Titel:
Disziplinarrechtliche Entfernung eines Polizeibeamten aus dem Dienst wegen Besitzverschaffung kinderpornografischer und jugendpornografischer Schriften sowie des Besitzes solcher Schriften
Normenketten:
BayDG Art. 11, Art. 14 Abs. 1, Art. 25 Abs. 1, Art. 55, Art. 63 Abs. 1 S. 1
BeamtStG § 47 Abs. 1 S. 2
StGB § 184b Abs. 3
Leitsätze:
1. Eine außerdienstliche Pflichtverletzung ist disziplinarrechtlich zu ahnden, wenn der Besitz von kinderpornographischen Schriften durch einen Polizeibeamten nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen; der außerdienstliche Besitz kinderpornographischer Bild- oder Videodateien weist zudem einen hinreichenden Bezug zum Amt eines Polizeibeamten auf (stRspr BVerwG BeckRS 2015, 52168; BVerwG BeckRS 2020, 19871). (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amts erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat, denn nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Orientierungsrahmen für die Art der disziplinarechtlichen Maßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist eröffnet, wenn für die vorsätzliche Besitzverschaffung von kinderpornographischen Schriften das Strafgesetzbuch in der im Tatzeitraum geltenden Fassung des § 184b Abs. 3 StGB eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsah. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
4. In Ausschöpfung dieses Rahmens erweist sich die Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis als angemessene und erforderliche Disziplinarmaßnahme, wenn diese unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und des Verschuldens des Polizeibeamten steht. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, Polizeibeamter, sich-Verschaffen kinder- und jugendpornographischer Bilder, umfangreicher, auch auf den Erhalt kinder- und jugendpornographischer Bilder abzielender Chatinhalt, Besoldungsgruppe A 9 mit Amtszulage, Sich-Verschaffen kinder- und jugendpornographischer Bilder, umfangreicher auch auf den Erhalt kinder- und jugendpornographischer Bilder abzielender Chatinhalt, Entfernung aus dem Dienst, Orientierungsrahmen
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 20.12.2022 – M 13L DK 20.6575
Fundstelle:
BeckRS 2024, 38208
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Tatbestand
1
Der 1964 geborene Beklagte (Polizeihauptmeister, Besoldungsgruppe A 9 mit Amtszulage) wendet sich im Berufungsverfahren gegen das Urteil der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts München vom 20. Dezember 2022, mit dem seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ausgesprochen wurde. Er ist ledig, kinderlos und – mit Ausnahme des streitgegenständlichen Tatvorwurfs – weder straf- noch disziplinarrechtlich vorbelastet.
2
Mit Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 16. Mai 2019 wurde der Beklagte wegen Besitzverschaffung kinderpornografischer Schriften in zwölf Fällen und der Besitzverschaffung jugendpornografischer Schriften in drei Fällen sowie des Besitzes kinder- und jugendpornografischer Schriften zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten auf Bewährung verurteilt (§ 184 b Abs. 3, § 184c Abs. 3 StGB in der ab 27.1.2015 geltenden Fassung, § 52, § 53, § 56 StGB). Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
3
„1. Der Angeklagte unterhielt, vorrangig von seinem Wohnort … aus via Wh.A. unter Verwendung der Mobilnummer … und unter Verwendung des Profilnamens … einen ausschließlich sexualbezogenen Chat mit dem anderweitig Verfolgten XY, welcher dabei die Mobilnummer … verwendete. In dem Chat zwischen dem Angeklagten und dem anderweitig Verfolgten XY ging es vor allem um kinder- bzw. jugendpornografische Inhalte.
4
a) Im Zeitraum 24.03.2016 bis 14.01.2017 erhielt der Angeklagte von diesem auf Aufforderungen in folgenden elf unterschiedlichen Kommunikationsvorgängen insgesamt elf eindeutig kinderpornografische Bilder zugesandt:
|
|
|
|
am 24.03.16,
|
um 20.13 Uhr
|
|
|
am 05.04.16,
|
um 10.59 Uhr
|
|
|
am 07.04.16,
|
um 22.23 Uhr
|
|
|
am 07.04.16,
|
um 22.51 Uhr
|
|
|
am 04.05.16,
|
um 23.12 Uhr
|
|
|
am 29.05.16,
|
um 16.35 Uhr
|
|
|
am 10.09.16,
|
um 06.50 Uhr
|
|
|
am 10.09.16,
|
um 07.12 Uhr
|
|
|
am 18.09.16,
|
um 14.19 Uhr
|
|
|
am 27.12.16,
|
um 16.33 Uhr
|
|
|
am 14.01.17,
|
um 08.21 Uhr
|
|
|
6
b) Zudem erhielt er von diesem auf Anforderung drei eindeutig jugendpornografische
7
Bilder an folgenden Tagen in unterschiedlichen Kommunikationsvorgängen zugesandt:
|
|
|
|
am 24.08.16,
|
um 23.20 Uhr
|
|
|
am 09.09.16,
|
um 11.45 Uhr und
|
|
|
am 23.06.17,
|
um 14.29 Uhr
|
|
|
9
2. Am 05.05.2017 zwischen 00.28 Uhr und 00.40 Uhr erhielt der Angeklagte von einem anderen Teilnehmer mit der Rufnummer … während eines einheitlichen Kommunikationsvorgangs auf Anforderung insgesamt drei eindeutig kinderpornografische Bilder zugesandt.
