Titel:
Bayerisches Oberstes Landesgericht, Nachprüfungsverfahren, Stundenverrechnungssätze, Entscheidungen der Vergabekammer, Angebotswertung, Zuschlagskriterien, Hinzuziehung eines Bevollmächtigten, Vergabeverfahren, Sofortige Beschwerde, Kostenvorschuss, Beurteilungsspielraum, Zweckentsprechende Rechtsverfolgung, Zweckentsprechende Rechtsverteidigung, Öffentlicher Auftraggeber, Verfahren vor der Vergabekammer, Bewachungspersonal, Vergabeunterlagen, Dienstleistungen, Vergaberechtsverstoß, Beiladungsbeschluß
Normenketten:
GWB § 127 Abs. 1, Abs. 4 S. 1
VgV § 8
Leitsätze:
1. Gibt ein öffentlicher Auftraggeber im Rahmen der Erstellung von Konzepten vor, dass das einzureichende Konzept bestimmten Formvorgaben zu entsprechen habe (Seitenanzahl, Schriftart, Schriftgröße und Zeilenabstand), hat er sich im Rahmen der Konzeptbewertung auch damit auseinanderzusetzen, ob die Ausführungen in den eingereichten Konzepten den formellen Vorgaben entsprechen oder nicht und dies entsprechend zu dokumentieren.
2. Hat der öffentliche Auftraggeber bei der Konzepterstellung Formvorgaben zu Seitenanzahl, Schriftgröße, Zeilenabstand und Schriftart aufgestellt, kann sowohl eine Überschreitung der Seitenvorgabe als auch eine Nichtbeachtung der Vorgaben zur Schriftgröße, Zeilenabstand und Schriftart dazu führen, dass die Bieter mehr Informationen in ihrem Konzept unterbringen, als wenn sie sich an die Vorgaben gehalten hätten. Daher hat sich der öffentliche Auftraggeber im Rahmen der Konzeptbewertung damit auseinanderzusetzen, wie er derartige Verstöße im Rahmen der Konzeptbewertung berücksichtigt, um eine transparente und gleichbehandelnde Bewertung der Konzepte sicherstellen zu können.
3. Wenn formelle Vorgaben, die bei der Konzepterstellung zu beachten sind und daran angeknüpfte Sanktionsmöglichkeiten unklar sind, leidet die Ausschreibung an einem schwerwiegenden Mangel, der eine Rückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Bekanntmachung der Ausschreibung bedingen kann.
Schlagwort:
Zuschlagskriterien
Fundstellen:
LSK 2024, 37937
BeckRS 2024, 37937
ZfBR 2025, 112
Tenor
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht die Angebote in dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren das Los 2 betreffend unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu werten. Der Antragsgegner wird zudem verpflichtet, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht das streitgegenständliche Vergabeverfahren das Los 4 betreffend in den Stand vor Bekanntmachung der Ausschreibung zurückzuversetzen und bei erneuter Durchführung die Rechtsauffassung der Vergabekammer zu berücksichtigen.
2. Der Antragsgegnerträgt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungender Antragstellerin. Die Beigeladenen tragen ihre Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung selbst.
3. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von…,00 EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen. Der Antragsgegner ist von der Zahlung der Gebühr befreit.
4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.
Gründe
1
Mit Auftragsbekanntmachung vom 08.03.2024, veröffentlicht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union unter Nr. …/2024, schrieb der Antragsgegner einen Dienstleistungsauftrag über Sicherungsdienstleistungen für staatliche Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber im Wege eines offenen Verfahrens aufgeteilt in 4 Lose aus. Streitgegenständlich sind die Lose 2 und 4. Zuschlagskriterien waren gemäß Ziffer 5.1.10 der Bekanntmachung der Preis und die Qualität.
2
Ausweislich der Angabe in Ziffer 5.1.11 der Bekanntmachung standen die Auftragsunterlagen für einen uneingeschränkten und vollständigen, direkten Zugang gebührenfrei unter der dort genannten Internetadresse zur Verfügung. Bestandteil der Vergabeunterlagen war unter anderem das Formblatt „Gewichtung der Zuschlagskriterien“. Auszugsweise wurden dort folgende Vorgaben gemacht:
[…] „1 Wirtschaftlichkeit
Der Zuschlag wird auf Grundlage der Angaben in den Vergabeunterlagen auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Dieses wird nach der „Einfachen Richtwertmethode“ gemäß UfAB VI, Version 1.0, ermittelt. Dabei ergibt sich das wirtschaftliches Angebot aus dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis (Z), also einem möglichst großen Quotienten aus Angebotssumme (P) und Leistung (L). (…)
Z = Kennzahl für das Preis-Leistungs-Verhältnis
L = Leistung (Maßnahmen zur Qualitätssicherung der konkreten Leistung); vgl. 1.2
P = Angebotssumme brutto (Euro); vgl. 1.1
1.1 Angebotener Preis als Wertungskriterium (P)
Die Berechnung des gewerteten fiktiven Angebotspreises erfolgt aufgrund der gebotenen Stundenverrechnungssätze wie folgt:
1.1.1 Höhe des Stundenverrechnungssatzes für die ausgeschriebene Dienstleistung für Bewachungspersonal werktags
1.1.2 Höhe des Stundenverrechnungssatzes für die ausgeschriebene Dienstleistung für Bewachungspersonal werktags nachts
1.1.3 Höhe des Stundenverrechnungssatzes für die ausgeschriebene Dienstleistung für Bewachungspersonal sonntags
1.1.4 Höhe des Stundenverrechnungssatzes für die ausgeschriebene Dienstleistung für Bewachungspersonal feiertags Die Summe aus den Positionen 1.1.1 bis 1.1.4 ergibt den zu berücksichtigenden Angebotspreis.
1.2 Maßnahmen zur Qualitätssicherung der konkreten Leistung (L)
3
Für die Bewertung der Qualität der vom Bieter angebotenen Leistungen soll der Bieter ein Konzept zur Durchführung der Bewachungsleistungen vorlegen. Dieses Konzept wird anhand der nachfolgenddargestellten Unterkriterien bewertet:
“Unterkriterien (U1 – U 3)
|
Anteil an der Bewertung des Konzeptes
|
Gewichtete maximal zu erreichende Leistungspunktzahl
|
U1: Auswahl und Fortbildung des Personals für den konkreten Auftrag
|
50%
|
6
|
U2: Verfügbarkeit von Ersatzpersonal
|
40%
|
6
|
U3: Strategien zur Beseitigung von Mängeln / Qualitätsmanagement
|
10%
|
6
|
4
Der Bieter hat seine Ausführungen für die Unterkriterien U1 bis U3 auf den im jeweiligen Unterkriterium genannten Umfang (Seitenzahlen, Schriftart, etc.) zu beschränken. Darüber hinausgehende Ausführungen auf weiteren Seiten / oder Anlagen werden bei der Wertung des Konzeptes nicht berücksichtigt. Verweisungen auf Anlagen oder andere Unterlagen sind unzulässig. Die Ausführungen in den Konzepten werden Vertragsbestandteil, so dass der Auftraggeber hierauf einen Anspruch erwirbt.
1.2.1.1 Auswahl und Fortbildung des Personals für den konkreten Auftrag (U1)
5
Der Bieter soll zu diesem Unterkriterium U1 darstellen, wie er das für den hier zu vergebenden Auftrag erforderliche und entsprechend qualifizierte Personal auswählen und während der gesamten Vertragslaufzeit fortbilden wird, um qualitativ hochwertige Leistungserbringung sicherzustellen. Der Bieter hat seine Ausführungen für dieses Unterkriterium U1 auf maximal 4 DIN A 4-Seiten zu beschränken (jeweils: Schriftart: Arial; Zeilenabstand 1,5; Schriftgröße: 12).
6
Hierbei soll er auf folgende Punkte eingehen:
- Anhand welcher Kriterien wird der Bieter das für die Leistungserbringung vorgesehene Personal auswählen? Sofern der Bieter bereits über Personal verfügt, hat er entsprechend darzustellen, anhand welcher Kriterien dieses Personal ausgewählt wurde.
- Warum sind die vorgenannten Auswahlkriterien für die Rekrutierung des Personals geeignet, um qualitativ hochwertige Leistungserbringung für den hier zu vergebenden Auftrag zu gewährleisten?
- Welche Maßnahmen wird der Bieter ergreifen, um das für den hier zu vergebenden Auftrag eingesetzte Personal während der gesamten Vertragslaufzeit fortzubilden?
- Warum sind die vorgenannten Fortbildungsmaßnahmen geeignet, um eine qualitativ hochwertige Leistungserbringung für den hier zu vergebenden Auftrag zu gewährleisten?
1.2.1.2 Verfügbarkeit von Ersatzpersonal (U2)
7
Der Bieter soll zu diesem Unterkriterium U2 darstellen, wie er im Rahmen seiner Leistungserbringung auf Personalausfälle reagieren wird und welche präventiven Maßnahmen er ergreifen wird, um solche Personalausfälle möglichst zu reduzieren. Der Bieter hat seine Ausführungen für dieses Unterkriterium U2 auf maximal 3 DIN A 4-Seiten zu beschränken (jeweils: Schriftart: Arial; Zeilenabstand: 1,5; Schriftgröße: 12).
8
Hierbei soll er auf folgende Punkte eingehen:
- Wie wird auf planbare Ausfälle (z. B. aufgrund von Urlaub) und nicht planbare Ausfälle (z. B. aufgrund von Krankheit) reagiert?
- Wie viel Ersatzpersonal steht für solche Personalausfälle jeweils zur Verfügung und warum wird diese Anzahl als ausreichend erachtet?
- Wie schnell, d. h. mit welchem zeitlichen Vorlauf, steht das jeweilige Ersatzpersonal zur Verfügung?
- Welche präventiven Maßnahmen werden ergriffen, um Personalausfälle möglichst zu reduzieren und die Ausfallquote gering zu halten (z. B. Maßnahmen zur Mitarbeiterzufriedenheit, Gesundheitsmanagement, etc.)?
1.2.1.3 Strategien zur Beseitigung von Mängeln / Qualitätsmanagement (U3)
9
Der Bieter soll zu diesem Unterkriterium U3 darstellen, welche Strategien er zur Beseitigung von Mängeln heranziehen wird, die während der Leistungserbringung auftreten (Qualitätsmanagement). Unter einem Mangel ist hierbei jede negative Abweichung von den Anforderungen der Leistungsbeschreibung zu verstehen. Der Bieter hat seine Ausführungen für dieses Unterkriterium U3 auf maximal 2 DIN A 4-Seiten zu beschränken (jeweils: Schriftart: Arial; Zeilenabstand: 1,5; Schriftgröße: 12).
10
Hierbei soll er auf folgende Punkte eingehen:
- Welche Maßnahmen wird der Bieter zur Qualitätssicherung ergreifen?
- Wie wird der Bieter sicherstellen, dass solche Mängel, auf die er bei der Vertragsdurchführung aufmerksam gemacht wird, künftig verhindert werden?
1.2.2 Vorgehen des Auftraggebers bei der Wertung
11
Die Wertung der Konzepte richtet sich danach, wie der Bieter auf die in den Unterkriterien dargestellten Anforderungen eingeht und wie logisch argumentiert, schlüssig formuliert und inhaltlich fundiert er seine Herangehensweise bei der Leistungserbringung darstellt und deshalb aufgrund seiner Darstellungen eine qualitativ hochwertige Leistungserbringung zu erwarten ist (…).
12
Die Darstellung der angebotenen Herangehensweise des Bieters ist logisch argumentiert, wenn sie in sich logisch ist und keine inhaltlichen Widersprüche enthält. Sie ist schlüssig, wenn sie auf die in dem jeweiligen Kriterium genannte Thematik und die dort genannten Punkte nicht nur schematisch und oberflächlich, sondern anhand von praxisgerechten Beispielen eingeht. Die Darstellung der Herangehensweise ist inhaltlich fundiert, wenn der Bieter sie klar und präzise beschreibt und aus seinen Darstellungen heraus deutlich wird, wie er bei der Leistungserbringung im Einzelnen vorgehen will. Des Weiteren ist ausschlaggebend, ob und wie genau der Bieter inhaltlich auf die einzelnen Punkte der im jeweiligen Kriterium genannten Thematik eingeht.
13
Die Darstellung der angebotenen Herangehensweise ist logisch argumentiert, schlüssig formuliert und inhaltlich fundiert und befasst sich inhaltlich sehr genau mit allen Punkte der im Kriterium dargestellten Thematik. Die dargestellte und angebotene Herangehensweise dient der Zielerreichung einer qualitativ hochwertigen Dienstleistung.
