Titel:
Abrechnungsbetrug im Bereich des Rettungsdienstes
Normenketten:
StGB § 263 Abs. 1
BayRDG Art. 34
Leitsatz:
Zum Vorwurf des Abrechnungsbetrugs im Rettungsdienst bei nicht eindeutiger Rechtslage. (Rn. 28 – 32)
Schlagworte:
Abrechnungsbetrug, Mittelverwendung, Rettungsdienstkosten, Blaulichtzwecke, Zweckwidrigkeit, Zweckverfehlung, Vermögensschaden, formale Betrachtungsweise, Verrechenbarkeit, Entgeltvereinbarung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 38190
Tenor
1. Der Angeklagte K ist schuldig der Untreue in 2 Fällen.
Er wird deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr 3 Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
Im Übrigen wird der Angeklagte K freigesprochen.
2. Die Angeklagten W und Ka werden freigesprochen.
3. Der Angeklagte K ist für folgende Strafverfolgungsmaßnahme zu entschädigen: Durchsuchung am 05.06.2019 aufgrund Beschlusses des AG Nürnberg vom 27.05.2019 – 57 Gs 5104/19 samt zugehöriger Beschlagnahme von Beweismitteln.
4. Der Angeklagte W ist für folgende Strafverfolgungsmaßnahme zu entschädigen: Durchsuchung am 05.06.2019 aufgrund Beschlusses des AG Nürnberg vom 27.05.2019 – 57 Gs 5105/19 samt zugehöriger Beschlagnahme von Beweismitteln.
5. Der Angeklagte K trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen soweit er verurteilt wurde.
Im Übrigen fallen die Kosten des Verfahrens, die notwendigen Auslagen der Angeklagten sowie die notwendigen Auslagen des Einziehungsbeteiligten der Staatskasse zur Last.
Angewandte Vorschriften beim Angeklagten K:
§ 266 Abs. 1, 2, § 263 Abs. 3, §§ 53, 56 Abs. 1 StGB
Entscheidungsgründe
(abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO hinsichtlich der Angeklagten W und Ka sowie hinsichtlich des Angeklagten K, soweit er freigesprochen wurde)
1
Gegenstand des Urteils ist der Vorwurf des Abrechnungsbetrugs betreffend die Wirtschaftsjahre 2014-2018 zugunsten des A…-Landesverbandes Bayern gegen alle drei Angeklagte. Sie waren beim Landesverband beschäftigt und sollen im Rahmen der Finanzierung des Rettungsdienstes des A… tatsächlich nicht Rettungsdienstzwecken dienende Leistungen abgerechnet haben. Insoweit hat die Kammer die Angeklagten – rechtskräftig – freigesprochen (unten C). Der frühere Geschäftsführer des Landesverbandes, der Angeklagte K, wurde wegen zweier Fälle der Untreue verurteilt, weil er sich einen im Eigentum der A-N… stehenden Pkw angeeignet und des Weiteren Geld des aufgelösten A…-Regionalverbandes I als dessen Liquidator rechtswidrig an sich genommen hat (unten B).
A. ersönliche Verhältnisse der Angeklagten
B. Verurteilung des Angeklagten K
I. Festgestellter Sachverhalt
1. Die Funktionen des Angeklagten beim A…
2
Der Angeklagte K war von Juli 2000 bis zum 31.03.2019 allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer des A… Landesverbandes e.V. (fortan: Landesverband). Anschließend, im Zeitraum 01.04.2019 bis 31.07.2019, war er als angestellter Berater in Altersteilzeit für den Landesverband tätig. Seit deren Gründung im Jahr 2003 war der Angeklagte bis 06.06.2019 zudem Geschäftsführer der A-N… GmbH (fortan: A-N…), deren Alleingesellschafter der Landesverband war. Schließlich war er vom Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses am 17.04.2014 an allein vertretungsberechtigter Liquidator des A… Regionalverbandes I… e.V. (fortan: Regionalverband I).
2. Die Taten des Angeklagten
C. Freisprüche im Übrigen
3
Die Kammer hat den Angeklagten K im Übrigen sowie die Angeklagten W und Ka vollständig aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
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Die Anklage legte – soweit sie von der Kammer eröffnet worden ist – den drei Angeklagten Abrechnungsbetrug im Bereich des Rettungsdienstes zur Last. Die Angeklagten seien langjährige Mitarbeiter des Landesverbandes und dort u.a. im Bereich Rettungsdienst tätig gewesen. Im Rahmen ihrer Tätigkeit sollen sie für die Wirtschaftsjahre 2014 bis 2017 namens des A… gegenüber den Kostenträgern Kosten des Rettungsdienstes in Höhe von mindestens 3.244.038,26 € zu viel abgerechnet haben, die tatsächlich nicht entstanden seien, um die erlangten Gelder für andere, unzureichend finanzierte Aufgaben des vormals finanziell angeschlagenen A… verwenden zu können. Für den Abrechnungszeitraum 2018 sollen die Angeklagten K und W, nachdem für dieses Jahr zunächst ebenfalls ein Haushalt vereinbart worden sei, den Abschluss eines deutlich überhöhten Budgets und in der Folge eine um 452.813,40 € überhöhte Auszahlung erreicht haben. Insgesamt sei den Kostenträgern hierdurch für den Zeitraum 2014 bis 2018 ein Gesamtschaden in Höhe von mindestens 3.696.851,66 € entstanden.