10
3. Am 14.02.2018 besaß der Angeklagte auf seinem Smartphone Samsung Galaxy S4 insgesamt noch vier eindeutig kinderpornografische und zwei jugendpornografische Dateien wissentlich und willentlich, wobei er einen Teil davon in einer separaten Ablagestruktur unter dem extra angelegten Ordner „Kids“ innerhalb des Bildablageverzeichnisses abgelegt hatte. Alle vorgenannten Bilder gaben ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, wobei Gegenstand sexuelle Handlungen von, an oder vor einer Person unter vierzehn Jahren, die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung oder die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes eines Kindes, bzw. sexuelle Handlungen von, an oder vor einer vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alten Person oder die Wiedergabe einer ganz oder teilweise unbekleideten vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alten Person in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung waren.“
11
Am 14. Februar 2018 wurde dem Beklagten ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte erteilt. Nach Kenntniserlangung von der rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung setzte die Disziplinarbehörde das am 26. April 2018 eingeleitete Disziplinarverfahren mit Verfügung vom 30. Juli 2019 fort, enthob den Beklagten mit Wirkung vom 17. Oktober 2019 vorläufig des Dienstes und behielt 15% seiner Dienstbezüge ein.
12
Am 15. Dezember 2020 erhob der Kläger wegen des strafrechtlich geahndeten Sachverhalts beim Verwaltungsgericht Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis.
13
Der Beklagte wies im Wesentlichen auf eine durch die Internetnutzung entstandene Isolation mit der Folge einer Depression und Erkrankung an einem Magengeschwür hin. Der außergewöhnliche psychische Zustand zu den Tatzeiten entkräfte den zur Last gelegten Vorwurf. Der Beklagte sei überwiegend im Besitz legaler Erwachsenenpornographie und nicht von Kinderpornographie gewesen. Er habe die ihm unerwünscht zugeschickten kinderpornographischen Bilder abgespeichert, um dies polizeilich anzuzeigen. Es liege daher kein Besitz im herkömmlichen sexualstrafrechtlichen Sinne vor. Beim Beklagten handle es sich nicht um einen sog. Marktteilnehmer im eigentlichen Sinne und es liege gerade keine Vorsatzstraftat zu Lasten Schutzbedürftiger vor.
14
Mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20. Dezember 2022 wurde gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßname der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt.
15
Der Beklagte trägt zur Begründung seiner Berufung vor, nach der Trennung von seiner damaligen Freundin im Oktober 2015, beginnend Anfang 2016, mit insgesamt 69 ihm unbekannten Personen überwiegend sexualbezogene Chats über WhatsApp unterhalten zu haben. Als dem Beklagten kinder- und jugendpornographische Bilder zugesandt wurden, habe er überlegt, ob er die Vorfälle der Kriminalpolizei melden solle. Da er in diesem Fall seinen Kollegen die Chat-Verläufe hätte offenbaren müssen, habe er davon aus Scham Abstand genommen. Die verfahrensgegenständlichen Fotos seien ihm nicht auf seine Veranlassung hin zugesandt worden. Als er von Ermittlungen gegen sich (aufgrund eigener unbefugter Datenabfragen im Dezember 2017) erfahren habe, hätte er die entsprechenden Bilder und Chat-Verläufe vollumfänglich und unwiederbringlich vor der Durchsuchung seiner Wohnung am 14. Februar 2018 löschen können. Dies habe er jedoch nicht getan. Entsprechend der durch das Strafgericht ausgesprochenen Auflage habe er sich an die psychotherapeutische Fachambulanz für Gewalt- und Sexualstraftäter in M. gewandt. Die dort tätigen Psych. Psychotherapeuten und die Kriminologin hätten festgestellt, dass bei der Tatbegehung situative und lebensphasische Faktoren überwogen hätten. Der Beklagte habe sich nach der Trennung von seiner damaligen Lebensgefährtin zunächst in einer schwierigen Lebensphase befunden, verbunden mit Ängsten hinsichtlich der Zukunft seiner privaten Lebensführung. Dies habe zu einer schweren depressiven Phase geführt. Daher wäre die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens im Hinblick auf § 21 StGB erforderlich gewesen. Der Beklagte habe vorher noch nie etwas mit entsprechenden Bildern zu tun gehabt. Insofern müsse der Frage nachgegangen werden, warum er gerade in fortgeschrittenem Alter mit entsprechenden Bildern in Kontakt gekommen sei. Er habe bereits mehrfach eingeräumt, dass er sich nach Erhalt der Fotos falsch verhalten habe; er hätte diese sofort zur Anzeige bringen müssen. Auch die Frage, warum er dies unterlassen habe, hätte begutachtet werden müssen. Jedenfalls aber wäre vorliegend eine mildere Maßnahme angemessen. Insofern hätten der untere Schweregrad des Inhalts der Bilder, sog. Posing, die Anzahl der Bilder im Verhältnis zu den vorhandenen erwachsenenpornographischen Bildern und Videos sowie das Fehlen jeglicher straf- und disziplinarrechtlicher Vorfälle stärker akzentuiert werden müssen. Auch hätten die Umstände, wie er in den Besitz der Bilder gekommen sei, berücksichtigt werden müssen.
