Titel:
Anspruch auf Abbruch einer Betriebsratswahl
Normenkette:
BetrVG § 13 Abs. 2 Nr. 2, § 16, § 18 Abs. 1, § 19, § 99, § 103 Abs. 3 S. 1
Leitsätze:
1. Der Abbruch einer Betriebsratswahl kommt nur bei Nichtigkeit der geplanten Wahl in Betracht. Die bloße Anfechtbarkeit genügt nicht (Anschluss an BAG BeckRS 2012, 65284 Rn. 24 ff.; LAG Hamm BeckRS 2016, 73201; LAG Baden-Württemberg BeckRS 2010, 67126). (Rn. 48 – 53) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Nichtigkeit der Betriebsratswahl ist in Abgrenzung zur grundsätzlich notwendigen Anfechtung nach § 19 BetrVG nur dann anzunehmen, wenn bei der Wahl des Betriebsrats gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden ist, dass selbst der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. Es muss sowohl ein offensichtlicher als auch ein besonders grober Verstoß gegen Wahlvorschriften vorliegen (Anschluss an BAG BeckRS 2004, 40503; LAG Baden-Württemberg BeckRS 2010, 67126). (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die (mögliche) Verkennung des betrieblichen Umfangs einer Organisationseinheit, in der gewählt werden soll, ist an sich kein Nichtigkeitsgrund (Anschluss an BAG BeckRS 2012, 65284 Rn. 61 ff.). (Rn. 58) (redaktioneller Leitsatz)
4. Nach § 16 Abs. 1 BetrVG erfolgt die Einsetzung eines Wahlvorstands grundsätzlich durch den Betriebsrat, der neu gewählt werden soll. Dies gilt auch in dem Fall, in dem die Wahl vorzeitig nach § 13 BetrVG stattzufinden hat. In dieser Konstellation hat das Gremium unverzüglich tätig zu werden. Wird es dies nicht, so kann entsprechend § 16 Abs. 2 und 3 BetrVG eine Bestellung durch das Arbeitsgericht oder den Gesamtbetriebsrat erfolgen. (Rn. 69) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die Nichtigkeit der Bestellung des Wahlvorstands ist auf ausgesprochen schwerwiegende Errichtungsfehler beschränkt, die dazu führen, dass das Gremium rechtlich inexistent ist. Eine nur fehlerhafte Bestellung genügt nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Errichtung in so hohem Maß verstoßen wurde, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Bestellung des Wahlvorstands nicht mehr besteht. Es muss sich um einen offensichtlichen und besonders groben Verstoß gegen die Bestellungsvorschriften der §§ 16 bis 17a BetrVG handeln. (Rn. 77) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Betriebsratswahl, Abbruch, Neuwahl, Mindestzahl, Wahlvorstand, Gesamtbetriebsrat
Vorinstanz:
ArbG München, Beschluss vom 26.11.2024 – 12 BVGa 51/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 37955
Tenor
Die Beschwerden der Beteiligten zu 1) und 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 26.11.2024, Az.: 12 BVGa 51/24, werden zurückgewiesen.
Gründe
1
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um den Abbruch einer Betriebsratswahl.
2
Die Beteiligte zu 4 ist die Dachgesellschaft des global tätigen Versicherungskonzerns der A. -Gruppe mit weltweit etwa 150.000 Beschäftigten. Neben ihrer Funktion als Dachgesellschaft betätigt sie sich in ihrem Geschäftsbereich A. Re auf dem Gebiet der Rückversicherung, vorwiegend konzerninterner für die Unternehmen der A. -Gruppe.
3
An ihrem Sitz in M. beschäftigt sie etwa 2.500 Mitarbeiter, die bisher auf zwei betriebsverfassungsrechtlich abgebildeten Organisationseinheiten verteilt waren, nämlich einen Betrieb des Rückversicherungsgeschäfts (im weiteren: Betrieb RE) und einen der Holdingaufgaben, der als Gemeinschaftsbetrieb mit AD ... GmbH bestand (künftig: Betrieb Holding). Für beide Betriebe wurden im Jahr 2022 Betriebsratsgremien gewählt, deren eines – der bisher neunköpfige Betriebsrat des Betriebs RE – der Beteiligte zu 1 ist. Die Wahlen im Jahr 2022 wurden nicht angefochten, die Wahlperioden enden regulär im Frühjahr 2026.
4
Für die beiden M. Betriebe sowie für den in St. ist ein Gesamtbetriebsrat gebildet, der am Verfahren als Beteiligter zu 5) teilnimmt.
5
Im Laufe des Jahres 2023 nahm die Beteiligte zu 4) unter dem Projektnamen „Integrated Commercial“ mit dem Konzernbetriebsrat in einem Interessenausgleich und Sozialplan abgestimmte Umstrukturierungen vor, wonach das Commercial Geschäft für die A. Gruppe einheitlich aus der Holding heraus gesteuert werden sollte, wozu einige Bereiche diesem Betrieb zentralisiert zugeordnet wurden (Interessenausgleich in Anlage ASt 11-10 zum Schriftsatz des Beteiligten zu 2) vom 25.11.2024, BI. I/265 ff.d.A.). Im Rahmen eines weiteren Projekts „BaFin Control Functions“ wurden die Bereiche „R. CRO/Risk Controlling“ und „Compliance“ des Betriebs RE vollständig zum 01.10.2024 in den Betrieb der Holding überführt, wozu ein Interessenausgleich mit dem Gesamtbetriebsrat geschlossen worden war (in Anlage AG 4 zum Schriftsatz der Beteiligten zu 4) vom 25.11.2024, BI. 1/331 ff.d.A.).