II. Festgestellter Sachverhalt
1. Funktionen der Angeklagten beim Landesverband
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Zum Angeklagten K s.o. unter B.I.1. Der Angeklagte W war seit Januar 1998 beim Landesverband beschäftigt. Seit 1999 war er dort Leiter des Rechnungswesens und des Controllings. Seit Januar 2006 war er zudem stellvertretender Geschäftsführer des Landesverbands. Der Angeklagte Ka war vom 01.11.2002 bis zum 20.02.2018 als Referent für den Rettungsdienst beim Landesverband beschäftigt.
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2. Der Rechtsrahmen für die Finanzierung des Rettungsdienstes Der A… in Bayern gliederte sich auf Regionalebene in rechtlich selbständige Kreis- und Regionalverbände (fortan auch: Gliederungen). Diese wiederum waren Mitglied im Landesverband mit Sitz in … Der A… war u.a. auch im Bereich des Rettungsdienstes tätig. Verschiedene Rettungsdienstzweckverbände in Bayern hatten dem Landesverband die Durchführung des Rettungsdienstes in bestimmten Gebieten vertraglich übertragen. Damit zählte der Landesverband zu den sog. Durchführenden des Rettungsdienstes in Bayern. Zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen bediente sich der Landesverband der Kreis- und Regionalverbände sowie seiner hundertprozentigen Tochter A-N… . Den Durchführenden des öffentlichen Rettungsdienstes entstehen aus dieser Tätigkeit beträchtliche Betriebs- und Vorhaltekosten, die ihnen grundsätzlich durch die Sozialversicherungsträger als Kostenträger zu erstatten sind, ohne dass hierbei Gewinne oder Verluste entstehen sollen. Zur Regelung der Finanzierung dieser Kosten existierte ein komplexes Normengefüge, das aus landesrechtlichen Vorschriften (a) und individuellen Verträgen (b) bestand.
a) Gesetzlicher Rechtsrahmen
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Betreffend die Jahre 2014 bis 2018 galt, soweit für dieses Urteil von Belang, für die Finanzierung des Rettungsdienstes in Bayern Folgendes:
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Der Rechtsrahmen für die Finanzierung der Durchführenden des Rettungsdienstes wurde zunächst durch die Bestimmungen des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes (BayRDG, § 133 SGB V spielte vorliegend keine Rolle) gesetzt, das für die Finanzierung das Kostendeckungsprinzip statuierte und dessen maßgebliche Bestimmungen seinerzeit lauteten:
1 Für rettungsdienstliche Leistungen … werden … Benutzungsentgelte erhoben. 2 Den Benutzungsentgelten sind die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten zugrunde zu legen, die einer ordnungsgemäßen Leistungserbringung, einer wirtschaftlichen und sparsamen Betriebsführung sowie einer leistungsfähigen Organisation entsprechen …
… (2) 1 Die Sozialversicherungsträger vereinbaren die von ihnen zu bezahlenden Benutzungsentgelte für Notfallrettung, arztbegleiteten Patiententransport und Krankentransport einheitlich mit den Durchführenden des Rettungsdienstes oder ihren Landesverbänden …
(3) 1 Die Benutzungsentgeltvereinbarung wird jährlich im Voraus abgeschlossen. 2 Wirtschaftsjahr und Entgeltzeitraum ist das Kalenderjahr …
(5) 1 Den Benutzungsentgelten liegen jeweils die nach Art. 32 Satz 2 berücksichtigungsfähigen voraussichtlichen Kosten der Leistungserbringung in den Leistungsbereichen Notfallrettung, arztbegleiteter Patiententransport und Krankentransport sowie die voraussichtlichen Einsatzzahlen im Entgeltzeitraum zugrunde … 3 Die Sozialversicherungsträger vereinbaren jeweils gesondert mit den einzelnen Durchführenden … deren voraussichtliche Kosten im Entgeltzeitraum. 4 Die Kosten können als Budget vereinbart werden …
(7) … 2 Nach Ablauf eines Entgeltzeitraums sind von jedem Durchführenden … die tatsächlich entstandenen Kosten in einer Schlussrechnung nachzuweisen und gegenüber der Kostenvereinbarung abzurechnen (Rechnungslegung). 3 Ergibt sich eine Differenz zwischen den tatsächlichen und den für die Kostenvereinbarung von den Sozialversicherungsträgern anerkannten voraussichtlichen Kosten, ist das Ergebnis der Rechnungslegung zum Gegenstand der nächstmöglichen Entgeltverhandlungen zu machen; dieser Ergebnisvortrag ist ausgeschlossen, wenn die Kosten des Durchführenden, des Betreibers der Integrierten Leitstelle oder der Zentralen Abrechnungsstelle für den Rettungsdienst in Bayern als Budget vereinbart wurden.