16
Der Beklagte beantragt,
17
das Urteil des Verwaltungsgerichts München aufzuheben und die Disziplinarklage abzuweisen, hilfsweise auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.
19
die Berufung zurückzuweisen.
20
Er verteidigt im Wesentlichen das angefochtene Urteil.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegte Strafakte, die Disziplinarakte sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
22
Die zulässige Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) erkannt.
23
Der Beklagte hat mit der Besitzverschaffung und dem Besitz kinder- und jugendpornographischer Bilddateien ein außerdienstliches Dienstvergehen im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG begangen (I.), das die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigt (II.). Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
24
1. Der Senat legt seiner Entscheidung die nach Art. 25 Abs. 1, Art. 55 Halbs. 1, Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG bindenden Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils des Landgerichts Ingolstadt vom 16. Mai 2019 – 3 Ns 11 Js 1703/18 – zugrunde. Die Bindungswirkung umfasst auch die Feststellung, dass der Beamte vorsätzlich und schuldhaft gehandelt hat (BVerwG, B.v. 25.2.2016 – 2 B 1.15 – juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 20.9.2021 – 16b D 19.1302 – juris Rn. 23). Der Beklagte hat den Sachverhalt sowohl im Straf- als auch im Disziplinarverfahren eingeräumt, mit Ausnahme der Frage der Besitzverschaffung. Zudem sind die Vorwürfe aufgrund der beigezogenen Strafakte mit den zugehörigen Sonderbänden und der darin enthaltenen gutachterlichen Auswertung sowie der Darstellung der Chatverläufe nachgewiesen.
25
Soweit der Bevollmächtigte des Beklagten darauf abgestellt hat, dass dem Beklagten die verfahrensgegenständlichen Fotos „nicht auf dessen Veranlassung hin“ zugesandt worden seien, tritt er der tatsächlichen Feststellung aus dem Strafurteil des Landgerichts vom 16. Mai 2019 (S. 4) „auf Aufforderungen“ bzw. „auf Anforderung“ entgegen. Für eine Lösung von der auch diesbezüglichen Bindungswirkung i.S.v. Art. 55, 25 Abs. 2 BayDG besteht für den Senat jedoch keine Veranlassung, unabhängig davon, dass es sich um keine offensichtlich unrichtige Feststellung handelt, vielmehr die Feststellung richtig ist.
26
Das Verwaltungsgericht (UA Rn. 22 bis 23) hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass sich aus dem Chatverlauf des Beklagten zweifelsfrei ergibt, dass der Beklagte den Erhalt kinder- und jugendpornographischer Bilder deutlich eingefordert hat. Die Chatverläufe des Beklagten handeln unter anderem von einer siebzehnjährigen Laura und ihren Schwestern, die sich regelmäßig sexuellem Missbrauch durch Familienangehörige, insbesondere durch ihren Vater und einen angeblich „echten“ Onkel H. im Rahmen von Saunaabenden ausgesetzt sehen. Im Laufe des Chatverkehrs ist von einigen Jugendlichen und Kindern die Rede, u.a. einer fünfzehnjährigen Cousine M. und einer fünfzehnjährigen V. , bezüglich derer der Beklagte einfordert, „Zeig mehr von ihr“ bzw. „Zeig die Fotze. Würde V. mitkommen?“, einer vierzehnjährigen Ch. mit der Forderung „Hast Du weitere Fotos“ oder einer sechzehnjährigen M. und siebzehnjährigen J. mit der Bemerkung des Beklagten „Wollen wir zusammen J. und M. auf unsere Fickprügel spießen?“. Bezüglich eines elf Jahre alten Mädchens fragt der Beklagte „Hast Du noch mehr von ihr?“ und fordert „mehr blutjunge Fotzen“. Als daraufhin von einer Siebenjährigen die Rede ist, fordert er „weitere Fotos von ihr“. Gleiches gilt im weiteren Verlauf bezüglich einer als zwölf Jahre alt bezeichneten K. , von der er „Fotzenfotos“ einfordert. Bei zwischenzeitlicher Übernahme des Chats durch den vermeintlichen Vater fordert der Beklagte Fotos von einem Thailandurlaub des Chatpartners bezüglich Missbrauchs an einer Achtjährigen. Die im weiteren Verlauf auf die Frage „Hast Du noch was jüngeres/engeres?“ mit acht Jahren als jüngste Tochter bezeichnete Ma. , die der Chatteilnehmer mit der Bemerkung „die kost extra“ benennt, würde der Beklagte „gerne mal durchziehen wollen“ und fordert insoweit Fotos. Er will in Bezug auf die Achtjährige wissen, „Was hat sie alles gemacht? Hast Pics dazu?“ und schreibt „Da möchte ich auch meinen reinhalten. Meinst das geht?“. Auch in Bezug auf eine vermeintlich Dreizehnjährige bringt der Beklagte deutlich zum Ausdruck, dass er gerne mal ein „komplettes Programm“ wollen würde.
27
Vor diesem Hintergrund steht für den Senat fest, dass sich der Beklagte gezielt kinder- und jugendpornographische Bilder verschafft hat. Seine Behauptung in der mündlichen Berufungsverhandlung, er habe auf seine Nachfragen, ob der Chatpartner noch mehr solcher Bilder habe, als Antwort nur ja oder nein erwartet, aber keine Zusendung, ist angesichts des auf Übersendung von Bildern ausgelegten Chatinhalts und der eindeutigen und zahlreichen Übersendungsaufforderungen abwegig und als reine Schutzbehauptung zu werten.