14
Die Darstellung der angebotenen Herangehensweise ist zwar logisch argumentiert, schlüssig formuliert, befasst sich aber inhaltlich nicht mit allen Punkten der im Kriterium dargestellten Thematik oder die Darstellung der angebotenen Herangehensweise befasst sich zwar mit allen Punkten der im Kriterium dargestellten Thematik, ist aber entweder nicht logisch argumentiert oder nicht schlüssig formuliert oder nicht inhaltlich fundiert. Die dargestellte und angebotene Herangehensweise dient daher nur teilweise der Zielerreichung einer qualitativ hochwertigen Dienstleistung.
15
Die Darstellung der angebotenen Herangehensweise ist entweder nicht logisch argumentiert oder nicht schlüssig formuliert oder nicht inhaltlich fundiert und sie befasst sich inhaltlich nicht mit allen Punkten der im Kriterium dargestellten Thematik. Die dargestellte und angebotene Herangehensweise dient deshalb nicht der Zielerreichung einer qualitativ hochwertigen Dienstleistung.
16
Das Konzept zu dem Kriterium liegt nicht vor oder weicht von den Vorgaben in den Vergabeunterlagen oder das Konzept weicht von den rechtlichen Vorgaben (jeweils geltende gesetzliche Mindeststandards) ab oder befasst sich nicht mit der im Kriterium dargestellten Thematik. (…).“ […] In der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots war unter anderem vermerkt, dass die Unterlage „Ausführungen zu den Zuschlagskriterien“ mit dem Angebot einzureichen ist. Weiterer Bestandteil der Vergabeunterlagen war die besagte Unterlage in nicht beschreibbarem PDF-Format.
17
Am 24.04.2024 stellte der Antragsgegner im Zuge der Bieterfrage Nr. 8 allen Bietern das Formblatt „Ausführungen zu Zuschlagskriterien“ in bearbeitbarem PDF-Format zur Verfügung und wies ergänzend darauf hin, dass bei der Befüllung die Vorgaben des Formblattes „Gewichtung der Zuschlagskriterien“ zu beachten seien.
18
Sowohl Antragstellerin als auch die Beigeladenen reichten innerhalb der auf den 02.05.2024, 13.00 Uhr lautenden Angebotsfrist ein Angebot ein, wobei die Antragstellerin in allen vier Losen, die Beigeladene zu 1) in den Losen 1 und 2 und die Beigeladene zu 2) in den Losen 1 und 4 Angebote einreichten.
19
Mit Schreiben vom 08.05.2024 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot für Los 1 aus formellen Gründen ausgeschlossen werden müsse, die Angebote für die Lose 2, 3 und 4 jedoch weiterhin in der Wertung berücksichtigt werden würden.
20
Mit Informationsschreiben gemäß § 134 GWB vom 03.06.2024 setzte der Antragsgegner die Antragstellerin davon in Kenntnis, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden könne und beabsichtigt sei, den Zuschlag am 14.06.2024 auf das Angebot der Firmen E… (Los 3), A…, K… GmbH zu erteilen. Im Rahmen der Auswertung seien alle eingegangenen Angebote hinsichtlich formaler, fachlicher und wirtschaftlicher Anforderungen auf Grundlage der bekanntgemachten Kriterien geprüft und bewertet worden. Das Angebot der Antragstellerin für die Lose 2 und 4 entspreche sämtlichen formalen Anforderungen, komme jedoch nicht für den Zuschlag in Betracht, weil es nicht das wirtschaftlichste Angebot sei. Im Unterkriterium U1 habe sie vier von sechs maximal zu erreichenden Leistungspunkten erreicht. Die dargestellte und angebotene Herangehensweise sei logisch argumentiert und befasse sich inhaltlich mit allen Punkten der im Kriterium dargestellten Thematik, sei aber nicht schlüssig formuliert. Im Unterkriterium U2 habe sie die maximal sechs zu erreichenden Leistungspunkte erzielt. Die dargestellte und angebotene Herangehensweise sei logisch argumentiert, schlüssig formuliert und inhaltlich fundiert. Es werde sich mit allen Punkten der im Kriterium dargestellten Thematik sehr genau befasst. Im Unterkriterium U3 habe die Antragstellerin ebenfalls die maximal möglichen sechs Leistungspunkte erhalten. Die dargestellte und angebotene Herangehensweise sei logisch argumentiert, schlüssig formuliert und inhaltlich fundiert. Es werde sich mit allen Punkten der im Kriterium dargestellten Thematik sehr genau befasst. Insgesamt ergebe sich unter der Berücksichtigung der Gewichtung der drei Kriterien die Leistungspunktzahl (L) von fünf Leistungspunkten bei sechs maximal möglichen Leistungspunkten. Dies entspreche 83,33 von 100 Leistungspunkten. Das Angebot der Antragstellerin liege somit für Los 2 und 4 auf dem dritten Rang. Der Preis bzw. die entsprechende Wertungssumme ergebe sich unmittelbar aus dem Angebot der Antragstellerin. Sodann nannte der Antragsgegner die Nettoangebotsendpreise der Antragstellerin in den Losen 2 und 4 und teilte mit, dass das Angebot der Antragstellerin bezogen auf den Preis in Los 2 auf dem fünften Platz und in Los 4 auf dem dritten Platz liege. Die Auswertung der Angebote habe ergeben, dass dem Angebot der Antragstellerin für die Lose 2 und 4 die wirtschaftlicheren Angebote der oben genannten Bieter vorgehen würden. Der Antragsgegner nannte der Antragstellerin die von ihr erreichten Kennzahlen in den Losen 2 und 4 und teilte ihr mit, dass sie hinsichtlich der Lose 2 und 4 somit jeweils auf dem zweiten Rang liege und dies im Ergebnis dazu führe, dass ihr Angebot für diese Lose nicht berücksichtigt werden könne.
21
Am selben Tag erhielt die Antragstellerin ein weiteres Schreiben des Antragsgegners, in dem dieser ihr mitteilte, dass beabsichtigt sei, nach Ablauf der Stillhaltefrist den Zuschlag in Los 3 auf das Angebot der Antragstellerin zu vergeben.
22
Mit Schreiben vom 11.06.2024 beanstandete die Antragstellerin das Vorinformationsschreiben vom 03.06.2024 in Verbindung mit dem Schreiben vom 08.05.2024 als nicht den Anforderungen des § 134 GWB entsprechend. Zudem sei es intransparent und widersprüchlich. Es sei nicht ersichtlich, welcher Bieter den Zuschlag auf die Lose 2 und 4 erhalten solle. Zudem sei eine eindeutige Identifizierung der genannten Bieterfirmen nicht möglich. Die Gründe für die Nichtberücksichtigung des Angebots der Antragstellerin in den Losen 2 und 4 seien nicht nachvollziehbar. Die Bewertung des Antragsgegners, dass nicht schlüssig formuliert worden sei, werde nicht konkret begründet. Eine Abwertung in Form einer nicht schlüssigen Formulierung lasse keinen Bezug zu Wertungsmatrix erkennen und stehe im Widerspruch zu Feststellung einer logischen Argumentation und inhaltlich vollumfänglichen Befassung. Die einzelnen Rechenschritte seien nicht nachvollziehbar. Wie das Angebot der Antragstellerin mit fünf von sechs Leistungspunkten und damit 83,33 von 100 Leistungspunkten auf dem dritten Rang sowie in preislicher Hinsicht in Los 2 erzielten fünften Rang und in Los 4 erzielten dritten Rang im Ergebnis auf Platz 2 in den Los 2 und 4 liegen könne, sei nicht nachvollziehbar. Auch sei beim Wertungskriterium (P) von den bekannt gemachten Wertungsgrundsätzen abgewichen worden.
23
Mit E-Mail vom 12.06.2024, 13.02 Uhr antwortete der Antragsgegner der Antragstellerin, dass ihren Rügen nicht abgeholfen werde. Das Informationsschreiben erfülle die Anforderungen des § 134 GWB. Zudem führte der Antragsgegner ergänzend zur Begründung der Bewertung des Angebots der Antragstellerin aus.
24
Die Antragstellerin antwortete darauf ebenfalls mit Schreiben vom 12.06.2024 und rügte erneut, dass die Bewertung nicht nachvollziehbar sei und forderte den Antragsgegner zur Offenlegung der Rechenschritte und rechnerischen Bewertung des Angebots der Antragstellerin auf.
25
Der Antragsgegner erwiderte darauf mit E-Mail vom selben Tag, dass die Antragstellerin sich zur Offenlegung der Berechnung an den Verantwortlichen, das Landesamt … wenden müsse, welches die Vergabeplattform betreue. Zudem sei der Rechenweg bereits unter Ziffer 1 im Formblatt „Gewichtung der Zuschlagskriterien“ offengelegt worden. Mit Schreiben vom 13.06.2024 ergänzte der Antragsgegner seine Antwort und überreichte die Vergabeplattform-Wertung sowie eine Berechnung per Excel. Zudem wies er erklärend darauf hin, dass das Programm anstatt der Kennzahlen Prozentsätze bilden würde. Dies wirke sich allerdings nicht auf die Wertungsreihenfolge aus, da eine höhere Leistungspunktzahl auch automatisch einen höheren Prozentsatz bedeuten würde.
26
Mit Schreiben vom 13.06.2024 übersandte die Antragstellerin einen Entwurf des Nachprüfungsantrages an den Antragsgegner und forderte diesen auf, die sich daraus ergebenden Rügeinhalte umgehend zu beseitigen.
27
Nachdem den Rügen der Antragstellerin nicht abgeholfen wurde, stellte die Antragstellerin mit Schreiben vom 13.06.2024 einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB.
28
Die Antragstellerin trägt vor, dass der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet sei. Das Vorinformationsschreiben des Antragsgegners vom 03.06.2024 entspreche bereits nicht den Vorgaben des § 134 Abs. 1 GWB in Verbindung mit dem Transparenzgrundsatz aus § 97 Abs. 1 GWB, da aus diesem nicht nachvollziehbar die Namen des für den Zuschlag in den Losen 1, 2 und 4 vorgesehenen Bieters hervorgehen würden, noch welcher der benannten Wettbewerber für welches Los konkret beauftragt werden solle. Ebenso habe der Antragsgegner die Gründe der Nichtberücksichtigung des Angebots der Antragstellerin zu den Losen 2 und 4 nicht transparent und nachvollziehbar mitgeteilt. Der Antragsgegner habe zur Begründung der Vergabe der lediglich vier von maximal sechs zu erreichenden Leistungspunkten im Unterkriterium U1 im Informationsschreiben vom 03.06.24 nur die bekanntgegebene Formel bzw. textliche Darstellung des Kriteriums der Vergabe von vier Punkten wortlautidentisch wiederholt, nicht aber konkrete Umstände angegeben, die diese Formulierung als Wertungsfeststellung tatsächlich ausfüllen. Der Antragsgegner habe zudem die Wertung nicht ordnungsgemäß vorgenommen oder zumindest nicht ordnungsgemäß dokumentiert. Die Abwertung des Angebots bzw. die Bewertung des Angebots der Antragstellerin mit lediglich vier von sechs Punkten im Unterkriterium U1 sei in Anbetracht der Ausführungen der Antragstellerin im Rahmen ihres Konzeptes sach- und ermessensfehlerhaft. Unabhängig davon, dass eine nicht schlüssige Formulierung der Bewertung mit „logisch argumentiert“ und „befasst sich auch inhaltlich mit allen Punkten der im Kriterium dargestellten Thematik“ bereits diametral entgegenstehe, könne auch diese Begründung in Anbetracht der tatsächlichen Umstände der Ausführungen der Antragstellerin nicht eine ordnungsgemäße und ermessensfehlerfreie Bewertung belegen. Die ergänzenden Darlegungen der Antragsgegnerin aus ihrer E-Mail vom 12.06.2024, es seien „keine Beispiele“ dargelegt worden, stünden nicht im Zusammenhang mit einer schlüssigen Darlegung einer Herangehensweise im Rahmen eines Konzeptes und die Erforderlichkeit der Benennung von Beispielen – insbesondere unter Berücksichtigung der Begrenzung des Darlegungsumfangs auf 4 DIN-A4-Seiten – stünden der Begründung für die Abwertung sogar entgegen. Darüber hinaus habe der Antragsgegner die Wertung nicht eigenverantwortlich vorgenommen.
29
Auch sei der Antragsgegner von den von ihm mitgeteilten Rechenschritten abgewichen. Die Ermittlung einer Leistungspunktzahl von 100 Leistungspunkten bzw. eine Umrechnung der zu vergebenen Leistungspunkte in „100“ Leistungspunkte ergebe sich weder aus dem Formblatt „Gewichtung der Zuschlagskriterien“, noch in sonstiger Weise. Der Antragsgegner sei damit bereits bei der Ermittlung des Wertungsquotienten (Z) als Kennzahl für das Preis-Leistungs-Verhältnis in unzulässiger Weise abgewichen. Ebenso sei der Antragsgegner auch bei der von ihm mitgeteilten Bewertung des Preises von seinen Vorgaben abgewichen. Gemäß seinen Vorgaben hätte der Antragsgegner eine fiktiv ermittelte Angebotssumme brutto (in Euro) heranziehen müssen. Er habe aber die von der Antragstellerin genannte Nettoangebotsendsumme herangezogen.