6
Von den Veränderungen waren rund 120 Mitarbeitende des bisher etwa 270 Mitarbeitende zählenden Betriebes RE betroffen, darunter auch Mitglieder des Beteiligten zu 1), u.a. Frau W… die durch ihren Anwalt mitteilen ließ, sie gehe davon aus, seit 26.09.2023 nicht mehr ihr Amt innezuhaben (in Anlage AG 9 zum Schriftsatz der Beteiligten zu 4) vom 02.12.2024, BI. 11/71 d.A.).
7
In der Annahme, dass die Zahl der Beschäftigten im Zusammenhang mit der Umstrukturierung des Jahres 2023 um 50% gesunken und daher eine Wahl nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG notwendig sein könnte, fasste der Beteiligte zu 1) am 14.06.2023 den Beschluss zur Einsetzung eines Wahlvorstandes mit der Vorsitzenden S… W… (in Anlage Ast 5 zum Schriftsatz des Beteiligten zu 1)vom 19.11.2024, BI l/41ff dA). Dieser Wahlvorstand ist der hiesige Beteiligte zu 2).
8
In der Ansicht, dass die Umstrukturierung die bisherige Betriebsstruktur verändert habe und es sich nur noch um eine einzige betriebsratsfähige Organisationseinheit beider bisheriger Betriebe handle, machten die Beteiligten zu 1) und 2) vor dem Arbeitsgericht München Betriebsstrukturverfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG anhängig, die unter den Aktenzeichen 30 BV 34/24 und 39 BV 247/24 geführt werden.
9
Mit Wirkung zum 01.10.2024 versetzte die Beteiligte zu 4) einen Mitarbeiter des Betriebs RE und Mitglied im Beteiligten zu 1), Herrn Dr. T… aus dem Bereich RE auf Arbeitsplatz im Betrieb der Holding. Herr Dr. T… erteilte sein Einverständnis durch Unterschrift unter das Versetzungsschreiben (in Anlage AG3 zum Schriftsatz der Beteiligten zu 4) vom 25.11.2024, BI. I/329 f.d.A.).
10
Ebenfalls zu diesem Zeitpunkt schied ein weiteres Mitglied des Beteiligten zu 1), Frau Z… aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beteiligten zu 4) aus.
11
Die Zahl der Mitglieder des Beteiligten zu 1) sank damit – wobei die Wirksamkeit der Versetzungen wie die betriebliche Zuordnung der Mitarbeitenden zwischen den Beteiligten streitig ist – auf die Zahl von acht; weitere Ersatzmitglieder waren nicht mehr vorhanden.
12
Die Beteiligte zu 4) wies deshalb mit Schreiben vom 01.10.2024 (in Anlage AG5 zum Schriftsatz des Beteiligten zu 4) vom 25.11.2024, BI. I/340 d.A.) den Beteiligten zu 1) daraufhin, dass nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG die Wahl eines neuen Betriebsrats erforderlich sei, und forderte ihn auf, einen Wahlvorstand einzusetzen.
13
Am 17.10.2024 forderte der Beteiligte zu 2) von der Beteiligten zu 4) eine gemeinsame Wählerliste „A. SE inkl. A. SE Re und AD... GmbH“ (in Anlage ASt. 27 zum Schriftsatz des Beteiligten zu 1) vom 19.11.2024, BI. 1/141 d.A.). Das daraufhin durch die Beteiligte zu 4) eingeleitete einstweilige Verfügungsverfahren mit dem Ziel des Abbruchs dieser Wahl wurde durch das Arbeitsgericht München unter dem Aktenzeichen 34 BVGa 49/24 im Sinne der Abweisung der Anträge wegen fehlenden Verfügungsgrunds entschieden (Beschluss vom 13.11.2024 in Anlage Ast1 zum Schriftsatz des Beteiligten zu 1) vom 19.11.2024, BI 1/21 ff. d.A.).
14
In Sitzungen des Beteiligten zu 5) am 25. und 29.10.2024 wurde über die Notwendigkeit von Neuwahlen im Betrieb RE gesprochen. Dabei ging es auch um den offenbar bereits seit 2023 bestehenden Wahlvorstand; die Mitglieder, die zugleich dem Beteiligten zu 1) angehörten, gaben keine Stellungnahme dazu ab, wann dieser eingesetzt worden war und wer diesem angehörte.
15
Am 8.11.2024 lud der Vorsitzende des Beteiligten zu 5) zu einer Präsenzsitzung am 12.11.2024 nach St. ein, wobei der Einladung keine Tagesordnung beilag. Mit Schreiben vom 11.11.2024 übersandte er erneut eine Einladung einschließlich einer Tagesordnung (in Anlage ASt. 16 zum Schriftsatz des Beteiligten zu 1) vom 19.11.2024, BI. I/90 ff. d.A.).
16
In der Sitzung, zu der sechs der sieben Mitglieder erschienen, nämlich drei, die dem Betriebsrat des (Gemeinschafts-)Betriebs Holding in M. angehörten, zwei des St. Betriebs und einer des Betriebs RE, monierten die drei letztgenannten die spät versandte Tagesordnung. Anschließend wurde mit den Stimmen der drei erstgenannten die Bestellung des Beteiligten zu 3 beschlossen.