28
2. Durch sein strafrechtlich geahndetes Verhalten hat der Beklagte vorsätzlich und subjektiv vorwerfbar (schuldhaft) gegen seine Pflicht verstoßen, die Gesetze zu beachten (§ 184b Abs. 3 StGB in der im Tatzeitraum ab 27.1.2015 geltenden Fassung – a.F.) und sich achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG in der bis zum 6.7.2021 geltenden Fassung – a.F.). Das Dienstvergehen ist außerdienstlich begangen, weil es weder formell in das Amt des Beklagten noch materiell in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war. Die kinderpornographischen Dateien waren ausschließlich auf privaten Geräten des Beklagten abgespeichert (BVerwG, U.v. 19.8.2010 – 2 C 5.10 – juris Rn. 9; U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 10), die angelasteten Chats fanden von diesen aus statt.
29
3. Die außerdienstliche Pflichtverletzung ist disziplinarrechtlich zu ahnden, da der Besitz des Beklagten von kinderpornographischen Schriften „nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen“ (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG). Losgelöst vom konkreten Dienstbezug kann ein Dienstvergehen regelmäßig angenommen werden, wenn der vom Gesetzgeber vorgegebene Strafrahmen für eine vorsätzlich begangene Straftat mit einer Höchststrafe von bis zu zwei Jahren im mittleren Bereich liegt und der daran gemessene Unrechtsgehalt der konkreten Tat nicht nur gering wiegt (BayVGH, U.v. 20.9.2023 – 16a D 22.2292 – juris Rn. 35). Vorliegend liegt der Strafrahmen für das Sich-Verschaffen und den Besitz kinderpornographischer Bilder bei einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe (§ 184b Abs. 3 StGB in der im Tatzeitraum ab 27.1.2015 geltenden Fassung). Der außerdienstliche Besitz kinderpornographischer Bild- oder Videodateien weist zudem einen hinreichenden Bezug zum Amt eines Polizeibeamten auf (stRspr vgl. BVerwG, U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 21 f.; U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – juris Rn. 35; U.v. 16.6.2020 – 2 C 12.19 – juris Rn. 23, 25; BayVGH, U.v. 6.3.2024 – 16a D 22.422 – juris Rn. 27). Polizeibeamte haben Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen. Sie genießen daher in der Öffentlichkeit – insbesondere auch für schutzbedürftige Personen – eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung. Dieses berufserforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte selbst erhebliche Vorsatzstraftaten – gerade zu Lasten Schutzbedürftiger – begehen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Polizeibeamte auf seinem konkreten Dienstposten gerade mit der Verfolgung solcher Delikte betraut war oder Kontakt mit Kindern oder Jugendlichen hatte (BVerwG, U.v. 18.6.2015 a.a.O. Rn. 21 ff.).
30
Die festgestellten Dienstpflichtverletzungen wiegen in ihrer Gesamtheit so schwer, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis die angemessene Disziplinarmaßnahme ist.
31
1. Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12 m.w.N.).
32
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amts erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden. Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden.
33
Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 16).
34
Zur konkreten Bestimmung der disziplinaren Maßnahmebemessung bei einem außerdienstlichen Dienstvergehen ist in einer ersten Stufe auf den Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat. Diese grundsätzliche Ausrichtung am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarrechtliche Ahndung der Dienstvergehen und verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Gehalts eines Dienstvergehens an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen. Maßgeblich ist damit die Einschätzung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts (BVerwG, U.v. 16.6.2020 – 2 C 12.19 – juris Rn. 21). Begeht ein Beamter eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht, so reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme schon bei Straftaten, die keinen besonderen Bezug zu der dienstlichen Stellung des Beamten aufweisen, bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 24.10.2019 – 2 C 3.18 – juris Rn. 29).
35
2. Demnach ist vorliegend der Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis eröffnet. Für die vorsätzliche Besitzverschaffung von kinderpornographischen Schriften sieht das Strafgesetzbuch in der im Tatzeitraum geltenden Fassung des § 184b Abs. 3 StGB wie dargestellt eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vor. Für die Festlegung des Orientierungsrahmens ist in diesen Fällen mithin die Anzahl der einschlägigen Dateien ebenso ohne Bedeutung wie das Tätigkeitsfeld des betroffenen Beamten (vgl. BVerwG, B.v. 26.10.2021 – 2 B 12.21 – juris Rn. 12 f.).
36
3. In Ausschöpfung dieses Rahmens erweist sich die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis als angemessene und erforderliche Disziplinarmaßnahme. Diese steht unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere seines Dienstvergehens und seines Verschuldens.