30
Zudem habe sich im Rahmen der Akteneinsicht offenbart, dass die Beigeladene zu 2) bei der Erstellung ihrer Konzepte weder die vom Antragsgegner vorgegebene Schriftgröße 12, noch den ebenfalls vom Antragsgegner vorgegebenen Zeilenabstand von 1,5 berücksichtigt habe. Die Konzepte zu den Unterkriterien U 1 und U2 wiesen vielmehr eine erheblich kleinere Schriftgröße und einen erheblich kleineren Zeilenabstand auf. Damit habe die Beigeladene zu 2) bewusst und vorsätzlich die Vorgabe des Antragsgegners aus dem Formblatt „Gewichtung der Zuschlagskriterien“ missachtet und insoweit augenscheinlich erheblich mehr Inhalt aufnehmen können, als dies bei Einhaltung der vom Antragsgegner zwingend einzuhaltenden Formvorgaben jeweils möglich gewesen wäre. Der Antragsgegner habe die Konzepte der Beigeladenen zu 2) trotz ihrer Abweichungen von den Vorgaben mit der Höchstpunktzahl bewertet, obwohl diese lediglich mit null Punkten hätten bewertet werden können, da sie von den Vorgaben in den Vergabeunterlagen abgewichen sind.
31
Die Bewertung des Antragsgegners hinsichtlich der Konzepte der Beigeladenen zu 1) verstoße ebenfalls gegen die Vorgaben der eigenen Matrix des Antragsgegners und des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Der Antragsgegner stelle hinsichtlich des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) im Unterkriterium U1 bei der Bewertungsfrage, anhand welcher Kriterien das Personal ausgewählt werde, lediglich fest, dass eine Vielzahl an Kriterien genannt seien. Ebenso stelle der Antragsgegner im Rahmen der Bewertung des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) hinsichtlich der Ausführungen zu Fortbildungsmaßnahmen fest, dass etwas schematisch dargestellt worden sei. Das vom Antragsgegner getroffene Fazit einer schlüssigen Formulierung würde dem entgegenstehen. Die Benennung einer Vielzahl von Kriterien und eine für die Fortbildungsmaßnahmen lediglich „schematisch dargestellt“ erfolgte Darlegung stünden zudem im Widerspruch zu der Bewertung, dass die Herangehensweise des Bieters „klar und präzise beschrieben“ worden sei. Zudem habe der Antragsgegner im Unterkriterium U2 die Vorgabematrix verlassen, da die kurze Wertungsfeststellung des Antragsgegners auf die Frage „Wie schnell steht Ersatzpersonal zur Verfügung?“ augenscheinlich nicht mit den Bewertungsschlüsseln ausgefüllt worden sei bzw. das Konzept der Beigeladenen zu 1) keine detaillierten Angaben enthalten habe, die eine Sicherstellung und nicht nur eine augenscheinlich bestehende Zeitangabe enthalten hat.
32
Die Antragstellerin beantragt
- 1.
-
die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß den §§ 160 ff. GWB,
- 2.
-
die Gewährung von Akteneinsicht in die Vergabeakten des Antragsgegners gem. § 165 Abs. 1 GWB zu Los 2 und 4,
- 3.
-
festzustellen, dass die Antragstellerin durch das Verhalten des Antragsgegners in dem Vergabeverfahren „Sicherheitsdienstleistungen für staatliche Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber …; Aktenzeichen: …“, Los 2 und 4, veröffentlicht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 07.03.2024 unter der Bekanntmachungs-Nr. …, in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt wird,
- 4.
-
geeignete Maßnahmen zu treffen, um die von der Vergabekammer festgestellten Rechtsverletzungen zu beseitigen, insbesondere den Antragsgegner zu verpflichten, die Angebotswertung zu Los 2 und Los 4 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen, Hilfsweise zu 4.:
- 5.
-
für den Fall der Erledigung des Nachprüfungsverfahrens durch Aufhebung oder in sonstiger Weise, festzustellen, dass eine Rechtsverletzung der Antragstellerin zu Los 2 und 4 vorgelegen hat, sowie im Weiteren:
- 6.
-
festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Antragstellerin erforderlich gewesen ist,
- 7.
-
festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für den Antragsgegner nicht erforderlich gewesen ist,
- 8.
-
dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und
- 9.
-
sollte ein Zuschlag bereits erteilt worden sein, den bereits erteilten Zuschlag gem. § 135 GWB für unwirksam zu erklären.
33
Mit Informationsschreiben gemäß § 134 GWB vom 14.06.2024 setzte der Antragsgegner die Antragstellerin unter anderem davon in Kenntnis, dass auf ihr Angebot für die Lose 2 und 4 der Zuschlag nicht erteilt werden könne, weil diese nicht die wirtschaftlichsten seien. Es sei beabsichtigt, den Zuschlag am 25.06.2024 auf das Angebot der Beigeladenen zu 1) für die Lose 1 und 2, auf das Angebot der Antragstellerin für das Los 3 und auf das Angebot der Beigeladenen zu 2) für das Los 4 zu erteilen. Zudem fügte der Antragsgegner eine Anlage bei, die die Gründe für die Nichtberücksichtigung des Angebotes der Antragstellerin für die Lose 2 und 4 beinhaltete. Darin wiederholte er vollumfänglich seine ergänzende Begründung aus seiner E-Mail vom 12.06.2024, 13.02 Uhr.
34
Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung des Nachprüfungsantrags und Kostentragung durch die Antragstellerin.
35
Zur Begründung trägt der Antragsgegner vor, dass die Rügepunkte der Antragstellerin in Bezug auf das Informationsschreiben nach § 134 GWB mit dem neuen Informationsschreiben vom 14.06.2024 in jedem Fall geheilt worden seien. Hilfsweise habe aber auch schon das Informationsschreiben vom 03.06.2024 die Anforderungen des § 134 GWB erfüllt. Soweit die Antragstellerin die Bewertung im Unterpunkt 1 rüge, könne dies entkräftet werden. Der Antragsgegner wiederholt seine zuvor im Vergabeverfahren vorgenommenen Begründungen der Bewertung des Konzeptes der Antragstellerin. Die Behauptung der Antragstellerin, dass keine eigenverantwortliche und vom Antragsgegner bewusst vorgenommene Angebotswertungsentscheidung vorläge sei insoweit falsch, dass natürlich vor der Erfassung in der entsprechenden Software eine eigene originäre Bewertung der jeweiligen Wertungspunkte vorgenommen worden sei.
36
Mit Beiladungsbeschluss vom 24.06.2024 wurden die Beigeladene zu 1) und die Beigeladene zu 2) beigeladen. Sie stellen keine Anträge.
37
Die Beigeladene zu 2) trägt mit Schriftsatz vom 15.07.2024 vor, dass sie in allen Dokumenten im Schrifttext die Schriftart sowie den Zeilenabstand eingehalten habe.
38
In der mündlichen Verhandlung vom 16.07.2024 wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag und zur Stellungnahme. Die Vorsitzende stellte fest, dass die nicht erschienene Beigeladene zu 2) ordnungsgemäß geladen worden sei, die Ladung sei ihr am 26.06.2024 zugestellt worden. Die Verhandlung könne daher auch in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2) gem. § 166 Abs. 2 GWB durchgeführt werden. Bezüglich ihres Vortrags zum ersten Informationsschreiben erklärte die Antragstellerin, dass dieser sich nach Einreichung des Nachprüfungsantrags durch das neue Informationsschreiben vom 14.06.2024 erledigt habe. Die Vergabekammer wies darauf hin, dass sie nach eingehender Überprüfung zu der vorläufigen Auffassung gekommen sei, dass die Bewertung, insbesondere die Ermittlung der Leistungspunkte, vom Antragsgegner selbst vorgenommen worden sei. Sodann wies die Vergabekammer darauf hin, dass der Antragsgegner einen fehlerhaften Preis für die Wertung herangezogen habe. Nach seinen eigenen Vorgaben hätte ein fiktiver Angebotspreis gebildet werden müssen. Allerdings habe die Vergabekammer nachgerechnet und wenn man mit dem vorgegebenen fiktiven Preis gerechnet hätte, würde sich die Wertungsreihenfolge bei den Bietern nicht ändern. Anschließend diskutierten die Beteiligten kontrovers, was die Rechtsfolge sei, wenn man wie die Beigeladene zu 2) Abbildungen, die nicht den vorgegebenen Formvorschriften des Antragsgegners entsprechen würden, in sein Konzept einfüge und wie der Begriff „schlüssig“ in der Bewertung und im Formblatt „Gewichtung der Zuschlagskriterien“ zu verstehen sei.
39
Mit rechtlichem Hinweis vom 17.07.2024 teilt die Vergabekammer Südbayern mit, dass sie aufgrund eines im Nachgang zur mündlichen Verhandlung vorgenommenen Vergleichs der Konzepte der Bieter annehme, dass auch bei den Konzepten der Beigeladenen zu 1) und der Antragstellerin die Formvorgaben des Antragsgegners nicht eingehalten worden sein könnten, welche die Erstellung der Konzepte zu den nicht monetären Zuschlagskriterien betreffen. In beiden Konzepten dürfte der mit Formblatt „Gewichtung der Zuschlagskriterien“ zu den jeweiligen Unterkriterien vorgegebene Zeilenabstand von 1,5 nicht eingehalten worden sein. Die Verfahrensbeteiligten erhielten Gelegenheit, um zu dieser neuen Erkenntnis Stellung zu nehmen.
40
Die Beigeladene zu 1) trägt mit Schriftsatz vom 17.07.2024 vor, dass die von der Vergabestelle zur Verfügung gestellte Datei „Ausführungen zu Zuschlagskriterienausfüllbar.pdf“ im Zusammenhang mit Schriftgröße und Zeilenabstand unveränderbar gewesen sei. Aus diesem Grund habe die Beigeladene zu 1) die betreffende Datei durch eine Software in ein Wordformat konvertiert, um entsprechende Einstellungen vornehmen zu können. Die Beigeladene zu 1) habe die Vorgaben der Vergabestelle eingehalten. Zudem sei eine widerrechtliche Vorteilserlangung durch die vermuteten Abweichungen von Ausschreibungskriterien nicht ersichtlich, da die Beigeladene zu 1) bei allen Kriterien die maximale Seitenzahl unterschritten habe.
41
Die Antragstellerin trägt mit Schriftsatz vom 18.07.2024 vor, dass sie zum Konzept der Beigeladenen zu 1) keine Stellung nehmen könne, da ihr dieses auch nicht in geschwärzter Version zugänglich gemacht worden sei. Weiter trägt die Antragstellerin vor, dass das Konzept der Antragstellerin den Vorgaben des Antragsgegners hinsichtlich Seitenzahl, Schriftart, Schriftgröße und Zeilenabstand vollumfänglich entspreche. Bei der Konzepterstellung sei der Antragstellerin aufgefallen, dass in dem mit Bieterfrage vom 24.04.2024 eingereichten Formblatt „Ausführung zu Zuschlagskriterienausfuellbar.pdf“ die Schriftart mit Arial und die Schriftgröße mit 12 voreingestellt gewesen sei, jedoch der Zeilenabstand nicht exakt auf 1,5 eingestellt gewesen sei. Um die Einhaltung der Vorgaben sicherzustellen, sei die Antragstellerin bei der Angebotsbearbeitung zweigleisig vorgegangen. Die Antragstellerin habe während der Angebotsbearbeitung zunächst die Konzepte intern im Programm Microsoft Word mit den entsprechenden Vorgaben erstellt. Anschließend habe sie die Inhalte in das Formblatt des Antragsgegners eingetragen, bei welchem sie die korrekte Schriftart, Schriftgröße und den richtigen Zeilenabstand vorher eingestellt habe. Beide Versionen der Konzepte hätten eine absolut entsprechende, identische Form gehabt, wie ein Neben- und Übereinanderlegen der beiden Dateien als Ausdruck und ein Übereinanderlegen als durchscheinendes Dokument auf dem PC belege.