(8) 1 In den Vollzug der Abs. 2 bis 7 … wird eine Zentrale Abrechnungsstelle für den Rettungsdienst in Bayern eingeschaltet …
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Die aufgrund des BayRDG erlassene Ausführungsverordnung (AVBayRDG) regelte sodann weitere Details. Zu den ansatzfähigen Kosten bestimmte § 34 AVBayRDG [ab 01.08.2017: § 27]:
(1) 1 Nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähige Kosten des Rettungsdienstes im Sinn des Art. 32 Satz 2 BayRDG sind der bewertete Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen für die Erbringung von rettungsdienstlichen Leistungen und die Vorhaltung der dafür erforderlichen Mittel. 2 Hierzu zählen auch kalkulatorische Kosten … 4 Nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähig sind insbesondere die in der Anlage 2 aufgeführten Kosten.
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Die Anlage 2 der AVBayRDG bestand aus einer Tabelle, die nach Kostenarten (Personal- und Sachkosten, sowie sonstige Kosten) aufgefächert einzelne Positionen anführte und erläuterte. Weiterhin waren die Durchführenden des Rettungsdienstes verpflichtet, im Rettungsdienst durchgeführte Einsätze ausschließlich über die Zentrale Abrechnungsstelle (ZAST) abzurechnen und den Zahlungsverkehr über diese abzuwickeln (§ 41 Abs. 1 Satz 2 AVBayRDG [ab 01.08.2017: § 34]). Dazu hieß es in § 42 AVBayRDG [ab 01.08.2017: § 35]:
(1) 1 Zur Erstellung der Gesamtschlussrechnung nach Art. 34 Abs. 9 Satz 1 Nr. 7 BayRDG legen die Landesverbände der Durchführenden des Rettungsdienstes … bis zum Ablauf des fünften Monats nach Ende des Entgeltzeitraums der Zentralen Abrechnungsstelle jeweils eine Schlussrechnung über den Vollzug der Kostenvereinbarung vor …
(2) 1 In den Schlussrechnungen sind die nach Art. 32 Satz 2 BayRDG ansatzfähigen eigenen Kosten gegliedert nach den Kostenarten gemäß Anlage 2 auszuweisen. 2 Die in den Kostenvereinbarungen anerkannten und die tatsächlichen Kosten sollen gegenübergestellt werden; Abweichungen bei Einzelpositionen sind, soweit sie nicht nur geringfügig sind, zu begründen … 4 In der Gesamtschlussrechnung sind alle Einnahmen- und Kostenpositionen gegliedert nach den Kostenarten gemäß Anlage 2 auszuweisen.
b) Vertragliche Regelungen
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Der Landesverband, vertreten durch den Angeklagten K, schloss jeweils für die Jahre 2014 bis 2018 mit der ARGE und dem vdek (fortan auch: Sozialversicherungsträger) Entgeltvereinbarungen i.S.d. § 34 Abs. 1 BayRDG ab. Bei der ARGE handelte es sich um eine Arbeitsgemeinschaft der Landesverbände der gesetzlichen Krankenkassen in Bayern, beim vdek handelte es sich um den Verband der Ersatzkassen e.V., in dem mehrere Ersatzkassen zusammengeschlossen waren. Die Sozialversicherungsträger wurden bei den Vertragsverhandlungen regelmäßig durch Mitarbeiter der AOK Bayern repräsentiert, die insoweit federführend waren. Die für die Jahre 2014 bis 2018 abgeschlossenen Kosten- bzw. Entgeltvereinbarungen (fortan auch: EntgeltV) enthielten übereinstimmend folgende Regelungen:
§ 6 Kosten-/Leistungsnachweis, Schlussabrechnung
1. Der A… legt der ZAST fristgemäß gem. § 42 AVBayRDG eine Schlussrechnung über den Vollzug der Entgeltvereinbarung vor. In der Schlussrechnung sind die nach Art. 32 Abs. 1 BayRDG ansatzfähigen Kosten gegliedert nach Kostenarten auszuweisen. Dabei sind die in der Entgeltvereinbarung anerkannten und die tatsächlichen Kosten gegenüberzustellen. Abweichungen bei Einzelpositionen sind, soweit sie nicht nur geringfügig sind, näher zu begründen. Der A… ist berechtigt, Kostenüber- und unterschreitungen in den Einzelpositionen gegeneinander zu verrechnen …
2. Der A… verpflichtet sich, gegenüber den Sozialversicherungsträgern die Schlussrechnung entsprechend den Erfordernissen einer erweiterten kameralen Buchhaltung zu erstellen, die Kosten transparent darzustellen und die Grundlagen der Buchhaltung auch gegenüber den Sozialversicherungsträgern offen zulegen …
4. Sollten die ansatzfähigen Plankosten die tatsächlichen Kosten des Entgeltzeitraumes übersteigen, verbleibt ein sich daraus ergebender Überschuss bei der ZAST. Der A… ist jedoch berechtigt, zusätzlich zu den ansatzfähigen Plankosten rettungsdienstliche Aufwände (entspr. Schreiben BayStMl vom 03.11.2006) abzurechnen …
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Das in § 6 Nr. 4 Satz 2 EntgeltV genannte Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern hatte seinerzeit auf eine Anfrage des Angeklagten K geantwortet. Der hatte sich im Herbst 2006 beim Ministerium – der obersten Rettungsdienstbehörde Bayerns (Art. 49 Abs. 1 Nr. 1 BayRGD) – nach der Möglichkeit der Vereinbarung eines Budgets für die Durchführung des Rettungsdienstes durch den A… erkundigt. Unter Budget war gemeint die Zuweisung eines vereinbarten fixen Geldbetrags an den Durchführenden, der nach Ablauf des Wirtschaftsjahres nicht abgerechnet werden musste. Etwaige Überschüsse aufgrund wirtschaftlicher Mittelverwendung verblieben beim Durchführenden. Er blieb aber umgekehrt auf Verlusten sitzen, sollte sich die vereinbarte Summe nicht als auskömmlich erweisen. Ein Haushalt zeichnete sich demgegenüber dadurch aus, dass Überschüsse an die ZAST abzuführen waren (vgl. § 6 Nr. 4 Satz 1 EntgeltV), Defizite andererseits aber durch Nachverhandlungen ausgeglichen werden konnten (vgl. Art. 34 Abs. 7 Satz 3 BayRDG).