37
3.1 Im Ausgangspunkt ist in die gebotene Gesamtbetrachtung zulasten des Beklagten einzustellen, dass es sich um ein schwerwiegendes Dienstvergehen handelt. Die Missachtung gesetzlicher Vorschriften, insbesondere – wie hier – solcher des Strafrechts zum Schutze besonders vulnerabler Personen, ist eine Verhaltensweise eines Beamten, die seinem Ansehen und dem des Staates in erheblichem Maße abträglich ist. Denn der Staat kann den Anspruch an den Bürger auf Beachtung der Gesetze umso weniger glaubhaft erheben, je mehr seine eigenen Beamten sich nicht gesetzestreu verhalten. Überdies gehört es, wie bereits ausgeführt, zum Kernbereich der Aufgaben von Polizisten, Straftaten zu verhindern und zu verfolgen (vgl. BVerwG, B.v. 8.5.2001 – 1 D 20.00 – juris Rn. 28; OVG NW, U.v. 8.10.2024 – 31 A 1080/21.O – juris Rn. 93). Die Polizeibehörden können ihre Pflichten gegenüber der Allgemeinheit nicht sachgerecht und ordnungsgemäß erfüllen, wenn ihre Beamten sich im Hinblick auf die zu schützenden Werte nicht selbst als zuverlässig erweisen oder auch nur als unzuverlässig von der Allgemeinheit angesehen werden. So ist die Erwartung der Allgemeinheit, dass ein Polizist nicht selbst Straftaten begeht, deutlich größer als entsprechende Erwartungen gegenüber anderen (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2020 – 2 C 12.19 – juris Rn. 25). Bei Polizeibeamten besteht beim außerdienstlichen Besitz von kinderpornografischem Bildmaterial aufgrund der mit ihrem Amt verbundenen Aufgaben- und Vertrauensstellung mithin ein spezifischer Bezug zu ihrem Statusamt, der zu einem gravierenden, die Höchstmaßnahme rechtfertigenden Vertrauensverlust führt (BVerwG, U.v. 16.6.2020 a.a.O. Rn. 23). Bereits der Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften trägt mit der damit verbundenen Nachfrage nach derartigen Bild- und Videodateien zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern und damit zum Verstoß gegen ihre körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde bei (vgl. BVerwG, U.v. 24.10.2019 – 2 C 4.18 – juris Rn. 27; U.v. 18.6.2015 a.a.O. Rn. 30). Durch das hier erfolgte aktive Einfordern der Übersendung der Bilder wird das Unrecht vertieft und intensiv an der Schaffung und Aufrechterhaltung eines Marktes für derartige Dateien teilgenommen.
38
Zusätzlich wirkt sich zu Lasten des Beklagten der über beinahe zwei Jahre lang andauernde Zeitraum aus, in dem der Beklagte die verschiedenen Teilakte des Dienstvergehens begangen hat. Auch der Inhalt des kinderpornografischen Materials und des Chatverkehrs fällt als besonders verwerflich ins Gewicht. Auf einzelnen Dateien sind schwere sexuelle Missbrauchshandlungen im Sinne des § 176, § 176a StGB wiedergegeben. Das Verwaltungsgericht hat zudem zutreffend die vom Beklagten geführten und in den strafrechtlichen Ermittlungsakten dokumentierten Chats mit an Kinder-/Jugendpornographie interessierten Chatpartnern und seine Verhaltensweisen während dieser Chats als besonders verwerflich gewertet (UA Rn. 32). Insoweit stellte die Erstinstanz zutreffend fest, dass in den Chats deutlich von sexuellem Missbrauch an Kindern, sogar im familiären Kreis, die Rede ist. Selbst wenn es sich dabei um einen „gefakten“ Chat handeln mag, sind die deutlichen Äußerungen und Forderungen des Beklagten dennoch in besonderem Maße geeignet, den Markt kinder- und jugendpornographischen Materials zu unterstützen. Schließlich fordert der Beklagte in diesem Chat entsprechende Bilder von Jugendlichen und Kindern ein, was den Chatteilnehmer zum Zusenden solcher Bilder oder gar zu der Erstellung solcher Bilder verleiten kann. Mit Äußerungen wie „Zeig wie Du M. missbraucht hast, nachdem Du ihr K.O-Tropfen gegeben hast“ oder „Ich will die Kleine leiden sehen und kreischen hören, wenn ich ihr meinen Hammer reinramme“ (Auswertungsbericht des Gutachters Sonderakte S. 80, 82) oder im Zusammenhang mit einer 15-jährigen V. „Zeig die Fotze. Würde V. mitkommen? Gib mir die Nummer von V. . Ich frag sie selbst, ob sie meinen Schwanz abreiten will?“ (Auswertungsbericht des Gutachters Sonderakte S. 229) bringt er nicht nur zum Ausdruck, dass er den Missbrauch von Kindern gutheißt und Gefallen an deren Leiden findet, sondern auch eigenes Interesse an sexuellen Handlungen von, an oder vor Kindern hat und damit seinen Chatpartner dazu provoziert, weitere entsprechende Bilder zu liefern oder solche gar zu erstellen. Lesern des Chatinhalts drängt sich der Eindruck auf, dem Beklagten gehe es allein um die Befriedigung seiner eigenen sexuellen Bedürfnisse unter Inkaufnahme sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen.
39
Schließlich geht aus den Feststellungen des Urteils des Landgerichts zum Chatverlauf (S. 9 „Dreckspack von Neger“ „Dreckige Negerhure“ „die Rotz gehört in die Fotz“ „zeig junge Saftfotzen“) sowie den beigezogenen Strafakten samt Sonderbänden eine ausgesprochen frauen-, kinder- und menschenverachtende Ausdrucksweise des Beklagten hervor.