42
Der Antragsgegner trägt mit Schriftsatz vom 22.07.2024 vor, dass er die PDF-Datei „Ausführungen zu Zuschlagskriterienausfüllbar.pdf“ hinsichtlich des Zeilenabstandes geprüft habe. Der Zeilenabstand betrage hier wie im Formblatt „Gewichtung der Zuschlagskriterien“ vorgegeben 1,5. Es sei aber vermutlich mit bestimmter Software möglich, den Zeilenabstand zu ändern. Nach Durchsicht der eingereichten Konzepte sei der Zeilenabstand aber von allen Bietern – bis auf einen – eingehalten. Die Beigeladene zu 1) sei zu ihren eigenen Ungunsten von den Vorgaben abgewichen, ihr Konzept weise einen größeren Zeilenabstand auf als das Konzept der Antragstellerin. Gerade im Hinblick auf den größeren Zeilenabstand sowie die Tatsache, dass bei Unterkriterium 1 nicht die gesamte verfügbare Seitenanzahl ausgeschöpft worden sei, sei fraglich, ob die Abbildungen daher so einen großen Wertungsvorteil ausmachen würden. Zumal die Ausführungen im Konzept auch ohne die Abbildungen sehr detailliert gewesen seien.
43
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
44
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
45
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV.
46
Gegenstand der Vergabe ist ein Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 4GWB. Der Antragsgegnerist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert.
47
Der Nachprüfungsantrag ist, soweit er zulässig ist, begründet.
48
1. Der Nachprüfungsantrag ist überwiegend zulässig. Soweit sich die Antragstellerin gegen die abstrakten Bewertungsvorgaben „schlüssig formuliert“ und „logisch argumentiert“ hinsichtlich der Darstellung der angebotenen Herangehensweise in den Konzepten wendet, ist der Nachprüfungsantrag präkludiert und damit unzulässig.
49
1.1. Die Antragsbefugnis ist gegeben. Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt. Die Antragstellerinhat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerinhat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB insbesondere durch die ihrer Ansicht nach rechtswidrige und von den Vorgaben der mitgeteilten Wertungsmatrix abweichenden Wertung des Antragsgegners hinsichtlich der Lose 2 und 4 geltend gemacht. Soweit die Antragstellerin ursprünglich auch einen Verstoß gegen § 134 Abs. 1 S. 1 GWB gerügt hatte, hat sie in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sich ihre diesbezügliche Rüge mit dem Informationsschreiben vom 14.06.2024 nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens erledigt habe.
50
1.2. Den Rügen der Antragstellerin steht größtenteils keine Rügepräklusion entgegen. Lediglich die Rügen der Antragstellerin, dass eine nicht schlüssige Formulierung der Bewertung eines „logisch argumentiert“ und „befasst sich auch inhaltlich mit allen Punkten der im Kriterium dargestellten Thematik“ bereits diametral entgegenstehe und dass eine Feststellung, dass keine Beispiele dargelegt worden seien, nicht im Zusammenhang mit einer schlüssigen Darlegung einer Herangehensweise im Rahmen eines Konzeptes stehen könne, sind präkludiert. Der Nachprüfungsantrag ist gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden.
51
Die Erkennbarkeit eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB ist objektiv zu bestimmen: Entscheidend ist die Sicht eines durchschnittlichen, fachkundigen und die übliche Sorgfalt anwendenden Bieters mit üblichen Kenntnissen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.01.2020, Verg 20/19; Beschluss vom 03.04.2019, Verg 49/18; OLG Schleswig, Beschluss vom 22.01.2019, 54 Verg 3/18). Diesem müssen bei Durchsicht und Bearbeitung der Vergabeunterlagen sowohl die den Vergaberechtsverstoß begründenden tatsächlichen Umstände als auch dessen Vergaberechtswidrigkeit auffallen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.05.2019, Verg 47/18). Für die Erkennbarkeit der Vergaberechtswidrigkeit genügt die laienhaft rechtliche Bewertung, dass etwas nicht stimmt, wobei keine übersteigerten Erwartungen an den Bieter zu stellen sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.04.2019, Verg 49/18). Die Geltendmachung eines Vergaberechtsverstoßes im Nachprüfungsverfahren ist mit Blick auf den durch die Rechtsmittelrichtlinie der Union garantierten Primärrechtsschutz erst präkludiert, wenn der vorgenannte Bieter bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt den Vergaberechtsverstoß erkennen musste (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2018, Verg 24/18). Dies kommt jedenfalls bei offensichtlichen, ins Auge fallenden Rechtsverstößen in Betracht, die einem Bieter bei der bloßen Durchsicht der Vergabeunterlagen auffallen bzw. sich ihm aufdrängen müssen (OLG Düsseldorf, 13.05.2019, Verg 47/18). In dem Dokument „Gewichtung der Zuschlagskriterien“ hat der Antragsgegner auf Seite 4 definiert, wann die Darstellung der angebotenen Herangehensweise des Bieters logisch argumentiert, schlüssig und inhaltlich fundiert ist und dass im Rahmen der Bewertung ausschlaggebend sei, ob und wie genau der Bieter inhaltlich auf die einzelnen Punkte der im jeweiligen Kriterium genannten Thematik eingehe. Zudem hat er auf den Seiten 4 und 5 festgelegt, wann 6, 4, 2 bzw. 0 Punkte vergeben werden. Dieses Dokument war Teil der Vergabeunterlagen und wurde allen Bietern zur Verfügung gestellt. Ein durchschnittlicher und fachkundiger Bieter hätte bei Anwendung der üblichen Sorgfalt bei der Erstellung des Konzepts erkennen können, welche Anforderungen an eine schlüssige Darstellung der angebotenen Herangehensweise gestellt werden und wie die einzelnen Punkte definiert wurden. Die Antragstellerin hätte bei inhaltlichen Unklarheiten im Hinblick auf die Begriffsdefinitionen eine entsprechende Bieterfrage oder Rüge bei Erstellung des Konzepts formulieren können und müssen. Indem die Antragstellerin die ihrer Ansicht nach festgestellten Diskrepanzen hinsichtlich der einzelnen Begriffsdefinitionen mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 11.06.2024 erstmals anklingen ließ und mit Schreiben vom 13.06.2024 dann auch gegenüber dem Antragsgegner explizit rügte, waren diese nach Ablauf der Angebotsfrist am 02.05.2024, 13.00 Uhr eingehenden Rügen jedenfalls verspätet und damit präkludiert.
52
2. Der Nachprüfungsantrag ist, soweit er zulässig ist, im Hauptantrag auch begründet. Über den Hilfsantrag in Ziffer 5 des Nachprüfungsantrages vom 13.06.2024 war nicht zu entscheiden, da vorliegend keine Erledigung des Nachprüfungsverfahrens durch Aufhebung oder in sonstiger Weise eingetreten ist. Über den Antrag in Ziffer 9 des Nachprüfungsantrages vom 13.06.2024 war ebenfalls nicht zu entscheiden, da in den Losen 2 und 4 noch kein Zuschlag erteilt worden war.
53
Die auf der Grundlage des im Formblatt „Gewichtung der Zuschlagskriterien“ durchgeführten Angebotswertungen in Los 2 und Los 4 halten einer vergaberechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die im Los 2 vorgenommene Angebotswertung zugunsten der Beigeladenen zu 1) kann keinen Bestand haben, da der Quervergleich der Konzeptbewertungen der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 1) zeigt, dass der Antragsgegner die Bewertungen nicht einheitlich und diskriminierungsfrei bei beiden Bietern gleich durchgeführt hat. Der Antragsgegner ist diesbezüglich zu verpflichten, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht die Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu werten. Hinsichtlich des Loses 4 kann die aufgrund eines die formellen Vorgaben betreffenden unklaren Bewertungssystems vorgenommene Angebotswertung zugunsten der Beigeladenen zu 2) keinen Bestand haben. Der Antragsgegner ist diesbezüglich zu verpflichten, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren in den Stand vor Bekanntmachung der Ausschreibung zurückzuversetzen und bei erneuter Durchführung die Rechtsauffassung der Vergabekammer zu berücksichtigen.
54
2.1. Bei der Prüfung und Bewertung der Angebote ist dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Die Nachprüfungsinstanzen können diese Entscheidung nur daraufhin kontrollieren, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wurde, keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen sind und allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet wurden (VK Bund, Beschluss vom 04.04.2022, VK 2-24/22; OLG München, Beschluss vom 26.02.2021, Verg 14/20). Dies setzt voraus, dass die Wertungen anhand der aufgestellten Zuschlagskriterien vertretbar, in sich konsistent und in diesem Sinne nachvollziehbar sind (VK Bund, Beschluss vom 04.04.2022, VK 2-24/22). Der Nachvollziehbarkeit kommt im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens besondere Bedeutung zu und sie ist eng mit der gesetzlich in § 8 Abs. 1 Satz 2 VgV statuierten Dokumentationspflicht verbunden. Nachvollziehbarkeit bedeutet, dass für die Nachprüfungsinstanzen nachverfolgbar ist, warum das ausgewählte Angebot im Quervergleich mit den weiteren Angeboten, die ebenfalls als wertbar angesehen werden, als das wirtschaftlichste bewertet wurde. Diese Gründe müssen derart detailliert sein, dass ein mit dem jeweiligen Vergabeverfahren vertrauter Leser sie als fassbar erachtet. Mit anderen Worten: Werden Aspekte, die zu einer Ab- oder Aufwertung führen, in den eingereichten Konzepten als gleichwertig berücksichtigt. Nicht notwendig ist, dass die jeweilige Nachprüfungsinstanz zu dem gleichen inhaltlichen Ergebnis kommt. Denn der Konzeptbewertung wohnt auch immer ein subjektives Element inne (VK Westfalen, Beschluss vom 01.02.2023, VK 1-49/22).
55
Diese Grundsätze berücksichtigend geht die Vergabekammer bei der durch sie durchgeführten Nachprüfung der Konzeptbewertung nach folgendem Prüfungsschema vor: Auf einer ersten Stufe prüft sie, ob der öffentliche Auftraggeber das von ihm selbst gewählte Bewertungsverfahren eingehalten hat, demzufolge alle Vorgaben zur Bewertung aus der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen berücksichtigt wurden. Auf einer zweiten Ebene wird geprüft, ob der Bewertung ein vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde gelegt wurde, ob also alle Angaben aus dem eingereichten Konzept berücksichtigt wurden und eine umfassende Auseinandersetzung mit diesen stattfand. Im Rahmen eines dritten Prüfungsschrittes wird beurteilt, ob die vom öffentlichen Auftraggeber vorgenommene Bewertung nachvollziehbar ist, die vorgegebene Zielsetzung und den Erwartungshorizont berücksichtigt und den abstrakten Bewertungsmaßstab konkret ausfüllt. Im Rahmen dieses Prüfungspunktes kommt der Dokumentation der Bewertung durch den öffentlichen Auftraggeber eine tragende Bedeutung zu. Die Vergabekammer prüft im Rahmen dessen nach, welche Angaben der öffentliche Auftraggeber aus den Konzepten positiv und welche negativ bewertet hat, wie der öffentliche Auftraggeber seine Bewertung begründet hat und eine Subsumtion unter den abstrakten Bewertungsmaßstab vorgenommen hat und ob dies insgesamt nachvollziehbar ist. Im Rahmen eines vierten Prüfungsschrittes wird durch die Vergabekammer beurteilt, ob ein Quervergleich mit der Bewertung anderer Bieter einer vergaberechtlichen Nachprüfung standhält, ob also die Bewertung einheitlich und diskriminierungsfrei bei allen Bietern gleich durchgeführt wurde und Unterschiede in der Bewertung überzeugend und nachvollziehbar durch den öffentlichen Auftraggeber begründet wurden.
56
2.1.1. Die durch den Antragsgegner vorgenommene Bewertung ist nicht bereits deshalb rechtswidrig, da keine eigenverantwortliche und vom Antragsgegner bewusst vorgenommene Angebotswertung vorgenommen worden sei, wie die Antragstellerin meint. Zwar hat der Antragsgegner mit E-Mail vom 12.06.2024, 15.08 Uhr der Antragstellerin mitgeteilt, dass sich die Antragstellerin zur Offenlegung der Berechnung des Systems an das Bayerische Landesamt … wenden müsse, welches die Vergabeplattform … betreue. Der Antragsgegner habe für das System nur die Berechtigung als Anwender und könne demzufolge keine Abläufe offenlegen. Wie der Vertreter des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung jedoch klargestellt hat, handelte es sich bei dieser Stellungnahme um eine nicht abgestimmte ad hoc-Aussage einer einzelnen Mitarbeiterin. Die Vergabekammer kann zudem anhand der vorgelegten Vergabeakte keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die Wertungsentscheidung nicht durch den Antragsgegner selbst vorgenommen worden sei. Vielmehr weisen die durch den Antragsgegner vorgelegten wertungsrelevanten Dokumente als Autor eine Mitarbeiterin der Vergabestelle des Antragsgegners aus, sodass die Vergabekammer davon ausgeht, dass die Angebotswertung eigenverantwortlich durch die Vergabestelle vorgenommen worden ist.