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Das Ministerium hatte, der damaligen Rechtslage entsprechend (anders im hier interessierenden Zeitraum: Art. 34 Abs. 5 Satz 4, Abs. 7 Satz 3 BayRDG), die Möglichkeit der Vereinbarung eines Budgets verneint, jedoch in dem Schreiben weiter ausgeführt:
Keine Bedenken bestehen gegen die Vereinbarung einer weit reichenden gegenseitigen Deckungsfähigkeit einzelner Haushaltspositionen, um einen flexiblen Vollzug der Entgeltvereinbarung zu ermöglichen. Aufgrund des Kostendeckungsprinzips ist aber auch in diesem Fall erforderlich, dass bei der Abrechnung des Entgeltzeitraumes in der nach § 6 Abs. 8 und 9 der 2. AVBayRDG vorzulegenden Schlussrechnung etwaige Abweichungen von den vereinbarten Haushaltsansätzen dargestellt und begründet werden. Dies ist auch deshalb von Bedeutung, da die Schlussrechnungen insoweit auch als Verhandlungsgrundlage für zukünftige Entgeltvereinbarungen dienen …
Art. 24 BayRDG steht auch einer Überdeckung der Kosten des Rettungsdienstes entgegen. Daher ist nach § 6 Abs. 10 der 2. AVBayRDG grundsätzlich ausgeschlossen, dass aufgrund sparsamer Haushaltsführung erwirtschaftete Überschüsse zur freien Verwendung bei den Durchführenden verbleiben. Zulässig wäre jedoch, in der Entgeltvereinbarung festzulegen, dass bei einem Überschuss verbleibende Ausgabenreste ganz oder teilweise bei den Durchführenden verbleiben, damit diese sie für Zwecke des Rettungsdienstes, deren Kosten nicht nach Art. 24 BayRDG ansatzfähig sind, verwenden. Dies beträfe etwa freiwillige Leistungen, die das Maß des rettungsdienstrechtlich Notwendigen übersteigen … Der in dem Schreiben zitierte Art. 24 BayRDG (a.F.) hatte bis zum Inkrafttreten der Novelle vom 22.07.2008 (GVBl. 2008, S. 429) den gleichen Regelungsgegenstand wie der spätere Art. 34 BayRDG (vgl. GVBl. 1990, S. 282).
3. Die Finanzierungen des Rettungsdienstes des A… für die Jahre 2014 bis 2018
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Für die Entgeltzeiträume 2013 bis 2018 schloss der Angeschuldigte K unter vorbereitender Mitwirkung der beiden anderen Angeklagten namens des Landesverbandes mit den Sozialversicherungsträgern jährlich Entgeltvereinbarungen in Form eines sog. Haushaltes ab, in denen jeweils die o.g. Regelungen des § 6 EntgeltV enthalten waren. Als Grundlage der Verhandlungen dienten jeweils die vorangegangene Abrechnung und die Kostenvereinbarung des Vorjahres.
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Nach Abschluss der jeweiligen Entgeltvereinbarungen stellen die Sozialversicherungsträger dem Landesverband jährlich im Voraus den Haushalt in Höhe seiner voraussichtlichen rettungsdienstlichen Kosten für das Kalenderjahr (sog. Plankosten) zur Verfügung. Während des Jahres erhielt der Landesverband dabei durch die ZAST wöchentliche Teilzahlungen (1/52-tel der Haushaltssumme, insgesamt 49/52-tel) auf seine mit den Sozialversicherungsträgern vereinbarten voraussichtlichen Kosten, wobei zunächst 3/52-stel bis zur Gesamtabrechnung einbehalten werden. Nach Ablauf eines Kalenderjahres waren vom Landesverband die tatsächlich entstandenen Kosten in einer Schlussrechnung nachzuweisen und gegenüber der Kostenvereinbarung abzurechnen. Der Landesverband seinerseits reichte das von der ZAST eingehende Geld nicht vollständig, aber großenteils an seine Gliederungen weiter, um den vor Ort geleisteten Rettungsdienst zu finanzieren. Die Gliederungen erhielten dazu am Jahresanfang vom Landesverband jeweils ein Budget zugewiesen, mit dem sie auskommen sollten.