40
Gegenüber diesen Aspekten tritt der Umstand in den Hintergrund, dass die sich vom Beklagten verschafften 14 kinderpornographischen und drei jugendpornographischen Schriften und die weiteren in seinem Besitz befindlichen vier kinderpornographischen und zwei jugendpornographischen Schriften (vgl. Urteil des Landgerichts, S. 4 f.) zum großen Teil dem Bereich des „Posings“ zuzurechnen sind; es werden also Kinder und Jugendliche in sexuell aufreizenden, mit Kamerafokus zum Teil auf die unbedeckte Vagina gerichteten Posen dargestellt. Allein die Anfertigung von sog. Posing-Bildern bringt erhebliche Belastungen für die kindlichen Opfer mit sich, die in Zukunft zu nicht absehbaren Störungen in der Entwicklung ihrer Persönlichkeit führen und erheblichen Therapiebedarf nach sich ziehen können. Jeglicher sexuelle Missbrauch von Kindern stellt sich in hohem Maße als persönlichkeits- und sozialschädlich dar (BayVGH, U.v. 6.4.2022 – 16a D 20.975 – juris Rn. 28). Vor diesem Hintergrund ist auch die einheitliche Strafandrohung (bis drei Jahre, § 184b Abs. 3 StGB a.F.) zu verstehen, die sich einerseits auf „sexuelle Handlungen von, an oder vor einer Person unter vierzehn Jahren“ (Nr. 1a) und andererseits auf „die Wiedergabe eines…unbekleideten Kindes in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung“ (Nr. 1b) bezieht. Vorliegend hat sich der Beklagte aber nicht nur sog. Posing-Bilder verschafft, sondern auch kinder- und jugendpornographische Bilder im Sinne des § 184b Abs. 1 Nr. 1a StGB. Der Annahme einer die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme indizierenden Schwere des Dienstvergehens steht die Anzahl der bei dem Beklagten aufgefundenen kinderpornografischen Dateien nicht entgegen, da eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist, die sowohl Anzahl als auch Inhalt des inkriminierten Materials, worunter der gesamte Chatinhalt fällt, in den Blick zu nehmen und zu würdigen hat (BVerwG, B.v. 17.6.2019 – 2 B 82.18 – juris Rn. 21).
41
Wie das Landgericht wertet der Senat auch zu Lasten des Beklagten, dass er die Bilder auf seinem Smartphone auf der Dienststelle mit sich führte und diese nach den Feststellungen der ermittelnden Polizeibeamten sofort sichtbar waren. Somit konnte der Beklagte jederzeit auch unter tags und während seines Dienstes darauf Zugriff nehmen. Ganz offensichtlich hat der Beklagte damit auch die „Nähe“ zu derartigen Bildern haben wollen.
42
3.2 Entlastende Umstände von erheblichem Gewicht, die zu einer anderen Disziplinarmaßnahme als zur Entfernung aus dem Dienst führen müssten, greifen nicht durch. Die in der Rechtsprechung entwickelten sogenannten „anerkannten“ Milderungsgründe (hierzu BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 25 bis 36) kommen dem Beklagten nicht zugute. Solche können teilweise zu einer Disziplinarmaßnahme führen, die um eine Stufe niedriger liegt als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme, es sei denn, es liegen gegenläufige belastende Umstände vor (vgl. BVerwG, B.v. 15.6.2016 – 2 B 49.15 – juris Rn. 13).
43
3.2.1 Im Hinblick auf mögliche entlastende Gesichtspunkte ist dem Umstand, dass der Beklagte weder straf- noch disziplinarrechtlich vorbelastet ist, keine ausschlaggebende Bedeutung beizumessen; denn eine straffreie außerdienstliche Lebensführung und ordnungsgemäße Erfüllung der Dienstpflichten darf der Dienstherr von jedem Beamten erwarten (stRspr, vgl. etwa BVerwG, U.v. 28.2.2013 – 2 C 3.12 – juris Rn. 43; B.v. 28.8.2018 – 2 B 4.18 – juris Rn. 48). Das eingeholte Persönlichkeitsbild vom 24. Juli 2019 und die letzte dienstliche Beurteilung, bei der der Beklagte mit 8 Punkten in seiner Besoldungsgruppe im Sprengel an letzter Stelle gereiht wurde, vermögen ohnehin nicht zu seinen Gunsten zu sprechen. Dass der Beklagte – nach Aufdeckung der Tat – geständig war, stellt angesichts der klaren Beweislage ebenfalls keinen gewichtigen disziplinaren Milderungsgrund dar. Da der Beklagte mehrfach und über einen längeren Zeitraum Kinderpornographie konsumiert hat, handelt es sich auch nicht um eine einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat, die zu einer milderen Bewertung führen könnte (vgl. dazu etwa BVerwG, B.v. 20.12.2013 – 2 B 35.13 – juris Rn. 6; B.v. 9.10.2014 – 2 B 60.14 – juris Rn. 28 f.).
44
3.2.2 Der Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit im Sinne des §§ 20, 21 StGB als durchschlagenden Milderungsgrund berufen.
