scheide auch wegen der im Hinblick auf die – auch im Stillstandsbetrieb – zu gewährleistende nukleare Sicherheit aus. Sie sei mit dem Gebot der erforderlichen Schadensvorsorge nicht vereinbar. Auch würde dadurch eine rechtswidrige Festsetzung, die Terminierung der Umrüstung, perpetuiert, was mit dem Rechtsstaatsgebot nicht vereinbar sei.
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Schließlich lehnte das StMUV auch den Antrag auf Widerruf der 3. TG nach pflichtgemäßem Ermessen ab. Die Voraussetzungen der in Betracht kommenden Widerrufsgründe seien nicht erfüllt. Mangels Wegfalls einer Genehmigungsvoraussetzung sei § 17 Abs. 3 Nr. 2 AtG nicht einschlägig. Selbst wenn die Nichtausübung des Versagungsermessens dieser Alternative unterfalle, könne die Ausübung nicht auf die Proliferationsvorsorge gestützt werden. Es bestehe auch keine Widerrufsmöglichkeit nach § 17 Abs. 3 Nr. 3 AtG. Die TUM habe ihre Pflichten erfüllt. Soweit die Terminierung nicht eingehalten worden sei, sei dies aufgrund der Unwirksamkeit der zeitlichen Vorgaben unschädlich.
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5. Gegen den am 8. April 2020 mit Postzustellungsauftrag zugestellten Ablehnungsbescheid ließ der Kläger mit Schriftsatz vom 8. Mai 2020, am selben Tag bei Gericht eingegangen, Klage erheben. Er hat zuletzt beantragt,
1.
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 3. April 2020 zu verpflichten, der TUM den weiteren Betrieb des FRM II mit Brennstoff mit mehr als 50% Uran-235 Anreicherung zu untersagen,
2.
hilfsweise den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 3. April 2020 zu verpflichten, die Nichtigkeit der dritten Teilgenehmigung vom 2. Mai 2003 für den FRM II festzustellen sowie
3.
weiter hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheids vom 3. April 2020 die dritte Teilgenehmigung zu widerrufen.
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5.1 Er beruft sich darauf, dass sich die Klagebefugnis für eine Umweltvereinigung aus dem UmwRG ergebe. Es handle sich beim Antrag zu 1 um eine Klage, die auf ein aufsichtliches Einschreiten gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. Nr. 1 UmwRG abziele. Der ungenehmigte Betrieb einer Nuklearanlage und damit der Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AtG i.V.m. den Inhaltsbestimmungen der Genehmigung verletze umweltbezogene Rechtsvorschriften i.S.d. § 1 Abs. 4 UmwRG. Es sei ausreichend, dass sich die Klage gegen die formelle Illegalität des Betriebs richte. Das aus dem AtG resultierende Verbot mit Erlaubnisvorbehalt diene dem Schutz von Leben, Gesundheit und Sachgütern vor den Gefahren der Kernenergie. Es beziehe sich auf ionisierende Strahlung als Faktor i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG. Zudem zählten zu den umweltbezogenen Rechtsvorschriften auch die völkerrechtlichen Regelungen über die Nichtverbreitung von Kernwaffen. Sie bezweckten zumindest mittelbar den Schutz der Umwelt, was ausreiche. Schließlich sei auch § 19 Abs. 3 AtG eine umweltbezogene Rechtsvorschrift. Die Klage sei fristgerecht erhoben worden. Die Jahresfrist aus § 2 Abs. 3 Satz 1 und 3 UmwRG sei für einen auf behördliches Einschreiten gerichteten Rechtsbehelf nicht einschlägig. Die Regelung beziehe sich nicht auf ein dauerhaftes behördliches Unterlassen. Selbst wenn man dem nicht folge, sei auch diese Frist gewahrt worden. Der Kläger habe die maßgeblichen Umstände erst durch das atomrechtliche Gutachten im Juni 2019 erkannt. Angesichts der komplexen und streitigen rechtlichen Bewertungen sei nicht von einem „Kennenkönnen“ oder „Kennenmüssen“ auszugehen.
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Der Hilfsantrag zu 2 sei ebenfalls zulässig. Der Beklagte habe sich geweigert, die Nichtigkeit der 3. TG gemäß Art. 44 Abs. 5 BayVwVfG festzustellen. Damit habe er ebenfalls ein aufsichtliches Einschreiten zu Unrecht unterlassen. Gleiches gelte für den Hilfsantrag zu 3, der sich auf den unterbliebenen Widerruf beziehe. Beide Maßnahmen dienten der Einhaltung der völkerrechtlichen Regelungen über die Nichtverbreitung von Kernwaffen und damit umweltbezogener Rechtsvorschriften. Die maßgeblichen Fristen seien ebenfalls eingehalten.
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5.2 Die Klage sei auch begründet. Der Betrieb des FRM II mit den bisher zum Einsatz kommenden HEU-Brennelementen sei nicht mehr von der atomrechtlichen Genehmigung gedeckt. Deshalb sei die Aufsichtsbehörde zum Einschreiten verpflichtet. Abschnitt III. 9 der 3. TG treffe eine Inhaltsbestimmung mit der Folge, dass ein Betrieb mit HEU-Brennstoffen nur bis zum 31. Dezember 2010 zulässig gewesen sei. Die Anlage werde seitdem formell illegal betrieben. Die Auslegung dieser im Kapitel „Inhalts- und Nebenbestimmungen“ getroffenen Regelung ergebe, dass es sich weder um eine Bedingung noch um eine Befristung handle. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei darin auch keine Auflage zu sehen. Nach ihrem Inhalt und Wortlaut handle es sich um keine selbständige Anordnung. Die geforderte Umrüstung habe kategorisch bis zum genannten Zeitpunkt zu erfolgen. Für die Auslegung als Inhaltsbestimmung fänden sich Hinweise in der Begründung der 3. TG. Dem könne die prozedurale Gestaltung des Abschnitts III. 9 nicht entgegengehalten werden. Es sei klare Regelungsabsicht gewesen, den FRM II nur bis 31. Dezember 2010 mit HEU-Brennelementen zu betreiben, was sich nicht zuletzt aus der zwischen dem Beklagten und dem Bund getroffenen Vereinbarung ergebe. Auf diese werde in der Begründung ausdrücklich Bezug genommen. Der Betrieb mit den abgereicherten Brennelementen sei auch „im Grundsatz bereits durch die 3. TG abgedeckt“.
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Werde dem Beklagten gefolgt und Abschnitt III. 9 als teilnichtig angesehen, habe dies die Nichtigkeit der gesamten 3. TG zur Folge. Der von der Nichtigkeit betroffene Teil sei als so wesentlich anzusehen, dass die Behörde die Genehmigung ohne diesen nicht erteilt hätte, was aus der Begründung ersichtlich werde. Entfalle die Terminbestimmung, stelle sich die Umrüstungspflicht als folgen- bzw. inhaltslos dar. Eine solche Uminterpretation entspreche nicht dem gewollten Regelungsinhalt. Dem könnten die Folgen einer Nichtigkeit für den Stillstandsbetrieb nicht entgegengehalten werden. Es sei Sache der Aufsichtsbehörde, die erforderlichen Anordnungen zu treffen.
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Soweit den ersten beiden Anträgen nicht gefolgt werde, sei die 3. TG jedenfalls zu widerrufen. Mit dem Verstreichen der Umrüstungsfrist sei eine wesentliche Genehmigungsvoraussetzung entfallen. Die Genehmigungsbehörde habe von ihrem Versagungsermessen nur deshalb keinen Gebrauch gemacht, weil in Abschnitt III. 9 die Umrüstung bis 31. Dezember 2010 vorgesehen worden sei. Dazu sei es nicht gekommen.
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Der Beklagte habe auch keine unselbständige Kostenentscheidung treffen dürfen. Es komme allenfalls eine Gebührenfestsetzung durch selbständigen Bescheid in Betracht. Zudem fehle es an der Rechtsgrundlage dafür, dem Kläger als Dritten die Kosten für die negative Verbescheidung des Antrags aufzuerlegen. Schließlich verstoße die unzulässig hohe Gebührenforderung gegen Art. 9 Abs. 4 der Aarhus-Konvention, weil sie prohibitiv wirke.
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6. Der Beklagte tritt dem entgegen und hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Er hält die Klage bereits für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet. Ein aufsichtliches Einschreiten komme nicht in Betracht, weil die 3. TG den Betrieb mit den genehmigten HEU-Brennelemente weiterhin unbefristet erlaube. Bei der Nebenbestimmung in Abschnitt III. 9 handle es sich um keine Inhaltsbestimmung, sondern um eine Auflage, die zudem teilweise nichtig sei, weil ihre termingerechte Erfüllung (Umrüstung bis zum 31. Dezember 2010) objektiv unmöglich gewesen sei.
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Dass es sich um eine Auflage handle, folge daraus, dass die Umrüstung nur verlangt, aber nicht gestattet werde. Die Nebenbestimmung setze die Durchführung eines Änderungsgenehmigungsverfahrens voraus. Brennelemente seien hoch-komplexe Bauteile, so dass eine Umstellung auf einen anderen Brennstoff eine wesentliche Änderung des Betriebs bedeute. Dabei könnten etwa Umgestaltungen der Geometrie des Reaktors und damit Anpassungen sowie Umbauten erforderlich werden. Die Parameter der zulässigen Brennelemente seien in der 3. TG im Einzelnen genau festgelegt. Die Nebenbestimmung könne daher nur ein Verfahren regeln, in dessen Verlauf der neue Brennstoff im Wege der Änderungsgenehmigung (gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 AtG) zugelassen werde, was für eine Auflage und gegen die Interpretation als Inhaltsbestimmung spreche. Wortlaut, Gestalt, Systematik und Begründung der in Abschnitt III. 9 getroffenen Regelung bestätigten dies.
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Eine Inhaltsbestimmung, wie sie der Kläger voraussetze, stelle zudem eine Umgehung des Befristungsverbots dar. Aus § 17 Abs. 1 Satz 4 AtG ergebe sich, dass Genehmigungen nach § 7 AtG nicht befristet werden dürften. Folge man dem Kläger und sehe Abschnitt III. 9 als inhaltliche Beschränkung des Genehmigungsinhalts an, wäre die Genehmigung für den Weiterbetrieb jedoch mit Ablauf der Frist entfallen, nachdem sich die Umrüstung als objektiv unmöglich erwiesen habe.
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Die in Abschnitt III. 9 der 3. TG enthaltene Fristsetzung sei außerdem unwirksam. Nachdem sich herausgestellt habe, dass es von vornherein objektiv unmöglich gewesen sei, den FRM II bis zum 31. Dezember 2010 auf MEU-Brennstoff umzurüsten, ergebe sich aus dem Rechtsstaatsgebot sowie aus Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG die Nichtigkeit der zeitlichen Vorgaben. Soweit die Verpflichtung zur Umrüstung an sich fortbestehe und die TUM daher weiterhin verpflichtet sei, den Betrieb so bald als möglich umzustellen, sei sie dem nachgekommen. Dies gelte auch für die anderen Pflichten, etwa zur rechtzeitigen Vergabe eines Entwicklungsauftrags sowie zur Erstellung regelmäßiger Berichte. Diesbezüglich bestehe somit ebenfalls kein Anlass für ein aufsichtliches Einschreiten. Die TUM beteilige sich auch maßgeblich an der internationalen Forschung, die Entwicklung sei aber noch nicht so weit gediehen, dass sie eine Änderungsgenehmigung beantragen könne. Der Termin 31. Dezember 2010 sei im Übrigen völlig frei gesetzt worden. Er beruhe nicht auf internationalen Absprachen, sondern nur auf einer nationalen Entscheidung. Soweit in der Begründung ausgeführt werde, ein Betrieb sei über diesen Zeitpunkt hinaus nicht mehr hinnehmbar, handle es sich um eine politische und um keine rechtliche Kategorie.
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Entgegen dem klägerischen Vorbringen könne die Teilnichtigkeit zu keiner Gesamtnichtigkeit der 3. TG führen. Es handle sich lediglich um eine Auflage, die von vornherein durch größere Selbständigkeit gegenüber der Hauptregelung gekennzeichnet sei. Die unwirksame Terminsetzung sei nicht als so wesentlich anzusehen, dass die Genehmigung ohne diese nicht erteilt worden wäre. Auch habe die Genehmigungsbehörde einen genehmigungslosen Zustand nicht dadurch sehenden Auges in Kauf nehmen dürfen, dass sie eine Frist für die Umrüstung setze, deren Einhaltung lediglich auf der Prognose beruht habe, ein geeigneter Brennstoff werde rechtzeitig zur Verfügung stehen.
31
Gründe für einen Widerruf seien ebenfalls nicht gegeben. Es sei keine Genehmigungsvoraussetzung weggefallen. Die Proliferationsvorsorge zähle nicht zu den Voraussetzungen i.S.d. § 17 Abs. 3 Nr. 2 AtG. Der Tatbestand sei nach richtiger Auffassung nicht erfüllt, wenn sich nachträglich Umstände einstellten, die die Versagung der Genehmigung im Ermessensweg hätten rechtfertigen können. Selbst wenn man dem nicht folge, tauge die Proliferationsvorsorge hier nicht als Thema des Versagungsermessens. Auf ein solches habe sich die Genehmigungsbehörde nicht berufen dürfen.
32
Der klägerische Vortrag zur Kostenentscheidung könne die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 3. April 2020 ebenfalls nicht begründen. Die Entscheidung habe zusammen mit der Sachentscheidung ergehen dürfen, was sich aus dem Verwaltungskostengesetz ergebe. Die Auffassung des Klägers, Kosten könnten ausschließlich Genehmigungsinhabern (oder Antragstellern, die eine Genehmigung begehrten) auferlegt werden, scheitere am Wortlaut des § 21 Abs. 1a AtG, der nicht danach differenziere, ob es sich um einen Antrag des Genehmigungsinhabers oder eines Dritten handle. Eine solche Unterscheidung sei aus systematischen Grünen verfehlt. Auch eine historische Auslegung könne die Kostenfreiheit von Anträgen Dritter nicht belegen. Es gelte vielmehr das Veranlasserprinzip. Die Kostenhöhe sei im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des Klägers auch nicht unverhältnismäßig.
33
7. Der Beklagte teilte mit Schriftsatz vom 30. April 2024 mit, dass die Instandsetzungsarbeiten am FRM II noch nicht abgeschlossen seien und dass die Wiederinbetriebnahme für Ende 2024 beabsichtigt sei. Ziel sei es, den Regelbetrieb im Jahr 2025 wieder aufzunehmen.
34
Seit 2021 seien großangelegte Brennstoff-Bestrahlungstests mit den drei möglichen Brennstoffvarianten – hochdichtem Uransilizid/U3Si2, dispersem (pulverförmigem) Uranmolybdän/U-7Mo sowie monolithischem (plattenförmigem) Uranmolybdän/U-10Mo – erfolgreich abgeschlossen und ausgewertet worden. Die TUM habe dabei mit europäischen Partnern zusammengearbeitet. Auf dieser Grundlage hätten sich das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (StMWK) und das BMBF im April 2023 darauf verständigt, den FRM II auf monolithisches U-10Mo unter Verwendung von niedrig angereichertem Uran umzurüsten. Die Erkenntnis, dass die Umstellung bei grundsätzlicher Beibehaltung der Leistungsfähigkeit auf dieser Basis nicht nur auf MEU, sondern auf LEU möglich sei, habe sich erst in den vergangenen Jahren herausgebildet und sei schließlich in einer Studie aus dem Jahr 2023 belegt worden. Mit den alternativen Brennstoffarten sei es dagegen nicht möglich, die Schwelle von 20% U-235-Anreicherung zu unterschreiten. Ausschlaggebend für die Auswahlentscheidung sei es gewesen, dass nach dem Stand der Wissenschaft das Ziel einer Absenkung der Anreicherung auf höchstens 50% bei im Wesentlichen gleichbleibender Leistung des FRM II mit dem monolithischen U-10Mo insgesamt am schnellsten und verlässlichsten, jedenfalls aber nicht später als mit den anderen beiden Brennstoffvarianten erreicht werden könne. Zudem erlaube dieser Brennstofftyp die niedrigste Anreicherung und weise die höchsten Sicherheitsreserven in Bezug auf das Schwellverhalten auf.
35
Für den konkreten Einsatz des monolithischen U-10Mo Brennstoffs in einem Brennelement für den FRM II seien noch weitere Bestrahlungstests erforderlich, um das Fertigungsverfahren zu qualifizieren, die im Winter 2024/2025 stattfinden sollten. Parallel dazu müsse eine Fertigungslinie für eine industrielle Herstellung aufgebaut werden. Entsprechende Entwicklungsverträge seien bereits abgeschlossen worden. Am FRM II werde nun an der konkreten technischen Umsetzung der Umrüstung des Reaktors gearbeitet. Die Einreichung des zugehörigen Genehmigungsantrags beim StMUV sei bis Ende 2025 geplant. Aufgrund der positiven Ergebnisse der jüngsten Forschung und Entwicklung zum U-10Mo-Brennelement könne die äußere Geometrie der Brennelemente trotz entscheidender Reduzierung der Anreicherung im Wesentlichen unverändert bleiben; der Zentralkanal, das Herzstück des Reaktors, müsse daher nicht neu gebaut werden. Im Wesentlichen unverändert blieben auch die thermohydraulischen Parameter des Reaktorkerns, die für die Auslegung des Kühlkreislaufs maßgeblich seien. Mit einer positiven Bescheidung des Antrags zum Einsatz der neuen Brennelemente werde bis zum Jahr 2030 gerechnet.