17
Am 14.11.2024 schrieb der Vorsitzende des Beteiligten zu 1) an die Mitglieder des Beteiligten zu 3), wobei er ihnen die Nichtigkeit der von ihnen initiierten Wahl ankündigte und darauf hinwies, dass bereits ein vom Beteiligten zu 1) eingesetzter Wahlvorstand mit der Vorsitzenden Frau W… existiere (in Anlage B3-4 zum Schriftsatz des Beteiligten zu 3) vom 03.12.2024, BI. 11/137 d.A.).
18
Der Beteiligte zu 3) veröffentlichte am 18.11.2024 durch Aushang und im Intranet das Wahlausschreiben zur verfahrensgegenständlichen am 10.12.2024 vorgesehenen Wahl, woraufhin die Beteiligten zu 1) und 2) mit ihren am 19.11.2024 und 20.11.2024 eingegangenen Antragsschriften das vorliegende Verfahren eingeleitet haben, im Verlaufe dessen der Beteiligte zu 1) einen Beschluss vom 11.10.2024 (in Anlage BR-WV 1 zum Schriftsatz des Beteiligten zu 2 vom 29.11.2024, BI. 11/18 ff. d.A.) vorgelegt hat, mit dem „der Betriebsrat (…) die Bestellung des Wahlvorstandes aus 2023 auch für die etwaige Neuwahl für den Betrieb A. SE Re M. (bestätigt)“. Im Beschwerdeverfahren hat er außerdem einen solchen vom 12.11.2024, 8:35 Uhr, (in Anlage ASt28 zum Schriftsatz des Beteiligten zu 1) vom 02.12.2024, BI. II/92 ff. d.A.), vorgelegt, in dem es heißt:
„Beschluss: Bestellung Wahlvorstand
Das Thema Wahlvorstandsbestellung ist allen Betriebsräten seit langem im Detail bekannt und es gibt keinen Diskussionsbedarf zu diesem Thema (mehr). Die Dringlichkeit wird durch die GBR-Tagesordnungseinladung festgestellt.
‘Für den Fall, dass die Bestellung eines Wahlvorstandes 2023 und die Bestätigungen 2024 unwirksam sind/waren beschließt der Betriebsrat
„Bestellung eines dreiköpfigen Wahlvorstandes bestehend aus: S… W… G… J… und A… W….
Als Ersatz-Mifglieder mit Reihenfolge:
1. Ersatzmitglied: R… Br…
3. Ersatzmitglied: AI… von B… und P…
Als Vorsitzenden wird Frau S… W… bestellt.‘
Damit ist unter dem oben geschriebenen Fall ein Wahlvorstand bestellt.
Hilfsweise für die Unwirksamkeit des Bestellungsbeschluss oben beschließt der Betriebsrat:
‚Bestellung eines dreiköpfigen Wahlvorstandes bestehend aus: T… L… G… J… und Al… W….
Als Ersatz- Mitglieder mit Reihenfolge:
1. Ersatzmitglied: R… Br…
2. Ersatzmitglied: Al… von B… und P…
Als Vorsitzenden wird Herr T… L.. bestellt.‘“
19
Die Beteiligten zu 1) und 2) haben erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG für eine Neuwahl nicht vorlägen.
20
Sie haben außerdem die Beschlussfassung des Beteiligten zu 5) zur Bestellung des Beteiligten zu 3) bemängelt.
21
Weiter sind sie der Auffassung gewesen, für die verfahrensgegenständliche Wahl sei bereits der Beteiligte zu 2) als Wahlvorstand bestellt, so dass die Voraussetzungen für die Bestellung eines weiteren Wahlvorstands durch den Gesamtbetriebsrat nach § 16 Abs. 3 BetrVG nicht gegeben gewesen seien. Mehrfach, zuletzt mit Beschluss vom 11.10.2024, sei die Bestellung des Beteiligten zu 2) „auch für die etwaige Neuwahl“ im Betrieb RE bestätigt worden.
22
Im übrigen haben sie die Klärung der Betriebsstruktur für vorrangig gehalten.
23
Erstinstanzlich haben die Beteiligten zu 1) und 2) daher beantragt:
1. Dem Antragsgegner und Beteiligten zu 3 wird aufgegeben, das eingeleitete Verfahren zur Durchführung der Wahl des Betriebsrates „im Betrieb A. SE R.“ bei der Beteiligten zu 4 abzubrechen und nicht fortzuführen und auch nicht neu einzuleiten.
2. Dem Antragsgegner und Beteiligten zu 3 wird aufgegeben, die im Betrieb der Beteiligten zu 4, insbesondere in der „A. SE R., ..., … M… YA01 (Eingangstür Küche YA01 36), YA02 (Glaswand außen YA02 23), YA04 (Glaswand zwischen YA04 03 und YA 04 04), YA05 (Collaboration, Area schwarze Magnettafel, am 18.11.2024 ausgehängten und im Intranet veröffentlichten Wahlausschreiben, ersatzlos zu entfernen.
24
Die Beteiligten zu 3), 4) und 5) haben
die Zurückweisung der Anträge beantragt.
25
Sie haben gemeint, dass der Beteiligte zu 3) wirksam bestellt worden sei.
26
Eine Neuwahl sei nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG durchzuführen, da zum 01.10.2024 nach dem Ausscheiden von Herrn Dr. T… und Frau Z… aus dem Beteiligten zu 1) die Mindestzahl von neun Betriebsratsmitgliedern nicht mehr erreicht gewesen sei.
27
Die Bestellung des Beteiligten zu 2) sei nichtig, jedenfalls aber sei der Beteiligte zu 2) nicht für die streitgegenständliche Wahl bestellt.