45
Nach der Überzeugungsgewissheit des Senats handelte der Beklagte nicht aufgrund einer krankhaften oder anderen seelischen Störung gemäß §§ 20, 21 StGB im Zustand erheblich eingeschränkter Steuerungs- und damit verminderter Schuldfähigkeit. Es bestehen keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte während des für das Disziplinarverfahren relevanten Zeitraums vom 24. März 2016 bis 14. Februar 2018 aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht in der Lage gewesen wäre, sein pflichtwidriges Verhalten zu erkennen.
46
Das Landgericht Ingolstadt hat in seinem Strafurteil keines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB als erfüllt angesehen. Diese tatsächliche Feststellung eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren nimmt an der Bindungswirkung teil (BVerwG, U.v. 20.4.2023 – 2 A 18.21 – Rn. 33 ff.). Wegen dieser Bindungswirkung ist dem Disziplinargericht eine eigene Beweisaufnahme insbesondere mittels der Einholung eines Sachverständigengutachtens grundsätzlich nicht gestattet (BVerwG, B.v. 24.7.2023 – 2 B 25.22 – juris Rn. 12).
47
Der Beklagte hat über einen Zeitraum von beinahe zwei Jahren planvoll gehandelt. Wie bereits das Urteil des Landgerichts ausführt, war der Beklagte während der kompletten Tatzeit in der Lage, seinem Beruf nachzugehen. Er musste sich während des Tatzeitraums weder in ärztliche noch in psychiatrische Behandlung begeben. Auch seine Einlassung, dass er zu dieser Zeit aktiv auf der Suche nach einer Beziehung gewesen ist, steht einer schweren Depression eher entgegen. Sein Chatverhalten passt im Hinblick auf sein aktives Vorgehen ebenfalls nicht zu einer schweren Depression. Darüber hinaus ist zu sehen, dass – das Bestehen einer etwaigen schweren Depression unterstellt – eine solche im konkreten Fall nicht dazu führen würde, dass die Steuerungsfähigkeit des Beklagten bezüglich der konkreten Taten erheblich vermindert war. Soweit er vorträgt, aufgrund der Depression nicht in der Lage gewesen zu sein, den Chatpartner anzuzeigen, so betrifft dies nicht den Tatvorwurf. Dem Beklagten liegt zur Last, sich durch sein Chatverhalten den Besitz kinderpornografischer und jugendpornografischer Bilder verschafft zu haben. Dieses aktive Verhalten spricht aber gegen eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit.
48
Die Ausführungen der psychotherapeutischen Fachambulanz für Gewalt- und Sexualstraftäter, dass situative und lebensphasische Faktoren überwogen hätten, begründen keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Beamte im Tatzeitraum im Zustand verminderter Schuldfähigkeit gehandelt hätte. Denn die Psych. Psychotherapeuten und die Kriminologin stellten ausdrücklich fest (Schr. v. 30.9.2020 – VG-Akte S. 28), dass keine forensisch relevante Diagnose und keine Notwendigkeit für eine forensische Psychotherapie bestünden. Zudem sind situative und lebensphasische Faktoren keine personenbedingten Faktoren, die einen Zusammenhang zur Steuerungsfähigkeit des Beklagten erkennen ließen. Weitere ärztliche Atteste oder Stellungnahmen, die einen entsprechenden Verdacht begründen könnten, wurden nicht vorgelegt.
49
Der weitere Gesichtspunkt der Therapieteilnahme, zu der der Beklagte mit Beschluss des Landgerichts vom 16. Mai 2019 angewiesen wurde (Strafakte S. 242), greift als Milderungsgrund nicht durch. Zwar kann zu Gunsten des Beamten berücksichtigt werden, wenn er die von ihm eingeräumten Taten nachträglich aufgearbeitet hat und eine erneute Begehung entsprechender Dienstvergehen nicht mehr zu besorgen ist (BVerwG, B.v. 16.3.2017 – 2 B 42.16 – juris Rn. 26). Das gilt jedoch nicht, wenn – wie hier – auf diese Weise der Ansehens- und Autoritätsverlust nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (BVerwG, B.v. 25.5.2012 – 2 B 133.11 – juris Rn. 17).
50
3.3 Art. 14 Abs. 1 BayDG sowie das im Disziplinarverfahren geltende Schuldprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangen, dass – über die in der Rechtsprechung entwickelten „anerkannten“ Milderungsgründe hinaus – bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sämtliche be- und entlastenden Gesichtspunkte ermittelt und von dem Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 37). Die Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände ergibt, dass der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist, weil er durch das Dienstvergehen das Vertrauen des Klägers und der Allgemeinheit endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG).
51
3.3.1 Dabei hat der Senat auch erwogen, ob eine so genannte negative Lebensphase während des Tatzeitraums bestand, die je nach den Umständen des Einzelfalles mildernd berücksichtigt werden kann, eine solche aber im Ergebnis verneint. Danach können außergewöhnliche Verhältnisse, die den Beamten während des Tatzeitraums oder im Tatzeitpunkt aus der Bahn geworfen haben, mildernd berücksichtigt werden. Dies liegt vor allem dann nahe, wenn sich der Pflichtenverstoß als Folge dieser Verhältnisse darstellt (BVerwG, B.v. 15.6.2016 – 2 B 49.15 – juris Rn. 11; B.v. 22.3.2016 – 2 B 43.15 – juris Rn. 10; BayVGH, U.v. 10.7.2019 – 16a D 17.2126 – juris Rn. 45 m.w.N.). Abgesehen davon, dass weder die geschilderten privaten noch beruflichen Probleme außergewöhnliche Verhältnisse in diesem Sinne darstellen, ist auch nicht ersichtlich, dass sich der Besitz von Kinderpornographie als Folge der Trennung von der Partnerin bzw. Unstimmigkeiten mit dem Arbeitgeber darstellt.