36
Ergänzend wird auf die vorgelegten Gerichts- und Behördenakten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17. Juni 2024 verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.
37
Die Klage bleibt im Hauptantrag ohne Erfolg.
38
I. Die Klage, über die der Bayerische Verwaltungsgerichtshof gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO zu entscheiden hat, ist im Hauptantrag zulässig.
39
1. In der mündlichen Verhandlung vom 17. Juni 2024 hat der Kläger im Hauptantrag die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids und die Verpflichtung des Beklagten zur endgültigen Untersagung des weiteren Betriebs des FRM II mit Brennstoff mit mehr als 50% Uran-235-Anreicherung beantragt. Die Klage ist auf Erlass eines aufsichtlichen Verwaltungsakts (unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidung) gerichtet, so dass die Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) statthaft ist.
40
2. Der Kläger ist als anerkannte Umweltvereinigung (§ 3 UmwRG) gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. Nr. 1 und Satz 2 UmwRG klagebefugt.
41
Bei der unterlassenen Anordnung würde es sich um eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG handeln, so dass das UmwRG Anwendung findet (dazu 2.1). Der Kläger hat plausibel geltend gemacht, dass die Ablehnung eines aufsichtlichen Einschreitens auf der Grundlage von § 19 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 3 AtG Rechtsvorschriften widerspricht, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG) (dazu 2.2), dass umweltbezogene Rechtsvorschriften i.S.d. § 1 Abs. 4 UmwRG verletzt sind (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG) (dazu 2.3) und dass er dadurch in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes berührt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG) (dazu 2.4). Daher kann der Kläger einen Rechtsbehelf einlegen, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen (§ 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG).
42
2.1 Auf die begehrte und vom Beklagten mit Bescheid vom 3. April 2020 abgelehnte Betriebsuntersagung ist § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG anzuwenden. Diese Regelung erfasst Verwaltungsakte über Überwachungs- oder Aufsichtsmaßnahmen zur Umsetzung oder Durchführung von Entscheidungen nach den Nummern 1 bis 5, die der Einhaltung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union dienen, und deren Unterlassen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG).
43
2.1.1 Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist der Begriff der Überwachungs- und Aufsichtsmaßnahme grundsätzlich weit auszulegen und erfasst ein breites Spektrum an Tätigkeiten (BVerwG, U.v. 23.6.2020 – 9 A 22.19 – BVerwGE 168, 368 Rn. 17 f. m.w.N.; U.v. 29.4.2021 – 4 C 2.19 – NVwZ 2021, 1630 Rn. 22). Er lässt sich als Umschreibung von Maßnahmen des Gesetzesvollzugs verstehen, die im Zusammenhang mit einer Zulassungsentscheidung (hier nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG) stehen. Davon sind auch Anordnungen gegenüber dem Vorhabenträger erfasst. Nur die weite Auslegung wird dem Zweck der Norm gerecht, den gerichtlichen Rechtsschutz im Zusammenhang mit der Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften zu erweitern (vgl. BVerwG, U.v. 23.6.2020 – 9 A 22.19 – a.a.O. Rn. 18). Anliegen des Gesetzgebers war es, die Vorgaben des Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention – AK – vollständig ins nationale Recht umzusetzen und zu diesem Zweck Klagen auf behördliches Einschreiten im Interesse der Einhaltung umweltbezogener Rechtsvorschriften zu ermöglichen (vgl. BT-Drs. 18/9526 S. 32, 36 f.; vgl. auch BVerwG, U.v. 29.4.2021 – 4 C 2.19 – a.a.O., m.w.N.). Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die Maßnahmen der Durchsetzung und Umsetzung der in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 UmwRG aufgezählten Entscheidungen dienen, es sich also um keine selbstständige, von einer Vorhabenzulassung unabhängige Überwachungsmaßnahme handelt (BVerwG, U.v. 29.4.2021 – 4 C 2.19 – a.a.O. Rn. 23 f.; Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand März 2024, § 1 UmwRG Rn. 121). Entgegen der Kritik in der Literatur (vgl. Schieferdecker in Beckmann/Kment, UVPG/UmwRG, 6. Aufl. 2023, § 1 UmwRG Rn. 101 f.) unterfallen auch der Widerruf und die Rücknahme einer Zulassungsentscheidung nach Nr. 1 dem Wortlaut und sind daher nach der teleologischen Auslegung mit umfasst (BVerwG, U.v. 23.6.2020 – 9 A 22.19 – BVerwGE 168, 368 Rn. 17 f. m.w.N.; U.v. 6.10.2022 – 7 C 5.21 – juris Rn. 15; VGH BW, U.v. 21.11.2023 – 5 S 1693/21 – juris Rn. 29). Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geforderte Genehmigungsakzessorietät liegt in diesen Fällen vor, weil derartige Maßnahmen die Ausnutzung der Zulassungsentscheidung betreffen (vgl. BVerwG, U.v. 29.4.2021 – 4 C 2.19 – juris Rn. 23; OVG MV, U.v. 16.11.2021 – 5 K 588/20 OVG u.a. – juris Rn. 49).
44
Bei dem vom Kläger beantragten aufsichtlichen Einschreiten auf der Grundlage von § 19 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 3 AtG besteht ein solcher Zusammenhang mit der 3. TG, gegen die nach dem Vortrag des Klägers verstoßen wird. Es betrifft – ebenso wie der Widerruf oder die Rücknahme – somit deren Ausnutzung. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG bezieht sich gerade auch auf Fälle formeller Illegalität des Vorhabens, in denen von der erteilten Zulassungsentscheidung abgewichen wird (vgl. Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 1 UmwRG Rn. 118).
45
Mit der 3. TG liegt auch eine der in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG aufgezählten Entscheidungen vor. Für die Errichtung und den Betrieb des FRM II als einer ortsfesten Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen als Gesamtvorhaben (das der Genehmigung nach § 7 AtG bedarf) besteht seit Inkrafttreten des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) vom 12. Februar 1990 (BGBl I S. 205) eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) gemäß § 3 Abs. 1 UVPG i.V.m. Nr. 2 der Anlage zu § 3 UVPG in der damaligen Fassung. Die UVP-Pflicht für das Gesamtvorhaben blieb bis zur Erteilung der 3. TG unverändert bestehen (vgl. § 3a Abs. 1 Satz 1 UVPG i.d.F. vom 5.9.2001 [BGBl I S. 2350], zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.6.2002 [BGBl I S. 1914] i.V.m. Nr. 11.1 der Anlage 1 [Liste „UVPpflichtige Vorhaben“] zum UVPG). Es spielt auch keine Rolle, dass das Gesamtvorhaben durch drei Teilgenehmigungen zugelassen wurde und die UVP daher gemäß § 18 Abs. 3 AtVfV in mehreren Stufen bezogen auf die jeweilige Teilgenehmigung erfolgte. Der Wortlaut dieser Bestimmung stellt auf die UVP-Pflichtigkeit des gesamten Vorhabens ab und regelt lediglich den Umfang der Prüfung im Rahmen der Erteilung der einzelnen Teilgenehmigungen, ohne dass die UVP-Pflicht für weitere Teilgenehmigungen nach § 18 Abs. 3 Satz 2 AtVfV von vornherein entfallen könnte, wenn das Gesamtvorhaben UVPpflichtig ist. Daher liegt kein Fall vor, in dem eine Pflicht zur Durchführung einer UVP nicht bestehen kann (vgl. Peters/Balla/Hesselbarth, UVPG, 4. Aufl. 2019, § 29 Rn. 7 ff.).
46
Darauf, ob die in Bezug genommene Zulassungsentscheidung als solche (zum Zeitpunkt ihrer Erteilung) tauglicher Gegenstand einer Verbandsklage hätte sein können, kommt es nach dem Gesetzeswortlaut des UmwRG nicht an (BVerwG, U.v. 29.4.2021 – 4 C 2.19 – a.a.O. Rn. 23). Vielmehr reicht es nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 UmwRG aus, dass eine Entscheidung nach dem klägerischen Vortrag nach dem 2. Juni 2017 hätte ergehen müssen.
47
2.1.2 Die begehrte Aufsichtsmaßnahme dient auch i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG der Einhaltung umweltbezogener Rechtsvorschriften. Dies sind nach der Definition des § 1 Abs. 4 UmwRG Bestimmungen, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf den Zustand von Umweltbestandteilen (i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG) oder auf bestimmte Faktoren beziehen (i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG). Der Begriff ist vor dem Hintergrund von Art. 9 Abs. 3 AK weit auszulegen, was sich auch aus der Entstehungsgeschichte ergibt (vgl. dazu BayVGH, B.v. 22.5.2020 – 22 ZB 18.856 – juris Rn. 40 m.w.N.). Entscheidend ist, ob die fragliche Bestimmung in irgendeiner Weise einen Umweltbezug hat (BVerwG, U.v. 28.9.2023 – 4 C 6.21 – juris Rn. 41, u.V.a. EuGH, U.v. 8.11.2022 – C-873/19 – juris Rn. 56). Hierzu zählen nicht nur materiell-rechtliche Regelungen, sondern auch diejenigen Normen des Verfahrensrechts, denen die Funktion zukommt, die Anwendung umweltbezogener Regelungen des materiellen Rechts zu effektuieren (NdsOVG, U.v. 25.10.2018 – 12 LB 118/16 – juris Rn. 156; Schlacke, NVwZ 2019, 1392/1399; vgl. auch BVerwG, U.v. 20.12.2011 – 9 A 31.10 – juris Rn. 21), sowie die Bestimmungen zur Genehmigungsbedürftigkeit von emittierenden Anlagen (vgl. BVerwG, U.v. 25.1.2024 – 7 A 4.23 – juris Rn. 10, für § 4 Abs. 1 BImSchG i.V.m. der 4. BImSchV; noch offenlassend BayVGH, U.v. 29.2.2024 – 22 A 22.40018 – juris Rn. 100).
48
Der Kläger macht geltend, dass aufgrund der aus seiner Sicht ab dem 1. Januar 2011 fehlenden Betriebsgenehmigung (§ 7 Abs. 1 Satz 1 AtG) und der sich daraus ergebenden formellen Illegalität des Betriebs des FRM II aufsichtlich eingeschritten werden müsse. Im Weiterbetrieb mit HEU-Brennelementen sieht er eine wesentliche Veränderung im Vergleich zum genehmigten Zustand, die zum Fehlen der erforderlichen Genehmigung führt (vgl. dazu BVerwG, U.v. 25.10.2000 – 11 C 1.00 – BVerwGE 112, 123/LS 1 und 125 f.). Letztlich beruft er sich damit auf einen Verstoß gegen das präventive Verbot des § 7 Abs. 1 Satz 1 AtG, der durch die begehrte Aufsichtsmaßnahme hätte unterbunden werden sollen. Bei § 7 Abs. 1 Satz 1 AtG handelt es sich um eine Bestimmung, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf den Zustand von Umweltbestandteilen oder Faktoren im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 und 2 UIG bezieht. Der Umweltbezug ist im Verbot zu sehen, Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen ohne Genehmigung zu betreiben, das unmittelbar dem Schutzziel dient, Gefahren für Mensch und Umwelt abzuwehren. Einer weiteren Geltendmachung von konkret drohenden Umweltrisiken – etwa in Form der Freisetzung radioaktiver Stoffe – bedarf es dagegen nicht. Ob § 19 Abs. 3 AtG als solcher bereits als umweltbezogene Regelung anzusehen ist, ohne Berücksichtigung der Gründe für ein aufsichtliches Einschreiten, bedarf daher keiner Entscheidung.
49
2.2 Der Kläger hat auch plausibel geltend gemacht, dass das Unterlassen der Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG). Nach seinen Darlegungen enthält die 3. TG eine inhaltliche Beschränkung, wonach ein Betrieb des FRM II nach dem 31. Dezember 2010 nur noch mit Brennstoff zulässig ist, der eine Anreicherung von Uran-235 von unter 50% aufweist. Zur Begründung bezieht er sich auf das vorgelegte atomrechtliche Gutachten. Wäre dies zutreffend, würde der FRM II ohne Genehmigung betrieben (Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 AtG) und es wären daher die Voraussetzungen für ein Einschreiten nach § 19 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 3 AtG gegeben, so dass der entsprechende Antrag zu Unrecht abgelehnt worden wäre.
50
Ob die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG, also hier die aufsichtliche Maßnahme, tatsächlich „entgegen geltenden Rechtsvorschriften“ unterblieben ist (§ 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG), ist dagegen keine Frage der Zulässigkeit der Klage, sondern ihrer Begründetheit (vgl. BVerwG, U.v. 23.6.2020 – 9 A 22.19 – BVerwGE 168, 368 Rn. 19 m.w.N.). Dies folgt aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG, wonach es für die Klagebefugnis ausreicht, wenn eine nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung geltend macht, dass das Unterlassen einer Entscheidung Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sind, widerspricht.
51
2.3 Bei den nach der klägerischen Darlegung verletzten Rechtsnormen handelt es sich um umweltbezogene Rechtsvorschriften i.S.d. § 1 Abs. 4 UmwRG (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG). Der Kläger macht eine Verletzung des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt (§ 7 Abs. 1 AtG) geltend (vgl. 2.1.2). Er rügt die (Wieder-)Inbetriebnahme bzw. den Weiterbetrieb einer Atomanlage mit Brennelementen, die nicht der atomrechtlichen Genehmigung entsprechen.
52
2.4 Der Kläger hat auch plausibel geltend gemacht, in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch das Unterlassen der Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG berührt zu sein (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG). Zwischen dem satzungsgemäßen Aufgabenbereich und der Entscheidung, deren Unterlassen mit dem Rechtsbehelf gerügt wird, besteht der erforderliche Kausalzusammenhang, wobei die bloße Möglichkeit genügt, dass der satzungsgemäße Aufgabenbereich berührt ist (vgl. dazu Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 2 UmwRG Rn. 18 m.w.N. und die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 16/2495, S. 12).
53
Die gemäß der klägerischen Satzung von ihm verfolgten Ziele und die begehrte Entscheidung betreffen den gleichen Themenkreis. Zum satzungsgemäßen Aufgabenbereich des Klägers gehört u.a. die Zielsetzung, die natürlichen Lebensgrundlagen von Menschen, Tieren und Pflanzen sowie die Biodiversität im Ganzen vor weiterer Zerstörung zu schützen. Hiervon wird auch der Schutz vor den möglichen Folgen eines formell illegalen und damit nicht hinreichend durch atomrechtliche Erlaubnisse geregelten Betriebs einer Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen erfasst.
54
3. Es bestehen schließlich keine Bedenken im Hinblick auf die fristgerechte Klageerhebung. Die Klagefrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Ablehnungsbescheids (§ 74 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 VwGO) ist ebenso gewahrt wie die Frist des § 2 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Satz 1 UmwRG.
55
Nach § 2 Abs. 3 Satz 3 UmwRG gilt die Jahresfrist für die Klageerhebung nach Satz 1 entsprechend, wenn eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG entgegen geltenden Rechtsvorschriften nicht getroffen worden ist und die Vereinigung von diesem Umstand Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können. Nach dem eindeutigen Wortlaut werden von § 2 Abs. 3 Satz 3 UmwRG – entgegen dem Einwand des Klägers – auch Fälle des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG erfasst, einschließlich der Verpflichtungsklagen auf Erlass einer Aufsichtsmaßnahme (vgl. Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 2 UmwRG Rn. 53). Die Sonderregelung in § 2 Abs. 3 Satz 2 UmwRG lässt die Anwendbarkeit von Satz 3 unberührt und bestimmt lediglich eine für bestimmte Entscheidungen neben Satz 1 geltende Höchstfrist von zwei Jahren, die unabhängig von der Kenntnis oder der schuldhaften Nichtkenntnis der Umweltvereinigung anläuft.
56
Der Kläger hat die Jahresfrist gewahrt. Dabei kann dahinstehen, welche Alternative für den Beginn des Fristlaufs maßgeblich ist. Käme es auf die positive Kenntnis an, dass der Beklagte eine Maßnahme nach § 19 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 3 AtG ablehnt, wäre die Zustellung des streitgegenständlichen Bescheids vom 3. April 2020 entscheidend; insofern hat der Kläger aber sogar die Monatsfrist gewahrt (vgl. oben). Entsprechendes gilt, wenn darauf abgestellt wird, dass er hätte Kenntnis davon erlangen können, dass – bei Zugrundelegung seines Vortrags – seit Ablauf des Jahres 2010 ein aufsichtliches Einschreiten gemäß § 19 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 3 AtG möglich gewesen wäre und der Beklagte eine Aufsichtsmaßnahme nicht getroffen hat. Ein Kennenkönnen i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 3 UmwRG liegt nämlich erst ab Kenntnis des am 11. Juni 2019 erstellten atomrechtlichen Gutachtens vor, so dass die am 8. Mai 2020 erhobene Klage die Jahresfrist wahrt.