57
2.1.2. Der Antragsgegner hat die in den Vergabeunterlagen enthaltenen Vorgaben zur Ermittlung des Dividenden „L“ hinsichtlich der zu vergebenden Punktzahlen beachtet. Allerdings hat er die Vorgaben zur Ermittlung des Divisors „P“ nicht eingehalten und dadurch gegen vergaberechtliche Grundsätze verstoßen, wobei eine Rechtsverletzung der Antragstellerin nicht ausgeschlossen werden kann.
58
Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass der Antragsgegner von seinen Vorgaben zur Ermittlung der Leistungspunktzahl „L“ abgewichen sei, indem er mit Informationsschreiben vom 03.06.2024 mitgeteilt hat, dass die Antragstellerin fünf von sechs Leistungspunkten erhalten habe, was 83,33 von 100 Leistungspunkten entspreche und hieraus eine vergaberechtswidrige durchgeführte Angebotswertung ableitet, teilt die Vergabekammer diese Ansicht nicht. Ausweislich des Formblattes „Gewichtung der Zuschlagskriterien“ konnten die Bieter insgesamt maximal sechs Leistungspunkte hinsichtlich der Konzepte erreichen. Diese Vorgaben hat der Antragsgegner eingehalten. Er hat den Bietern ausweislich seiner dokumentierten Bewertung eine Gesamtleistungspunktzahl von maximal sechs Leistungspunkten vergeben. Dass er im Informationsschreiben mitgeteilt hat, dass die von der Antragstellerin erreichte Punktzahl von fünf von sechs Leistungspunkten 83,33 von 100 Leistungspunkten entspricht, ändert an der korrekten Umsetzung der Vorgabe zur Ermittlung der Leistungspunktzahl nichts. Die Angabe stellt lediglich eine zusätzliche Information dar, die rechnerisch mit dem zuvor getroffenen Ergebnis übereinstimmt, jedenfalls, wenn auf den prozentualen Anteil abgestellt wird, was der Antragsgegner, nach wohlwollender Auslegung, so gemeint haben dürfte. Fünf von sechs Leistungspunkten entspricht einem prozentualen Anteil von 83,33% der maximal 100% zu erreichenden Leistungspunkte. Ungeachtet dessen hat der Antragsgegner ausweislich der vorgelegten Dokumentation zur Bewertung, der „Bewertungsübersicht Los 2 L…“ und der „Bewertungsübersicht Los 4 T…“, den Bietern Gesamt-Leistungspunkte bis zur Höchstzahl sechs vergeben und dies seiner Berechnung der Kennzahl „Z“ zugrunde gelegt.
59
Allerdings ist der Antragsgegner von seinen Vorgaben zur Ermittlung der Angebotssumme „P“ abgewichen, sodass diesbezüglich ein Vergaberechtsverstoß vorliegt.
60
Der Antragsgegner hat in seinem Formblatt „Gewichtung der Zuschlagskriterien“ mitgeteilt, dass „P“ der Angebotssumme brutto in Euro entspreche, die entsprechend Ziffer 1.1 des Formblattes ermittelt werde. Unter Ziffer 1.1 wird ausgeführt, dass die Berechnung des gewerteten fiktiven Angebotspreises aufgrund der gebotenen Stundenverrechnungssätze erfolge. Es sei eine Summe aus den Positionen 1.1.1 (Höhe des Stundenverrechnungssatzes für die ausgeschriebene Dienstleistung für Bewachungspersonal werktags), 1.1.2 (Höhe des Stundenverrechnungssatzes für die ausgeschriebene Dienstleistung für Bewachungspersonal werktags nachts), 1.1.3 (Höhe des Stundenverrechnungssatzes für die ausgeschriebene Dienstleistung für Bewachungspersonal sonntags) und 1.1.4 (Höhe des Stundenverrechnungssatzes für die ausgeschriebene Dienstleistung für Bewachungspersonal feiertags) zu bilden, die den zu berücksichtigenden Angebotspreis bilde. Ausweislich der durch den Antragsgegner vorgelegten Bewertungsvorgänge hat dieser seiner Berechnung die Gesamtnettoendangebotspreise der Angebote zugrunde gelegt. Damit hat er in zweifacher Hinsicht gegen seine Vorgaben verstoßen. Er hätte nur die von den Bietern im Preisblatt eingetragenen Einzelpreise unter Außerachtlassung des Mengenansatzes berücksichtigen dürfen. Zudem hätte er diesen jeweils eine Mehrwertsteuer hinzurechnen müssen, da die im Preisblatt angebotenen Einzelpreise in netto anzugeben waren. Die fehlerhafte Ermittlung der Kennzahl „P“ wirkte sich bei den bisher angenommenen Leistungspunkten im Ergebnis nicht aus. Eine von der Vergabekammer durchgeführte Vergleichsrechnung unter Zugrundelegung des nach den Vorgaben im Formblatt „Gewichtung der Zuschlagskriterien“ ermittelten „P“-Wertes hat keine Änderung der Bieterreihenfolge hervorgebracht. Da es sich bei der fehlerhaften Ermittlung der Kennzahl „P“ nicht um eine für alle Bieter gleiche prozentuale Abweichung handelt, sondern die Unterschiede jeweils individuell sind, kann bei einer Neubewertung der Leistungspunkte und der daraus folgenden Berechnung der Kennzahl „Z“ eine Rechtsverletzung des Antragsgegners nicht ausgeschlossen werden. Die Angebotssumme „P“ ist daher im Rahmen der erneuten Wertung der Angebote neu zu ermitteln und zugrunde zu legen.
61
2.1.3. Anhand der vorgelegten Dokumentation zur Bewertung der Konzepte ist nicht erkennbar, dass der Antragsgegner sich ausreichend damit auseinandergesetzt hat, ob die eingereichten Konzepte der Bieter die von ihm aufgestellten formellen Vorgaben zur Erstellung der Konzepte eingehalten haben. Zudem fehlt es an einer Dokumentation, ob und wie sich ein solcher Verstoß auf die Angebotswertung ausgewirkt hat. Diese Versäumnisse wirken sich jedenfalls bei der Bewertung das Los 4 betreffend aus und die Antragstellerin ist dahingehend in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt.
62
Der Antragsgegner hat formelle Vorgaben zur Erstellung der Konzepte gemacht. Im Formblatt „Gewichtung der Zuschlagskriterien“ hat er unter Ziffer 1.2.1 ausgeführt, dass der Bieter seine Ausführungen für die Unterkriterien U1 bis U3 auf den im jeweiligen Unterkriterium genannten Umfang (Seitenzahlen, Schriftart, etc.) zu beschränken hat. In den Ausführungen zu Unterkriterium U1 ist der Passus enthalten, dass der Bieter seine Ausführungen auf maximal 4 DIN A 4 Seiten zu beschränken habe. Im Unterkriterium U2 habe der Bieter seine Ausführungen auf maximal 3 DIN A 4 Seiten zu beschränken und im Unterkriterium U3 auf maximal 2 DIN A 4 Seiten. Zudem enthalten die Ausführungen zu den jeweiligen Unterkriterien zusätzlich den folgenden Hinweis in Klammerzusatz: […] „jeweils: Schriftart: Arial; Zeilenabstand 1,5; Schriftgröße: 12“ […]. Der vorgelegten Dokumentation über die Konzeptbewertung kann nicht entnommen werden, dass sich der Antragsgegner mit etwaigen Verstößen gegen die Formvorgaben in den Konzepten der Bieter auseinandergesetzt hat. Die Beigeladene zu 2) hat in ihrem Konzept zu Unterkriterium U1 auf den Seiten zwei und vier insgesamt drei Abbildungen mit textlichen Ausführungen eingefügt. Diese textlichen Ausführungen entsprechen nicht den Formvorgaben des Antragsgegners betreffend Zeilenabstand und Schriftgröße. Zudem hat die Beigeladene zu 2) im Unterkriterium U2 auf Seite sieben eine weitere Abbildung mit textlichen Ausführungen eingefügt. Auch diese entsprechen nicht den Formvorgaben des Antragsgegners betreffend Zeilenabstand und Schriftgröße. Weder fand eine Auseinandersetzung damit statt, ob die Ausführungen der Beigeladenen zu 2) den formellen Vorgaben entsprechen oder nicht, bzw. wurde eine solche nicht dokumentiert, noch hat sich der Antragsgegner eingehend damit auseinandergesetzt, wie er derartige Verstöße im Rahmen der Konzeptbewertung berücksichtigt. Dies hätte er aber machen müssen, um eine transparente und gleichbehandelnde Bewertung der Konzepte sicherstellen zu können. Denn sowohl eine Überschreitung der Seitenvorgabe, die der Antragsgegner ausweislich der Vergabeunterlagen mit einer Nichtbewertung der überschießenden Seiten zu sanktionieren beabsichtigt, als auch eine Nichtbeachtung der Vorgaben zur Schriftgröße, Zeilenabstand und Schriftart, wie sie im Konzept der Beigeladenen zu 2) vorkommen, können dazu führen, dass die Bieter mehr Informationen in ihrem Konzept unterbringen, als wenn sie sich an die Vorgaben gehalten hätten. Dass der Antragsgegner unter Berücksichtigung dieser Ausführungen die mit Text befüllten Abbildungen im Konzept der Beigeladenen zu 2) ausweislich der vorgelegten Bewertungsdokumentation positiv bei seiner Bewertung berücksichtigt hat, was sich vor allem im Bewertungspunkt der Schlüssigkeit zeigt, in dem der Antragsgegner den Inhalt der Abbildungen, die vor allem Konkretisierungen zu einigen Themenbereichen darstellen, positiv bewertet hat, stellt eine Ungleichbehandlung der Bieter im Rahmen der Konzeptbewertung dar. Dass der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 22.07.2024 zu bedenken gegeben hat, dass fraglich sei, ob die Abbildungen so einen großen Wertungsvorteil ausmachen würden, zumal die Ausführungen im Konzept auch ohne die Abbildungen sehr detailliert gewesen seien, führt zu keiner anderen Entscheidung in der Sache. Diese Aussage widerspricht bereits seiner dokumentierten Wertungsentscheidung zum Konzept der Beigeladenen zu 2). Zudem widerspricht es auch der vom Antragsgegner scheinbar gewollten Bewertungsvorgabe, Verstöße gegen formelle Vorgaben die Schriftart, Schriftgröße und den Zeilenabstand betreffend mit null Punkten bewerten zu wollen. Wie der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage der Vergabekammer angegeben hat, habe er bei seiner Vorgabe, die Konzepte in den Unterkriterien mit null Punkten bewerten zu wollen, wenn sie von den Vorgaben in den Vergabeunterlagen abweichen würden, Abweichungen formeller Natur gemeint. Diese Ansicht zugrunde legend hätte zumindest eine Auseinandersetzung damit stattfinden müssen, wie sich die formelle Ausgestaltung des Konzeptes der Beigeladenen zu 2) auf die Konzeptbewertung auswirkt. Eine Bewertung der Konzepte der Beigeladenen zu 2) mit jeweils voller Punktzahl ist unter diesen Gesichtspunkten nicht vertretbar und stellt eine Ungleichbehandlung im Rahmen der Konzeptbewertung dar. Dieser Verstoß wirkt sich bei der Angebotswertung im Los 4) auch aus. Die Vergabekammer kann zum gegenwärtigen Stand des Verfahrens nicht feststellen, wie sich der festgestellte Umstand auf die Konzeptbewertung der Bieter das Los 4 betreffend ausgewirkt hätte. Durch eine Abwertung oder gar Nichtbewertung des Konzeptes der Beigeladenen zu 2) in den Unterkriterien U1 und U2 ist jedenfalls eine Änderung der Bieterreihenfolge mit dem Ergebnis, dass sich die Zuschlagschancen der Antragstellerin verbessern würden, nicht ausgeschlossen.