28
Mit Beschluss vom 26.11.2024, auf den hinsichtlich seiner Tatsachenfeststellungen und Rechtsausführungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht München unter dem Aktenzeichen 12 BVGa 51/24 die Anträge zurückgewiesen, weil kein Verfügungsanspruch bestehe. Ausgehend davon, dass eine Wahl nur einzustellen sei, wenn Nichtigkeitsgründe ersichtlich seien, hat es diese Voraussetzungen im hiesigen Fall verneint. Die von den Antragstellern gerügten Mängel in der Beschlussfassung des Beteiligten zu 5) bei der Bestellung des Beteiligten zu 3) begründeten nicht die Nichtigkeit des Bestellungsakts. Der Streit über die Betriebsabgrenzung mache die Wahl ebensowenig nichtig: ein laufendes Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG hindere nicht eine Wahl. Gleichzeitig hat das Arbeitsgericht die Voraussetzungen einer Wahl nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG für gegeben angesehen: Sicher sei Frau W… aus dem Beteiligten zu 1) ausgeschieden; selbes gelte für Herrn Dr. T…, wobei dazu keine Zustimmung des Betriebsrats notwendig sei, weil der Mitarbeiter selbst seiner Versetzung nach § 103 Abs. 3a HS. 2 BetrVG zugestimmt habe. Für eine Nichtigkeit der geplanten Wahl spreche auch nicht die Priorität der Wahl des Beteiligten zu 2), weil dessen Einsetzung nicht für die konkrete Situation des § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG, sondern ausdrücklich für die anlässlich der Betriebsveränderung erfolgt sei, worauf der Zeitpunkt seiner Bestellung, seine Bezeichnung wie die Mitgliedschaft von Frau W…spreche. Das Primat des Betriebsrats sei auch nicht durch den Bestätigungsbeschluss vom 10.11.2024 ausgeübt worden: diesem liege ein fehlerhaftes Verständnis des Verhältnisses zwischen Betriebsrat und Wahlvorstand zugrunde, das irrig eine Änderung des ursprünglichen Auftrags durch den Betriebsrat unterstelle, was aber im Gesetz nicht vorgesehen sei.
29
Gegen diese am 26.11.2024 verkündete Entscheidung hat der Beteiligte zu 2) mit Schriftsatz vom 29.11.2024 und der Beteiligte zu 1) mit solchem vom 02.12.2024 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig begründet.
30
Sie bleiben dabei, dass die vom Beteiligten zu 3) initiierte Wahl nichtig sein werde.
31
Es fehle bereits am Grund für eine vorzeitige Wahl, die damit gegen das Verbot der Doppelwahl verstoße. Die geäußerten Zweifel an der betrieblichen Aufteilung bestünden fort.
32
Die Zahl der Mitglieder des Beteiligten zu 1) sei entgegen der Ansicht der anderen Beteiligten nicht unter die notwendige Höhe gesunken. Es fehle an der Zustimmung des Beteiligten zu 1) zu den Versetzungen seiner Mitglieder, die ihrerseits nicht im Sinne des Gesetzes zugestimmt hätten, wenn sie auf den jeweiligen Versetzungsschreiben ihr Einverständnis erklärt hätten. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bedürfe es dazu einer Versetzung auf eigenen Wunsch der Mitarbeitenden. Eine Amtsniederlegung durch die versetzten Betriebsratsmitglieder sei nicht erfolgt.
33
Das Gericht habe außerdem den Vortrag dazu nicht beachtet, namentlich den zu den widersprüchlichen Angaben zur Versetzung von Herrn Dr. T… der einmal in den Betrieb SE Holding und einmal in den Gemeinschaftsbetrieb mit AD... versetzt worden sein solle.
34
Sicherlich sei die Bestellung des Beteiligten zu 2) nichtig.
35
Sie missachte das Primat des Betriebsrats, wie es in § 16 BetrVG festgelegt sei. Dieses habe der Beteiligte zu 1) ausgeübt, indem er einen Wahlvorstand eingesetzt habe, nämlich 2023, den er 2024 bestätigt habe mit Beschluss vom 11.10.2024 und – so trägt der Beteiligte zu 1) erstmals vor – mit Beschluss vom 12.11.2024, der außerdem notfalls eine andere personelle Besetzung vorsehe. Dabei sei zu beachten, dass nicht die Benennung, sondern allein die Bestellung erheblich sei; die Beschlüsse seien entsprechend auslegungsfähig. Damit sei der Beteiligte zu 1) unmittelbar nach der Aufforderung der Beteiligten zu 4) vom 01.10.2024 und vor dem Beteiligten zu 5) tätig geworden.
36
Der Beteiligte zu 2) habe seinerseits unverzüglich seine Arbeit aufgenommen, wenn er am 17.10.2024 von der Beteiligten zu 4) eine Wählerliste gefordert habe. Die Prüfung der Organisationseinheit, für die zu wählen sei, sei originäre Aufgabe des Wahlvorstands. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts greife unzulässig in die Zuständigkeitsregelung des § 18 Abs. 1 S. 2 BetrVG ein, die im Fall, in dem ein Wahlvorstand nicht unverzüglich tätig werde, seine Ersetzung durch das Arbeitsgericht, nicht durch den Gesamtbetriebsrat vorsehe.
37
Die Beteiligten zu 1) und 2) beantragen daher:
1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts München v. 27.11.2024, AZ: 12 BVGa 51/24, wird abgeändert.