57
Das Kennenkönnen muss sich nicht nur auf den Umstand beziehen, dass keine Überwachungs- oder Aufsichtsmaßnahme getroffen wurde, sondern auch darauf, dass entgegen geltender Rechtsvorschriften keine solche Entscheidung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG ergangen ist. Zur näheren Bestimmung, wann dies der Fall ist, kann die zum Baunachbarrecht ergangene Rechtsprechung zur Verwirkung von Klagerechten herangezogen werden (BVerwG, B.v. 12.2.2024 – 7 B 8.23 – juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 7.2.2023 – 22 B 21.2417 – juris Rn. 57 ff.; OVG NW, B.v. 25.9.2015 – 8 A 970/15 – juris Rn. 7 ff./20 m.w.N.), was aus der Entstehungsgeschichte folgt (vgl. dazu im Einzelnen OVG NW, B.v. 25.9.2015 – 8 A 970/15 – juris Rn. 7 ff.). Es kommt darauf an, ob sich das Vorliegen der genannten Voraussetzungen für die Umweltvereinigung aufgrund objektiver Anhaltspunkte aufdrängen musste (vgl. BVerwG, B.v. 12.2.2024 – 7 B 8.23 – a.a.O.; OVG NW, B.v. 25.9.2015 – 8 A 970/15 – juris Rn. 7 ff./20, m.w.N. auch zur Entstehungsgeschichte; Bunge, UmwRG, 2. Aufl. 2019, § 2 Rn. 102; Franzius in Schink/Reidt/Mitschang, UVPG/UmwRG, 2. Aufl. 2023, § 2 Rn. 25), wobei grundsätzlich die nach außen erkennbaren Umstände maßgeblich sind (vgl. Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 2 UmwRG Rn. 53). Bei der Frage, ob der Betroffene bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte Kenntnis erlangen können (vgl. dazu Kment in Beckmann/Kment, UVPG/UmwRG, § 2 UmwRG Rn. 41), ist jedoch nicht allein auf die Erkennbarkeit tatsächlich wahrnehmbarer Vorgänge – also auf einen äußeren Geschehensablauf – abzustellen. Vielmehr muss eine mögliche Relevanz für einen Umweltrechtsbehelf erkennbar sein bzw. sich dem Umweltverband aufdrängen (vgl. OVG NW, B.v. 25.9.2015 – 8 A 970/15 – juris Rn. 7). In der baurechtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Sichtbarkeit von (Bau-)Maßnahmen zur Verwirklichung eines Vorhabens und die damit einhergehende Erkennbarkeit einer vorliegenden (Bau-)Genehmigung nicht ausreicht. Nur soweit auch die Beeinträchtigung seiner subjektiven Rechtspositionen erkennbar ist, kann für den Dritten aus dem Grundsatz von Treu und Glauben die Obliegenheit abgeleitet werden, selbst aktiv zu werden und sich nach dem Vorliegen einer Genehmigung zu erkundigen (vgl. OVG NW, B.v. 25.9.2015 – 8 A 970/15 – juris Rn. 18 f., u.V.a. BVerwG, U.v. 25.1.1974 – IV C 2.72 – juris Rn. 24; VGH BW, U.v. 14.5.2012 – 10 S 2693/09 – juris Rn. 38). Übertragen auf die Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 3 UmwRG bedeutet dies, dass von einem Kennenkönnen erst dann auszugehen ist, wenn sich für die jeweilige Vereinigung auch die Möglichkeit des Vorliegens der Voraussetzungen für die Zulässigkeit und Begründetheit eines Rechtsbehelfs (vgl. § 2 Abs. 4 UmwRG) aufdrängen musste (vgl. OVG NW, B.v. 25.9.2015 – 8 A 970/15 – juris Rn. 20). Dies gilt auch für das Unterlassen von Überwachungs- und Aufsichtsmaßnahmen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG. Andernfalls drohte die Klagemöglichkeit der nach § 3 UmwRG anerkannten Vereinigungen bei langjähriger behördlicher Untätigkeit und rechtlich nicht einfach zu beurteilenden Sachverhalten leerzulaufen.
58
Entgegen dem Vorbringen des Beklagten kann die bloße Kenntnis des Umstandes, dass der FRM II auch nach dem 31. Dezember 2010 weiter mit HEU-Brennelementen betrieben wurde, nicht dazu führen, dass von einem Kennenkönnen des Klägers i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 3 UmwRG auszugehen ist. Zwar mag der Kläger neben dem unveränderten Weiterbetrieb des Forschungsreaktors auch den Inhalt der 3. TG (einschließlich des Abschnitts III. 9) gekannt haben bzw. muss er sich diese Kenntnis zurechnen lassen. Die daraus resultierenden Rechtsfolgen und vor allem die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs (§ 2 Abs. 1 und 4 UmwRG) mussten sich ihm aber nicht aufdrängen. Auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte er nicht ohne vertiefte juristische Prüfung Kenntnis von den rechtlichen Zusammenhängen erlangen können. Die entscheidende Rolle spielen hier keine nach außen erkennbaren Umstände wie die Wahrnehmung von Baumaßnahmen, sondern es kommt im Wesentlichen auf umweltrechtliche Schlussfolgerungen an, also auf das Erkennen der möglichen Relevanz bestimmter Umstände für einen Umweltrechtsbehelf. Hinzu kommt, dass § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. Satz 2 UmwRG erst mit dem Gesetz zur Anpassung des UmwRG und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben vom 29. Mai 2017 (BGBl. I S. 1298) mit Wirkung vom 2. Juni 2017 ins UmwRG eingefügt wurde. Die Kenntnis der Rechtslage und damit verbunden der möglichen Relevanz unterlassener Aufsichtsmaßnahmen für eine Umweltverbandsklage lag auch nicht auf der Hand, sondern konnte nur durch ein ausführliches Rechtsgutachten erlangt werden, dessen Erstellung besondere Fachkenntnisse im Atom- und im Umweltrecht erforderte.
59
Die zeitnahe Beauftragung eines atomrechtlichen Gutachtens, aus dem die Zusammenhänge und die Erfolgsaussichten einer Umweltverbandsklage erst erkennbar werden, zählt nicht zu den Obliegenheiten einer Vereinigung nach § 3 UmwRG. Darin, dass ein solches erst im Jahr 2019 erstellt wurde, ist somit kein vorwerfbarer Verzicht auf die erforderlichen Recherchen zu sehen, etwa vergleichbar mit unterbliebenen Anfragen bei nach außen erkennbaren Bauarbeiten für eine bestimmte Anlage.
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II. Der Hauptantrag bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Rechtsbehelf ist nicht begründet, weil das Unterlassen der Anordnung nicht gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind (§ 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG). § 7 Abs. 1 Satz 1 AtG als umweltbezogene Rechtsvorschrift (vgl. oben A. I. 2.1.2) ist nicht verletzt, weil der Betrieb der Anlage mit Brennelementen, die eine Anreicherung mit Uran-235 von über 50% aufweisen, von der wirksamen 3. TG gedeckt ist, so dass die Voraussetzungen für ein aufsichtliches Einschreiten (gemäß § 19 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 3 AtG) gegen den Weiterbetrieb des FRM II nicht vorliegen. Es kann daher dahinstehen, ob § 19 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 3 AtG umweltbezogene Rechtsvorschriften darstellen. Der klägerische Antrag auf aufsichtliches Einschreiten wurde mit streitgegenständlichem Bescheid vom 3. April 2020 zu Recht abgelehnt.
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Die Aufsichtsbehörde kann nach § 19 Abs. 3 Satz 1 AtG anordnen, dass ein Zustand beseitigt wird, der insbesondere den Vorschriften des Atomgesetzes oder den Bestimmungen des Bescheids über die Genehmigung widerspricht, wobei die Anordnung gemäß Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 vor allem die einstweilige oder endgültige Einstellung des Umgangs mit radioaktiven Stoffen und des Betriebs von Anlagen der in § 7 AtG bezeichneten Art umfassen kann. Hier besteht aber mit der 3. TG vom 2. Mai 2003 eine Genehmigung für den Betrieb des FRM II (als ortsfester Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 AtG) mit genau bezeichneten Brennelementen, die eine Anreicherung von 89% bis zu 93,2% Uran-235 aufweisen (dazu unter 1.). Die 3. TG sieht – entgegen dem Vorbringen des Klägers – keine Einschränkungen für den (Weiter-)Betrieb der Anlage mit HEU über den 31. Dezember 2010 hinaus vor. Es handelt sich bei den maßgeblichen Bestimmungen in Abschnitt III. 9, auf die das atomaufsichtliche Einschreiten laut Klagebegründung gestützt werden soll, um eine Auflage, die – in Bezug auf die zeitlichen Vorgaben der Umrüstung – teilweise unwirksam ist und daher keinen Anlass für die vom Kläger geforderten aufsichtlichen Maßnahmen bietet; es fehlt insofern an einem Verstoß gegen die Betriebsgenehmigung. Ebenso wenig werden die Bestimmungen des Atomgesetzes dadurch verletzt, dass der FRM II ohne die erforderliche Genehmigung betrieben wird (dazu unter 2.). Entgegen dem klägerischen Vortrag führt die teilweise Unwirksamkeit der Auflage in Abschnitt III. 9 nicht zur Gesamtnichtigkeit der 3. TG (dazu unter 3.).
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1. Die bestandskräftige 3. TG regelt in Abschnitt I. 2 die erforderlichen Erlaubnisse für den Betrieb des FRM II mit Brennelementen, die eine Anreicherung von bis zu 93,2% Uran-235 bei einer Urandichte im Brennstoffkern von bis zu 3,2 g/cm aufweisen. Die näheren Anforderungen an die Brennelemente ergeben sich aus Abschnitt II. (Verfahrensunterlagen), Unterabschnitt 1.2 (Technische Unterlagen) Nr. 10 (Siemens Bericht KWU A1C-1300802-2, 3B 1100.0001, Rev. 2, vom 13.6.2000 Systembeschreibung Brennelement) und Nr. 25 (Siemens Bericht KWU, Rev. b, vom 21.8.2001 FRM-II Brennelemente, Spezifikation KSD 1100/FRM-II), auf die in Nr. I. 1 des Tenors Bezug genommen wird. Darin finden sich detaillierte Angaben zu Konstruktion und Eigenschaften der Brennelemente, die hochkomplexe technische Bauteile darstellen und denen für die Reaktorsicherheit zentrale Bedeutung zukommt, einschließlich der Vorgabe, dass das in den neu eingesetzten Brennstoffplatten zur Verwendung kommende Uranmetall hinsichtlich der Gewichtsanteile eine isotopische Zusammensetzung mit einem Uran-235-Anteil von zwischen 89% und 93,2% aufweisen muss.
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2. Der Weiterbetrieb des FRM II über den 1. Januar 2011 hinaus mit den so beschriebenen Brennelementen steht nicht im Widerspruch zu den Regelungen in Abschnitt III. 9 der 3. TG, die die Proliferationsvorsorge und die Umstellung der Anlage auf Brennstoffe mit einem abgesenkten Anreicherungsgrad von höchstens 50% Uran-235 (MEU-Brennstoff) zum Gegenstand haben. Es handelt sich um keine Bedingung oder Befristung (dazu unter 2.1). Entgegen dem Vorbringen des Klägers sind darin auch keine Inhaltsbestimmungen zu sehen, sondern Auflagen (dazu unter 2.2), und es kann auch kein Widerspruch zu den Bestimmungen der Genehmigung (i.S.d. § 19 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 AtG) darin gesehen werden, dass die Auflagen teilweise nicht fristgerecht erfüllt wurden, weil die entsprechende zeitliche Vorgabe nicht (mehr) wirksam ist (dazu unter 2.3).
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2.1 Nach dem Wortlaut in Abschnitt III. 9.1 ist das StMLU über ein näher beschriebenes Verfahren zur Entwicklung eines Brennstoffs mit einer Anreicherung von höchstens 50% Uran-235 für den FRM II zu unterrichten, wobei die Berichtspflichten die Vorlage eines Zeitplans für eine „Umrüstung des FRM II auf Brennstoff mit abgesenktem Anreicherungsgrad spätestens bis zum 31. Dezember 2010“ umfassen. Nr. 9.2 und 9.3 regeln, dass die erforderliche Genehmigung zur Umrüstung sowie zum Betrieb des Reaktors mit einem MEU-Brennstoff so rechtzeitig zu beantragen ist, dass das Zulassungsverfahren spätestens zum 31. Dezember 2010 abgeschlossen ist, und dass die Umstellung nach Genehmigungserteilung unverzüglich vorzunehmen ist.
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Abschnitt III. 9 der 3. TG enthält nach diesem Regelungsgehalt weder eine Befristung noch eine Bedingung. Es fehlt an einer Bestimmung, wonach die Genehmigungswirkung am 31. Dezember 2010 endet (vgl. Art. 36 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG), sowie an einer kausalen Verknüpfung zwischen der Umrüstung und der Wirksamkeit der Betriebsgenehmigung (vgl. Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG). Eine Befristung wäre gemäß § 17 Abs. 1 Satz 4 AtG ohnehin unzulässig gewesen, weil es sich um eine Genehmigung für Anlagen nach § 7 AtG handelt. Es kann daher auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Genehmigungsbehörde eine solche gewollt hätte. Gleiches gilt für eine Bedingung. Die Genehmigungswirkungen sollten nicht automatisch erlöschen, wenn keine termingerechte Umstellung erfolgt (vgl. auch Koehl, BayVBl 2005, 421/422 f.). Dies stünde auch im Widerspruch zu atomrechtlichen Grundsätzen. Im Fall einer nicht rechtzeitig erteilten Anschlussgenehmigung träte ein genehmigungsloser Zustand ein, mit der Folge, dass der Anlagenbestand und vor allem der Zustand des Reaktors nicht mehr durch eine Betriebsgenehmigung im Detail geregelt wären. Das auf der 3. TG basierende Reglement für die Stillstandsphase, das aus Gründen der nuklearen Sicherheit und der Schadensvorsorge unabdingbar ist, wäre außer Kraft gesetzt. Der Genehmigungsbehörde kann nicht unterstellt werden, dass sie einen solchen Zustand in Kauf genommen hätte. Dementsprechend gehen die Beteiligten zu Recht übereinstimmend davon aus, dass die 3. TG weder unter einer Bedingung noch unter einer Befristung ergangen ist.
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2.2 Abschnitt III. 9 trifft – entgegen dem klägerischen Vortrag – auch keine Inhaltsbestimmungen mit der Folge, dass im Fall der Fortsetzung des Betriebs mit HEU-Brennstoffen über den 31. Dezember 2010 hinaus aufgrund einer wesentlichen Abweichung von der Genehmigung (vgl. BVerwG, U.v. 25.10.2000 – 11 C 1.00 – BVerwGE 112, 123/LS 1 und 125 f) ein ungenehmigter Betrieb vorläge. Vielmehr sind die Regelungen als Auflagen anzusehen, die als solche die Hauptregelung in der 3. TG über die zulässigen Brennelemente nicht modifizieren, sondern lediglich selbständig hinzutretende Handlungspflichten statuieren.
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2.2.1 Inhaltsbestimmungen sind bei einer Genehmigung die Elemente der Hauptregelung, die das genehmigte Tun oder Verhalten festlegen und konkretisieren, indem sie die genehmigte Handlung bzw. das genehmigte Vorhaben unmittelbar räumlich und inhaltlich (qualitativ und quantitativ) bestimmen und damit die Genehmigung erst ausfüllen (vgl. OVG LSA, B.v. 25.6.2019 – 2 M 42/19 – juris Rn. 35 f.; B.v. 10.6.2021 – 2 M 33/21 – juris Rn. 24 f.). Sie sind integraler Bestandteil der in der Hauptbestimmung formulierten Rechtsgewährung, auf deren Inhalt sie (unmittelbar) bestimmend einwirken (vgl. Mann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 12 BImSchG Rn. 115; Schröder in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand November 2023, § 36 VwVfG Rn. 78). Wird eine Inhaltsbestimmung missachtet, ist das durchgeführte Vorhaben nicht (mehr) von der Genehmigung gedeckt und damit formell illegal (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 42 Rn. 45; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 36 Rn. 93 f. m.w.N.). Maßgeblich ist dabei auf das Kriterium der Unmittelbarkeit der Konkretisierung abzustellen, das die Inhaltsbestimmung von der Auflage als selbständig hinzutretender Handlungspflicht unterscheidet (vgl. OVG NW, U.v. 10.12.1999 – 21 A 3481/96 – juris Rn. 13 ff.; U.v. 25.8.2010 – 7 A 749/09 – NVwZ-RR 2011, 47 = juris Rn. 70; OVG Hamburg, B.v. 16.12.2003 – 4 Bf 44/01 – juris Rn. 26; Mann in Landmann/Rohmer, a.a.O.).