63
Hinsichtlich der Einhaltung der formellen Vorgaben die Konzepte der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 1) betreffend und auf das Los 2 bezogen hat der Antragsgegner auf Nachfrage der Vergabekammer angegeben, dass nach Durchsicht der eingereichten Konzepte der Zeilenabstand von allen Bietern, mit Ausnahme der Beigeladenen zu 2), eingehalten worden sei. Hierzu ist zunächst folgendes anzumerken. Ein durch die Vergabekammer angestellter Vergleich, indem jeweils ein Probetext in einem Word-Dokument und einem PDF-Dokument mit jeweils Schriftart Arial, Schriftgröße 12 Pt. und einen Zeilenabstand von 1,5 erstellt wurde, ergab, dass die Zeilenabstände des im Word-Dokument und im PDF-Dokument erstellten Probetextes voneinander abweichen. Der im Word-Dokument erstellte Probetext wies einen um etwa 1,5 mm größeren Zeilenabstand auf als der im PDF-Dokument erstellte Probetext. Eine von der Vergabekammer in diesem Zusammenhang angestellte Berechnung ergab aber, dass wohl der Zeilenabstand von 1,5 im PDF-Dokument der standardisierten Berechnung des Zeilenabstandes, also Kegelhöhe mal 1,5, am ehesten entsprechen dürfte. Bei einer Kegelhöhe von 4 mm konnte beim im PDF-Dokument erstellten Probetext ein Zeilenabstand von etwa 6 mm ermittelt werden. Im Word-Dokument wurde ein Zeilenabstand von 7,5 mm ermittelt. Die Beigeladene zu 2) hat allem Anschein nach ihr Konzept in Word eingestellt. Eine Nachprüfung durch die Vergabekammer ergab, dass der von ihr verwendete Zeilenabstand dem Zeilenabstand von 1,5 in einem Word-Dokument entspricht. Dass der Antragsgegner zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Beigeladene zu 2) den Zeilenabstand von 1,5 nicht eingehalten habe, ist vor dem oben skizzierten Hintergrund fraglich, spielt aber an dieser Stelle keine tragende Rolle. Hinsichtlich der Übereinstimmung der Konzepte der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 1) mit den formalen Vorgaben teilt die Vergabekammer die Ansicht des Antragsgegners, dass keine Abweichungen festgestellt werden konnten. Die Vergabekammer hat auch diesbezüglich Vergleichsberechnungen durchgeführt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die formalen Vorgaben, kleinere Messungenauigkeiten mitberücksichtigt, im Ergebnis eingehalten sein dürften. Die Konzepte der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 1) weisen jedenfalls die gleiche Schriftgröße und Schriftart sowie denselben Zeilenabstand auf und halten sich im Rahmen der vorgegebenen Seitenanzahl pro Unterkriterium. Hinsichtlich des Loses 2, in dem die Beigeladene zu 1) und die Antragstellerin mit ihren Konzepten konkurrierten, wirkt sich die oben dargestellte Problematik zu Verstößen gegen die formellen Vorgaben demzufolge nicht aus.
64
2.1.4. Soweit die Antragstellerin eine Abweichung des Antragsgegners von den Vorgaben zur Konzeptbewertung darin sieht, dass der Antragsgegner betreffend die Konzeptbewertung der Antragstellerin die schlüssige Darstellung der angebotenen Herangehensweise im Unterkriterium U1 damit begründet hat, dass keine Beispiele dargelegt worden seien, eine schlüssige Darlegung aber nicht im Zusammenhang mit der Erforderlichkeit der Benennung von Beispielen stehe, ist ungeachtet der Präklusion des Einwandes, dass die Definition der Bewertungsvorgaben in sich widersprüchlich sei, auch inhaltlich keine Abweichung von den Vorgaben zu erkennen.
65
Der Antragsgegner hat im Rahmen seiner Vorgaben definiert, was er unter einer schlüssigen Darstellung der angebotenen Herangehensweise versteht. Diese ist gemäß seiner Definition dann gegeben, wenn sie auf die in dem jeweiligen Kriterium genannte Thematik und die dort genannten Punkte nicht nur schematisch und oberflächlich, sondern anhand von praxisgerechten Beispielen eingeht. Die Feststellung des Antragsgegners, dass von der Antragstellerin keine Beispiele dargelegt worden seien und die sich daran anschließende Bewertung, dass eine schlüssige Darstellung der angebotenen Herangehensweise nicht vorliegt, entsprechen damit den vom Antragsgegner aufgestellten Vorgaben für die Konzeptbewertung.
66
2.1.5. Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass der Antragsgegner sich nicht an seine Vorgaben gehalten haben könnte, weil er das Unterkriterium U1 des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) als schlüssig formuliert bewertet hat, dann aber auch die Feststellungen getroffen hat, dass eine Vielzahl an Kriterien genannt seien und im Unterpunkt Fortbildungsmaßnahmen etwas schematisch dargestellt worden sei, teilt die Vergabekammer diese Ansicht nicht.
67
Der Antragstellerin wurde im Rahmen der Akteneinsicht nicht die vollständige Bewertung des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) durch den Antragsgegner offengelegt. Der Umstand der bloßen Benennung der Kriterien führte nicht zur Verteilung der Höchstpunktzahl durch den Antragsgegner. Es traten weitere Aspekte hinzu, die der Antragsgegner im Rahmen seiner Wertungsentscheidung positiv im Konzept der Beigeladenen zu 1) bewertet hat, sodass der Antragsgegner sich an seine Vorgaben zur Bewertung gehalten hat. Dass der Antragsgegner im Unterpunkt Fortbildungsmaßnahmen in seiner Bewertung des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) festgestellt hat, dass etwas schematisch dargestellt worden sei, er aber das Konzept der Beigeladenen zu 1) in diesem Unterkriterium als schlüssig eingestuft hat, spricht ebenfalls nicht dafür, dass der Antragsgegner von seinen Vorgaben abgewichen ist. Die vom Antragsgegner im Kontext der Bewertung vorgenommene Formulierung, dass eine Darstellung der Beigeladenen zu 1) in ihrem Konzept schematisch erfolgt sei, ist nicht zu verwechseln mit der Bedeutung des Wortes schematisch im Kontext dessen, dass auf eine Thematik inhaltlich nur schematisch und damit oberflächlich eingegangen wird. Der Antragsgegner hatte die Darstellung von Aspekten im Konzept der Beigeladenen zu 1) als schematisch in der Bedeutung, dass diese strukturiert und übersichtlich dargestellt wurden, bezeichnet. Auch hieran ist nichts zu erinnern.
68
2.1.6. Dass der Antragsgegner nicht alle Angaben aus den eingereichten Konzepten berücksichtigt hat und sich umfassend mit diesen auseinandergesetzt hat, ist weder ersichtlich noch wurde dies von Seiten der Antragstellerin vorgetragen. Ein dahingehender vergaberechtlicher Verstoß zuungunsten der Antragstellerin ist nicht erkennbar.
69
2.1.7. Die Bewertung des Konzeptes der Antragstellerin im Unterkriterium U1 und damit dem einzigen Unterkriterium, in dem die Antragstellerin nicht die volle Punktzahl erhalten hat, ist nachvollziehbar.
70
Der Antragstellerin ist zwar zuzustimmen, dass die Ausführungen des Antragsgegners im Informationsschreiben vom 03.06.2024 eine nachvollziehbare Dokumentation der Konzeptbewertung vermissen lassen, da der Antragsgegner darin nur den abstrakten Bewertungsmaßstab wiedergegeben hat, ohne Subsumtion unter das konkrete Konzept. Der Antragsgegner hat jedoch eine weitergehende Begründung der Konzeptbewertung im Dokument Konzeptbewertung und in der Rügeerwiderung vom 12.06.2024 (E-Mail 13:02 Uhr) vorgenommen, die die Konzeptbewertung für die Vergabekammer nachvollziehbar macht.
71
Zur Unterfrage 1 des Unterkriteriums U1 stellt der Antragsgegner fest, dass die Antragstellerin nur einige wenige Auswahlkriterien genannt habe. Zudem gehe nicht deutlich hervor, wie die Antragstellerin konkret das Personal auswähle bzw. wie der Auswahlprozess ablaufe. Es werde zudem erwähnt, dass das Anforderungsprofil klar definiert sei, es erschließe sich jedoch kein konkretes Anforderungsprofil aus den Ausführungen. Diese vom Antragsgegner getroffene Einschätzung ist für die Vergabekammer nachvollziehbar. Die Antragstellerin hat in ihrem Konzept lediglich sehr allgemein gehaltene Kriterien bzw. Oberbegriffe aufgeführt, ohne genau darauf einzugehen, was sie hierunter inhaltlich zählt.
72
Auch die im Rahmen der Unterfrage 2 des Unterkriteriums U1 getroffene Feststellung des Antragsgegners, dass zur Thematik, warum die Auswahlkriterien geeignet seien, die Ausführungen der Antragstellerin insgesamt sehr allgemein gehalten seien, bewegt sich im Rahmen des dem Antragsgegner zustehenden Beurteilungsspielraumes und ist für die Vergabekammer nachvollziehbar.
73
Soweit der Antragsgegner hinsichtlich der Unterfrage 3 des Unterkriteriums U1 festgestellt hat, dass keine Angaben zum konkreten Schulungsumfang gemacht worden seien und insgesamt sehr allgemein formuliert worden sei und diese Angaben im Rahmen der Rügeerwiderung noch zusätzlich dahingehend ausführt, dass nur allgemein erwähnt werde, dass durch die genannten Maßnahmen das Personal gut ausgebildet sei und sich praxisgerechte Beispiele gerade nicht finden würden, hält die Vergabekammer auch diese Begründung für nachvollziehbar und im Rahmen des bestehenden Beurteilungsspielraumes.
74
Die Feststellung des Antragsgegners zur Unterfrage 4 im Unterkriterium U1, dass zu jedem Fortbildungspunkt zwar der Praxisbezug erläutert werde, allerdings sehr allgemein formuliert sei und die weitergehenden Erläuterungen in der Rügeerwiderung, dass die Eignung der einzelnen Maßnahmen mit je einem sehr pauschalen Satz abgehandelt werde und auch hier nicht von praxisgerechten Beispielen gesprochen werden könne, sich insgesamt in diesem Kriterium kein Bezug auf den Asylbereich finde und allein dieser Umstand verdeutliche, dass die Ausführungen zu diesem Unterkriterium sehr allgemein seien, ist für die Vergabekammer nachvollziehbar und bewegt sich auch im Rahmen des dem Antragsgegner zustehenden Beurteilungsspielraumes.
75
Schlussendlich ist auch die zusammenfassende Bewertung des Antragsgegners im Unterkriterium U1, dass die Darstellung der angebotenen Herangehensweise zwar logisch argumentiert sei und sich inhaltlich mit allen Punkten der im Kriterium dargestellten Thematik befasse, aber nicht schlüssig formuliert sei, da die Punkte überwiegend oberflächlich und schematisch behandelt werden und auf praxisgerechte Beispiele nicht eingegangen werde, für die Vergabekammer nachvollziehbar und bewegt sich innerhalb der dem Antragsgegner zustehenden Beurteilungsspielraums.
76
2.1.8. Der Quervergleich zwischen den Bewertungen der Konzepte der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 1) hält einer vergaberechtlichen Nachprüfung hinsichtlich der Unterkriterien U1 und U2 nicht stand. Hinsichtlich des Unterkriteriums U3 hält der Quervergleich einer vergaberechtlichen Nachprüfung stand.
77
Zwar erschöpft sich die jeweilige in den Unterkriterien vorgenommene Gesamtbewertung des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) größtenteils in der Wiedergabe des abstrakten Bewertungsmaßstabes für die Vergabe von sechs Punkten. Allerdings hat der Antragsgegner bei den einzelnen Unterfragen der jeweiligen Unterkriterien den Inhalt des Konzeptes sowie zum Teil auch eine eigene kurze Bewertung dokumentiert. In der Gesamtschau geht die Vergabekammer davon aus, dass die dort wiedergegebenen Inhalte der Konzepte der Bieter die Aspekte umfassen, die der Antragsgegner positiv bei seiner Bewertung berücksichtigt hat.
78
Der Quervergleich der Bewertungen hält im Unterkriterium U1 einer vergaberechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Beigeladene zu 1) hat im Unterkriterium U1 die volle Punktzahl erhalten, die Antragstellerin hingegen nur vier Punkte. Ausweislich der Bewertungsübersicht für Los 2 mit den vorläufigen Bewertungen für die einzelnen Unterkriterien hat der Antragsgegner bei der Unterfrage 1 im Unterkriterium U1 dem Konzept der Beigeladenen zu 1) mehr vorläufige Punkte, nämlich sechs, erteilt, als dem Konzept der Antragstellerin. Diese hat vier vorläufige Punkte erhalten. Der Quervergleich zwischen den Bewertungen trägt die Einschätzung des Antragsgegners. Hinsichtlich des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) hat der Antragsgegner nachvollziehbar mehr Angaben positiv bewertet als beim Konzept der Antragstellerin.