2. Dem Antragsgegner und Beteiligten zu 3 wird aufgegeben, das eingeleitete Verfahren zur Durchführung der Wahl des Betriebsrates „im Betrieb A. SE R. “ bei der Beteiligten zu 4 abzubrechen und nicht fortzuführen und auch nicht neu einzuleiten.
3. Dem Antragsgegner und Beteiligten zu 3 wird aufgegeben, die im Betrieb der Beteiligten zu 4, insbesondere in der „A. SE R. , ..., … M… YA01 (Eingangstür Küche YA01 36), 3 YA02 (Glaswand außen YA02 23), YA04 (Glaswand zwischen YA04 03 und YA 04 04), YA05 (Col- laboration, Area schwarze Magnettafel), am 18.11.2024 ausgehängten und im Intranet veröffentlichten Wahlausschreiben, ersatzlos zu entfernen.
38
Die Beteiligten zu 3), 4) und 5) beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
39
Sie halten die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und die Argumente der Beteiligten zu 1) und 2) für nicht einschlägig.
40
Wenn diese bestritten, dass die Voraussetzungen für eine Neuwahl vorlägen, so widerspreche dies den eigenen Angaben des Beteiligten zu 1), wonach er am 25.01.2024 noch neun Mitglieder und ein Ersatzmitglied gehabt habe. Tatsächlich seien die weiteren früheren Mitglieder durch Versetzung mit ihrem Einverständnis ausgeschieden, zuletzt Frau Z… und Herr Dr. T… Frau W… habe sogar ihr Amt niedergelegt. Wenn nach Ansicht des Beteiligten zu 1) diese Personen weiterhin zu ihm gehörten, verhalte er sich widersprüchlich, wenn er diese (ehemaligen) Mitglieder nicht zur Sitzung am 11.10.2024 eingeladen habe.
41
Soweit der Beteiligte zu 1) seinen Primat in Anspruch nehme, so sei er der Pflicht zur unmittelbaren Einsetzung eines Wahlvorstands gerade nicht nachgekommen. Der von ihm 2023 eingesetzte Wahlvorstand habe allein den Kündigungsschutz der eingesetzten Personen bewirken sollen, wie der Zeitpunkt der Bestellung wie der Einsatz seiner (Ersatz-)Mitglieder zeige. Inhaltlich habe er eine andere Zuständigkeit als derjenige, der für die jetzt anstehende Wahl notwendig wäre; jener sei für die Wahl in einem (vermeintlich) einheitlichen Betrieb der Beteiligten zu 4) in München bestellt worden. Dazu passe die Erklärung der Prozessvertreterin des Beteiligten zu 2) in der Anhörung am 26.11.2024, der Beteiligte zu 2) sei derzeit nicht der Meinung, dass eine Neuwahl des Beteiligten zu 1) erforderlich sei. Dieser Wahlvorstand wolle demnach gerade keine Wahl im Betrieb RE.
42
Auf den Bestätigungsbeschluss vom 11.10.2024, dessen Existenz und ordnungsgemäßes Zustandekommen die Beteiligten zu 3), 4) und 5) anzweifeln, könne keine Berufung erfolgen; eine nur bedingte Bestellung zur Klärung der Betriebslage oder eine Vorratsbestellung für jegliche künftige Wahl sei gesetzlich nicht vorgesehen. Jedenfalls sei eine Berufung auf den Beschluss treuwidrig, weil dieser den anderen Beteiligten erst im hiesigen Verfahren mitgeteilt worden sei.
43
Dies gelte auch für den nunmehr im Beschwerdeverfahren offengelegten Beschluss vom 12.11.2024, der ebenfalls in seiner Existenz wie in der Ordnungsgemäßheit seiner Entstehung bestritten wird. Für beide Beschlüsse fehlte es außerdem, so der Beteiligte zu 3), an der Zustimmung der Gewählten.
44
Ergänzend wird hinsichtlich des Vortrags der Beteiligten wie ihrer Rechtsauffassungen auf die Schriftsätze der Beteiligten samt Anlagen sowie die Protokolle der Anhörungen vom 16.11.2024 vor dem Arbeits- und vom 04.12.2024 vor dem Landesarbeitsgericht Bezug genommen.
45
Die Beschwerden der Beteiligten zu 1) und 2) sind zulässig, aber unbegründet.
46
1. Die Beschwerden sind zulässig, insbesondere sind sie gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft und form- wie fristgerecht i.S.v. §§ 89 Abs. 2, 87 Abs. 2 S. 1, 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO mit Schriftsätzen vom 29.11.2024 und 02.12.2024 eingelegt und begründet worden.
47
2. Die Beschwerden haben in der Sache keinen Erfolg. Zutreffend und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Anträge auf Abbruch der durch den Beteiligten zu 3) initiierten Betriebsratswahl abgewiesen.
48
a. Der Abbruch einer Betriebsratswahl kommt nur bei Nichtigkeit der geplanten Wahl in Betracht (BAG v. 27.07.2011, 7 ABR 61/10 Rz.24ff- zitiert nach juris; LAG Hamm v. 31.08.2016, 7 TaBVGa 3/16 Rz. 35 ff. – zitiert nach juris; LAG Baden-Württemberg v. 09.03.2010, 15 TaBVGA 1/10 Rz.50ff – zitiert nach juris; Fitting § 18 Rz.42).