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Eine Auflage ist nach der Legaldefinition des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG bzw. des Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG, die auch § 17 Abs. 1 Satz 2 AtG zugrunde liegt (vgl. Roller in Frenz, Atomrecht, 2. Aufl. 2024, § 17 AtG Rn. 13 m.w.N.), eine Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird. Diese Verpflichtung steht neben der durch den Verwaltungsakt getroffenen Hauptregelung, so dass die Auflage insoweit eine selbständige hoheitliche Anordnung darstellt (Happ in Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 45; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn. 83 m.w.N.); beide können allerdings aufeinander bezogen sein. Auflagen treten als eigenständige Anordnungen hinzu und ändern dadurch zwar ebenfalls den Inhalt des Verwaltungsaktes, aber in einer anderen Art und Weise als eine Inhaltsbestimmung. Sie modifizieren das genehmigte Vorhaben nicht unmittelbar und sind kein integraler Bestandteil der Rechtsgewährung, sondern lösen allenfalls zusätzliche Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungspflichten für den Genehmigungsinhaber aus (vgl. Mann in Landmann/Rohmer, a.a.O.). Eine Auflage ist dementsprechend mit den Mitteln und unter den Voraussetzungen des Verwaltungszwangs zu vollstrecken, kann aber auch Anlass für ein aufsichtliches Einschreiten sowie für den Widerruf des Verwaltungsaktes sein (vgl. § 17 Abs. 3 Nr. 3 AtG; Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG).
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Die Abgrenzung, ob eine in einem Verwaltungsakt getroffene Regelung eine Inhaltsbestimmung darstellt oder ob es sich um eine Auflage handelt und welchen Inhalt eine solche aufweist, erfolgt im Wege der Auslegung (vgl. Schröder in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 36 VwVfG Rn. 41). Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung entsprechend §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, wobei – vom Wortlaut ausgehend – der erklärte Wille maßgeblich ist, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (stRspr, BVerwG, U.v. 16.10.2013 – 8 C 21.12 – BVerwGE 148, 146 Rn. 14; U.v. 24.6.2020 – 3 C 3.19 – BVerwGE 169, 1 Rn. 20, jew. m.w.N.; vgl. auch Koehl, BayVBl 2005, 421/422; Schröder, a.a.O.). Bei der Bestimmung dieses objektiven Erklärungswertes sind alle dem Empfänger bekannten oder erkennbaren Umstände heranzuziehen, vor allem auch die Begründung des Verwaltungsakts, die einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Regelungsgehalt hat (BVerwG, U.v. 16.10.2013 – 8 C 21.12 – a.a.O.). Sie ist die Erläuterung der Behörde, warum sie den verfügenden Teil ihres Verwaltungsakts so und nicht anders erlassen hat. Die Begründung bestimmt damit den Inhalt der getroffenen Regelung mit, so dass sie in aller Regel ein unverzichtbares Auslegungskriterium darstellt (BVerwG, U.v. 16.10.2013 – 8 C 21.12 – a.a.O.; vgl. auch Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 39 Rn. 26 m.w.N.).
70
Bei der Auslegung zum Zweck der Abgrenzung einer Inhaltsvon einer Nebenbestimmung muss vor allem auf die intendierten Rechtsfolgen abgestellt werden (vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn. 100; Ziehm, ZUR 2020, 579/580). Um Regelungsinhalt und -umfang eines Verwaltungsakts zu erkennen, ist nicht an den Buchstaben zu haften. Vielmehr kommt es auf den Willen der Behörde an, soweit dieser im Bescheid, d.h. im verfügenden Teil sowie in der Begründung greifbar seinen Niederschlag gefunden hat (Stelkens, a.a.O., § 35 Rn. 76). Als ergänzende Kriterien werden in der Rechtsprechung zum Teil auch das Gewicht und die Bedeutung der Genehmigungsvoraussetzung herangezogen, deren Sicherstellung die Einzelbestimmung dienen soll (vgl. OVG NW, U.v. 10.12.1999 – 21 A 3481/96 – juris Rn. 15 ff. m.w.N.; OVG LSA, B.v. 10.6.2021 – 2 M 33/821 – juris Rn. 26).
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2.2.2 Die in Abschnitt III. 9 des Kapitels „Inhalts- und Nebenbestimmungen“ der 3. TG getroffenen Regelungen stellen nach diesen Maßstäben keine die Hauptregelung modifizierenden Inhaltsbestimmungen der Betriebsgenehmigung dar. Sie enthalten – auch nach dem Willen der Genehmigungsbehörde – kein Verbot, den FRM II über den 31. Dezember 2010 mit den genehmigten Brennelementen zu betreiben, und erst recht keine Erlaubnis, Brennelemente mit einem geänderten Anteil an Uran-235-Isotopen einzusetzen. Dies ergibt sich aus der verwendeten Terminologie (2.2.2.1), dem Inhalt (2.2.2.2), aus der Begründung der 3. TG (2.2.2.3) sowie aus der Entstehungsgeschichte vor dem Hintergrund der atomrechtlichen Besonderheiten (2.2.2.4).
72
2.2.2.1 Im Genehmigungsbescheid selbst wird die Regelung als Auflage bezeichnet. Zwar differenziert die 3. TG in Abschnitt III. nicht zwischen Inhalts- und Nebenbestimmungen, sondern fasst beide Kategorien unter einer gemeinsamen Überschrift zusammen. In der Begründung (S. 89, unter B. 5.) wird aber ausdrücklich ausgeführt, dass Abschnitt III. 9 „die zur Regelung der Proliferationsvorsorge im Rahmen der Ermessensausübung gebotenen Auflagen“ enthalte.
73
2.2.2.2 Dies wird durch Inhalt und Struktur der Bestimmungen bestätigt. Die Umrüstung des FRM II zum 31. Dezember 2010 steht lediglich als Ziel im Hintergrund; eine unmittelbare Regelung zu den Eigenschaften der Brennelemente wird dagegen nicht getroffen. Vor allem wird keine ausdrückliche Verpflichtung formuliert, eine Umrüstung bis 1. Januar 2011 durchzuführen, was aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts zu erwarten wäre, wenn eine derart einschneidende Änderung der Genehmigungsvoraussetzungen unmittelbar gewollt gewesen wäre. Stattdessen enthält Abschnitt III. 9 detaillierte, zum Genehmigungsinhalt zusätzlich hinzutretende Handlungspflichten (zur Auftragsvergabe, zu Berichtspflichten, zur Beantragung einer Änderungsgenehmigung sowie zur unverzüglichen Umrüstung nach Genehmigungserteilung), die zwar der Zielsetzung – einer Umrüstung zum beabsichtigten Zeitpunkt – dienen, die aber nicht unmittelbar auf die Modifizierung des Inhalts der 3. TG gerichtet sind (vgl. dazu auch OVG NW, U.v. 25.8.2010 – 7 A 749/09 – juris Rn. 70 ff.). Entgegen dem klägerischen Vorbringen kommt es nicht entscheidend darauf an, dass es sich bei der Brennstoffumstellung um eine Maßnahme handelt, die sich auf zentrale Vorgaben für den genehmigten Betrieb bezieht, sondern auf den konkreten Bezug der Nebenbestimmung zur Hauptregelung. Diese wird durch Abschnitt III. 9 aber nicht unmittelbar geändert. Besonders deutlich wird dies in Nr. 9.2, wonach die „erforderliche Genehmigung zur Umrüstung und zum Betrieb des Reaktors mit einem dem internationalen Forschungs- und Entwicklungsstand entsprechenden Brennstoff mit abgesenktem Anreicherungsgrad von höchstens 50% Uran-235 Anreicherung“ rechtzeitig zu beantragen ist. Daraus folgt, dass eine Änderung des Inhalts der 3. TG nach dem Willen der Genehmigungsbehörde, wie ihn ein Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen muss, erst durch die in Zukunft zu erteilende (Änderungs-)Genehmigung eintreten soll. Bevor ein solcher, den Genehmigungsinhalt modifizierender Verwaltungsakt ergeht, bedarf es weiterer Handlungen der TUM als Genehmigungsinhaberin, die als selbständige Pflichten in diesem Abschnitt geregelt werden (Beauftragung der Entwicklung von MEU-Brennelementen und Beantragung der Betriebsgenehmigung für diese).
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Der vom Kläger vorgebrachte Einwand, die 3. TG enthalte („im Grundsatz“) bereits die notwendige Erlaubnis, den Reaktor mit niedriger angereichertem Uran zu betreiben, greift dagegen nicht durch. Dies ist nicht nur mit dem Wortlaut des Abschnitts III. 9 nicht in Einklang zu bringen, sondern steht vor allem im Widerspruch zu den exakten Vorgaben zum Aufbau und zur Zusammensetzung der Brennelemente gemäß Abschnitt II. 1.2 (Technische Unterlagen) der 3. TG (auf den im Tenor, in Abschnitt I. 1 ausdrücklich Bezug genommen wird). Unter Nr. (10) und unter Nr. (25) wird auf bestimmte Genehmigungsunterlagen Bezug genommen (vgl. oben 1.). Darin sind die technischen Anforderungen an die Brennelemente genau definiert, und es wird vor allem ein Mindestanteil des Uranisotops U-235 von 89% ausdrücklich festgelegt. Diese Vorgaben bilden den Kernbestandteil der 3. TG. Auf sie sind vor allem auch die Anordnungen zur Anlagensicherheit ausgerichtet. Raum für eine derart gravierende Änderung, wie sie eine Absenkung des Anreicherungsgrades auf höchstens 50% Uran-235 mit sich brächte, bleibt im Rahmen der erteilten Genehmigung danach nicht. Die Vertreter des Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass eine solche Modifizierung hochkomplexer Bauteile erhebliche Auswirkungen auf den Betrieb des Forschungsreaktors haben könnte und dass im Fall einer derartigen Änderung eine sicherheitstechnische Neubewertung erforderlich wäre. Allein schon der Umstand, dass bei Genehmigungserteilung die Eigenschaften und die Zusammensetzung des erst zu entwickelnden Brennstoffs nicht bekannt sein konnten, verdeutlicht das Erfordernis eines gesonderten Änderungsgenehmigungsverfahrens. Die Regelungen in Abschnitt III. 9 sind daher auch nicht ansatzweise mit Fällen vergleichbar, in denen durch eine Genehmigungsbehörde bestimmte Anforderungen an einen fossilen Brennstoff gestellt wurden, wie der Kläger meint. Anders als etwa die in eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung aufgenommene Maßgabe, eine Feuerungsanlage nur mit bestimmtem (schwefelarmem) Heizöl betreiben zu dürfen (vgl. BVerwG, U.v. 17.2.1982 – 7 C 8.82 – BVerwGE 69, 37/39), kennzeichnet Abschnitt III. 9 der 3. TG gerade nicht den Umfang der erteilten Betriebsgenehmigung, sondern trifft nur Vorgaben mit dem Ziel, dass eine Änderungsgenehmigung in Bezug auf Brennstoff mit abgesenktem Anreicherungsgrad beantragt und erteilt wird. Es fehlt an der unmittelbaren Modifizierung der Genehmigungsbestimmungen über den zugelassenen Brennstoff. Eine Inhaltsbestimmung ohne eine solche positive Zulassung der künftigen Brennelemente, d.h. mit dem Inhalt, dass ein Betrieb mit den zugelassenen Brennelementen nach dem 31. Dezember 2010 unzulässig ist, hätte dagegen die Wirkung einer Befristung. Die Annahme einer solchen Nebenbestimmung ist aus den dargelegten Gründen (vgl. oben 2.1) abzulehnen. Sie steht vor allem im Widerspruch zum Grundkonzept des Atomgesetzes, der unbefristeten Genehmigung nach § 7 Abs. 1 AtG. Wollte der Kläger sich auf eine solche Befristung berufen, stünde dies im Übrigen im Widerspruch dazu, dass auch nach seiner Auffassung keine Befristung anzunehmen ist.
75
Demgegenüber entspricht die prozedurale Ausgestaltung der in Abschnitt III. 9 getroffenen Regelungen den Kriterien für Auflagen. Der TUM wurden verschiedene, selbständige Handlungspflichten auferlegt, die neben die durch den Hauptverwaltungsakt getroffenen Bestimmungen treten und die selbständig vollstreckbar sind. Dass sie sich auf den Betrieb des FRM II und damit auf die Hauptregelung beziehen, ist demgegenüber nicht entscheidend.
76
2.2.2.3 Bestätigt wird diese Auslegung durch die Begründung der 3. TG. Sie bedient sich zum einen der verwaltungsverfahrensrechtlichen Terminologie und bezeichnet den Inhalt des Abschnitts III. 9 als Auflagen (vgl. oben 2.2.2.1), was zwar nicht allein ausschlaggebend für die Zuordnung sein mag (vgl. BVerwG, U.v. 22.11.2018 – 7 C 9.17 – juris Rn. 23), aber einen erheblichen Gesichtspunkt darstellt (vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 35 Rn. 76). Auch an anderer Stelle, im Zusammenhang mit den bundesaufsichtlichen Stellungnahmen, ist davon die Rede, dass den darin enthaltenen Maßgaben durch entsprechende (ergänzende) Unterlagen der Antragsteller sowie „durch Nebenbestimmungen in diesem Bescheid“ Rechnung getragen worden sei (S. 46 f. der 3. TG). Im Folgenden werden dann die Ergänzungen beschrieben und es wird die Berücksichtigung der Proliferationsvorsorge in Abschnitt III. 9 erläutert (S. 47 ff./52 ff. der 3. TG). Dies spricht ebenfalls für ein Verständnis der dort getroffenen Regelungen als Nebenbestimmung in Form einer Auflage. Demgegenüber finden sich keine Hinweise darauf, dass diese als Inhaltsbestimmungen anzusehen wären.
77
Zum anderen enthält die Begründung auch im Hinblick auf die Rechtsfolgen einer Nichterfüllung des Abschnitts III. 9 Elemente, die aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts gegen ein Verständnis als Inhaltsbestimmungen sprechen. An mehreren Stellen wird als Konsequenz einer „Nichteinhaltung“ der Umrüstung zum maßgeblichen Zeitpunkt darauf verwiesen, dass „ggf. die gesetzlichen Widerrufstatbestände des § 17 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AtG eingreifen würden“ (S. 54 f.; 83 f. der 3. TG). Ein Widerruf nach § 17 Abs. 3 Nr. 3 AtG stellt aber eine typische Sanktion bei Nichterfüllung einer Auflage dar. Bei einem Verständnis des Abschnitt III. 9 als Inhaltsbestimmung läge dagegen eine aufsichtliche Anordnung gemäß § 19 Abs. 3 AtG als behördliche Reaktion nahe, wie sie der Kläger begehrt, die aber keine Erwähnung findet. Warum insofern auf den Widerruf abgestellt wird und nicht auf die Möglichkeit einer vorläufigen Betriebseinstellung verwiesen wird, wenn der Weiterbetrieb des FRM II mit HEU außerhalb des Genehmigungsumfangs läge, vermag der Kläger nicht zu erklären. Sein Vortrag, der Verweis auf den Widerruf könne sich auf die Zeit vor dem 1. Januar 2011 beziehen, überzeugt nicht. Er kann mit dem Wortlaut der Begründung nicht in Einklang gebracht werden. Der Widerruf als mögliche Konsequenz einer Nichteinhaltung bezieht sich nämlich weniger auf die unverzügliche Umrüstung, sondern vor allem auf den spätesten Umrüstungstermin 31. Dezember 2010. Soweit der Kläger einwendet, dass nicht nur auf § 17 Abs. 3 Nr. 3 AtG verwiesen werde, sondern auch auf Nr. 2, wonach eine Genehmigung auch bei Wegfall der Genehmigungsvoraussetzungen widerrufen werden könne, greift dies ebenfalls nicht durch. In den jeweiligen Passagen wird auch auf andere, im Zusammenhang mit der Proliferationsvorsorge getroffene Auflagen verwiesen. Solche sind etwa zur Gewährleistung der auf internationalen Rechtsgrundlagen beruhenden Spaltflusskontrolle in der 3. TG getroffen worden und stellen als solche Genehmigungsvoraussetzungen dar.
78
Soweit in der Begründung – im Zusammenhang mit den besagten Passagen (S. 54 f.; 83 f. der 3. TG) – davon die Rede ist, dass „ein Betrieb des FRM II mit dem jetzt genehmigten Brennstoff mit einem Anreicherungsgrad von bis zu 93,2% Uran-235 jedenfalls über den 31.12.2010 hinaus im Hinblick auf die Proliferationsfrage nicht hinnehmbar“ sei und dass (nur) aufgrund der Bestimmungen in Abschnitt III. 9 habe von einer Versagung abgesehen werden können, mag die enge Verknüpfung der Einzelregelungen mit der in der Genehmigung enthaltenen Gestattung auf den ersten Blick eher für die Auslegung als Inhaltsbestimmung sprechen (vgl. dazu OVG NW, U.v. 10.12.1999 – 21 A 3481/96 – juris Rn. 18 f. m.w.N.; HessVGH, B.v. 10.4.2014 – 9 B 2156/13 – juris Rn. 53), zwingend ist dieser Schluss allerdings nicht. Aus Art. 36 Abs. 1 Alt. 2 BayVwVfG wird deutlich, dass Nebenbestimmungen gerade dem Zweck dienen können, die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes sicherzustellen. Hinzu kommt, dass die Begründung davon ausgeht, dass eine Umstellung ohne Einschränkungen für den Betrieb des FRM II fristgerecht möglich sein werde. Ausgangspunkt war jeweils die Feststellung, „dass bei rechtzeitiger Einleitung der erforderlichen Maßnahmen zur Brennstoffversorgung und ggf. zur erforderlichen Umrüstung der Reaktor spätestens ab dem 01.01.2011 ohne für die Nutzung des Reaktors signifikante Leistungsveränderungen mit einem Brennstoff betrieben werden kann, der dem internationalen Forschungs- und Entwicklungsstand für Brennstoffe mit abgesenktem Anreicherungsgrad Rechnung trägt“ (S. 54, i.Erg. ebenso S. 83 der 3. TG). Soweit in diesem Zusammenhang in der Begründung eine „bedeutsame Voraussetzung“ angenommen wird, steht dies jeweils unter der Prämisse der technischen Umsetzbarkeit, was gegen das vom Kläger angenommene Junktim zwischen Umstellungstermin und dem Bestand der 3. TG spricht. Vielmehr kann die Begründung ohne Weiteres so verstanden werden, dass ein Weiterbetrieb nur deshalb nicht als hinnehmbar angesehen wurde, weil die (termingerechte) Umstellung als technisch möglich und somit auch als zumutbar angesehen worden ist. Im Übrigen käme – selbst wenn dem nicht gefolgt würde – beiden Passagen in der Begründung gegenüber dem Erklärungsgehalt, der nicht darauf gerichtet ist, die genehmigten Tätigkeiten oder die Gestalt und Beschaffenheit der Anlage unmittelbar zu regeln, sondern als zusätzlich zu der Genehmigung hinzutretende Handlungspflichten verstanden werden muss, keine entscheidende Rolle für die Abgrenzung zu.