79
Auch die hinsichtlich der Unterfrage 2 vorgenommene gleiche Bewertung beider Konzepte mit jeweils vier vorläufigen Punkten hält einer Überprüfung des Quervergleiches im Ergebnis stand. Der Vergabekammer fällt bei der Bewertung des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) bei dieser Unterfrage zwar auf, dass der Antragsgegner einen Teil der konzeptionellen Ausführungen der Beigeladenen zu 1) wiedergegeben hat, die genau genommen keinen inhaltlichen Bezugspunkt zu der aufgeworfenen Fragestellung, warum die Auswahlkriterien für die Rekrutierung des Personals geeignet seien, um eine qualitativ hochwertige Leistungserbringung für den hier zu vergebenden Auftrag zu gewährleisten, aufweisen. Die Beigeladene zu 1) hat in ihrem Konzept ausgeführt und der Antragsgegner hat dies scheinbar positiv gewertet, wie die Eignung der Kriterien ermittelt wird. Dies hat nach Auffassung der Vergabekammer inhaltlich keinen Bezugspunkt zu der Frage, warum der Bieter die von ihm genannten Auswahlkriterien als geeignet ansieht. Aber auch ungeachtet dieser Ausführungen hält der Quervergleich einer Überprüfung stand, da beide Bieter hinsichtlich dieser Unterfrage vergleichbare Ausführungen gemacht haben und hierfür dieselbe vorläufige Punktzahl erhalten haben.
80
Der Quervergleich bei der Unterfrage 3 im Unterkriterium U1 ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Hier hat der Antragsgegner für das Konzept der Antragstellerin zwei vorläufige Punkte vergeben und dem Konzept der Beigeladenen zu 1) die volle Punktzahl von sechs Punkten. Der Antragsgegner hat hinsichtlich des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) mehr Aspekte nachvollziehbar positiv berücksichtigt, als beim Konzept der Antragstellerin. Die Bewertung hinsichtlich des Konzeptes der Antragstellerin ist unter Berücksichtigung des Quervergleiches mit den Ausführungen zum Konzept der Beigeladenen zu 1) auch nachvollziehbar, da letztere konkrete Angaben zum Schulungsumfang und -inhalt gemacht.
81
Der Quervergleich der Konzeptbewertungen zur Unterfrage 4 im Unterkriterium U1 hält einer vergaberechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Antragsgegner hat betreffend das Konzept der Beigeladenen zu 1) Ausführungen positiv bewertet, die nach Ansicht der Vergabekammer in keinem Zusammenhang mit der aufgeworfenen Fragestellung stehen. Er hat Ausführungen der Beigeladenen zu 1) wiedergegeben, die eher der Unterfrage 3 zuzuordnen wären, obwohl die Beigeladene zu 1) auch Ausführungen bei der Unterfrage 4 gemacht hat, die thematisch auch zutreffen. Diese hat der Antragsgegner aber offensichtlich nicht gewertet, wie aus der vorgelegten Dokumentation hervorgeht. Für die Vergabekammer ist anhand der vorgelegten Dokumentation nicht nachvollziehbar, weshalb der Antragsgegner der Beigeladenen zu 1) bei dieser Unterfrage sechs vorläufige Punkte gegeben hat, der Antragstellerin hingegen nur vier Punkte. Die dokumentierten Erwägungen des Antragsgegners tragen die Bewertung nicht. Insgesamt hat die Antragstellerin in diesem Punkt wesentlich weitreichende inhaltliche Ausführungen gemacht, als die Beigeladene zu 1). Der Antragsgegner hat ausweislich der Dokumentation auch wesentlich mehr Inhalte des Konzeptes der Antragstellerin in seiner Bewertung wiedergegeben, also wahrscheinlich positiv gewertet, als hinsichtlich des Konzeptes der Beigeladenen zu 1). Soweit der Antragsgegner hinsichtlich des Konzeptes der Antragstellerin feststellt, dass zwar zu jedem Fortbildungspunkt der Praxisbezug erläutert werde, allerdings sehr allgemein formuliert worden sei, trägt auch diese Begründung im Quervergleich mit der Konzeptbewertung der Beigeladenen zu 1) nicht, da sich die Konzepte beider Bieter bei diesem Unterpunkt die inhaltliche Tiefe betreffend als gleichwertig darstellen. Die Vergabe von vier Punkten für das Konzept der Antragstellerin sowie sechs Punkte für das Konzept der Beigeladenen zu 1) hält insgesamt dem angestellten Quervergleich nicht stand.
82
Für die Vergabekammer ist auch nicht erkennbar, ob sich an der insgesamt zu vergebenden Punktzahl in diesem Unterkriterium eine Änderung ergäbe, wenn die Unterfrage vier anders durch den Antragsgegner bewertet werden würde. Auf das Gesamtergebnis in Unterkriterium U1 des Konzeptes der Antragstellerin dürfte es wohl keine Auswirkungen haben, da selbst bei gedanklich zu vergebender Höchstpunktzahl bei Unterfrage vier die Gesamtbewertung unter Berücksichtigung der weiteren gedanklich vergebenen Punkte von zweimal vier und einmal zwei Punkten wohl bei insgesamt vier Punkten verbliebe. Die Auswirkungen auf das Gesamtergebnis in Unterkriterium U1 des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) sind aber nicht absehbar. Wenn der Antragsgegner in Unterfrage vier zu einer gedanklichen Abwertung des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) käme, könnte dies auch Auswirkungen auf die insgesamt im Unterkriterium U1 zu vergebende Punktzahl hinsichtlich des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) haben.
83
Der Quervergleich der Bewertungen hält im Unterkriterium U2 einer vergaberechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand. Sowohl die Beigeladene zu 1) als auch die Antragstellerin haben bei diesem Unterkriterium die volle Punktzahl erhalten.
84
Hinsichtlich der Unterfrage 1 hat der Antragsgegner der Beigeladenen zu 1) die Höchstpunktzahl von sechs vorläufigen Punkten gegeben, der Antragstellerin dagegen nur vier vorläufige Punkte. Hinsichtlich der planbaren Ausfälle haben beide Bieter inhaltlich vergleichbare Ausführungen gemacht. Hinsichtlich nicht planbarer Ausfälle haben die Bieter ebenfalls vergleichbare Ausführungen gemacht. Die Antragstellerin hat nach Ansicht der Vergabekammer sogar weitergehende Ausführungen als die Beigeladene zu 1) gemacht.
85
In der Unterfrage 2 des Unterkriteriums U2 wurde die Beigeladene zu 1) mit vier vorläufigen Punkten bewertet, die Antragstellerin mit sechs vorläufigen Punkten. Es fällt jedoch auf, dass die Beigeladene zu 1) bei dieser Unterfrage keine Ausführungen zu Ersatzpersonal als solchem macht, sondern darstellt, bis zu welcher möglichen Kapazitätsgrenze das geplante Personal eingesetzt werden kann. Damit fehlen nach Ansicht der Vergabekammer Ausführungen zu Ersatzpersonal. Denn beispielsweise gerade krankheitsbedingte Ausfälle von mehreren Mitarbeitern können nicht über eben diese Personen und ihr zeitlich zur Verfügung stehendes Zusatz-Stundenkontingent aufgefangen werden, sondern nur über weiteres Personal. Lediglich in einem weiteren Unterpunkt macht die Beigeladene zu 1) Ausführungen zu vorgehaltenem Ersatzpersonal. Mangels Dokumentation kann die Vergabekammer aber nicht feststellen, dass dies in die Bewertung des Antragsgegners eingeflossen ist.
86
Bei der Unterfrage 3 im Unterkriterium U2 hat die Antragstellerin sechs vorläufige Punkte erhalten, die Beigeladene zu 1) vier vorläufige Punkte. Nach Ansicht der Vergabekammer ist bei dieser Unterfrage eine Spreizung der vorläufig zu verteilenden Punktzahlen von null bis sechs Punkten vor dem Hintergrund, dass hier lediglich eine Zahl zu nennen ist, nämlich wie schnell Ersatzpersonal zur Verfügung steht, schwierig. Gleichwohl fällt auf, dass die Antragstellerin wesentlich detaillierte Ausführungen gemacht hat und der Antragsgegner dies auch positiv mit Vergabe der Höchstpunktzahl gewertet hat. Zusammenfassend bewegt sich die durch den Antragsgegner vorgenommene Bewertung noch im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraumes.
87
Bei der Unterfrage 4 im Unterkriterium U2 hat die Antragstellerin vier vorläufige Punkte erhalten, die Beigeladene zu 1) sechs vorläufige Punkte. Die Ausführungen beider Bieter sind nach Ansicht der Vergabekammer jedoch als inhaltlich gleichwertig anzusehen. Mangels Dokumentation ist für die Vergabekammer nicht erkennbar, weshalb der Antragsgegner das Konzept der Beigeladenen zu 1) in diesem Unterpunkt als überlegen ansieht.
88
Es ist durch die Vergabekammer nicht feststellbar, welche abschließende Punktzahl der Antragsgegner in diesem Unterkriterium bei Neuwertung vergeben würde. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass insbesondere hinsichtlich des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) eine Abwertung erfolgt, die zusammen mit einer anderweitigen Bepunktung im Unterkriterium U1 Auswirkungen auf die Bieterreihenfolge haben könnte mit dem Ergebnis, dass die Antragstellerin eine realistische Zuschlagschance erhält. Die Antragstellerin ist hierdurch in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt.
89
Der Quervergleich der Bewertungen im Unterkriterium U3 dagegen hält einer vergaberechtlichen Nachprüfung stand. Sowohl die Beigeladene zu 1) als auch die Antragstellerin haben bei diesem Unterkriterium die volle Punktzahl erhalten. In beiden Unterfragen dürfte der Antragsgegner beiden Konzepten stets die volle vorläufige Punktzahl erteilt haben. Dass der Antragsgegner in der tabellarischen Konzeptbewertung beim Konzept der Antragstellerin zweimal vier vorläufige Punkte eingetragen hat, dürfte demzufolge ein Schreibfehler sein. Die Bewertung hält einem durchgeführten Quervergleich stand und ist nachvollziehbar. Beide Bieter haben vergleichbare Ausführungen zu diesem Unterkriterium gemacht.
90
2.2. Die festgestellten vergaberechtlichen Verstöße hinsichtlich der Bewertung der Konzepte in den Losen 2 und 4 führen prinzipiell zu einer Neuwertung der eingegangenen Angebote. Hinsichtlich der Angebotswertung zu Los 2, bei der sich die Problematik der formellen Vorgaben der Konzepterstellung nicht ausgewirkt hat, ist diese Vorgehensweise auch angezeigt. Der Vergabekammer Südbayern erscheint allerdings eine vergaberechtskonforme Neuwertung der eingegangenen Angebote das Los 4 betreffend auf der Grundlage der Vergabeunterlagen in ihrem derzeitigen Zustand ausgeschlossen, so dass das Vergabeverfahren das Los 4 betreffend – auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – in den Stand vor Auftragsbekanntmachung zurückzuversetzen ist.
91
Die Vergabeunterlagen und insbesondere die formellen Vorgaben, die bei der Konzepterstellung zu beachten sind und daran angeknüpfte Sanktionsmöglichkeiten sind unklar und die Ausschreibung leidet daher an einem schwerwiegenden Mangel, der eine vergaberechtskonforme Neuwertung nicht möglich macht.
92
Gemäß § 127 Abs. 4 Satz 1 GWB müssen Zuschlagskriterien so festgelegt und bestimmt sein, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet wird, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden kann und eine wirksame Überprüfung möglich ist, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen. Der öffentliche Auftraggeber hat die Entscheidung, wem er den Auftrag erteilt, und die hierzu nötigen Wertungen nach einheitlichem Maßstab zu treffen. Auch hinsichtlich der Bewertungsmethode, insbesondere zur Bewertung qualitativer Zuschlagskriterien, bei der dem öffentlichen Auftraggeber ein größerer Freiraum zuzubilligen ist, ist das Transparenzgebot zu beachten. Die Vergabeunterlagen müssen so klar, präzise und eindeutig gefasst sein, dass alle durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt ihre genaue Bedeutung erfassen und sie in gleicher Weise verstehen können (OLG München, Beschluss vom 08.07.2019, Verg 2/19 m.w.N.). Dies ist insbesondere auch durch Auslegung nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, bei der auf den objektiven Empfängerhorizont der potentiellen Bieter bzw. Bewerber, also einen abstrakten Adressatenkreis, abzustellen ist (BGH, Beschluss vom 07.02.2014, X ZB 15/13; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.03.2018, Verg 52/17; OLG München, Beschluss vom 08.07.2019, Verg 2/19). Besteht Spielraum für unterschiedliche Auslegungen, sind die Vorgaben mehrdeutig und verstoßen gegen § 127 Abs. 4 Satz 1 GWB.
