Titel:
Schriftverkehr des Strafgefangenen mit Verteidigern und sonstigen Rechtsanwälten
Normenketten:
BayStVollzG Art. 32
StVollzG § 115 Abs. 3
Leitsätze:
1. Von Art. 32 Abs. 1 S. 1 BayStVollzG wird auch die Vertretung in Strafvollzugsangelegenheiten erfasst, nicht aber die Kommunikation mit Rechtsanwälten oder Verteidigern im allgemeinen. (Rn. 6)
2. Im Bayerischen Strafvollzug müssen die privilegierten Schreiben als solche deutlich gekennzeichnet sein. Die Funktion des Rechtsanwalts als Verteidiger muss feststehen, damit die Post von der Überwachung ausgenommen wird. (Rn. 6)
Schlagworte:
Strafgefangener, Schriftverkehr, Überwachung, Kennzeichnung, Verteidiger, Rechtsanwalt, Strafvollzugsangelegenheit
Vorinstanz:
LG Landshut, Beschluss vom 30.07.2024 – 3 StVK 196/23
Fundstellen:
StV 2025, 200
BeckRS 2024, 38000
Tenor
I. Die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss der Kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landshut vom 30. Juli 2024 wird auf seine Kosten einstimmig als unzulässig verworfen, da die Nachprüfung der gerichtlichen Entscheidung weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist (§ 116 Abs. 1, § 119 Abs. 3 StVollzG i.V.m. Art. 208 BayStVollzG).
II. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 100.- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG i.V.m. Art. 208 BayStVollzG unzulässig, weil es nicht geboten ist, die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu überprüfen. Der Fall gibt keinen Anlass, Leitsätze für die Auslegung gesetzlicher Vorschriften des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken zu schließen (vgl. Arloth/Krä StVollzG, 5. Aufl., § 116 Rn. 3 m.w.N.; Laubenthal in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetz, 7. Aufl. 2020, 12. Kapitel Rechtsbehelfe § 116 Rn. 4 m.w.N.). Von der angefochtenen Entscheidung geht auch keine Gefahr für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung aus (vgl. Arloth/Krä a.a.O. Rn. 3a; Laubenthal a.a.O. Rn. 5 m.w.N.). Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die auch nach dem Vortrag der Rechtsbeschwerde keine Folgen zeitigt.
2
Ergänzend bemerkt der Senat:
3
1. Die Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO i.V.m. § 120 Abs. 1 S. 2 StVollzG) ist entgegen § 118 Abs. 2 S. 2 StVollzG mangels Benennung einer bestimmten Tatsache, deren Aufklärung das Gericht unterlassen hat, sowie der Beweismittel, derer sich der Tatrichter hätte bedienen sollen, und mangels der Darlegung, welche Umstände das Gericht zu der vermissten Beweiserhebung hätten drängen müssen und welches Ergebnis von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre, nicht hinreichend ausgeführt und damit nicht zulässig erhoben.
4
2. Die Strafvollstreckungskammer durfte hier zu dem Ergebnis kommen, dass nach der Erledigung des Anfechtungsantrags vom 28. März 2023, gerichtet auf die Aufhebung der Anordnung vom 28. März 2023, die Verteidigerpost vom 27. März 2023 als solche zu kennzeichnen, nach der vom Antragsteller mit Schreiben vom 29. April 2023 zugestandenen Versendung des verfahrensgegenständlichen Briefes, seiner Verlegung in eine andere Anstalt und mit Blick auf seine Erledigterklärung sowohl für den Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 115 Abs. 3 StVollzG als auch für den allgemeinen Feststellungsantrag kein Feststellungsinteresse vorliegt.
5
a. Der Antragsteller verbüßt eine mehrjährige Freiheitsstrafe. Den verfahrensgegenständlichen Anträgen auf gerichtliche Entscheidung liegt nach seinem Vorbringen zugrunde, dass die Justizvollzugsanstalt L. am 28. März 2023 unter Verweis auf Art. 32 BayStVollzG darauf bestand, dass der Strafgefangene einen vom ihm am Vortag hinausgegebenen Brief an eine Rechtsanwältin als Verteidigerpost zu kennzeichnen habe, wolle er die Privilegien von Art. 32 Abs. 1 S. 1 BayStVollzG in Anspruch nehmen. Der Brief wurde mittlerweile versandt, der Antragsteller in eine andere Vollzugsanstalt verlegt. Mit Schreiben vom 27. Mai 2024 hat er die Erledigung der Anträge erklärt und die Feststellung der Rechtswidrigkeit nach § 115 Abs. 3 StVollzG beantragt.
6
b. Art. 33 Abs. 1 und 2 BayStVollzG sieht vor, dass die Gefangenen auch die Absendung ihrer Schreiben durch die Anstalt vermitteln lassen, wobei diese gehalten ist, ausgehende Schreiben unverzüglich weiterzuleiten. Nach Art. 32 Abs. 1 S. 1 BayStVollzG wird der Schriftwechsel der Gefangenen mit ihren Verteidigern nicht überwacht. Erfasst von der Vorschrift wird auch die Vertretung in Strafvollzugsangelegenheiten (Arloth/Krä a.a.O. § 26 Rn. 1), nicht aber die Kommunikation mit Rechtsanwälten im allgemeinen (Arloth/Krä a.a.O. § 29 Rn. 6) oder mit dem Verteidiger ohne Bezug zur Verteidigung (Arloth/Krä a.a.O. § 29 Rn. 6). In der Rechtsprechung und in der Literatur ist anerkannt, dass die Verteidigerpost in den Bundesländern, die Anwälte nicht mit Verteidigern gleichbehandeln, als solche deutlich gekennzeichnet sein muss (Arloth/Krä a.a.O. § 29 Rn. 6; Laubenthal/Baier in Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/Baier, Strafvollzugsgesetze, 13. Aufl., Kap. E III Rn. 74 m.w.N.). Die Vorgabe gilt auch für ausgehende Post (Laubenthal/Baier a.a.O.). Die Funktion des Rechtsanwalts als Verteidiger muss feststehen, damit die Post von der Überwachung ausgenommen wird (Laubenthal/Baier a.a.O. m.w.N.). Zu diesem Zweck darf eine Kontrolle der Post nach äußeren Merkmalen erfolgen (Laubenthal/Baier a.a.O. m.w.N.). Im vorliegenden Fall entsprach der Hinweis der Vollzugsanstalt somit der Rechtslage und war für den Antragsteller auch kurzfristig ohne weiteres mittels eines auf dem Umschlag anzubringenden Vermerks umsetzbar. Der mit Schreiben vom 28. März 2023 erhobene Verpflichtungsantrag zu (3) und der Unterlassungsantrag zu (2) erweisen sich von vornherein als unzulässig, da sie nicht auf den Erlass oder die Unterlassung einer Maßnahme im Sinne von § 109 StVollzG gerichtet sind. Daher ist eine Zurückverweisung der Sache zur erneuten Entscheidung hier nicht veranlasst.
7
3. Dass die Strafvollstreckungskammer von einer Kostenentscheidung zulasten des Beschwerdeführers abgesehen hat, beschwert ihn nicht.