49
Eingriffe in eine Betriebsratswahl sind durch die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes nicht ausdrücklich geregelt. § 19 BetrVG beschreibt die Anfechtung einer Wahl nach Verkündung des Wahlergebnisses, nicht aber Eingriffsmöglichkeiten in das Wahlverfahren als solches.
50
Ob und unter welchen Voraussetzungen in das Verfahren zur Betriebsratswahl eingegriffen werden kann, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 27.07.2011 (7 ABR 61/10 Rz. 24 ff., insb. 27ff- zitiert nach juris) bejaht, wenn eine Betriebsratswahl sich voraussichtlich als nichtig erweist; die bloße Anfechtbarkeit genügt nicht: Denn die gesetzgeberische Grundentscheidung bei Anfechtung einer Wahl bedeutet, dass der durch die Wahlen hervorgegangene Betriebsrat jedenfalls bis zur rechtskräftigen Feststellung über die Anfechtbarkeit der Wahl im Amt bleibt. Würde man hingegen bei lediglich möglicher Anfechtbarkeit einer Wahl einen Unterlassungsanspruch zur Durchführung der Wahl annehmen, so würde diese gesetzliche Wertung unterlaufen werden, weil er die Wahl ausschlösse, wohingegen die Anfechtung sie nur ex nunc aufhöbe (vgl. BAG v. 27.07.2011, 7 ABR 61/10 Rz. 32 – zitiert nach juris).
51
Dies gilt entgegen der Ansicht der Antragsteller auch, wenn, wie hier, ein Betriebsrat vorhanden und ein betriebsratsloser Zustand daher nicht zu befürchten ist.
52
Der genannte Wertungswiderspruch zwischen Unterlassung bei Abbruch der Wahl und Auflösung ex nunc bei Anfechtung bleibt auch in dieser Konstellation.
53
Hinzu kommt, dass die Anfechtung an Fristen gebunden ist, die für das Abbruchsbegehren nicht gelten (ebenso LAG Hamm v. 31.08.2016, 7 TaBVGa 3/16 Rz. 37 f – zitiert nach juris). Als im Wege der Rechtsfortbildung geschaffene Sondermaßnahme hat die Abbruchsverfügung den vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes zu beachten.
54
b. Die Nichtigkeit der Betriebsratswahl ist in Abgrenzung zur grundsätzlich notwendigen Anfechtung nach § 19 BetrVG nur dann anzunehmen, wenn bei der Wahl des Betriebsrats gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden ist, dass selbst der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. Es muss sowohl ein offensichtlicher als auch ein besonders grober Verstoß gegen Wahlvorschriften vorliegen (BAG v. 19.11.2003, 7 ABR 24/03; LAG Baden-Württemberg v. 09.03.2010, 15 TaBVGa 1/10 Rz. 51 – zitiert nach juris; Fitting § 19 Rz. 4). Dann greift die grundsätzliche Schutzwürdigkeit des Wahlergebnisses nicht, die sich darin begründet, dass ein Wahlprozess vorangegangen ist, dessen Regeln grundsätzlich eine Gewähr für ein Wahlergebnis bilden, durch das die Belegschaft in der vom Betriebsverfassungsgesetz vorgesehenen Weise repräsentiert wird. Eine so begründete Schutzwürdigkeit sowohl des Gremiums als auch des Vertrauens auf seine Legitimation kann aber dann von Anfang an nicht bestehen, wenn die für die Wahl vorgesehenen Regeln grob verletzt wurden und dieser Umstand jedem mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Dritten sofort ohne weiteres erkennbar ist.
55
c. Derartige Gründe für eine voraussichtliche Nichtigkeit der durch den Beteiligten zu 3) initiierten Wahl haben die Beteiligten zu 1) und 2) nicht vorgetragen. Sollte der Betriebsbegriff verkannt sein, führte dieser Mangel nicht dazu, dass die eingeleitete Betriebsratswahl sicher nichtig ist. Auch eventuelle Fehler bei der Bestellung des Wahlvorstands sind nicht so schwerwiegend, dass sie die Nichtigkeit der Betriebsratswahl zur Folge hätten.
56
(1) Eine absehbare Nichtigkeit ergibt sich nicht daraus, dass die Voraussetzungen für eine Neuwahl nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG ggf. nicht vorliegen.
57
(a) Die mögliche Verkennung des Betriebsbegriffs führt nicht zur absehbaren Nichtigkeit der Betriebsratswahl.
58
Die Verkennung des betrieblichen Umfangs einer Organisationseinheit, in der gewählt werden soll, ist an sich kein Nichtigkeitsgrund (BAG v. 27.07.2011, 7 ABR 71/10 Rn. 61 ff.- zitiert nach juris). Wenn also ggf. die betrieblichen Verhältnisse bei der Beteiligten zu 4) in München derart wären, dass (nur noch) ein einziger Betrieb in Schwabing vorhanden wäre, so machte dies die Wahl im bisherigen Betrieb RE nicht nichtig. Denn offensichtlich ist die Fehlerhaftigkeit gerade nicht, wie die Auseinandersetzung darüber zwischen den Beteiligten zeigt. Die Abbildung der bisherigen Verhältnisse in der Wahl ist dabei sicher nicht aus der Luft gegriffen.
59
Ein unzulässiger Vorgriff auf die Verfahren zur Klärung der Betriebsstruktur geht damit nicht einher. Die unterbleibende Einstellung der Wahl prä- judiziert kein Ergebnis in den Verfahren der Betriebsklärung. Umgekehrt können diese nicht eine Wahl in der Zwischenzeit ausschließen.
