Titel:
Nutzung eines Postfachs für Tagezeitungen durch die Justizvollzugsanstalt
Normenketten:
BayStVollzG Art. 70
GG Art. 5
Leitsätze:
Erfolgt am Erscheinungstag keine Einlieferung der für einen Strafgefangenen bestimmten Ausgabe der Tageszeitung in das Postfach der Justizvollzugsanstalt, liegt kein Verstoß gegen das Gebot vor, dem Antragsteller die von ihm abonnierte Tageszeitung tagesaktuell auszuhändigen. (Rn. 5 – 8)
Werden Tageszeitungen von Strafgefangenen über die Deutsche Post AG bezogen, hat die Anstalt im Falle der Nutzung eines Postfachs zuverlässig dafür Sorge trägt, dass alle bis zum Abschluss der täglichen Sortierarbeiten durch die Mitarbeiter des Verteilerzentrums der Post in das Postfach eingelegten Sendungen noch am selben Tag abgeholt und zeitnah an die Strafgefangenen verteilt werden (Anschluss an BayObLG BeckRS 2024, 33593). (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Strafvollzug, Strafgefangener, Zeitung, Zustellung, verspätet, Postfach, Deutsche Post AG
Vorinstanz:
LG Regensburg, Beschluss vom 03.07.2024 – SR StVK 866/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 37995
Tenor
1. Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 3. Juli 2024 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird als unbegründet zurückgewiesen.
3. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 100.- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller verbüßt eine mehrjährige Freiheitsstrafe. Zum Zeitpunkt der Antragstellung befand er sich im Strafvollzug in der Justizvollzugsanstalt S. Mit Schreiben vom 18. Mai 2024 hat er bei der Strafvollstreckungskammer beantragt, festzustellen, dass die Nichtaushändigung der von ihm abonnierten Tageszeitung „FAZ.“, Ausgabe vom 15. Mai 2024, rechtswidrig war. Die Justizvollzugsanstalt als Antragsgegnerin hat im Rahmen ihrer Stellungnahme vorgetragen, dass am 15. Mai 2024 nach der Aussage des externen Zulieferers das Kontingent der für die Vollzugsanstalt bestimmten Tageszeitungen nur unvollständig geliefert worden wäre. Das für den Antragsteller bestimmte Exemplar der FAZ hätte sich nicht bei den vom Zulieferer für ihr Postfach gelieferten Zeitungen befunden. An diesem Tag wäre überhaupt keine Ausgabe der „FAZ“ geliefert worden. Die Strafvollstreckungskammer ist dem Vortrag der Vollzugsanstalt nicht nachgegangen und hat mit Beschluss vom 3. Juli 2024 festgestellt, dass die Aushändigung der Ausgabe der „FAZ“ vom 15. Mai 2024 (erst) am 16. Mai 2024 rechtswidrig gewesen sei. Die Vollzugsanstalt wäre in Kenntnis der bekannten Verzögerungen verpflichtet gewesen, ihre Praxis dahingehend umzustellen, dass Zeitungen nicht mehr in das Postfach eingelegt werden dürften, sondern unmittelbar an die JVA geliefert werden müssten. Gegen diesen ihr jedenfalls vor dem 17. Juli 2024 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 17. Juli 2024, bei Gericht eingegangen am 22. Juli 2024, Rechtsbeschwerde eingelegt, die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt und beantragt, den Antrag des Strafgefangenen auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen. Die Generalstaatsanwaltschaft M. schließt sich dem an und beantragt, auf die Rechtsbeschwerde hin den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Antrag des Strafgefangenen als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zu verwerfen.
2
Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde der Justizvollzugsanstalt ist gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG i.V.m. Art. 208 BayStVollzG zulässig, da eine Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.
3
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge weitestgehend vorläufig Erfolg. Der angefochtene Beschluss kann keinen Bestand haben. Die Begründung der Strafvollstreckungskammer trägt die Feststellung der Rechtswidrigkeit der verspäteten Aushändigung der Tageszeitung nicht. Das Verfahren ist zur weiteren Aufklärung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen.
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1. Rechtsfehlerfrei hat die Strafvollstreckungskammer den Feststellungsantrag des Strafgefangenen als zulässig erachtet (vgl. Arloth/Krä StVollzG, 5. Aufl. § 109 Rn. 5 m.w.N.).