79
2.2.2.4 Schließlich sind die Umstände des Zustandekommens der 3. TG, wie sie aus deren Begründung ersichtlich werden, sowie die atomrechtlichen Besonderheiten einzubeziehen, die ebenfalls einer Auslegung als Inhaltsbestimmung entgegenstehen. Während sich die Bundesrepublik Deutschland Ende der 90er Jahre aus atompolitischer Sicht für eine Umrüstung des FRM II auf MEU- bzw. LEU-Brennstoffe ausgesprochen hatte, war der Beklagte als Anlagenbetreiber und als Träger der Genehmigungsbehörde dem zunächst entgegengetreten. Zur Lösung dieser Frage wurde vor Erteilung der 3. TG eine Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik und dem Beklagten paraphiert sowie nach Erlass der Genehmigung abgeschlossen. Deren wesentlicher Inhalt besteht in der Verpflichtung, den FRM II bis 31. Dezember 2010 auf Brennstoff mit einer Anreicherung von 40 bis 50% Uran-235 umzurüsten. Dazu wurden auch Bestimmungen über die konkrete Vorgehensweise getroffen (Entwicklungsauftrag für neue Brennelemente, Einleitung eines Änderungsgenehmigungsverfahrens und unverzüglicher Beginn mit der Umstellung nach Genehmigungserteilung), die den Regelungen in Abschnitt III. 9 der 3. TG entsprechen. Dies wird auch in der Begründung der 3. TG offengelegt (S. 54 f. der Begründung) und weiter ausgeführt, dass „daher“ – also im Hinblick auf diese Vereinbarung – davon ausgegangen werden könne, dass der FRM II spätestens ab dem 1. Januar 2011 („ohne für die Nutzung des Reaktors signifikante Leistungsveränderung“) mit einem Brennstoff mit abgesenktem Anreicherungsgrad betrieben werden könne (vgl. oben 2.2.2.3). Bei Genehmigungserteilung erschienen die Umstellungsverpflichtung als solche sowie der Zeitpunkt daher aus Sicht sowohl der Vertragsparteien als auch des objektiven Empfängerhorizonts hinreichend gewährleistet. Es bedurfte somit keiner inhaltlichen Festschreibung in der 3. TG mehr.
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Soweit in der Begründung in diesem Zusammenhang ausgeführt wird, die „unverzügliche Umrüstung des FRM II bis spätestens 31.12.2010“ werde in Abschnitt III. 9 „vorgeschrieben“, erscheint diese Aussage bereits im Hinblick auf die Unverzüglichkeit missverständlich. Sie steht dem Verständnis der Bestimmungen als Auflage auch sonst nicht zwingend entgegen, weil der Umrüstungsbegriff prozedural verstanden werden kann. Dabei sind die atomrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten sowie generell die sich aus den mit der Spaltung von Kernbrennstoffen verbundenen Gefahren einzubeziehen. Bei einer Auflage besteht die in der Begründung als Reaktion auf die Nichteinhaltung des Umstellungstermins aufgezeigte Möglichkeit des Widerrufs (Begründung S. 55 und S. 83 f., vgl. oben). Nur in diesem Fall wird der Genehmigungsbehörde die notwendige Flexibilität eröffnet, um auf unvorhergesehene Umstände, etwa technische Probleme bei der Entwicklung des neuen Brennstoffs, zu denen es auch tatsächlich gekommen ist, reagieren zu können. Soweit dies erforderlich erscheint, kann sie gezielt den Weiterbetrieb des FRM II, konkret die weitere Ingangsetzung der Kernspaltung unter Verwendung von HEU-Brennelementen, unterbinden, indem sie die 3. TG wegen des Auflagenverstoßes teilweise widerruft. Der künftige Genehmigungsinhalt könnte dann rechtssicher bestimmt werden, und die für den Stillstandsbetrieb notwendigen Regelungen der 3. TG blieben wirksam. Beidem kommt angesichts des erheblichen Gefahrenpotentials von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen i.S.d. § 7 Abs. 1 AtG eine besondere Bedeutung zu. Es gilt nicht nur Unklarheiten, sondern vor allem auch einen genehmigungslosen Zustand zu vermeiden, sei es auch nur im Stillstandsbetrieb, der immer noch erhebliche Gefahren in sich birgt. Bei einem Verständnis des Abschnitts III. 9 als Inhaltsbestimmung könnte es jedoch gerade dazu kommen. Angesichts des umfangreichen Gegenstands der Genehmigung (vgl. I. 2 der 3. TG) wäre bei Annahme einer Inhaltsbestimmung bereits unklar, welche Handlungen in Bezug auf HEU-Brennelemente ab 1. Januar 2011 nicht mehr zulässig wären und ob – wie im Falle einer Bedingung – die gesamte 3. TG wegen einer wesentlichen Änderung entfiele (vgl. BVerwG, U.v. 25.10.2000 – 11 C 1.00 – BVerwGE 112, 123/LS 1 und 125 f). Es kann jedoch nicht unterstellt werden, dass die Genehmigungsbehörde es in Kauf genommen hätte, dass Unklarheiten hinsichtlich des Genehmigungsumfangs oder sogar ein genehmigungsloser Zustand entstehen können (vgl. oben 2.1).
81
Bei Zugrundelegung des klägerischen Vortrags wäre zudem fraglich, ob jeglicher Verstoß gegen eine der in Abschnitt III. 9 geregelten Pflichten zur formellen Illegalität führen würde bzw. wann dies der Fall wäre. Dies könnte etwa eine Rolle spielen, wenn nach Genehmigungserteilung die Umrüstung nicht gemäß Abschnitt III. 9.3 unverzüglich erfolgen würde. Hinzu käme, dass bereits die Bestimmung der Unverzüglichkeit Schwierigkeiten bereiten und dass diese Voraussetzung damit erhebliche Rechtsunsicherheit nach sich ziehen kann. Entsprechendes gilt für die Vorlage der zu erstattenden Berichte, bei denen es zu Auseinandersetzungen darüber hätte kommen können, ob diese den geforderten Inhalt aufweisen, sowie für die Frage nach der Rechtzeitigkeit der Beantragung der Änderungsgenehmigung. Die Dauer eines entsprechenden „Zulassungsverfahrens“ lässt sich erfahrungsgemäß nur sehr beschränkt prognostizieren. Dass die Wirksamkeit einer atomrechtlichen Genehmigung von unklaren Voraussetzungen abhängen soll, kann von der Genehmigungsbehörde kaum beabsichtigt gewesen sein.
82
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Umstellung eines derartigen Forschungsreaktors auf einen erst neu zu entwickelnden Brennstoff – die ausweislich der Begründung noch dazu „ohne signifikante Leistungsveränderungen“ erfolgen und zugleich „dem internationalen Forschungs- und Entwicklungsstand für Brennstoffe mit abgesenktem Anreicherungsgrad“ Rechnung tragen soll (Begründung S. 54) – in Bezug auf den Zeithorizont von nur 7 Jahren erhebliche Unsicherheiten mit sich bringt, ob der Zeitplan eingehalten werden kann. Allein dieser Umstand spricht dafür, dass die Genehmigungsbehörde eine Auflage gewollt hat, die eine flexible Reaktion auf unvorhergesehene, ggf. vom Genehmigungsinhaber nicht zu vertretende Verzögerungen bei der Brennstoffentwicklung ermöglicht. Dementsprechend wurde bisher keine aufsichtliche Maßnahme eingeleitet und stattdessen die in der Vereinbarung zwischen Bundesrepublik und Beklagtem geregelte Frist für die Umrüstung mehrfach angepasst, nachdem international noch kein geeigneter Brennstoff entwickelt werden konnte. Im Unterschied dazu bliebe – wenn es sich um eine Inhaltsbestimmung handeln würde – aus atomaufsichtlicher Perspektive als Reaktion auf eine formelle Illegalität des Betriebs kaum Raum für eine andere Anordnung als eine Betriebsuntersagung.
83
Nicht entscheidend kommt es – entgegen dem klägerischen Vorbringen – auf die genaue Einhaltung des Umrüstungszeitpunkts 31. Dezember 2010 an. Der Beklagte hat dargelegt, dass es sich bei dem Zeitpunkt um ein frei gewähltes Datum handelt, das letztlich wohl politisch festgelegt worden sei. Nichts Anderes folgt im Übrigen aus der Begründung der 3. TG, in der dazu nur auf die geschlossene Vereinbarung verwiesen wird. Rechtliche Vorgaben ergeben sich dazu weder aus nationalem Recht noch aus dem Europa- oder dem Völkerrecht. Beides spricht wiederum gegen den Willen der Behörde, eine Inhaltsbestimmung treffen zu wollen, um eine maßgebliche Voraussetzung zu gewährleisten.
84
2.3 Es liegt auch sonst kein Verstoß gegen die Bestimmungen der 3. TG vor, so dass auch kein aufsichtliches Einschreiten nach § 19 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 AtG in Betracht kommt.
85
Laut Ablehnungsbescheid vom 3. April 2020 (S. 26 f.) ist die Genehmigungsinhaberin den in Abschnitt III. 9 geregelten Verpflichtungen weitgehend nachgekommen, was der Kläger nicht in Zweifel gezogen hat. Nicht erfüllt wurden die Auflagen, einen Zeitplan vorzulegen, der die Umrüstung bis 31. Dezember 2010 vorsieht (Abschnitt III. 9.1), und die erforderliche Änderungsgenehmigung („zur Umrüstung und zum Betrieb des Reaktors mit einem dem internationalen Forschungs- und Entwicklungsstand entsprechenden Brennstoff mit abgesenktem Anreicherungsgrad von höchstens 50% Uran-235 Anreicherung“) so rechtzeitig zu beantragen, dass die Umrüstung nach Durchführung des Verwaltungsverfahrens spätestens am 31. Dezember 2010 abgeschlossen ist (Abschnitt III. 9.2). Ein Verstoß gegen beide zeitlichen Vorgaben kann schon deshalb die vom Kläger beantragten aufsichtlichen Maßnahmen nicht nach sich ziehen, weil es objektiv unmöglich war, diese Fristen einzuhalten; aufgrund technischer Schwierigkeiten (trotz internationaler Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten) konnten bisher keine geeigneten LEU- oder MEU-Brennelemente entwickelt werden. Die Auflagen sind daher insofern (bezogen auf die Terminsetzung) teilnichtig (Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 4 BayVwVfG) und damit teilunwirksam (Art. 43 Abs. 3 BayVwVfG).
86
2.3.1 Nach Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann. Voraussetzung ist dabei die objektive Unmöglichkeit der Ausführung (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 44 Rn. 144 m.w.N.; vgl. auch BayVGH, U.v. 27.9.2007 – 22 B 04.891 – juris Rn. 15; Goldhammer in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 44 VwVfG Rn. 78). Weil es in diesen Fällen nicht auf die Offensichtlichkeit des Fehlers ankommt, was aus Wortlaut und Systematik der Bestimmung folgt, wird auch die technische Unausführbarkeit erfasst, die sich erst nach Erlass des Verwaltungsaktes herausstellt (Koehl, BayVBl 2005, 421/427; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 44 Rn. 145; Ziehm, ZUR 2020, 579/583). Dabei spielt es weder eine Rolle, ob die Hauptregelung oder eine Auflage nicht ausführbar ist (Leisner-Egensperger in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 44 Rn. 36), noch ob die Handlung dauerhaft unmöglich ist oder ob der geforderte Zustand nach dem Regelungsinhalt in einer Zeitspanne verwirklicht werden muss, die nicht eingehalten werden kann (Leisner-Egensperger a.a.O., unter Bezugnahme auf BVerwG, B.v. 10.5.1988 – 2 WDB 6.87 – BVerwGE 86, 18/20). Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG liegt die Erwägung zugrunde, dass ein Verwaltungsakt, der auf einen unmöglichen Erfolg gerichtet ist, keine Rechtsgeltung beanspruchen kann (vgl. BVerwG, B.v. 8.5.1995 – 7 B 223.94 – juris Rn. 2). Der allgemeine Rechtsgrundsatz, dass niemand zu objektiv unmöglichen Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen verpflichtet werden kann („Ultra posse nemo obligatur“), der auch im öffentlichen Recht gilt (vgl. BayVGH, B.v. 30.6.2005 – 22 CE 05.1194 – juris Rn. 14), kommt darin zum Ausdruck (Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 44 VwVfG Rn. 19).
87
2.3.2 Der Beklagte geht nach Überzeugung des Gerichts zu Recht davon aus, dass die Umrüstung des FRM II, wie sie in den Auflagen in Abschnitt III. 9 vorgesehen ist, technisch nicht bis zum 31. Dezember 2010 ausgeführt werden konnte und damit objektiv unmöglich war. Sie stand zum einen unter dem Vorbehalt, dass sie keine signifikante Leistungsveränderung zur Folge haben durfte, was sich sowohl aus der Begründung der 3. TG (Begründung S. 54) als auch aus der Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Beklagten ergibt. Zum anderen sollte der neue Brennstoff nach dem Wortlaut der Auflage dem internationalen Forschungs- und Entwicklungsstand entsprechen. Der Beklagte hat hinreichend dargelegt, dass im Rahmen internationaler Kooperationen nach einem alternativen, niedriger angereicherten Brennstoff geforscht wurde (und wird) und sich die Entwicklung jedoch aufgrund nicht vorhersehbarer Schwierigkeiten verzögert hat. Dass ein geeigneter Brennstoff jedenfalls nicht rechtzeitig zum 31. Dezember 2010 zur Verfügung stand, ergibt sich nicht nur aus mehreren Antworten auf parlamentarische Anfragen auf Bundes- und Landesebene, in denen auch die Hintergründe im Einzelnen erläutert wurden (vgl. etwa LT-Drs. 16/7473 vom 31.3.2011; LT-Drs. 17/21812 vom 3.9.2018; BT-Drs. 19/11950 vom 16.7.2019, S. 112; BT-Drs. 19/12234 vom 6.8.2019, S. 130), sondern vor allem auch aus den beiden ergänzenden Anpassungsvereinbarungen zwischen dem Bund und dem Beklagten vom 13./22. Oktober 2010 (die im Übrigen vor Ablauf der Umrüstungsfrist abgeschlossen wurde) sowie vom 18./21. Dezember 2020.
88
Der Kläger hat die objektive Unmöglichkeit nicht substantiiert bestritten, sondern lediglich auf die Darlegungslast des Beklagten verwiesen. Sein Sachbeistand hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass bei Weiterentwicklung eines Uran-Silizid-Brennstoffs (anstelle des zuletzt favorisierten Uran-Molybdän-Brennstoffs) ein Betrieb des FRM II „binnen eines Zeitraumes von 6-8 Jahren ab dem Jahr 2006“ mit geringer angereichertem Uran möglich gewesen wäre. Damit wäre der Umstellungstermin 31. Dezember 2010 aber ebenfalls deutlich verfehlt worden. Im Übrigen ergibt sich aus einem vom Kläger vorgelegten Schreiben des damaligen Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für Bildung und Forschung vom 16. Januar 2019 (VGH-Akte S. 267 f), dass sich die Bundesregierung „zum weiteren Vorgehen bei der Umstellung des Betriebs des Forschungsreaktors FRM II auf einen Brennstoff mit deutlich geringerer Anreicherung in Abstimmung mit dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst“ befinde. Weiter heißt es dort, dass „aktuell … ein solcher Brennstoff nach Kenntnis der Bundesregierung allerdings für den FRM II nicht verfügbar“ sei. Aus den vom Kläger vorgelegten Gutachten des Ö. … vom 31. Oktober 2016 (VGH-Akte S. 190 ff.) und des Instituts für Sicherheit und Risikowissenschaft der Universität für B. … vom Dezember 2017 (VGH-Akte S. 214 ff.) lässt sich im Hinblick auf die objektive Unmöglichkeit der Umrüstung zum 31. Dezember 2010 nichts Anderes entnehmen.