60
(b) Die geplante Wahl ist auch nicht deshalb nichtig, weil offensichtlich kein Grund zur Wahl vorliegt. Umgekehrt spricht viel dafür, dass die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Ziff. 2 BetrVG gegeben sind, indem die Zahl der Mitglieder des Beteiligten zu 1) seit 01.10.2024 auf acht gesunken ist.
61
i. Die Beteiligten zu 1) und 2) monieren dabei die Unwirksamkeit der Versetzungen der Mitglieder des Betriebsrats RE. Diese sei ohne ihre Zustimmung erfolgt.
62
Die Versetzung eines Betriebsratsmitglieds bedarf nach § 103 Abs. 3 S. 1 BetrVG der Zustimmung des Gremiums, es sei denn, die oder der Versetzte ist mit der Versetzung einverstanden. Danach ist die Zustimmung des Betriebsrats notwendig, wenn die Versetzung gegen den Willen des Mitglieds geschieht (Fitting § 103 Rn. 70).
63
Tatsächlich haben die in die Einheit der Holding versetzten Mitglieder, zuletzt Herr Dr. T…, die Versetzungsschreiben mit „einverstanden“ gegengezeichnet. Dass dies erzwungen oder gegen ihren wirklichen Willen erfolgt sei, ist nicht ersichtlich und nicht vorgetragen.
64
Eine weitergehende Anforderung ist nicht im Hinblick auf die vom Beteiligten zu 2) zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung veranlasst. Das Bundesarbeitsgericht hat sich in seiner Entscheidung vom 20.9.1990 (1 ABR 37/90) vorrangig mit der Frage, ob es sich bei dem Wechsel in einen anderen Betrieb um eine Versetzung handle, und damit beschäftigt, ob der Betriebsrat des abgebenden Betriebs dieser nach § 99 BetrVG zustimmen müsse. Dies bejahend, hat es geäußert, der Schutz des § 99 BetrVG müsse nicht gegen den Willen des Versetzten einsetzen, so dass im Fall seines Einverständnisses keine Betriebsratsbeteiligung notwendig sei; doch liege dessen Zustimmung nicht schon dann vor, wenn der Arbeitsvertrag die Versetzung zulasse, etwa im Fall einer vertraglichen Versetzungsklausel. Vielmehr genüge dem nur, wenn die konkrete Versetzung entweder von der versetzten Person selbst gewünscht sei oder doch deren freien Willen entspreche (BAG a.a.O. Rn. 38 – zitiert nach juris). Dass dem hier nicht so ist, dass namentlich Herr Dr. T… wie die anderen versetzten Mitglieder des Beteiligten zu 1) nicht freien Willens ihr Einverständnis zur konkreten Versetzung erklärt hätten, ist, wie gesagt, nicht ersichtlich und nicht vorgetragen.
65
ii. Wenn die Antragsteller weiterhin rügen, es fehle an einer Amtsniederlegung durch die versetzten Betriebsratsmitglieder, so ist dieser Einwand rechtlich nicht erheblich, weil eine Niederlegung für den Verlust des Amts nach §§ 24 Nr. 4, 8 BetrVG nicht erforderlich ist:
66
Mit dem Ausscheiden aus dem Betrieb haben die betroffenen Personen ihre Wählbarkeit und damit ihr Amt verloren.
67
(2) Eine Nichtigkeit der anstehenden Wahl ergibt sich nicht aus der Bestellung des sie betreibenden Wahlvorstands, des Beteiligten zu 3).
68
(a) Entgegen der Ansicht der antragstellenden und beschwerdeführenden Gremien besteht hier nicht offensichtlich ein Vorrang der Zuständigkeit des Betriebsrats, des Beteiligten zu 1).
69
i. Nach § 16 Abs. 1 ArbGG erfolgt die Einsetzung eines Wahlvorstands grundsätzlich durch den Betriebsrat, der neu gewählt werden soll. Dies gilt auch in dem Fall, in dem die Wahl vorzeitig nach § 13 BetrVG stattzufinden hat. In dieser Konstellation hat das Gremium unverzüglich tätig zu werden (Fitting § 16 Rn. 13). Wird es dies nicht, so kann entsprechend § 16 Abs. 2 und 3 BetrVG eine Bestellung durch das Arbeitsgericht oder den Gesamtbetriebsrat erfolgen (Fitting § 13 Rn. 32).
70
ii. Vorliegend fehlt es an einer unverzüglichen Bestellung eines Wahlvorstands für die aufgrund des Absinkens der Mitgliederzahl avisierte Wahl durch den Beteiligten zu 1), so dass der Gesamtbetriebsrat tätig werden konnte.
71
Der Beteiligte zu 1) kann sich nicht auf die Bestellung des Wahlvorstands, des Beteiligten zu 2), im Jahr 2023 berufen.
72
Diese erfolgte im Hinblick auf eine möglicherweise notwendige Neuwahl angesichts der Umstrukturierung und zur Klärung der Betriebsstruktur und – schon dem Zeitpunkt nach – nicht für die nunmehr anstehende wegen des Absinkens der Mitgliederzahl des Beteiligten zu 1). Die Bestellung kann nicht einfach für diese neue Situation herangezogen werden, weil sie für eine konkrete Wahl erfolgt.