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2. Ob sich die verzögerte Aushändigung der Tageszeitung als rechtswidrig erweist, beurteilt sich nach Art. 70 Abs. 1 BayStVollzG und Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG (BayObLG, Beschluss vom 13. November 2024 – 204 StObWs 375/24-, Ordnungspunkt III 1, zur Veröffentlichung vorgesehen; ausführlich BayObLG, Beschluss vom 11. November 2024 – 204 StObWs 362/24 –, ebenfalls zur Veröffentlichung vorgesehen).
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a. Nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Gerichts, die Justizvollzugsanstalt müsse innerhalb ihres Verantwortungsbereichs organisatorische Vorkehrungen treffen, damit die von den Gefangenen (zulässigerweise) abonnierten Zeitungen diese an allen werktäglichen Erscheinungstagen erreichen (ausführlich BayObLG, Beschluss vom 13. November 2024 a.a.O. Ordnungspunkt III 2 und BayObLG, Beschluss vom 11. November 2024 a.a.O. Ordnungspunkt III).
7
b. Der Justizvollzugsanstalt kann jedoch nicht ohne weiteres angelastet werden, dass sie mit der Nutzung eines Postfachs für den Bezug von Tageszeitungen einen für den Strafgefangenen nachteiligen Postempfangsweg gewählt hätte. Werden Tageszeitungen von Strafgefangenen über die DP AG bezogen, stellen sich nach der Rechtsprechung des vierten Strafsenats des Bayerischen Obersten Landesgerichts, der sich der dritte Strafsenat anschließt, die Einlegung der von der Post beförderten Zeitungen in den Hausbriefkasten der Vollzugsanstalt und die Einlieferung in ein von der Anstalt angemietetes Postfach mit anschließender Abholung im Hinblick auf die Qualität der Zustellung und auf die Regellaufzeiten als grundsätzlich gleichwertige Zustellverfahren dar, sofern die Anstalt im Falle der Nutzung eines Postfachs zuverlässig dafür Sorge trägt, dass alle bis zum Abschluss der täglichen Sortierarbeiten durch die Mitarbeiter des Verteilerzentrums der Post in ihrem Postfach einliegenden, damit in ihre Verfügungsmacht gelangten Sendungen noch am selben Tag abgeholt und zeitnah an die Strafgefangenen verteilt werden (BayObLG, Beschluss vom 13. November 2024 a.a.O. Ordnungspunkt III 2 b bb; ausführlich BayObLG, Beschluss vom 11. November 2024 a.a.O.).
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3. Ob die Vollzugsanstalt am 15. Mai 2024 alle bis zum Abschluss der Sortierarbeiten durch die Mitarbeiter des Verteilerzentrums der Post im Postfach der Anstalt einliegenden Tageszeitungen abholte und ob nach der Aussage des Zustellers eine rechtzeitige Einlieferung der „FAZ“ in das Verteilerzentrum ausgeschlossen werden kann, durfte die Strafvollstreckungskammer nicht offen lassen. Sie wird daher dem Vortrag der Antragsgegnerin nachgehen und von Amts wegen aufklären, ob am 15. Mai 2024 bis zum Abschluss der Sortierarbeiten im Verteilerzentrum keine Einlieferung der für den Antragsteller bestimmten Ausgabe der Tageszeitung in das Postfach erfolgte. Träfe die Behauptung zu, dann hätte die Justizvollzugsanstalt am 15. Mai 2024 nicht gegen das Gebot verstoßen, dem Antragsteller die von ihm abonnierte Tageszeitung tagesaktuell auszuhändigen.
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4. Lässt sich nicht mehr aufklären, ob die für den Antragsteller bestimmte Tageszeitung am 15. Mai 2024 rechtzeitig in das Postfach eingelegt wurde, geht dieser Umstand zu Lasten der Justizvollzugsanstalt (BayObLG, Beschluss vom 13. November 2024 a.a.O. Ordnungspunkt III 3 b bb; BayObLG, Beschluss vom 11. November 2024 a.a.O. Ordnungspunkt III a.E.; Senat, Beschluss vom 28. Juni 2021 – 203 StObWs 273/21 –, juris Rn. 7 ff.).
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5. Soweit die Beschwerdeführerin in der Rechtsbeschwerde eine Entscheidung in der Sache beantragt, ist das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen, da die Sache nicht spruchreif ist.
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1. Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen in der Rechtsbeschwerdeinstanz bleibt bei einer Zurückverweisung an die Strafvollstreckungskammer dieser vorbehalten.
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2. Die Festsetzung des Beschwerdewerts ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 8, §§ 65, 60, 52 GKG.