93
Die Vergabekammer weist darauf hin, dass bereits die Vorgaben des Zeilenabstandes von 1,5 sowie zur Schriftgröße nicht ganz klar sind. Wie unter Ziffer II.2.1.3. dieses Beschlusses festgestellt, weicht der Zeilenabstand von 1,5 in einem Word-Dokument von einem Zeilenabstand von 1,5 in einem PDF-Dokument voneinander ab. Es ist daher bereits nicht ganz klar, von welchem 1,5-zeiligen Abstand der Antragsgegner in seinen Vorgaben ausgegangen ist und welchen er zugrunde gelegt wissen wollte. Die Vergabekammer geht davon aus, dass der Antragsgegner wohl die Einhaltung des Zeilenabstandes von 1,5 im PDF-Dokument gemeint haben dürfte. Jedenfalls hat er den Bietern ein PDF-Dokument zur Erstellung ihrer Konzepte zur Verfügung gestellt. Dieses war zwar zunächst nicht beschreibbar. Infolge einer zu dieser Thematik erfolgten Bieterfrage (Nr. 8) hat er jedoch dann das Formblatt „Ausführungen zu Zuschlagskriterien“ in bearbeitbarem PDF-Format zur Verfügung gestellt und darauf verwiesen, dass bei der Befüllung die Vorgaben des Formblattes „Gewichtung der Zuschlagskriterien“ zu beachten seien. Zudem entspricht der im PDF-Dokument von der Vergabekammer ermittelte Zeilenabstand von 1,5 rechnerisch eher dem 1,5-fachen Satz der Kegelhöhe, als dies im Word-Dokument der Fall ist. Eine weitere Ungenauigkeit der formellen Vorgaben besteht darin, dass der Antragsgegner eine Schriftgröße von 12 vorgegeben hat. Es dürfte sich wohl um die Schriftgröße 12 Pt. handeln. Dies ist allerdings in den Vorgaben nicht explizit aufgeführt. Allein diese beiden Tatsachen, die Vorgaben zum Zeilenabstand und zur Schriftgröße, würden für sich betrachtet keine Rückversetzung des Vergabeverfahrens bedingen. Die Vergabekammer weist jedoch darauf hin, dass bei Überarbeitung der Vergabeunterlagen an dieser Stelle ein ergänzender Hinweis bzw. eine Klarstellung durch den Antragsgegner angezeigt sein dürfte, sofern er an den formellen Vorgaben festzuhalten gedenkt.
94
In den Vergabeunterlagen ist nicht ausreichend klar festgelegt, wie mit Abbildungen, die textliche Ausführungen enthalten, die nicht den Vorgaben zu Schriftart, Schriftgröße und Zeilenabstand entsprechen, im Rahmen der Konzeptbewertung umzugehen ist. Der Antragsgegner hat zwar Vorgaben zur Seitenanzahl, Schriftgröße, Schriftart und zum Zeilenabstand gemacht und angegeben, dass Ausführungen auf weiteren Seiten oder Anlagen bei der Wertung des Konzeptes nicht berücksichtigen werden. Es existiert jedoch keine Vorgabe hinsichtlich dem Einfügen von Abbildungen. Soweit es Abbildungen mit textlichen Ausführungen, wie bei dem Konzept der Beigeladenen zu 2), betrifft, könnte einerseits der Standpunkt vertreten werden, dass die Vorgaben des Antragsgegners zu Schriftart, Schriftgröße und Zeilenabstand auch auf diese angewendet werden können. Andererseits kann jedoch auch die Ansicht vertreten werden, dass der Antragsgegner keine expliziten Vorgaben zur Verwendung von Abbildungen getroffen hat, es demzufolge auch keinen Verstoß darstellen kann, wenn Abbildungen mit textlichen Ausführungen in die Konzepte eingefügt werden. Es besteht demnach Spielraum für unterschiedliche Auslegungen, sodass die Vorgaben des Antragsgegners mehrdeutig sind und der Bewertung nicht zugrunde gelegt werden können. Da es jedoch einer gleichbehandelnden Bewertung widerspricht, Abbildungen, die textliche Ausführungen enthalten, die insbesondere nicht den Formvorgaben zu Schriftgröße und Zeilenabstand entsprechen, im Rahmen der Bewertung inhaltlich zu berücksichtigen, da dies dazu führen kann, dass Bieter mehr Informationen in dem Konzept unterbringen, als wenn sie sich an die Vorgaben gehalten hätten, sieht die Vergabekammer als einzige Möglichkeit zur Behebung dieser Ungleichbehandlung eine Rückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Auftragsbekanntmachung. Es bleibt dem Antragsgegner hierbei überlassen, wie er seine Vergabeunterlagen ausgestaltet, um eine gleichbehandelnde Wertung der Angebote vornehmen und gewährleisten zu können. Die Vergabekammer weist bezüglich der Aufnahme von Vorgaben zu Abbildungen im Rahmen der Überarbeitung der Vergabeunterlagen darauf hin, dass sie nach Sichtung aller eingereichten Konzepte eine Überprüfung auf Einhaltung der Formvorgaben des Antragsgegners bezogen auf eingefügte Abbildungen als äußerst schwierig einstuft. Dabei hat sie das Konzept eines am Nachprüfungsverfahren nicht beteiligten Bieters des hiesigen Vergabeverfahrens im Auge, bei dem eine Abbildung eingefügt wurde, die einen von schräg oben abfotografierten Text auf einem Monitor zeigt.
95
Aber auch, wenn man den Standpunkt vertreten würde, dass es keiner Vorgaben hinsichtlich Abbildungen bedurfte und die bestehenden Formvorgaben auch auf textliche Ausführungen in Abbildungen anzuwenden sind, könnten die vom Antragsgegner vorgegebenen Sanktionsmöglichkeiten von Verstößen gegen die Formvorgaben vorliegend nicht hinsichtlich der Bewertung des Konzeptes der Beigeladenen zu 2) herangezogen werden. Die Vergabeunterlagen und insbesondere die Ausführungen der Sanktionsmöglichkeit der Bewertung eines Konzeptes mit null Punkten sind unklar und lassen verschiedene Auslegungsmöglichkeiten zu. Es ist nicht transparent, was unter einem „Abweichen von den Vorgaben in den Vergabeunterlagen“ zu verstehen ist, das ausweislich des Formblattes „Gewichtung der Zuschlagskriterien“ mit null Punkten bewertet werden soll. Insbesondere ist nicht klar und eindeutig, dass hierunter formelle Abweichungen von den Vorgaben in den Vergabeunterlagen zu verstehen sind mit dem Ergebnis, dass Konzepte, die die Vorgaben zu Schriftart, Schriftgröße und Zeilenabstand nicht einhalten, mit null Punkten zu bewerten wären. Für diese Auslegungsmöglichkeit spricht, dass der Antragsgegner hiermit keine inhaltlichen Abweichungen von den Vergabeunterlagen gemeint haben kann, da ein Verstoß gegen inhaltliche Abweichungen wohl regelmäßig einen Angebotsausschluss nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV nach sich ziehen dürfte, sofern nicht die Einreichung von Nebenangeboten zugelassen wurde, was im Vorliegenden ausweislich der Auftragsbekanntmachung in Ziffer 5.1.12. nicht der Fall war. Gegen eine solche Auslegung und für eine Auslegung dahingehend, dass unter Vorgaben von den Vergabeunterlagen nur solche inhaltlicher Natur gemeint sein können spricht allerdings, dass die abstrakten Bewertungsvorgaben des Antragsgegners zu den jeweils zu vergebenden Punktzahlen sich allesamt auf inhaltliche Vorgaben beziehen. Dies betrifft vor allem die Vorgaben zu den Punktvergaben von sechs, vier und zwei Punkten, bei denen jeweils die Darstellung der angebotenen Herangehensweise und damit die inhaltlichen Ausführungen der Bieter bewertet werden. Aber auch die übrigen Kriterien, unter welchen Voraussetzungen null Punkte vergeben werden, sind inhaltlicher Art. Null Punkte sollen unter anderem dann vergeben werden, wenn das Konzept zu dem Kriterium nicht vorliegt, wenn also inhaltliche Ausführungen zu dem Kriterium fehlen. Null Punkte sollen zudem vergeben werden, wenn das Konzept von den rechtlichen Vorgaben abweicht. Auch diesbezüglich handelt es sich um einen auf den Inhalt des Konzeptes bezogenen Maßstab. Null Punkte sollen schlussendlich auch dann vergeben werden, wenn sich das Konzept nicht mit der im Kriterium dargestellten Thematik befasst, also ebenfalls die inhaltlichen Ausführungen des Konzeptes eine Rolle spielen. Es wäre unter Berücksichtigung dieser Ausführungen nicht nachvollziehbar, weshalb der Antragsgegner bei einer Abweichung von den Vorgaben in den Vergabeunterlagen konträr zu seinen übrigen Vorgaben dann solche formeller Natur gemeint haben soll, zumal er an anderer Stelle im Dokument bereits eine Sanktionierung bei Verstößen gegen die Formvorgaben getroffen hat, nämlich, dass überschießende Seiten und Anlagen nicht gewertet werden. Damit war für die Bieter nicht klar und eindeutig, anhand welcher Kriterien ihre Konzepte bewertet werden und eine gleichbehandelnde Konzeptbewertung nicht möglich. Für Bieter, wie beispielsweise die Beigeladene zu 2) war nicht hinreichend transparent, ob und gegebenenfalls welche Konsequenzen sie erwarten, wenn sie Abbildungen mit textlichen Ausführungen in ihre Konzepte einfügen, die nicht der vorgegebenen Schriftart, Zeilenabstand und Schriftgröße entsprechen. Damit konnten sie auch kein einheitliches Verständnis der Vergabeunterlagen bei der Erstellung ihres Konzeptes zugrunde gelegen. Es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass die Beigeladene zu 2) ihre konzeptionellen Ausführungen anders ausgestaltet hätte, wenn sie gewusst hätte, dass formelle Abweichungen von den Vorgaben betreffend Schriftart, Zeilenabstand und Schriftgröße mit null Punkten im Unterkriterium bewertet werden.
96
Sind die Vorgaben in der Ausschreibung zu der Wertung zu unbestimmt, so liegt darin nicht nur ein Verstoß gegen das Transparenzprinzip, sondern auch gegen das Gleichbehandlungsgebot (OLG München, Beschluss vom 08.07.2019, Verg 2/19). Es würde sich zum einen eine Ungleichbehandlung ergeben, wenn vorliegend die Nichtbeachtung der Vorgaben zur Schriftgröße, Schriftart und zum Zeilenabstand, wie sie im Konzept der Beigeladenen zu 2) vorkommt, sanktionslos bliebe im Verhältnis zu Bietern, die die Formvorgaben eingehalten habe, wie beispielsweise die Antragstellerin, aber auch im Verhältnis zu Bietern, die sich nicht an die vorgegebene Seitenanzahl gehalten haben. Denn beides, sowohl Nichtberücksichtigung von Schriftart, Schriftgröße und Zeilenabstand sowie überschießende Seitenanzahlen / Anlagen können dazu führen, wie oben bereits festgestellt, dass Bieter mehr Informationen in dem Konzept unterbringen, als wenn sie sich an die Vorgaben halten. Zum anderen ergäbe sich aber auch eine Ungleichbehandlung, wenn Konzepte von Bietern wegen nichtbestehender Sanktionsmöglichkeiten mehr Informationen beinhalten, als wenn sich die Bieter an die Vorgaben zu Schriftart, Schriftgröße und Zeilenabstand gehalten hätten. Dieses Spannungsfeld ist nur darüber aufzulösen, dass der Antragsgegner das Vergabeverfahren das Los 4 betreffend in den Stand vor Bekanntmachung der Ausschreibung zurückversetzt und seine Vergabeunterlagen dahingehend überarbeitet und klarstellt.
97
3. Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S. 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegendder Antragsgegner.
98
Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.
99
Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens.
100
Der Antragsgegnerist als Bundesland von der Zahlung der Gebühr nach § 182 Abs. 1 S. 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 VwKostG (Bund) vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung befreit.
101
Von der Antragstellerinwurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskrafterstattet.
102
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB. Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i. S. v. § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, daes sich beim Vergaberecht und dem Nachprüfungsverfahren um einen komplexen Problemkreis handelt und die Antragstellerin nicht über die für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendigen personellen Kapazitäten verfügt und daher auf eine vertiefte rechtliche Begleitung im Nachprüfungsverfahren durch einen Anwalt angewiesen war. Die im Nachprüfungsverfahren aufgeworfenen Rechtsfragen waren jedenfalls hinsichtlich der Konzeptbewertung in den Losen 2 und 4 komplex und von der Antragstellerin ohne anwaltliche Beratung nicht zu bewältigen.
103
Auch wenn die beiden Beigeladenen keine Anträge gestellt haben, muss die Vergabekammer von Amts wegen über die Aufwendungen der Beigeladenen entscheiden.
104
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen beruht auf § 182 Abs. 4 S. 2 GWB. Danach sind Aufwendungen der Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie als billig erachtet. Die Beigeladenen haben jeweils ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen selbst zu tragen. Sie haben weder Anträge gestellt hat, noch haben sie sich im Übrigen aktiv am Verfahren beteiligt. Die Beigeladene zu 2) hat überdies auch nicht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen, die Beigeladene zu 1) hat sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung passiv verhalten.