73
An dieser Betrachtung ändert nichts die „Bestätigung“ der Bestellung im Beschluss vom 11.10.2024, so dass es auf dessen Ordnungsgemäßheit und Existenz nicht ankommt. Denn ausweislich des Protokolls erfolgte diese Bestätigung für eine „etwaige“ Wahl im Betrieb RE. Eine derartige Einsetzung unter Vorbehalt entspricht nicht der gesetzlichen Anforderung an die Bestellung, an die sich die unverzügliche Einleitung der Wahl durch den Wahlvorstand nach § 18 Abs. 1 BetrVG anschließen muss. Die „Bestätigung“ des Wahlvorstands, dessen Aufgabe die Beteiligten zu 1) und 2) übereinstimmend in der Prüfung der Betriebsstruktur benannten, erfolgte gerade nicht, um im Betrieb eine Wahl durchzuführen; dies bestätigt auch das eigene Verständnis des Beteiligten zu 2) in der Aussage seiner Prozessvertreterin in der Anhörung vor dem Arbeitsgericht, wonach der Beteiligte zu 2) derzeit keine Erforderlichkeit für eine Neuwahl des Betriebsrats im Betrieb RE sehe.
74
Die Berufung des Beteiligten zu 1) darauf, dass er mit diesem Beschluss seinen Primat ausgeübt habe, stellt sich außerdem als treuwidrig dar, weil er diesen erst im hiesigen Verfahren mitgeteilt hat. Der Beteiligte zu 5) als subsidiär Berechtigter musste bis dahin davon ausgehen, dass eine Einsetzung nach dem 14.06.2023 nicht erfolgt sei; der von ihm errichtete Wahlvorstand, der Beteiligte zu 3), konnte seinerseits auf die Errichtung vertrauen, namentlich nach der Email des Vorsitzenden des Beteiligten zu 1) an seine Mitglieder vom 14.11.2024. Dies entspricht der Intention des Gesetzes, die Durchführung der Wahl möglichst unkompliziert und stringent zu ermöglichen; mühsame Auseinandersetzungen wie die hiesige über die Priorität sind nicht vorgesehen.
75
Dieselben Einwände gelten auch für die in der Beschwerde erstmals vorgelegten Beschlüsse des Beteiligten zu 1) vom 12.11.2024. Es fehlt an der konkreten Einsetzung der dort genannten Personen für eine bestimmte Wahl. Zugleich stellt sich das Pochen des Beteiligten zu 1) auf seinen Primat als treuwidrig dar: die anderen Beteiligten durften angesichts seines Verhaltens darauf vertrauen, dass eine Einsetzung durch ihn nach dem 14.06.2023 nicht erfolgt sei.
76
(b) Der Bestellungsakt durch den Beteiligten zu 5) legt ebensowenig eine Nichtigkeit der durch den Wahlvorstand initiierten Wahl nahe.
77
i. Schon grundsätzlich schlägt eine eventuelle Fehlerhaftigkeit der Bestellung eines Wahlvorstands nicht notwendig derart auf die Wahl des Betriebsrats durch, dass diese als nichtig anzusehen wäre. Dabei ist zwischen der nur fehlerhaften und der darüber hinaus nichtigen Bestellung des Wahlvorstands sorgfältig zu unterscheiden. Im Fall eines (einfachen) Errichtungsfehlers bleibt die Bestellung des Wahlvorstands wirksam. Die von ihm durchgeführte Betriebsratswahl kann dann zwar anfechtbar sein, sie ist aber nicht nichtig. Die Nichtigkeit der Bestellung des Wahlvorstands ist auf ausgesprochen schwerwiegende Errichtungsfehler beschränkt, die dazu führen, dass das Gremium rechtlich inexistent ist. Eine nur fehlerhafte Bestellung genügt nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Errichtung in so hohem Maß verstoßen wurde, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Bestellung des Wahlvorstands nicht mehr besteht. Es muss sich um einen offensichtlichen und besonders groben Verstoß gegen die Bestellungsvorschriften der §§ 16-17 a BetrVG handeln. Für die Beschränkung der nichtigen Bestellung auf ungewöhnliche Ausnahmefälle spricht vor allem das vom Betriebsverfassungsgesetz geschützte Interesse daran, betriebsratslose Zustände zu vermeiden, das insbesondere in §§ 1, 21 a, 21 b und 22 BetrVG zum Ausdruck kommt. Maßnahmen, die eine Betriebsratswahl vorbereiten sollen, dürfen nicht unnötig erschwert werden. Das gilt für die Bestellung des Wahlvorstands umso mehr, als dessen Kompetenzen nach §§18 und 18 a BetrVG eng begrenzt sind. Seine Pflichten werden durch das Betriebsverfassungsgesetz und die Wahlordnung genau umrissen (BAG v. 27.07.2011, 7 ABR 61/10 Rn. 46 ff. – zitiert nach juris; BAG v. 15.10.2014, 7 ABR 53/12 Rn. 39 – zitiert nach juris).
78
ii. Selbst wenn vorliegend mit dem Beteiligten zu 1) und 2) Fehler bei der Bestellung des Wahlvorstands gesehen würden, sind diese nicht so schwerwiegend, dass sie zur Nichtigkeit der Bestellung führten.
79
Die späte Übersendung der Tagesordnung führt – anders als die unterlassene Mitteilung oder spätere Änderung derselben – nicht zur Nichtigkeit des bei der Sitzung gefassten Beschlusses (Fitting § 33 Rn. 54).
80
Eine Fehlerhaftigkeit der Abstimmung ist nicht vorgetragen. Die Stimmgewichtung ist entsprechend der in der Tagesordnung mitgeteilten Weise erfolgt. Dass dies nicht zutreffend gewesen sei, ist nicht behauptet worden.