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Die Abrechnungen des Landesverbandes gegenüber der ZAST nach Ablauf eines jeden Wirtschaftsjahres erfolgten derart, dass der Angeklagte Ka – solange er beim Landesverband beschäftigt war – zunächst bei den Gliederungen deren Abrechnungen einforderte. Anhand dieser Abrechnungen sowie der von der A-N… und auch vom Landesverband (Kostenstelle 600) erhaltenen Abrechnungen ermittelten die Angeklagten Ka und W die Summe der dort abgerechneten rettungsdienstlichen Aufwendungen des betreffenden Abrechnungsjahres. Diese lag jeweils signifikant unter dem vereinbarten Haushaltsrahmen. Der Angeklagte W erhöhte sodann diese Summe, indem er eine Excel-Tabelle erstellte, mit deren Hilfe er – ausgehend vom prozentualen Anteil der Personalstärke der jeweiligen Gliederung im Verhältnis zur Gesamtpersonalstärke aller beteiligten Gliederungen – einen Betrag insgesamt knapp unterhalb des vereinbarten Haushalts auf die einzelnen Gliederungen und dort auf verschiedene Kostenstellen verteilte. Die so ermittelten Aufschläge arbeitete der Angeklagte Ka sodann in die Gesamtabrechnung ein und erstellte nach abschließender gemeinsamer Feinjustierung für die einzelnen Verbände neue, entsprechend angepasste Abrechnungsblätter. Diese unterzeichnete der Angeklagte K, fügte sie der Gesamtabrechnung als Belege bei und übersandte sie zusammen mit W an die ZAST, um hierdurch die abschließende Auszahlung an den Landesverband zu erreichen. Nachdem der Angeklagte Ka am 20.02.2018 durch den Angeklagten K zunächst freigestellt und eine Woche später gekündigt worden war, übernahm die Mitarbeiterin D, die seit 01.07.2017 beim Landesverband beschäftigt war, die von Ka bereits begonnene Erfassung der Kosten für den Abrechnungszeitraum 2017.
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Die Verwendung der Differenz zwischen der Summe der Einzelabrechnungen der Gliederungen, der A-N… und des Landesverbandes über die Kostenstelle 600 einerseits und dem vom Landesverband gegenüber der ZAST abgerechneten Gesamtbetrag andererseits war buchhalterisch nicht insgesamt nachvollziehbar belegt. Im Einzelnen ergaben sich folgende Differenzbeträge:
Fall Nr.
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Abrechnungs-zeitraum
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Eingang der Abrechnung bei der ZAST
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Datum der (Rest-) Zahlung
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Nicht belegte Differenz
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2
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2014
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10.06.2015
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26.06.2015
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960.870,75 €
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3
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2015
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01.06.2016
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23.06.2016
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800.877,98 €
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4
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2016
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31.05.2017
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10.07.2017
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1.078.164,44 €
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5
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2017
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16.05.2018
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28.06.2018
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404.125,09 €
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In Bezug auf die Differenz haben die Angeklagten teilweise nicht weiter deklarierte Sonderposten gebildet, von ihnen auch „Töpfchen“ genannt, die sie – letztentscheidend der Angeklagte K – nach eigenem Gutdünken für Zwecke des Landesverbandes oder der Gliederungen verwendeten. Die Kammer konnte sich indes nicht die zweifelsfreie Überzeugung dahin bilden, dass diese Mittelverwendungen sich außerhalb der Zwecke des Rettungsdienstes bewegt hätten.
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Auch für das Jahr 2018 hatte der Angeklagte K nach vorheriger Absprache mit den Angeklagten W und Ka seit dem 24.11.2017 mit den Sozialversicherungsträgern über eine Entgeltvereinbarung in Form eines Haushaltes verhandelt und einen solchen auch vereinbart. Anfang November 2018 trat er jedoch an den Zeugen S, den Verhandlungsführer auf Seiten der Sozialversicherungsträger, heran und schlug ihm im Rahmen der Verhandlungen für den Entgeltzeitraum 2019 vor, den für das Jahr 2018 vereinbarten Haushalt nachträglich als Budget festzulegen. Dabei stellte er die Haushaltsplanung 2019 unter die Bedingung, dass für die Jahre 2018 und 2019 ein Budget vereinbart wird. Der Zeuge S ging darauf ein und die Sozialversicherungsträger änderten nach interner Abstimmung den vereinbarten Haushalt nachträglich am 03.12.2018 in ein Budget um mit der Folge, dass weder Rückzahlungen an die ZAST notwendig noch Nachforderungen möglich waren.
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Die Kammer konnte sich keine zweifelsfreie Überzeugung bilden, dass die Vereinbarung dieses Budgets – wie von der Anklage behauptet (Fall 6) – vonseiten der Angeklagten K und W darauf beruhte, dass sie dort bewusst zu Unrecht nicht vom Zweck des Rettungsdienstes gedeckte Ausgaben in Gesamthöhe von 452.813,40 € eingepreist hätten. Demgemäß konnte sie auch nicht feststellen, dass die ZAST in der Folgezeit aufgrund der Budgetvereinbarung Gelder in dieser Höhe zu Unrecht an den Landesverband auszahlte.
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Die Kammer konnte sich in allen Fällen ebenso wenig eine zweifelsfreie Überzeugung dahin bilden, dass die Angeklagten hinsichtlich der nicht vollständig belegten Differenz im Verhältnis zu ZAST und ARGE in der Absicht gehandelt hätten, den A… auf Kosten der Sozialversicherungsträger zu Unrecht zu bereichern.