89
Auf die vom Kläger geübte Kritik an der grundlegenden Ausrichtung des FRM II kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, weil sämtliche Genehmigungen bestandskräftig sind. Dahinstehen kann auch, ob die zuständige Atomaufsichtsbehörde unter dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens überhaupt eine aufsichtliche Anordnung auf den Verstoß gegen die zeitlichen Vorgaben in Abschnitt III. 9 der 3. TG hätte stützen können. Der Beklagte, als ihr Rechtsträger, und die Bundesrepublik Deutschland, in deren Auftrag die hier betroffenen „übrigen“ Verwaltungsaufgaben des Atomgesetzes durch die Länder ausgeführt werden (vgl. Art. 87c i.V.m. Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG, § 24 Abs. 1 Satz 1 AtG; zu weiteren Verwaltungsaufgaben nach dem Atomgesetz vgl. §§ 22 ff. AtG), haben nämlich in der Vereinbarung vom 13./22. Oktober 2010 festgelegt, dass der Betrieb nicht mehr zum 31. Dezember 2010, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt umzustellen war, im Hinblick auf die objektive Unerfüllbarkeit. Damit wäre es jedoch nicht zu vereinbaren, wenn gleichzeitig aufsichtliche Maßnahmen zur Durchsetzung dieses Umrüstungstermins getroffen worden wären.
90
3. Die Teilnichtigkeit führt nicht zur Gesamtnichtigkeit der 3. TG, so dass der FRM II nicht ohne die erforderliche Genehmigung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 AtG betrieben wird; daher kommt auch ein Einschreiten wegen eines Verstoßes (Betrieb ohne erforderliche Genehmigung) gegen das Atomgesetz (§ 19 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 AtG) nicht in Betracht.
91
3.1 Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, hier die von der 3. TG abtrennbaren zeitlichen Vorgaben in der Auflage III. 9.1 und 9.2, so ist dieser gemäß Art. 44 Abs. 4 BayVwVfG nur dann im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte. Grundsätzlich ist die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes danach stets als eine besondere Ausnahme von dem Grundsatz, dass ein Akt der staatlichen Gewalt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich trage und vom einzelnen Bürger nur auf dem Rechtsweg beseitigt werden könne, anzusehen (vgl. BVerwG, U.v. 11.2.1966 – VII CB 149.64 – BVerwGE 23, 237/238; Leisner-Egensperger in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 44 Rn. 53; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 44 Rn. 190). Das Verwaltungsverfahrensgesetz geht (im Unterschied zu § 139 BGB) davon aus, dass die Teilnichtigkeit die Regel und die Gesamtnichtigkeit die Ausnahme ist (Baumeister in Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 6. Aufl. 2021, § 44 Rn. 61; vgl. auch die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 7/910, S. 65); es spricht daher eine Vermutung für die Aufrechterhaltung des fehlerfreien Teils (vgl. Peuker in Knack/Henneke, VwVfG, 11. Aufl. 2020, § 44 Rn. 57). Zur Beurteilung, ob eine Teilnichtigkeit sich dennoch auf den gesamten Verwaltungsakt erstreckt, kommt es nicht auf einen tatsächlichen, hypothetisch zu ermittelnden subjektiven Willen der Erlassbehörde an, sondern allein darauf, wie diese, bei hinreichender Kenntnis der Sach- und Rechtslage, entschieden hätte, was in objektiver, nicht subjektiver Betrachtung zu ermitteln ist (OVG NW, U.v. 4.6.1991 – 5 A 125/90 – juris Rn. 11; Leisner-Egensperger in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 44 Rn. 52; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Aufl. 2023, VwVfG, § 44 Rn. 61; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 44 Rn. 193). Maßgeblich ist daher, ob die Behörde die Genehmigung bei objektiver, am Sinn und Zweck der dem Verwaltungsakt zugrundeliegenden Rechtssätze orientierter Betrachtungsweise ohne die Nebenbestimmung bzw. ohne deren unwirksame Teile erteilt hätte (vgl. Czajka in Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand Sept. 2023, § 12 BImSchG Rn. 112, unter Verweis auf Rn. 116 ff.).
92
3.2 Bei Heranziehung dieser Maßstäbe folgt aus der Nichtigkeit der zeitlichen Vorgaben in Abschnitt III. 9.1 und 9.2 (dafür, einen Zeitplan für eine Umstellung vorzulegen, der diese bis 31. Dezember 2010 ermöglicht sowie einen rechtzeitigen Genehmigungsantrag zu stellen, der eine Umrüstung bis zu diesem Datum gewährleistet) keine Gesamtnichtigkeit der 3. TG. Darauf, ob die Genehmigung ohne eine Umrüstungspflicht als solche versagt worden wäre, kommt es schon deshalb nicht an, weil diese Verpflichtung unberührt bleibt und lediglich die zeitlichen Vorgaben (Umstellung bis zum 31. Dezember 2010) nichtig sind (vgl. oben 2.3.2). Die Auflage ist insofern weiterhin wirksam und so auszulegen, dass die Umrüstung vorzunehmen ist, „sobald der neue Brennstoff entwickelt, qualifiziert und industriell verfügbar ist“ (vgl. Begründung S. 54).
93
Auch bei der ausschlaggebenden objektiven Betrachtungsweise kann nicht davon ausgegangen werden, dass die 3. TG versagt worden wäre, wenn die Genehmigungsbehörde erkannt hätte, dass eine Umrüstung trotz nationaler und internationaler Forschungsanstrengungen zum 1. Januar 2011 mangels rechtzeitiger Entwicklung eines geeigneten Brennstoffs nicht möglich sein würde. Vielmehr spricht alles dafür, dass die Auflage dann ohne die Terminsetzung in die 3. TG aufgenommen worden wäre, weil dieser keine wesentliche Bedeutung zukam. In der Literatur wird teilweise davon ausgegangen, dass die Unwirksamkeit (und damit erst recht die Teilunwirksamkeit) einer Auflage die Wirksamkeit des Hauptverwaltungsaktes grundsätzlich nicht berührt (Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rn. 20 m.w.N.; vgl. auch Peuker in Knack/Henneke, VwVfG, § 44 Rn. 58; für eine Regelvermutung auch Ziekow, VwVfG, 4. Aufl. 2019, § 44 Rn. 21). Selbst wenn dem in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt wird, ist jedenfalls davon auszugehen, dass einer Auflage bzw. einer Teilregelung in einer solchen aus objektiver Sicht grundsätzlich eine geringere Bedeutung zukommt als den Bestandteilen der Hauptregelung. Sie ist von größerer Selbständigkeit hinsichtlich ihres rechtlichen Schicksals geprägt.
94
Hinzu kommt, dass der Umrüstungszeitpunkt durch die Vereinbarung zwischen Bundesrepublik Deutschland und Beklagtem vertraglich festgelegt worden ist und dass dieses Abkommen – obwohl es bei Genehmigungserteilung erst paraphiert worden war – der 3. TG als maßgeblicher Umstand zugrunde gelegt wurde (vgl. oben 2.2.2.4). Die Vereinbarung konnte im Übrigen nach Nr. (5) (nur) aus wichtigem Grund gekündigt werden. Warum aus objektiver Sicht ein Grund bestanden haben sollte, die 3. TG nicht ohne die Bezugnahmen in den beiden Auflagen auf den Umrüstungszeitpunkt zu erlassen, ist nicht ersichtlich, nachdem der Umstellungstermin als mit dem Genehmigungsinhaber fest vereinbart angesehen wurde. Dies ermöglichte den Aufsichtsbehörden auch das flexible Vorgehen, wie es laut Begründung gewollt war (vgl. oben 2.2.2.3: als adäquate Reaktionsmöglichkeit auf die Nichteinhaltung des Umrüstungstermins wurde der Widerruf angesehen). Dem entsprechend wurde die Vereinbarung angepasst, nachdem sich die Umrüstung aufgrund technischer Schwierigkeiten mehrfach verzögert hatte.
95
Der Beklagte hat im Übrigen dargelegt, dass die festgelegten Zeitvorgaben wohl auf politischen Entscheidungen beruhten; sie konnten jedenfalls nicht auf rechtliche Vorgaben oder gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse über das rechtzeitige Vorliegen eines geeigneten MEU-Brennstoffes gestützt werden. Bei Heranziehung der Begründung ergibt sich nichts Abweichendes. Die Aussagen zur Bedeutung des Umrüstungszeitpunkts, auf die sich der Kläger im Wesentlichen stützt, stehen ausnahmslos unter der Prämisse, dass eine verbindliche Vereinbarung über diesen Umstellungstermin getroffen wurde, dass „daher“ davon auszugehen sei, dass eine fristgerechte Umrüstung möglich sei und dass aus diesem Grund ein Betrieb mit dem genehmigten Brennstoff über diesen Zeitpunkt hinaus nicht hingenommen werden könne (Begründung S. 54 f., 83 f.). Gerade diese Prämissen haben sich aber als unzutreffend erwiesen und die Umstellungsfrist wurde mehrfach verlängert. In der Begründung der 3. TG wird in diesem Zusammenhang zugleich auf den Vertrauensschutz und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgestellt. Beide sprechen für eine Genehmigungserteilung mit dem HEU-Brennstoff, nachdem die auf den bereits erteilten Teilgenehmigungen beruhende Konzeption des Reaktors auf dessen Einsatz ausgelegt war. Dass keine Umstellung zum beabsichtigten Zeitpunkt um jeden Preis gewollt war, zeigt auch die Bezugnahme auf den internationalen Forschungs- und Entwicklungsstand in der Begründung und in der Auflage III. 9.2 selbst. Ein Alleingang für den FRM II wurde nicht in Betracht gezogen. Zudem geht die 3. TG – ebenso wie die Vereinbarung zwischen Bundesrepublik Deutschland und Beklagtem – davon aus, dass die Umrüstung ohne für die Nutzung des Reaktors signifikante Leistungsveränderungen erfolgt (Begründung S. 54). Schließlich kommt hinzu, dass aus den oben dargelegten Gründen nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Genehmigungsbehörde den Eintritt der Nichtigkeit hätte in Kauf nehmen wollen.
96
3.3 Auf den Meinungsstreit, ob eine Abweichung vom Willen der Behörde dann geboten ist, wenn der Verwaltungsakt auf ein rechtswidriges Ergebnis gerichtet ist (so Leisner-Egensperger in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 44 Rn. 52; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 44 Rn. 61; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 44 Rn. 193; vgl. zum Rechtsgedanken des § 44 Abs. 2 VwVfG BVerwG, U.v. 17.2.1984 – 4 C 70.80 – NVwZ 1984, 366 = juris LS; OVG Bln, U.v. 30.5.1996 – 2 B 24.93 – NVwZ 1997, 1005; a.A. OVG NW, U.v. 4.6.1991 – 5 A 125/90 – NVwZ-RR 1992, 525 = juris Rn. 11), kommt es nicht an. Die 3. TG wird durch den Wegfall der Terminbestimmung nicht rechtswidrig. Eine Rechtspflicht zur Einhaltung des 31. Dezember 2010 als Umrüstungszeitpunkt ist nicht ersichtlich und wurde in der Klagebegründung auch nicht dargelegt. Aus dem vom Beklagten vorgelegten Rechtsgutachten geht dagegen hervor, dass weder dem Europa- noch dem Völkerrecht eine Umrüstungspflicht zu entnehmen ist und erst recht keine zeitlichen Vorgaben für die Umstellung von Forschungsreaktoren auf niedriger angereicherte Brennstoffe. Dem ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten, der im Ergebnis lediglich mit politischen Zielsetzungen auf internationaler Ebene argumentiert.
B.
97
Auch der erste Hilfsantrag (Antrag zu 2.) bleibt ohne Erfolg.
98
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung hilfsweise beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 3. April 2020 zu verpflichten, die Nichtigkeit der dritten Teilgenehmigung vom 2. Mai 2003 für den FRM II festzustellen. Dadurch hat er die in der Klagebegründung angekündigte Antragstellung präzisiert (vgl. § 103 Abs. 3 VwGO).
99
I. Der so gefasste Hilfsantrag ist zulässig.
100
1. Die vom Kläger begehrte Nichtigkeitsfeststellung gemäß Art. 44 Abs. 5 Halbs. 2 BayVwVfG ist ein der Bestandskraft fähiger Verwaltungsakt. Ein entsprechender Antrag bei der zuständigen Behörde wurde mit Bescheid vom 3. April 2020 abgelehnt.
101
2. Der Kläger ist als anerkannte Umweltvereinigung gemäß § 3 UmwRG nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. Nr. 1 und Satz 2 UmwRG klagebefugt. Die Nichtigkeitsfeststellung, zu deren Vornahme die Behörde mit der Klage verpflichtet werden soll, wäre eine Maßnahme des Gesetzesvollzugs, die im Zusammenhang mit einer Zulassungsentscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG steht, und damit – nach den oben dargelegten Maßstäben (vgl. oben A. I. 2.1.1) – eine Überwachungs- und Aufsichtsmaßnahme. Dies zeigt nicht zuletzt der Vergleich mit der nachträglichen Aufhebung einer Zulassungsentscheidung durch Rücknahme oder Widerruf, die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die stärkste Form einer Überwachung oder Aufsicht darstellt (BVerwG, U.v. 23.6.2020 – 9 A 22.19 – juris Rn. 17). Nachdem ein nichtiger Verwaltungsakt nach allgemeiner Ansicht auch zurückgenommen werden kann, um den durch ihn hervorgerufenen Rechtsschein zu beseitigen (Leisner-Egensperger in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 44 Rn. 55; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 44 Rn. 57 m.w.N.), erfasst die weit auszulegende Begrifflichkeit der Überwachungs- und Aufsichtsmaßnahme in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG auch die unmittelbare Nichtigkeitsfeststellung nach Art. 44 Abs. 5 BayVwVfG, die in gleicher Weise wie eine Rücknahme den Rechtsschein einer unwirksamen Zulassungsentscheidung beseitigt. Sie dient daher auch der Einhaltung umweltbezogener Rechtsvorschriften. Die Maßnahme bezweckt – nach dem Vorbringen des Klägers – die Einhaltung des präventiven Verbots in § 7 Abs. 1 Satz 1 AtG. Der daraus resultierenden Genehmigungspflicht für den Betrieb des FRM II soll Geltung verschaffen werden. Darin ist der erforderliche Umweltbezug im Sinn des § 1 Abs. 4 UmwRG zu sehen (vgl. oben A. I. 2.1.2). Auch die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 UmwRG sind gegeben (vgl. oben A. I. 2.2 und 2.3). Das UmwRG ist auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 UmwRG genügt es, dass die unterlassene Nichtigkeitsfeststellung – als die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Satz 2 UmwRG – aufgrund des Zeitpunkts der Antragstellung durch den Kläger beim StMUV nach dem 2. Juni 2017 hätte ergehen müssen. Dass die zugrundeliegende Zulassungsentscheidung – die 3. TG – vor dem 25. Juni 2005 ergangen ist, spielt dagegen keine Rolle. Der in § 8 Abs. 1 Satz 1 UmwRG enthaltene Stichtag gilt nur für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 UmwRG.
102
3. Die Klage wurde fristgerecht (§ 74 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 VwGO) erhoben (vgl. oben A. I. 3.).
103
4. Dem Kläger fehlt auch nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, das bei allen Klagearten zu prüfen ist, einschließlich der Versagungsgegenklagen, die auf eine Verpflichtung zur Nichtigkeitsfeststellung gemäß Art. 44 Abs. 5 BayVwVfG gerichtet sind (vgl. VGH BW, B.v. 18.8.2014 – 2 S 2258/13 – juris Rn. 5). Soweit in der Rechtsprechung zum Teil davon ausgegangen wird, dass angesichts der Möglichkeit einer Nichtigkeitsfeststellungsklage (§ 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) in der Regel kein Rechtsschutzinteresse für eine solche Verpflichtungsklage gegeben sei (VGH BW, B.v. 31.1.2006 – 1 S 2115/05 – juris Rn. 40; B.v. 18.8.2014 – 2 S 2258/13 – juris Rn. 5; Pietzcker/Marsch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 42 VwGO Rn. 18; Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 43 Rn. 70), überzeugt dies nicht. Vielmehr stehen beide Klagemöglichkeiten nach Wortlaut und Systematik der VwGO gleichberechtigt nebeneinander (Happ in Eyermann, VwGO, § 43 Rn. 26; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 44 Rn. 69; vgl. auch BSG, U.v. 23.2.1989 – 11/7 RAr 103/87 – NVwZ 1989, 902 f.). Eine Feststellungsklage ist nach allgemeinen Grundsätzen zwar gegenüber Leistungs- und Gestaltungsklagen (und damit auch der Versagungsgegenklage) subsidiär. Aufgrund der Ausnahmeregelung in § 43 Abs. 2 Satz 2 VwGO gilt dies jedoch nicht für die Nichtigkeitsfeststellungsklage. Daraus kann aber nicht der Gegenschluss gezogen werden, dass vorrangig eine Nichtigkeitsfeststellungsklage zu erheben wäre, was in § 43 Abs. 2 Satz 2 VwGO gerade nicht geregelt ist. Bei der Versagungsgegenklage kommt es im Übrigen auch zu keiner Umgehung von Sachurteilsvoraussetzungen. Vielmehr bedarf es bei dieser nach der VwGO grundsätzlich eines Vorverfahrens, und es muss eine Klagefrist eingehalten werden.