52
3.3.2 Vor dem Hintergrund des langen Tatzeitraums, des Chatinhalts und der gezielten Aufforderung des Beklagten, ihm kinder- und jugendpornographische Bilder zu übersenden, hält der Senat die Behauptung, der Beklagte habe die Verbreitung der inkriminierten Dateien zur Anzeige bringen wollen, hiervon jedoch aus Scham abgesehen, bereits für unglaubhaft. Insoweit teilt der Senat die Auffassung des Klägers, dass sich der Beklagte, hätte er dies wirklich beabsichtigt, zumindest einer zukünftigen Chatteilnahme hätte verweigern oder die Absender der Bilder darauf hinweisen können, dass er die Zusendung derartiger Fotos nicht wünsche. Dies hat der Beklagte aber nicht nur unterlassen, sondern weiterhin lebhaft und unter Verwendung „eine[r] für die Allgemeinheit nicht erträgliche[n] Sprache“ (LG-Urteil S. 9) an den Chats teilgenommen und die Zusendung von kinder- und jugendpornographischen Schriften eingefordert.
53
3.3.3 Soweit der Beklagte geltend macht, er habe die Bilder und Chat-Verläufe nicht unwiederbringlich gelöscht, obwohl er durch seine unbefugte Datenabfrage bereits im Dezember 2017 erfahren habe, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen Jugendpornographie laufe, erschließt sich dem Senat nicht, inwieweit dieses Verhalten das Dienstvergehen in einem milderen Licht erscheinen lassen sollte. Eine unterbliebene Tatverschleierung ist kein Milderungsgrund. Mit diesem Verhalten ist weder ein aktives Mitwirken an der Tataufdeckung noch ein positives Nachtatverhalten verbunden. Hinsichtlich Letzterem drängen sich dem Senat ohnehin vor dem Hintergrund der Aussagen der an der Durchsuchung mitwirkenden Polizeibeamten Zweifel auf. Danach habe der Beklagte zunächst angegeben, dass „er kein Mobiltelefon besitzen würde“ (Durchsuchungsbericht vom 14. Februar 2018, Strafakte S. 55). Anschließend habe er versucht, sein Mobiltelefon „in einem Rucksack zu verstecken“. Bei der Durchsuchung seines Handys sei der Beklagte „sehr aggressiv“ gewesen, so dass die Polizeibeamten schon dachten, sie müssten ihn „fesseln“ (Aussage des Polizeibeamten in der Sitzung des Amtsgerichts Neuburg a.d. Donau am 7.11.2018, Strafakte S. 157). Selbst nach seiner eigenen Einlassung wollte er nicht etwa Beweise für eine Strafanzeige sichern, sondern „wusste nicht, was er machen soll“ (Einlassung seines Bevollmächtigten in der Sitzung des Amtsgerichts Neuburg a.d. Donau am 7.11.2018, Strafakte S. 154).
54
3.3.4 Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen den aufgefundenen Dateien mit erlaubten und solchen mit strafrechtlich relevanten pornographischen Inhalten ist im Rahmen der Disziplinarzumessung ohne Belang (vgl. BayVGH, U.v. 28.9.2022 – 16a D 20.1901 – juris Rn. 39). Andernfalls käme man zu dem Ergebnis, dass man durch Besitz von zusätzlicher legaler Erwachsenenpornographie den Besitz von kinder- bzw. jugendpornographischen Schriften (zumindest in gewissem Maß) relativieren könnte.
55
4. Angesichts des vom Beklagten begangenen Dienstvergehens und der aufgezeigten Gesamtwürdigung ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht unverhältnismäßig. Der Beklagte hat ein besonders schweres Fehlverhalten gezeigt. Er hat die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses endgültig zerstört. Seine Entfernung aus dem Dienst ist die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Eine anderweitige Verwendung des Beklagten – verbunden mit einer Disziplinarmaßnahme unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis – kommt nicht als „mildere Maßnahme“ in Betracht. Wenn – wie hier – das Vertrauensverhältnis des Dienstherrn zu dem Beamten endgültig zerstört ist, weil er als Beamter „nicht mehr tragbar ist“ und es dem Dienstherrn nicht zumutbar ist, das Beamtenverhältnis mit dem Beklagten fortzusetzen, muss der Frage, ob der Beamte anderweitig, ggf. in einer anderen Behörde oder sogar Laufbahn eingesetzt werden kann, nicht nachgegangen werden (vgl. BayVGH, U.v. 24.5.2017 – 16a D 15.2267 – juris Rn. 192). Die darin liegende Härte für den Beamten ist nicht unverhältnismäßig oder unvereinbar mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise. Sie beruht auf dem vorangegangenen Fehlverhalten des für sein Handeln verantwortlichen Beklagten, der sich bewusst gewesen sein muss, dass er hiermit seine berufliche Existenz aufs Spiel setzt (BayVGH, U.v. 24.5.2017 – 16a D 15.2267 – juris Rn. 193).
56
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.
57
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).