1. Persönliche Verhältnisse
a) Einlassungen der Angeklagten
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Die Angeklagten haben die Praxis der Erhöhung der Summe der Abrechnungen der Gliederungen bis knapp unter das vereinbarte Haushaltsvolumen bestätigt. Die Angeklagten K und W haben aber darauf insistiert, insoweit entsprechend den Vorgaben gehandelt zu haben. Der Angeklagte Ka stellte klar, dass er – anders als dies seinen Aussagen bei der Polizei entnommen werden könnte – nicht gewusst habe, wie diese Erhöhungen zustande gekommen und wodurch sie im Einzelnen gerechtfertigt gewesen seien. Er habe nie behauptet und nie behaupten wollen, er wüsste positiv, dass die Differenzen zweckfremd verwendet worden wären. Daher erhoffe er sich durch den Prozess Antworten auf seine Fragen.
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Die getroffenen Feststellungen beruhten – neben den Einlassungen der Angeklagten – im Wesentlichen auf der Vielzahl der im Verfahren gelesenen Urkunden und auf den Aussagen der vernommenen Zeugen, insbesondere aus den A…-Gliederungen, von der ARGE und der ZAST sowie aus der Geschäftsstelle des Landesverbandes.
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aa) Die alljährliche Praxis der Erhöhung der Summe der Einzelabrechnungen der Gliederungen, der A-N… und des Landesverbandes bis knapp an das Haushaltsvolumen und die anschließende Abrechnung des erhöhten Betrags gegenüber der ZAST wurde durch die gelesenen E-Mails und die Auswertungen der Zeugin Ko ergänzend belegt. Die Beweisaufnahme hat aber ebenfalls bestätigt, dass es Ausgaben für den Rettungsdienst gab, die in den Abrechnungen der Gliederungen, der A-N… und des Landesverbandes (Kostenstelle 600) nicht ausgewiesen waren. Damit war die Ausgangsthese der Anklage widerlegt, der Betrugsschaden sei identisch mit der Differenz zwischen der Summe dieser Abrechnungen und der von den Angeklagten erhöhten Abrechnungssumme. Insofern ist auf die gelesenen E-Mails zu verweisen, aus denen sich beispielsweise ergab, dass die Angeklagten Zahlungen aus den „Töpfchen“ bewilligten für Thoraxkompressionsgeräte (LUCAS) zu Trainingszwecken, für die Beschaffung eines Fahrzeugs für die Rettungshunde, für Helme mit Sichtschutz, für die Renovierung von Umkleide- und Rettungsräumen, für Fortbildungen, für Rückstellungen zur Altersvorsorge oder zur Abfindung in einem Kündigungsrechtsstreit (solche Rückstellungen waren schon nach dem Gesetz abrechenbar, vgl. Anlage 2 zur AVBayRDG, dort unter 1). Weiterhin waren nach § 34 Abs. 1 Satz 2 AVBayRDG [ab 01.08.2017: § 27] abrechenbare kalkulatorische Positionen vorhanden, die allerdings nicht durch Belege dokumentiert waren. Weil es diese Beweise für weitere, nicht ausschließbar dem Rettungsdienst zuzuordnende Ausgaben gab, weil zudem die vernommenen Zeugen, insbesondere Dr. L und KHK R, von keinem einzigen Fall der evident zweckfremden Verwendung der Mittel berichten konnten, durfte die Kammer – ohne unzulässig zugunsten der Angeklagten zu spekulieren (vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2024 – 6 StR 71/24, juris Rn. 9 m.w.N.) – annehmen, die Mittel aus den genannten Differenzen seien nicht ausschließbar für rettungsdienstliche Zwecke verausgabt worden.
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bb) Dabei ist allerdings auch deutlich geworden, dass auf allen mit der Abrechnung des Rettungsdienstes befassten Ebenen – sofern überhaupt ein Problembewusstsein dafür vorhanden war – Unklarheit darüber herrschte, was inwieweit abrechenbar war. Genauso wenig wie die Mitarbeiter des Landesverbandes und der Gliederungen der Kammer erklären konnten, was sie seinerzeit unter Rettungsdienstkosten verstanden haben – was angesichts der durchaus offenen Umschreibung in BayRDG und AVBayRDG („insbesondere“) letztlich nicht verwunderte –, konnten sie der Kammer sicher darlegen, was sie sich damals unter den sog. rettungsdienstnahen Kosten vorstellten. Einigkeit im Sinne des kleinsten gemeinsamen Nenners bestand lediglich insoweit, dass die abzurechnenden Kosten „mit Blaulicht“ zu tun haben sollten. Die Kammer mochte diese Unklarheiten und Unsicherheiten im Falle der Angeklagten nicht dahin werten, dass damit ein bedingter Vorsatz hinsichtlich einer Falschabrechnung hätte bejaht werden können. Das wäre, nachdem ein Betrugsschaden objektiv nicht erweislich war, ohnehin nur im Rahmen eines untauglichen Versuchs darstellbar gewesen. Gegen die Annahme eines bedingten Betrugsvorsatzes sprach zudem, dass die Angeklagten die von ihnen gepflegte Abrechnungsweise verbandsintern wiederholt offen kommunizierten. So hat der Angeklagte K schon am 17.01.2007 im Rahmen einer Rettungsdienstbesprechung zum Stand der Verhandlungen des A… mit der ARGE ausweislich des damaligen Protokolls mitgeteilt:
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Der Haushalt 2007 des A… ist ein „Rettungsdienst-Budget“. Das heißt, Verschiebungen zwischen Personal- und Sachkosten sind möglich. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, „rettungsdienstnahe“ Kosten, die bisher nicht nach Artikel 24 BayRDG erstattungsfähig waren, abzurechnen. Das Bayerische Staatsministerium des Innern sieht die Möglichkeit, bei einem Überschuss „Ausgabenreste“ für rettungsdienstliche Zwecke zu verwenden. Beispiele hierfür sind: höhere Dispo.-Kosten, Ausbildung von Ehrenamtlichen für den Rettungsdienst, Umsetzung von Strukturmaßnahmen, Rückstellungen für Strukturmaßnahmen, etc.