104
Nach allgemeinen Grundsätzen (vgl. Wöckel in Eyermann, VwGO, Vor §§ 40-53 Rn. 11 ff.) kann das Rechtsschutzbedürfnis zwar für Klagen fehlen, wenn der Kläger sein Ziel auf anderem Wege einfacher oder effizienter erreichen kann. Dies ist hier aber ebenfalls nicht der Fall. Zum einen entfalten beide in Betracht kommenden Klagearten eine unterschiedliche Reichweite der Nichtigkeitsfeststellung: Im Fall einer Feststellungsklage wirkt die Feststellung nur inter partes (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, § 42 Rn. 3 m.w.N.), während die behördliche Feststellung aufgrund einer Verpflichtungsklage eine inter omnes wirkende Gestaltung herbeiführt (vgl. VGH BW, B.v. 18.8.2014 – 2 S 2258/13 – juris Rn. 5). Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass sich der Kläger bei Erhebung einer Nichtigkeitsfeststellungsklage hier dem Einwand ausgesetzt sehen könnte, der Rechtsbehelf richte sich gegen die 3. TG vom 2. Mai 2003 und damit gegen eine Zulassungsentscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG, die vor dem Stichtag nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UmwRG ergangen sei. Demgegenüber spielt eine mögliche Entlastung der Gerichte, die als Zielsetzung hinter § 44 Abs. 5 VwVfG steht (so aber VGH BW, B.v. 18.8.2014 – 2 S 2258/13 – a.a.O.), keine Rolle. Aus Sicht der Verwaltungsgerichte macht es keinen Unterschied, auf welche Weise ein Kläger die Nichtigkeit einer Zulassungsentscheidung verwaltungsgerichtlich geltend macht. In Fällen der Verpflichtungsklage kann es in Ländern, in denen ein Widerspruchsverfahren durchzuführen ist, im Übrigen sogar zu einer Entlastung der Gerichte kommen, wenn fehlerhafte Entscheidungen durch die Widerspruchsbehörde korrigiert werden.
105
II. Der erste Hilfsantrag ist unbegründet.
106
Das Unterlassen der Nichtigkeitsfeststellung durch die Behörde verstößt nicht gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften (§ 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG). Wie oben (A. II. 3.) dargelegt, führt die Teilnichtigkeit der in Abschnitt III. 9 geregelten Fristbestimmungen für die dort getroffenen Auflagen nicht zur Gesamtnichtigkeit der 3. TG. Andere Nichtigkeitsgründe sind nicht ersichtlich. Die 3. TG ist daher nicht unwirksam.
C.
107
Der zweite Hilfsantrag (Antrag zu 3) bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
108
Mit diesem begehrt der Kläger für den Fall, dass kein Anspruch auf aufsichtliches Einschreiten besteht und die 3. TG auch nicht gesamtnichtig ist, die Verpflichtung der Behörde zu deren Widerruf.
109
I. Der Hilfsantrag ist unzulässig, weil es dem Kläger an der erforderlichen Klagebefugnis nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Satz 2 UmwRG fehlt. Er begehrt die Verpflichtung der Behörde zum Widerruf der 3. TG aufgrund des Wegfalls einer wesentlichen Genehmigungsvoraussetzung: Die Genehmigungsbehörde habe von ihrem Versagungsermessen nach § 7 Abs. 2 AtG (vgl. dazu Leidinger in Frenz, Atomrecht, § 7 AtG Rn. 230 ff.) nur deshalb keinen Gebrauch gemacht, weil in Abschnitt III. 9. der Genehmigung die Umrüstung bis 31. Dezember 2010 vorgesehen worden sei, zu der es jedoch nicht gekommen sei.
110
Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG sind damit nicht erfüllt. Der begehrte Widerruf stellte zwar eine Überwachungs- und Aufsichtsmaßnahme i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG (vgl. oben A. I. 2.1.1) dar, er diente aber nicht der Einhaltung umweltbezogener Rechtsvorschriften i.S.d. § 1 Abs. 4 UmwRG. Erforderlich wäre dafür, dass Ziel der Maßnahme die Einhaltung einer rechtlichen Bestimmung, also eines materiellen Rechtssatzes ist (vgl. Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 1 UmwRG Rn. 160), der auch den Schutz von Mensch und Umwelt bezweckt (vgl. oben A. I. 2.1.2).
111
1. Nach dem Vortrag des Klägers, der sich vor allem auf einen internationalen Konsens sowie auf internationale Bemühungen beruft, den zivilen Einsatz von HEU-Brennstoffen zu unterbinden, fehlt es bereits an einem materiellen Rechtssatz, dessen Einhaltung der Widerruf der 3. TG dienen würde. Der Beklagte hat vielmehr ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, dass dem Völker- und Europarecht keine rechtssatzmäßigen Bestimmungen entnommen werden können, die eine Umstellung des Brennstoffs für den FRM II von HEU-Brennelementen auf niedriger angereicherte Brennelemente gebieten würden, und dass auch sonst keine entsprechenden Verpflichtungen bestehen. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten und hat lediglich auf die (internationalen) politischen Zielsetzungen verwiesen.
112
Hinzu kommt, dass auch die zweite Voraussetzung zu verneinen wäre. Es fehlt am Umweltbezug der vom Kläger angeführten internationalen Bemühungen zur Proliferationsvorsorge. Zwar ist dieses Tatbestandsmerkmal des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG weit auszulegen (vgl. oben A. I. 2.1.2), mit den vom Kläger angeführten Interessen an einer effektiven Proliferationsvorsorge und damit zusammenhängend an der generellen Vermeidung von HEU als Brennstoff für Forschungsreaktoren geht aber allenfalls mittelbar und nur reflexweise auch ein Schutz der Umwelt einher. Andernfalls wären Bestimmungen, die der Rüstungskontrolle oder der Verhinderung bewaffneter Konflikte im völkerrechtlichen Sinn dienen, generell zu den umweltbezogenen Rechtsvorschriften zu rechnen. Mit dem Ziel, die Weiterverbreitung und Weitergabe von Massenvernichtungswaffen zu vermeiden und dadurch kriegerische Konflikte zu verhindern bzw. deren Auswirkungen möglichst zu begrenzen, ist reflexartig ein Schutz der Umwelt verbunden. Dadurch weisen aber derartige Regelungen, die in erster Linie an andere als Umweltbelange anknüpfen, nicht ohne Weiteres Regelungselemente zum Schutz der Umwelt auf, die für die Annahme einer umweltbezogenen Rechtsvorschrift i.S.d. § 1 Abs. 4 UmwRG genügen würden. Der Beklagte hat daher zu Recht darauf hingewiesen, dass die im Rahmen der Genehmigungserteilung berücksichtigten proliferationspolitischen Zielsetzungen der Verhinderung einer Weitergabe von HEU und damit eines Baus sowie eines dadurch ermöglichten Einsatzes von Atomwaffen dienen, also im Wesentlichen der Abwehr der Gefahren, die vom Einsatz von Massenvernichtungswaffen ausgehen. Es kann daher – wie der Kläger betont – zwar nicht davon ausgegangen werden, dass insofern keinerlei Umweltbezug besteht, ein solcher lässt sich aber lediglich als mittelbar und als Reflex charakterisieren, was für § 1 Abs. 4 UmwRG nicht ausreicht (vgl. BVerwG, U.v. 24.10.2013 – 7 C 36.11 – juris Rn. 60).
113
2. Offen bleiben kann, ob die Widerrufsregelung des § 17 Abs. 3 Nr. 2 AtG selbst eine Rechtsvorschrift i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG darstellen könnte, deren Einhaltung die Aufsichtsmaßnahme dienen würde (vgl. insofern zu § 16 Abs. 3 Satz 1 SeeAnlV BVerwG, U.v. 29.4.2021 – 4 C 2.19 – juris Rn. 24). Denn § 17 Abs. 3 Nr. 2 AtG weist jedenfalls für den vorliegend geltend gemachten Widerrufsgrund keinen hinreichenden Umweltbezug auf, so dass schon deshalb die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG nicht erfüllt sind.
114
Da ein Widerruf nach § 17 Abs. 3 Nr. 2 AtG, der sich auf sämtliche Genehmigungsvoraussetzungen beziehen kann, auch aus Gründen erfolgen kann, die nicht auf den Schutz von Mensch und Umwelt i.S.d. § 1 Abs. 4 UmwRG bezogen sind, ist auf den konkret geltend gemachten Grund abzustellen (vgl. zum Abwägungsgebot BVerwG, U.v. 10.10.2012 – 9 A 18.11 – juris Rn. 12; VGH BW, U.v. 20.11.2018 – 5 S 2138/16 – juris Rn. 305; zum Raumordnungsgesetz BVerwG, U.v. 28.9.2023 – 4 C 6.21 – juris Rn. 41 f., und zu § 13 BImSchG BVerwG, U.v. 8.11.2022 – 7 C 7.21 – juris Rn. 29). Nach dem klägerischen Vorbringen soll gemäß § 17 Abs. 3 Nr. 2 AtG eine Genehmigungsvoraussetzung entfallen sein. Bei Erteilung der 3. TG habe die Genehmigungsbehörde von ihrem Versagungsermessen, das auf proliferationspolitische Erwägungen hätte gestützt werden können, nur deshalb keinen Gebrauch gemacht, weil sie von einer Umrüstung bis spätestens 1. Januar 2011 ausgegangen sei. Damit beruft sich der Kläger aber – wie oben dargelegt – lediglich auf proliferationspolitische Zielsetzungen und nicht auf umweltbezogene Belange. Daher wäre lediglich ein reflexartiger Umweltbezug gegeben.
115
Soweit der Kläger darüber hinaus den Widerruf auch darauf stützen wollte, dass kein hinreichender Schutz vor Störfällen und vor Einwirkungen Dritter mehr gewährleistet sei, wäre dieses (umweltbezogene) Vorbringen unbeachtlich. Der Vortrag ist zu unsubstantiiert und zeigt nicht auf, aus welchen Gründen ein Widerruf in Betracht kommen soll. Der Kläger nimmt nur allgemein auf die Risiken von Forschungsreaktoren in einem großstädtischen Umfeld Bezug sowie darauf, dass sich nach Bestandskraft der ersten beiden Teilgenehmigungen für die Errichtung und den nichtnuklearen Betrieb des FRM II die höchstrichterlichen Maßstäbe teilweise geändert hätten, was für die Geltendmachung einer Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften nicht ausreicht.
116
3. Auf das Genehmigungserfordernis des § 7 Abs. 1 Satz 1 AtG als umweltbezogene Rechtsvorschrift, deren Einhaltung der Widerruf dienen würde, kann sich der Kläger ebenfalls nicht mit Erfolg berufen. Dem zweiten Hilfsantrag (Antrag zu 3) liegt die Annahme zugrunde, die Genehmigung sei wirksam.
117
II. Im Übrigen wäre der zweite Hilfsantrag auch nicht begründet. Es läge kein Verstoß gegen eine umweltbezogene Rechtsvorschrift (§ 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG) vor, selbst wenn davon ausgegangen würde, dass (entgegen der Ausführungen unter I.) § 17 Abs. 3 Nr. 2 AtG eine solche Rechtsvorschrift i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG wäre. Die Widerrufsvoraussetzungen sind nämlich nicht erfüllt.
118
Entgegen dem klägerischen Vorbringen sind keine Genehmigungsvoraussetzungen weggefallen (§ 17 Abs. 3 Nr. 2 AtG). Zu diesen zählen ausschließlich die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 AtG (Roller in Frenz, Atomrecht, § 17 AtG Rn. 44). Die Einhaltung der Ziele zur Proliferationsvorsorge, wie sie mit der Auflage in Abschnitt III. 9 der 3. TG implementiert werden sollte, stellt keine Voraussetzung i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 1 bis 6 AtG dar, sondern wurde nur im Rahmen des (nicht ausgeübten) Versagungsermessens (vgl. dazu BVerfG, B.v. 8.8.1978 – 2 BvL 8/77 – BVerfGE 49, 89; Leidinger in Frenz, Atomrecht, § 7 AtG Rn. 230 ff.) berücksichtigt, das sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 2 AtG ergibt (vgl. Frenz, a.a.O., Rn. 230) und dem im Übrigen enge Grenzen gesetzt sind (vgl. BVerfG, B.v. 8.8.1978 – 2 BvL 8/77 – BVerfGE 49, 89/146 f.). Das der Genehmigungsbehörde eingeräumte Versagungsermessen ist nach zutreffender Auffassung keine „Voraussetzung“ i.S.d. § 17 Abs. 3 Nr. 2 AtG (Bender, DÖV 1988, S. 813/816; Sellner in Franßen/Redeker/Schlichter/Wilke, Bürger-Richter-Staat, FS für Sendler 1991, S. 339/345 f.; Wagner, DÖV 1987, S. 524/527, 529; a.A. Borgmann, Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen des Ausstiegs aus der Kernenergie, 1994, S. 163 m.w.N.; John in Koch/Hofmann/Reese, Umweltrecht, 5. Aufl. 2018, § 10 Rn. 162; Lange in Pelzer, Kernenergierecht zwischen Ausstiegsforderung und europäischem Binnenmarktrecht, 1991, S. 53/55). Eine Änderung der Umstände, die die Genehmigungsbehörde im Rahmen ihrer Ermessensausübung berücksichtigt hat, stellt keinen Wegfall von Genehmigungsvoraussetzungen i.S. dieses Widerrufstatbestandes dar, was sich bereits aus dem Wortlaut ergibt (Bender, DÖV 1988, S. 813/816; vgl. auch Wagner, DÖV 1987, S. 524/529). Soweit die Gegenansicht mit der überragenden Bedeutung der Schutzzwecke des § 1 Nr. 2 und 3 AtG argumentiert (Borgmann, a.a.O., S. 162; Lange, a.a.O. S. 53/55 ff.; vgl. auch Roller, Genehmigungsaufhebung und Entschädigung im Atomrecht, 1994, S. 80), vermag dies in der hier maßgeblichen Fallgruppe nicht durchzugreifen, weil – auch bei Zugrundelegung des Klägervortrags – keine Belange der Anlagensicherheit, sondern allenfalls solche des § 1 Nr. 4 AtG (Erfüllung internationaler Verpflichtungen) inmitten stehen (vgl. zudem zum Fehlen einer Rechtspflicht oben).
119
Vor allem sprechen systematische Gründe (vgl. dazu auch Sellner, a.a.O. S. 339/346) in der hier maßgeblichen Fallgruppe für eine enge Auslegung. Vor einem endgültigen Widerruf einer bestandskräftigen atomrechtlichen Genehmigung ist grundsätzlich der Erlass nachträglicher Auflagen als milderes Mittel in Betracht zu ziehen (Wagner, DÖV 1987, S. 524/528 f.; vgl. auch Roller, a.a.O., S. 79), was Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist (vgl. Leiner, NVwZ 1991, 844/846) und sich nicht zuletzt aus den Gesetzesmaterialien ergibt (vgl. BT-Drs. 3/759, S. 30). Der Widerruf stellt eine im Atomgesetz speziell geregelte Maßnahme dar, die ultima ratio ist. Daher verbietet es das gestufte Verhältnis von § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG zur Widerrufsregelung nach § 17 Abs. 3 Nr. 2 AtG, eine Anlagengenehmigung deshalb zu widerrufen, weil sich die Voraussetzungen der Ermessensentscheidung geändert haben (Sellner a.a.O.; vgl. auch OVG SH, U.v. 16.2.1989 – 7 A 108/88 – NVwZ 1989, 1180/1182 f.); dies gilt erst recht, wenn wie hier eine nachträgliche Auflage nach § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG nicht zulässig wäre (so i. Erg. auch Roller, Genehmigungsaufhebung und Entschädigung im Atomrecht, 1994, S. 79 f.). Solche Auflagen dürfen gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG nur angeordnet werden, wenn dies zur Erreichung der in § 1 Nr. 2 und 3 AtG bezeichneten Zwecke erforderlich ist, was hier nicht der Fall ist. Die Zwecke des § 1 Nr. 4 AtG, d.h. die Erfüllung internationaler Verpflichtungen, auf die sich der Kläger beruft, wären nicht ausreichend und erst recht nicht rein außenpolitische Zielsetzungen, wie etwa die Verfolgung bestimmter Zielvorstellungen in Bezug auf die weltweite Proliferationsvorsorge (vgl. oben). Zur Verfolgung der streitgegenständlichen proliferationspolitischen Ziele käme somit eine nachträgliche Auflage – etwa mit neuer Terminsetzung oder neuen Vorgaben für die Umrüstung – nicht in Betracht, was nach allen Auffassungen gegen eine Widerrufsmöglichkeit spricht.
120
Es ist nicht ersichtlich, dass die Voraussetzungen anderer Widerrufsgründe gegeben wären. Aus den oben dargelegten Gründen liegt kein Verstoß gegen die Bestimmungen der 3. TG vor (§ 17 Abs. 3 Nr. 3 AtG).
D.