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Die durchgeführte Beweisaufnahme sprach deutlich dafür, dass genau dieser Abrechnungsansatz in der Folgezeit durch den Landesverband auch praktiziert wurde. Aufseiten der ARGE, deren Verhandlungen mit dem A… in den Jahren 2006 und 2007 durch nachermittelten E-Mail- und Schriftverkehr rekonstruiert werden konnten, sind demgegenüber – und dies mag mit zum hiesigen Strafverfahren beigetragen haben – die Kenntnisse über diese Verhandlungen und Vereinbarungen infolge eines personellen Schnitts entfallen, wie die Beweisaufnahme gezeigt hat. Die ursprünglichen Verhandlungsführer der ARGE haben 2009 ihre Posten geräumt. Die an ihre Stelle ohne eine geordnete Übergabe getretenen Zeugen S und W kannten die in den Textbausteinen über die Jahre fortgeführten Regelungen des § 6 Nr. 4 EntgeltV mit dem Schreiben des BayStMI nicht und waren sich ausweislich der Aussagen vor der Kammer – damals – ihres Regelungsgehalts nicht bewusst.
IV. Rechtliche Beurteilung
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Der festgestellte Sachverhalt ermöglichte der Kammer nicht die Bejahung vollendeter oder versuchter Betrugstaten zulasten der ARGE.
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1. Der Vorwurf des Abrechnungsbetrugs beurteilte sich nicht nach der streng formalen Betrachtungsweise des Sozialrechts. Diese besagt, dass ein Vermögensschaden bereits dann entsteht, wenn ein Leistungserbringer eine Leistung abrechnet, die nach den sozialrechtlichen Vorgaben des jeweiligen Abrechnungssystems (z.B. betreffend die Qualifikation des Personals) nicht abrechenbar ist (vgl. NK-MedizinStR/Magnus, 2023, StGB § 263 Rn. 130 ff.; aus sozialrechtlicher Sicht z.B. BSG, Urteil vom 23.06.2010 – B 6 KA 7/09 R, juris Rn. 67; Urteil vom 29.01.1997 – 6 RKa 24/96, juris Rn. 23). Solche zwingenden Vorgaben folgten hier nicht aus der Zuordnung bestimmter Beträge zu bestimmten Positionen des Personal-, Sach- und sonstigen Aufwandes im vereinbarten Haushalt bzw. in der abschließenden Abrechnung für ein jedes Jahr. Denn § 6 Nr. 1 EntgeltV erlaubte eine beliebige Verrechenbarkeit der einzelnen Positionen gegeneinander. Diese Verrechenbarkeit entsprach der gelebten Praxis und, wie das Schreiben des StMI vom 03.11.2006 bestätigte, der Rechtsauffassung der obersten Rettungsdienstbehörde. Wie der Zeuge S, der die Haushaltsverhandlungen für die ARGE federführend geleitet hatte, vor der Kammer ausführte, sei es aus seiner Sicht vollkommen gleichgültig gewesen, ob der A… die zugewiesenen Gelder in der in den Abrechnungen behaupteten Höhe für die jeweiligen Positionen aufgewandt habe oder stattdessen für andere zweckgemäße Ausgaben, solange das jeweils vereinbarte Haushaltsvolumen nicht überschritten worden sei.
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2. Es spricht zwar viel dafür, dass die Verrechnungen und die unzureichende Abbildung und Nachweisung der Mittelverwendung der Sonderposten und „Töpfchen“ in den Büchern des Landesverbandes die Transparenzanforderungen des § 6 Nr. 2 EntgeltV verfehlten. Die Kammer zog daraus aber nicht den Schluss, die tatsächliche Mittelverwendung sei zweifelsfrei zweckwidrig erfolgt. Darauf aber kam es maßgeblich an, nämlich ob der zwischen dem A… und der ARGE vereinbarte und durch die Gewährung der Mittel seitens der ARGE geförderte Zweck erreicht oder verfehlt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 30.06.1982 – 1 StR 757/81, juris Rn. 22 f.; Urteil vom 01.08.1984 – 2 StR 341/84, juris Rn. 18 f.; Beschluss vom 11.09.2003 – 5 StR 524/02, juris Rn. 58; Beschluss vom 26.01.2006 – 5 StR 334/05, juris Rn. 7; LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Rn. 185; NK-StGB/Kindhäuser/ Hoven, 6. Aufl., § 263 Rn. 287, 296).
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Der Zweck, der vom A… hier legitimerweise verfolgt werden durfte, war nach den alljährlich gleicherweise getroffenen Vereinbarungen denkbar weit gezogen. Insbesondere ermöglichte das in § 6 Nr. 4 EntgeltV jeweils einbezogene Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 03.11.2006 den Ansatz von nach dem BayRDG an sich nicht ansatzfähigen Kosten, sofern es für Zwecke des Rettungsdienstes erfolgte. Diese von den Angeklagten, aber auch von den weiteren Zeugen aus dem A… meist als rettungsdienstnahe Kosten, teils auch als Kosten des erweiterten Rettungsdienstes bezeichneten Aufwände waren, wie die Beweisaufnahme eindrücklich bestätigte, nicht klar definiert. Das im Ergebnis weitgefasste Begriffsverständnis (Blaulichtzwecke) war nach dem Wortlaut des Gesetzes und der Verträge jedenfalls möglich. Die Rechtsauffassung der obersten Rettungsdienstbehörde erlaubte ausdrücklich das Hinausgehen über das, was das BayRDG ermöglichte, solange es für Zwecke des Rettungsdienstes erfolgte. Diese weite Zwecksetzung wurde nach durchgeführter Beweisaufnahme bei der Mittelverwendung nicht nachweislich verfehlt, vielmehr sprachen die erhobenen Beweise insgesamt dafür, dass die Mittel – in diesem weiten Sinne – zweckkonform eingesetzt wurden.
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3. Es ist nach alldem fraglich, ob die zwischen ARGE und A… vereinbarten Regelungen der im BayRDG angelegten Unterscheidung von Haushalt und Budget entsprachen. Denn mit der Abrechnung von an sich nicht abrechenbaren Kosten bis zum „Deckel“ des vereinbarten Haushalts wurde dem A… einerseits die Möglichkeit eröffnet, „quasi ein Budget“ zu haben, wie es auch vonseiten der Angeklagten wiederholt behauptet worden ist. Andererseits stand dem Landesverband die – im fraglichen Zeitraum tatsächlich nicht genutzte – Möglichkeit offen, bei eventueller Unterdeckung nachzuverhandeln, denn formell war ja nur ein Haushalt vereinbart (vgl. Art. 34 Abs. 7 Satz 3 BayRDG). Wenn es den Angeklagten somit wiederholt gelungen ist, für den Landesverband im Ergebnis gut zu verhandeln und ihm günstige Entgeltvereinbarungen herbeizuführen, begründet das aber keinen Betrug zulasten der ARGE. Dass dort die Vereinbarungen in ihrer Tragweite möglicherweise nicht vollständig begriffen wurden, ging nicht zulasten der Angeklagten und begründete bei ihnen nach dem Verlauf der Geschehnisse auch keine betrugsrelevanten Aufklärungspflichten.
V. Entschädigungsentscheidung
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Gegen den Angeklagten K wurde am 05.06.2019 ein auf § 102 StPO gestützter Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Nürnberg vollzogen (AG Nürnberg, Beschluss vom 27.05.2019 – 57 Gs 5104/19), als sein Privathaus in … durchsucht wurde. Dabei kam es auch zur Sicherstellung von Beweismitteln.
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Gegen den Angeklagten W wurde am 05.06.2019 ein auf § 102 StPO gestützter Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Nürnberg vollzogen (AG Nürnberg, Beschluss vom 27.05.2019 – 57 Gs 5105/19), als seine Wohnung in … durchsucht wurde. Dabei kam es auch zur Sicherstellung von Beweismitteln.
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Die Durchsuchungsbeschlüsse waren darauf gestützt, dass beide Angeklagten die ARGE im Zusammenhang mit der Finanzierung des Rettungsdienstes betrogen haben sollen. Damit sind gegen beide – nachdem sie insoweit freigesprochen wurden – grundsätzlich entschädigungspflichtige Strafverfolgungsmaßnahmen vollzogen worden (§ 2 Abs. 1, 2 Nr. 4 StrEG). Die Kammer hat erwogen, ob die bei der Abrechnung des Rettungsdienstes von den Angeklagten jahrelang geübte Intransparenz in der Dokumentation der Verwendung von Mitteln aus den „Töpfchen“ den Grad grober Fahrlässigkeit erreicht haben kann, der bei der gebotenen ex-ante-Betrachtung (BGH, Beschluss vom 01.09.1998 – 4 StR 434/98, juris Rn. 2) den Ausschluss der Entschädigung hätte rechtfertigen können (§ 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG). Das hat sie nach Lage des Falls verneint.
D. Einziehungsentscheidung
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Für die Jahre bis 2016 war die Einziehung von Vornherein ausgeschlossen, weil die ARGE mit dem Landesverband einen Vergleich mit Abgeltungsklausel abgeschlossen hat, aufgrund dessen letzterer 4 Mio. € für etwaig zu Unrecht vereinnahmte Gelder aus dem Zeitraum 2009 bis 2016 an die ARGE erstattet hat (§ 73e Abs. 1 Satz 1 StGB). Für die Jahre 2017 und 2018 ist die Einziehung deshalb ausgeschlossen, weil der Landesverband das Geld nicht nachweislich aufgrund Betruges von der ARGE erlangt hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1, § 467 Abs. 1 StPO.