121
Die Klage bleibt auch hinsichtlich der Kostenentscheidung ohne Erfolg. Rechtsgrundlage für die Kostenerhebung ist § 21 AtG i.V.m. der Kostenverordnung zum Atomgesetz und zum Strahlenschutzgesetz (AtSKostV) und dem Verwaltungskostengesetz in der bis zum 14. August 2013 geltenden Fassung sowie das (Bayerische) Kostengesetz. Dabei ist zwischen der Ablehnung der Aufsichtsmaßnahmen sowie des Widerrufs einerseits, die beide im Atomgesetz geregelt sind (dazu unter I.), und der Ablehnung des Antrags auf Feststellung der Nichtigkeit der 3. TG andererseits, der nach Art. 44 BayVwVfG zu beurteilen ist (dazu unter II.), zu differenzieren.
122
I. Rechtsgrundlage für die Kostenerhebung in Bezug auf die aufsichtliche Einstellung des Betriebs des FRM II (§ 19 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 3 AtG) und den Widerruf der 3. TG (§ 17 Abs. 3 AtG) ist § 21 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 AtG.
123
1. Der Gebührentatbestand ist eröffnet. Nach § 21 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 AtG werden Kosten erhoben für die Ablehnung eines Antrags auf Vornahme einer in Absatz 1 bezeichneten Amtshandlung. Zu diesen zählen gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 2 AtG u.a. Entscheidungen nach § 17 Abs. 3 AtG sowie Entscheidungen nach § 19 Abs. 3 AtG. Damit wird vom Wortlaut die Ablehnung sowohl des vom Kläger beantragten Widerrufs (auf Grundlage von § 17 Abs. 3 AtG) als auch des aufsichtlichen Einschreitens (auf Grundlage von § 19 Abs. 3 AtG) erfasst. Das Atomgesetz differenziert nicht danach, wer den Antrag gestellt hat, und sieht insofern keine Beschränkungen vor.
124
2. Der Gebührenrahmen ergibt sich aus § 21 Abs. 1a Satz 2 AtG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AtSKostV. Er beträgt zwischen 25,00 und 10.000,00 Euro. In § 21 Abs. 1a Satz 2 AtG wird geregelt, dass die Gebühr in den hier einschlägigen Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 (also bei Ablehnung einer in Absatz 1 bezeichneten Amtshandlung) bis zur Höhe der für die (positive) Amtshandlung festzusetzenden Gebühr festgesetzt werden darf. Nach § 21 Abs. 3 AtG bestimmt sich das Nähere nach einer Verordnung (der Kostenverordnung zum Atomgesetz und zum Strahlenschutzgesetz), die in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AtSKostV für die Fälle des § 17 Abs. 3 AtG und des § 19 Abs. 3 AtG den genannten Rahmen vorgibt, der im streitgegenständlichen Ablehnungsbescheid auch beachtet wurde. Tatbestand und Höhe der Gebühr werden dadurch sowie durch die gemäß § 1 Satz 3 AtSKostV ergänzend heranzuziehenden Bestimmungen des Verwaltungskostengesetzes hinreichend genau bezeichnet (vgl. dazu BVerwG, U.v. 27.6.2013 – 3 C 7.12 – juris Rn. 16 m.w.N.; OVG SH, U.v. 23.6.2016 – 4 LB 21/15 – juris Rn. 25).
125
3. Gebührenschuldner ist derjenige, der die Amtshandlung veranlasst hat (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG i.V.m. § 1 Satz 3 AtSKostV). Dies ist der Kläger, der die entsprechenden Maßnahmen ausdrücklich beantragt hat.
126
4. Soweit der Kläger unter Verweis auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden (U.v. 27.6.2007 – 1 E 1615/06 – juris) bestreitet, dass ein Gebührentatbestand erfüllt sei bzw. einen generellen Ausschluss der Gebührenerhebung bei Ablehnung von Anträgen Dritter annimmt, die auf den Widerruf atomrechtlicher Genehmigungen bzw. auf andere aufsichtliche Maßnahmen gerichtet sind, überzeugt dies nicht. Ein solcher Ausschluss lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen (vgl. oben 1.) und kann weder aus der Entstehungsgeschichte noch aus der Systematik des Atomgesetzes abgeleitet werden (a.A. Stein in Hennenhöfer/Mann/Pelzer/Sellner, AtG, 2021, § 21 Rn. 7; Wollenteit in Frenz, Atomrecht, § 21 AtG Rn. 9a, jew. unter Verweis auf VG Wiesbaden, U.v. 27.6.2007, a.a.O.).
127
Aus der Entstehungsgeschichte des Atomgesetzes ergeben sich keine ausreichenden Hinweise auf einen Ausnahmetatbestand für einzelne Gruppen von Gebührenschuldnern. Es mag zutreffen, dass sich in den Gesetzesmaterialien keine positiven Anhaltspunkte dafür finden, dass neben Genehmigungsinhabern und potentiellen Betreibern einer Atomanlage (die eine dafür erforderliche atomrechtliche Genehmigung beantragt haben), auch Dritte Kostenschuldner sein sollen, die ein aufsichtliches Einschreiten beantragen (so VG Wiesbaden, U.v. 27.6.2007, a.a.O. Rn. 25 ff.). Allein durch Nichterwähnung besonderer Fallgruppen in den Materialien kommt eine solche Ausnahme von den allgemeinen kostenrechtlichen Grundsätzen zur Bestimmung der Kostenschuldner (vgl. oben 3.) jedoch nicht hinreichend zum Ausdruck. Der Gesetzgeber ist vom Veranlasser- und vom Kostendeckungsprinzip ausgegangen. In der Begründung des Entwurfs zur Änderung von Kostenvorschriften des Atomgesetzes (BT-Drs. 8/3195, S. 5) wird ausgeführt, dass Ziel der Novellierung die kostendeckende Gebührenerhebung sei und dass Kostenschuldner in den Fällen des § 21 AtG grundsätzlich derjenige sei, „der die Amtshandlung einschließlich Prüfung oder Untersuchung veranlasst hat, in der Regel also der Antragsteller, der Genehmigungsinhaber oder derjenige, zu dessen Gunsten sie vorgenommen wird“. Der neu gefasste § 21 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 AtG regelt nunmehr das Kostendeckungsprinzip, wonach Gebührensätze so zu bemessen sind, dass der mit den Amtshandlungen, Prüfungen oder Untersuchungen verbundene Personal- und Sachaufwand gedeckt wird (vgl. dazu auch von Dreising, VwKostG, 1971, § 3 Anm. 1). Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen, mit der – ungeachtet des unter Umständen erheblichen behördlichen Aufwandes – die Kostenfreiheit für eine ganze Gruppe von Antragstellern herbeigeführt werden soll, hätte als wesentliche Abweichung entweder einer ausdrücklichen Normierung oder wenigstens positiver Hinweise in den Gesetzesmaterialien bedurft. Konkrete Anhaltspunkte für den gesetzgeberischen Willen, die fragliche Gruppe von Antragstellern komplett von Kosten freizustellen, wurden aber vom Kläger nicht geltend gemacht und sind auch sonst nicht ersichtlich.
128
Auch die systematische Auslegung kann eine solche Ausnahme nicht begründen. Dies gilt vor allem für den klägerischen Hinweis darauf, dass in § 21 Abs. 1 Nr. 2 AtG eine Einschränkung für Fälle geregelt ist, in denen eine Entschädigungspflicht nach § 18 Abs. 2 AtG besteht (so aber VG Wiesbaden, U.v. 27.6.2007, a.a.O. Rn. 23). Es mag zutreffen, dass diese Ausnahmebestimmung bei Drittantragstellern (wie dem Kläger) nicht eingreifen kann. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass diese generell von der Gebührenpflicht ausgeschlossen sein sollen. Vielmehr geht die Ausnahmeregelung in derartigen Fällen ins Leere. Warum der Gesetzgeber eine Klarstellung hätte vornehmen sollen, erschließt sich nicht. Vor allem betrifft die Bestimmung nur Fälle des Widerrufs, nicht aber solche des aufsichtlichen Einschreitens nach § 19 Abs. 3 AtG.
129
Die Kostenfreiheit darauf zu stützen, dass die AtSKostV keinen Gebührenrahmen regele, weil in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AtSKostV nur die positive Entscheidung, nicht dagegen die Ablehnung der jeweiligen Anträge ausdrückliche Erwähnung gefunden habe, überzeugt ebenfalls nicht (so aber VG Wiesbaden, U.v. 27.6.2007, a.a.O. Rn. 21; dem folgend Stein in Hennenhöfer/Mann/Pelzer/Sellner, AtG, § 21 Rn. 7). Nach § 21 Abs. 1a Satz 2 AtG darf die Gebühr in den dort aufgezählten Fallgruppen (Satz Nr. 1, 2 und 4 Buchst. a) nicht höher festgesetzt werden als die Gebühr für die Amtshandlung, wobei für Fälle des Satzes 1 Nr. 3 und Nr. 4 Buchst. b niedrigere Schwellen (drei Viertel bzw. 10 vom Hundert) geregelt werden. Der Gesetzgeber ging daher im Ergebnis von einer Akzessorietät der Gebühren nach Abs. 1a Satz 1 in Bezug auf die Gebühren für die Amtshandlungen nach Abs. 1 aus, so dass durch die Bestimmungen für deren Höhe (hier § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AtSKostV, vgl. oben 2.) hinreichende Vorgaben getroffen werden. Es erscheint zudem in systematischer Hinsicht zweifelhaft, die einschränkende Auslegung des Gesetzeswortlauts darauf zu stützen, dass eine zur Ausführung erlassene Rechtsverordnung (vermeintliche) Lücken aufweist. Welche Abweichungen in der AtSKostV hinsichtlich der persönlichen Gebührenfreiheit (als Ausnahme von § 8 VwKostG) überhaupt geregelt werden dürfen, bestimmt im Übrigen § 21 Abs. 3 Satz 4 AtG, der keine Ausnahmen für Drittantragsteller vorsieht.
130
Schließlich kann durch Heranziehung allgemeiner Grundsätze des Kostenrechts (vgl. § 21 Abs. 3 Satz 1 AtG und § 1 Satz 3 AtSKostV) auch die Problematik sachgerecht gelöst werden, dass bei atomrechtlich gebotenem Einschreiten auf Antrag eines Dritten diesem keine Kosten auferlegt werden sollen (anders VG Wiesbaden, U.v. 27.6.2007, a.a.O. Rn. 33). In solchen Konstellationen wäre derjenige, der die Aufsichtsbehörde auf Rechtsverstöße hinweist und atomaufsichtliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr beantragt, nach allgemeinen Grundsätzen kein Veranlasser i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG, sondern dies wäre vielmehr der die Gefahr verursachende bzw. gegen Rechtsnormen verstoßende Anlagenbetreiber, weil dieser den Tatbestand geschaffen hat, der ursächlich für das behördliche Tätigwerden war (vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 9 C 16.96 – juris Rn. 6; NdsOVG, U.v. 2.12.1994 – 7 K 5895/92 – juris Rn. 5).
131
5. Fehler in Bezug auf die Bestimmung der Kostenhöhe bzw. die Ermessensausübung wurden vom Kläger nicht dargelegt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Der Gesetzgeber hat im Verwaltungskostengesetz, das nach § 1 Satz 3 AtSKostV Anwendung findet, das Äquivalenz- und das Kostendeckungsprinzip als Gebührengrundsätze normiert (vgl. dazu § 21 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 AtG, § 3 Satz 1 und 2 VwKostG sowie § 9 Abs. 1 VwKostG). Sie liegen der Gebührenentscheidung – ausweislich des ausführlichen und hinsichtlich der Berechnungen ohne weiteres nachvollziehbaren Vermerks zur Kostenerhebung vom 3. April 2020 (Behördenakte S. 172 f.) – zugrunde. Vor allem wurden bei der Ermittlung der Kostenhöhe die altruistischen Motive des Klägers berücksichtigt und die Gebühr aus diesem Grund sowie aufgrund des ablehnenden Inhalts (unter Verweis auf § 15 Abs. 2 VwKostG) von knapp 10.000,00 Euro auf 5.900,00 Euro und damit in nicht unerheblichem Umfang abgesenkt.
132
II. Ebenso wenig begegnet die Kostenentscheidung in Bezug auf die Nichtigkeitsfeststellung Bedenken. Zwar findet sich im Atomgesetz kein Gebührentatbestand; es trifft aber keine abschließende Regelung, sondern ordnet in § 21 Abs. 5 AtG die subsidiäre Geltung landesrechtlicher Kostenregelungen an (vgl. Wollenteit in Frenz, a.a.O., § 21 AtG Rn. 13 m.w.N.). Die Kostenentscheidung konnte daher auf das Kostengesetz gestützt werden, wobei sich der Kostenrahmen (5,00 bis 25.000,00 Euro) aus Art. 6 Abs. 1 Satz 3 KG und die Regelung zur Kostenerhebung beim Veranlasser aus Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KG ergibt. Fehler in Bezug auf die Bestimmung der Kostenhöhe bzw. die Ermessensausübung wurden nicht dargelegt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Der auf der Grundlage der Personaldurchschnittskosten ermittelte Betrag von rund 2.300,00 Euro wurde aus den genannten Gründen (vgl. oben I. 5.) ebenfalls in nicht unerheblichem Umfang auf 1.700,00 Euro abgesenkt (vgl. dazu auch Art. 8 KG).
133
III. Soweit der Kläger einwendet, eine Kostenentscheidung im Bescheid selbst sei unzulässig, überzeugt dies nicht. Gründe dafür, dass eine selbständige Kostenentscheidung hätte ergehen müssen, sind nicht ersichtlich. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Kostenrechts soll die Kostenentscheidung in der Regel mit der Sachentscheidung ergehen (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 2 BGebG und Pünder in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2022, III. Kostenentscheidung, Rn. 71). Nichts anderes folgt aus § 14 Abs. 1 VwKostG sowie aus dem Kostengesetz.
134
IV. Der Kläger kann auch mit seinem Einwand nicht durchdringen, aufgrund mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit als Umweltvereinigung sei ihm die Gebührenhöhe von 7.600,00 Euro nicht zumutbar und daher geeignet, die effektive Rechtsverfolgung zu gefährden. Darin liege ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 4 der Aarhus-Konvention, der einen angemessenen und effektiven Rechtsschutz garantiere.
135
Eine generelle Gebührenbefreiung für anerkannte Umweltvereinigungen i.S.d. § 3 UmwRG ist weder europa- noch verfassungsrechtlich geboten (vgl. dazu auch VG Leipzig, U.v. 19.4.2013 – 1 K 910/11 – juris Rn. 24). Gegen die Heranziehung des in § 21 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 AtG, § 3 Satz 2, § 9 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG i.V.m. § 1 Satz 3 AtSKostV sowie im Kostengesetz verankerten Kostendeckungsprinzips bei der Entscheidung über die Kostenhöhe bestehen keine Bedenken. Der Normgeber verfügt über einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, welche individuell zurechenbaren öffentlichen Leistungen er einer Gebührenpflicht unterwerfen, welche Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze er hierfür aufstellen und welche über die Kostendeckung hinausgehenden Zwecke er mit einer Gebührenregelung anstreben will (vgl. BVerfG, B.v. 6.2.1979 – 2 BvL 5/76 – BVerfGE 50, 217/226 f.; Burghart in: Leibholz/Rinck, GG, Stand 5/2024, Art. 3 Rn. 503 m.w.N.). Die Erhebung von Gebühren kann allerdings gegen das Gebot des effektiven Rechtsschutzes, das im nationalen Recht durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet wird, verstoßen. Gebührenvorschriften oder deren Anwendung und Auslegung dürfen nicht dazu führen, dass der Zugang zu den Gerichten in unsachgemäßer oder unangemessener Weise erschwert wird, oder dass Rechtsschutz vornehmlich nur noch nach Maßgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Betroffenen gewährt wird (vgl. BVerfG, B.v. 6.2.1979 – 2 BvL 5/ 76 – BVerfGE 50, 217/230 f. = juris Rn 46); nichts anderes kann für Kosten in einem dem gerichtlichen Verfahren vorausgehenden Verwaltungsverfahren gelten.
136
Anhaltspunkte für eine unzulässig hohe Gebühr bestehen nach diesen Maßstäben allerdings nicht. Eine unangemessene Erschwerung des Rechtsschutzes liegt nicht vor. Der Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich beim Kläger um die größte bayerische Umweltorganisation handelt, und anhand veröffentlichten Zahlenmaterials dessen Leistungsfähigkeit dargelegt. Bereits im Vermerk des StMUV zur Kostenerhebung vom 3. April 2020 wird auf die Mitgliederzahl von über 230.000 sowie auf die Höhe der jährlichen Gesamteinnahmen und -ausgaben von über 15 Mio. Euro abgestellt. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten. Vergleiche mit kleineren, weniger leistungsfähigen Umweltvereinigungen verbieten sich, weil die wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VwKostG bei der Gebührenbemessung im Einzelfall sowie bei der Prüfung, ob aus Billigkeit auf die Gebührenerhebung verzichtet wird (vgl. § 6 AtSKostV; Art. 16 KG), einzubeziehen sind. Umgekehrt hat das Verfahren für den Kläger als landesweit tätigen Umweltverband eine erhebliche Bedeutung, und eine Betriebsstillegung würde auf Seiten des Beklagten bzw. der TUM erhebliche Einbußen mit sich bringen.
E.
137
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
138
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
139
Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Zulassungsgrund i.S.v. § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegt.