Titel:
Bayerisches Oberstes Landesgericht, Nachprüfungsverfahren, Entscheidungen der Vergabekammer, Gleichbehandlungsgrundsatz, Nachunternehmereinsatz, Nachgelassener Schriftsatz, Unterkostenangebot, Vergabeverfahren, Substantiierung, Bietergemeinschaft, Vergabevermerk, Beurteilungsspielraum, Rügeobliegenheit, Öffentlicher Auftraggeber, Verfahren vor der Vergabekammer, Gleichbehandlung der Bieter, Vergabeunterlagen, Nachunternehmerleistung, Eignungsnachweis, Eignungsanforderungen
Normenketten:
GWB § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1
GWB § 122 Abs. 4 S. 2
VOB/A § 6b EU Abs. 1 Nr. 1
Leitsätze:
1. Wird ein präqualifizierter Bieter von einem bei den Eignungskriterien verlinkten Formblatt weder explizit angesprochen, weil sich dieses nur an nicht-präqualifizierte Bieter richtet, noch weist die Gestaltung des Formblatts darauf hin, dass hier eine Mindestanforderung hinsichtlich der Nachweise an die Eignung aufgestellt wird, die auch für präqualifizierte Bieter einschlägig sein soll, darf ein präqualifizierter Bieter bereits auf Grund der Überschrift davon ausgehen, dass dieses Formblatt keine für ihn relevanten Informationen enthält. Er ist insbesondere nicht gehalten es nach versteckten Hinweisen auf Mindestanforderungen, die auch für ihn gelten könnten, zu durchsuchen.
2. Fehlen für präqualifizierte Bieter aufgrund eines Bekanntmachungsdefizites wirksam aufgestellte Eignungsanforderungen oder Nachweise, muss das Vergabeverfahren in den Stand vor Bekanntmachung zurückversetzt werden, wenn der Zuschlag auf das Angebot eines ungeeigneten Bieters droht. Ein präqualifizierter Bieter wäre dann als ungeeignet anzusehen, wenn er die für nicht-präqualifizierte Bieter aufgestellten Eignungsanforderungen nicht mit dem von ihm im PQ-Verzeichnis hinterlegten Angaben und Nachweisen erfüllen kann.
3. Die von einer Vergabestelle geforderten vergleichbaren Referenzen müssen nicht zwingend Referenzen für die Komplettleistung sein, sondern eine Vergabestelle kann die technische Leistungsfähigkeit eines Bieter auch anhand von Referenzen für einzelne Leistungsbereiche bejahen, wenn die Einzelreferenzen über Leistungen erteilt wurden, welche mit den ausgeschriebenen Teilleistungen vergleichbar sind und die Vergabestelle in einer fehlerfreien Prognoseentscheidung festgestellt hat, dass die Summe der Einzelreferenzen die ordnungsgemäße Erfüllung der Gesamtmaßnahme erwarten lässt.
4. Da zur Vergleichbarkeit einer Leistung jedoch auch der Umfang der erbrachten Leistung gehört, erscheint es im Regelfall jedoch ausgeschlossen, dass mehrere Teilleistungen hinsichtlich des Umfangs einer der Art vergleichbaren Leistung vom selben Bieter zusammengenommen werden können, um eine nach Art und Umfang vergleichbare (Teil-) Leistung nachzuweisen.
5. Den Aussagen eines Bieters im Rahmen einer Preisaufklärung kommt ein bedeutender Erklärungswert darüber zu, wie der Bieter sein Angebot verstanden wissen wollte und mit welchem Inhalte er es kalkuliert hat. Will ein Bieter von Erklärungen, die er im Rahmen der Preisaufklärung getätigt hat später abrücken, so obliegt es ihm hinreichende Nachweise dafür bringen, dass die Kalkulation seines Angebots ursprünglich tatsächlich etwas anderes beinhaltete als er (versehentlich) in der Aufklärung erklärt hat.
6. Hat ein Bieter in seinem Angebot abschließend erklärt, eine bestimmte (Teil-)Leistung selbst zu erbringen, kann er für diese Leistung nachträglich keinen Unterauftragnehmer mehr benennen, da dies eine unzulässige inhaltliche Änderung seines Angebots darstellen würde. Das Angebot ist jedoch nicht auszuschließen, sondern so zu werten, wie es eingegangen ist, also dass die Leistung im eigenen Betrieb ausgeführt wird.
Schlagworte:
Eignung, Referenzen, Preiserklärung
Fundstellen:
BeckRS 2024, 37927
ZfBR 2025, 112
LSK 2024, 37927
Tenor
1. Dem Antragsgegner wird untersagt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen auf der Grundlage des bisherigen Vergabeverfahrens zu erteilen. Die Prüfung und Wertung des Angebots der Beigeladenen ist bei fortbestehender Beschaffungsabsicht unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
2. Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner, wobei sich der Kostenanteil der Beigeladenen im Außenverhältnis auf ein Halb reduziert. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin tragen der Antragsgegner und die Beigeladene je zur Hälfte. Die Beigeladene und der Antragsgegner tragen ihre notwendigen Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung jeweils selbst.
3. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von…,00 EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.
4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.
Gründe
1
Mit Auftragsbekanntmachung vom19.09.2023, veröffentlicht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union, schrieb der Antragsgegner einen Bauauftrag über Vorabmaßnahmen Naturstein im Rahmen einer Gesamtsanierung im Wege eines offenen Verfahrens aus. Einziges Zuschlagskriterium war gemäß Ziffer II.2.5) der Bekanntmachung der Preis.
2
Unter Ziffer II.1.4) und Ziffer II.2.4) der Auftragsbekanntmachung war der Beschaffungsbedarf wie folgt beschrieben:
Demontage, Lagerung und spätere Wiedermontage von Naturstein-Fassadenplatten, 1465 St
Demontage, Lagerung und spätere Wiedermontage von Naturstein-Attikaplatten, 430 St
Demontage Natursteinpflaster/-plattenbelag, 360 m2
Demontage Naturstein Keilstufe, 282 m
Lieferung und Montage von Naturstein-Fassadenplatten, Kalksandstein, 72 St
Lieferung und Montage von Naturstein-Attikaplatten, Granit 19 St
Herstellen von provisorischen Wetterschutzabdeckungen, 15 St
Herstellen von provisorischen Wetterschutzabdeckungen, 60 St
Herstellen von Lagerfläche, 300 m2
Lieferung von Eurogitterboxen, 150 St
3
Ausweislich der Angabe in Ziffer III.1.2 und Ziffer III.1.3. der Bekanntmachung waren die Bedingungen für die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit sowie für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit über einen Direktlink zu den Auftragsunterlagen, konkret auf das Formblatt 124, abrufbar. Das Formblatt 124 ist überschrieben mit „Eigenerklärung zur Eignung für nicht präqualifizierte Unternehmen“ und enthält unter der Überschrift des Formblatts den Klammerzusatz „vom Bieter/Mitglied der Bietergemeinschaft sowie zugehörigen Nachunternehmen auszufüllen, soweit diese nicht präqualifiziert sind“.
4
Auszugsweise heißt es im Formblatt 124: „[…] Angaben zu Leistungen, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind: Ich erkläre / Wir erklären, dass ich / wir in den letzten fünf Kalenderjahren bzw. dem in der Auftragsbekanntmachung angegebenen Zeitraum, vergleichbare Leistungen ausgeführt habe/haben. […] Falls mein/unser Teilnahmeantrag/Angebot in die engere Wahl kommt, werde ich /werden wir drei Referenznachweise mit mindestens folgenden Angaben vorlegen: […] Angaben zu Arbeitskräften: Ich/Wir erkläre(n), dass mir/uns die für die Ausführung der Leistungen erforderlichen Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Falls mein/unser Teilnahmeantrag/Angebot in die engere Wahl kommt, werde ich /werden wir die Zahl der in den letzten drei abgeschlossenen Kalenderjahren jahresdurchschnittlich beschäftigten Arbeitskräfte, gegliedert nach Lohngruppen mit extra ausgewiesenem technischen Leitungspersonal, angeben.“
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Bestandteil der Auftragsunterlagen war zudem auch das Formblatt 212. Auszugsweise heißt es dort unter Ziffer 7.1.: „Präqualifizierte Unternehmen führen den Nachweis der Eignung für die zu vergebende Leistung durch den Eintrag in die Liste des Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. (Präqualifikationsverzeichnis) und ggf. ergänzt durch geforderte auftragsspezifische Einzelnachweise. Bei Einsatz von anderen Unternehmen ist auf gesondertes Verlangen nachzuweisen, dass diese präqualifiziert sind oder die Voraussetzung für die Präqualifikation erfüllen, ggf. ergänzt durch geforderte auftragsspezifische Einzelnachweise.
6
Nicht präqualifizierte Unternehmen haben als vorläufigen Nachweis der Eignung für die zu vergebende Leistung mit dem Angebot
- entweder die ausgefüllte „Eigenerklärung zur Eignung“ ggf. ergänzt durch geforderte auftragsspezifische Einzelnachweise
- oder eine Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE) vorzulegen.“
7
Ebenfalls Bestandteil der Vergabeunterlagen war das Formblatt 216 (Verzeichnis der im Vergabeverfahren vorzulegenden Unterlagen), in welchem unter Ziffer 1.2. Unternehmensbezogene Unterlagen durch Ankreuzen einer vorgedruckten Checkbox angegeben war, dass mit dem Angebot abzugeben sei: „Angabe der PQ-Nummer im Angebotsschreiben oder Formblatt Eigenerklärung zur Eignung oder Einheitliche Europäische Eigenerklärung“
8
Sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene reichten innerhalb der auf den18.10.2023, verlängert bis 07.11.2023, festgesetzten Angebotsfrist ein Angebot ein. Ausweislich der Submission vom 07.11.2023 gingen 5 Angebote ein. Das Angebot der Antragstellerin lag mit … € auf Rang 2, das der Beigeladenen mit … € auf Rang 1.
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Mit Schreiben vom 07.11.2023 forderte der Antragsgegner die Beigeladene zur Nachreichung von Unterlagen auf, welche diese mit Schreiben vom 13.11.2023 fristgerecht übersandte. Zugleich reichte die Beigeladene am 13.11.2023 unaufgefordert das Formblatt 235 (Verzeichnis der Leistungen anderer Unternehmen) ein und erklärte darin erstmalig, dass sie für die Leistungsbereiche 1.2 (Demontage Natursteinplatten Dachbereiche) und 1.3 (Montage Natursteinplatten Dachbereiche) Nachunternehmer einsetzten wolle.
10
Mit Schreiben vom 14.11.2023 wies die Antragstellerin den Antragsgegner darauf hin, dass das Angebot der Beigeladenen ein unzulässiges Unterkostenangebot darstelle, welches bei den zu veranschlagenden Zeiten für die ausgeschriebenen Bauleistungen nicht mehr die Mindestlöhne erreichen könne. Das Preisniveau der übrigen Bieter bestätige zudem die Annahme, dass die Beigeladene zu günstig angeboten habe.
11
Mit Schreiben vom 14.11.2023 erklärte der Antragsgegner, dass er das Angebot der Beigeladenen nochmals eingehend nach den Vorgaben des Vergabehandbuchs Bayern geprüft habe. Die vorgelegten Unterlagen seien schlüssig und nachvollziehbar und die Preise schienen angemessen und ließen eine ordnungsgemäße Leistungserbringung erwarten. Anhaltspunkte für ein unangemessen niedriges Angebot lägen somit keine vor.
12
Mit Schreiben vom 17.11.2023 forderte der Antragsgegner die Beigeladene auf, die Preisbildung, insbesondere im Hinblick auf die angesetzten Zeitansätze, in den folgenden Positionen zu erläutern:
- Pos. 01.02.0003 und Pos. 01.02.0004 Demontage Fassadenplatten 0,25 bis 0,50 und 0,50 bis 0,75m²
- Pos. 01.02.0016 Teilrückbau KMF, Rückschnitt
- Pos. 01.03.0001 Setzen Traganker verpresster Halbdorn M12
- Pos. 01.03.0003 Setzen Traganker verpresster 1/1-Dorn M12
- Pos. 01.03.0012-14 Montage Fassadenplatten
- Pos. 01.03.0015-18 Montage Attikaplatten.
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Die Beigeladene kam der Aufforderung des Antragsgegners mit Schreiben vom 21.11.2023 nach. Sie erläuterte darin, wie sie bei den angefragten Positionen und den dafür auszuführenden Arbeiten auf ihre kalkulierten Stundenansätze gekommen war.
14
Mit Informationsschreiben gemäß § 134 GWB vom 19.12.2023 setzte der Antragsgegner die Beigeladene davon in Kenntnis, dass ihr Angebot von der Wertung ausgeschlossen werde, weil es unzulässige Änderungen an den Vergabeunterlagen enthalte. Mit ihrem Angebot habe die Beigeladene im Formblatt 213 angegeben, dass sie alle Leistungen im eigenen Betrieb ausführen werde. Im Rahmen der Nachforderung habe die Beigeladene unaufgefordert das ausgefüllte Formblatt 235 (Verzeichnis der Nachunternehmerleistungen) nachgereicht und darin angegeben, dass sie die Leistungen in den Leistungsbereichen 1.2 und 1.3. von einem Nachunternehmer ausführen lassen werde. Dies stelle eine nachträgliche Änderung ihres Angebots dar und sei daher unzulässig. Das Angebot der Beigeladenen müsse daher gem. § 16 EU Nr. 2 i. V. m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 VOB/A ausgeschlossen werden.
15
Die Beigeladene stellte daraufhin mit Schreiben vom 02.02.2024 einen Nachprüfungsantrag gemäß § 160 Abs. 1 GWB bei der Vergabekammer Südbayern (Aktenzeichen: 3194.Z3-3_01-24-2). Mit rechtlichem Hinweis vom 29.02.2024 teilte die Vergabekammer mit, dass sie nach vorläufiger Rechtsauffassung zwar die nachträgliche Benennung des Unterauftragnehmers bzw. Nachunternehmers für unzulässig halte. Der erfolgte Angebotsausschluss der Beigeladenen sei jedoch nach ihrer vorläufigen Rechtsauffassung ebenfalls unzulässig. Das Angebot der Beigeladenen sei so zu werten, wie es eingegangen sei und nach dem objektiven Empfängerhorizont zu verstehen war. Wenn eine Angebotsaufklärung ergebe, dass die Beigeladene ohne den nachträglich benannten Unterauftragnehmer bzw. Nachunternehmer erwiesenermaßen nicht leistungsfähig sei, sei ihr Angebot auszuschließen.
16
Der Antragsgegner versetzte das Verfahren am 05.03.2024 in den Stand vor Wertung der Angebote zurück. Er teilte mit Informationsschreiben gemäß § 134 GWB vom 06.03.2024 mit, dass der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden solle.
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Mit Schreiben vom 07.03.2024 beanstandete die Antragstellerin die Vergabeentscheidung des Antragsgegners als vergaberechtswidrig. Das Angebot der Beigeladenen sei unangemessen niedrig. Zudem sei die Beigeladene ungeeignet, da sie in der Vergangenheit keinerlei Fassadenbauleistungen erbracht habe. Ferner sei das Angebot der Beigeladenen wegen Nichteinreichung der fehlenden Unterlagen den geplanten Nachunternehmereinsatz betreffend auszuschließen.
18
Mit Schreiben vom 12.03.2024 ergänzte die Antragstellerin ihre Rügen. Die Beigeladene habe durch den nachträglich hinzugefügten Nachunternehmereinsatz unzulässige Änderungen an ihrem Angebot vorgenommen. Zudem sei die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen nicht ordnungsgemäß geprüft worden, die Beigeladene sei nicht leistungsfähig und könne die Leistungen, für die sie nachträglich einen Nachunternehmer benannt habe und welche wertmäßig über 70% der ausgeschriebenen Bauleistung ausmachen würden, nicht selbst erbringen.
19
Mit Beschluss vom 12.03.2024 wurde das Nachprüfungsverfahren mit dem Aktenzeichen 3194.Z3-3_01-24-2 eingestellt.
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Mit Schreiben vom 12.03.2024 antwortete der Antragsgegnerder Antragstellerin, dass ihren Rügen nicht abgeholfen werde. Der Antragsgegner schließe sich hinsichtlich des nachträglich eingereichten Nachunternehmereinsatzes der Rechtsauffassung der Vergabekammer an. Zudem sei die Rüge des Unterkostenangebots der Beigeladenen präkludiert, da die Antragstellerin das vermeintliche Unterkostenangebot der Beigeladenen bereits mit Schreiben vom 14.11.2023 gerügt habe. Diese Rüge habe der Antragsgegner bereits mit Schreiben vom 14.11.2023 zurückgewiesen. Ferner sei die Beigeladene im Rahmen der Eignungsprüfung für geeignet und leistungsfähig befunden worden und habe nachgeforderten Unterlagen nicht fristgerecht eingereicht.
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Nachdem den Rügen der Antragstellerin nicht abgeholfen wurde, stellte die Antragstellerin mit Schreiben vom 14.03.2024 (korrigierte Version vom 15.03.2024) einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB.
22
Die Antragstellerinträgt vor, dass der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet sei. Sie habe erst in der Rüge vom 07.03.2024 den neuen Aspekt des unangemessen niedrigen Preises gerügt. Bei dem Schreiben vom 14.11.2023 habe es sich nicht um eine Rüge gehandelt, sondern lediglich um einen vorsorglichen Hinweis. Der Antragsgegner habe zu diesem Zeitpunkt noch keine vergaberechtlichen Maßnahmen ergriffen, die eine Rüge gerechtfertigt hätten. Auch habe die Antragstellerin erst mit ihrer Rüge vom 07.03.2024 explizit erläutert, dass mit dem Angebotspreis der Beigeladenen die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns faktisch ausgeschlossen sei. Bei dem Vortrag der Antragstellerin handle es sich ferner nicht um Spekulationen, sondern konkrete Anknüpfungstatsachen, es sei zulässig sich auf die konkrete Marktkenntnis zu berufen.
23
Weiter trägt die Antragstellerin vor, dass das Angebot der Beigeladenen nur unzureichend aufgeklärt worden sei, da sich sonst hätte ergeben müssen, dass der Angebotspreis die Einhaltung der gesetzlichen Mindestlohnvorschriften unmöglich mache. Zudem habe die Beigeladene mit einer unplausibel niedrigen Anzahl von Arbeitsstunden kalkuliert. Zudem sei der von der Beigeladenen angebotene Einheitspreis, der offenbar sehr günstig sei, durch Missachtung von Arbeitsschutz- und Umweltschutzvorgaben zustande gekommen. Das Angebot sei daher gem. § 16d EU Abs. 1 S. 2 VOB/A auszuschließen.
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Auch hätte das Angebot der Beigeladenen wegen einer nachträglichen Änderung des Angebots ausgeschlossen werden müssen. Das Nachschieben von Nachunternehmerleistungen führe immer zum Ausschluss des geänderten Angebots und nicht dazu, dass die Änderungen nicht zu werten seien.
25
Zudem habe es der Antragsgegner unterlassen, die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen ohne den nachträglich benannten Nachunternehmereinsatz zu prüfen. Der Antragsgegner habe offenbar keine erneute Angebotsaufklärung durchgeführt, sondern lediglich bereits vorhandene Unterlagen neu bewertet. Insbesondere sei keine konkrete Rückfrage an die Beigeladene erfolgt, ob diese auch ohne Nachunternehmerleistungen leistungsfähig sei. Hätte der Antragsgegner dies gemacht, so hätte er festgestellt, dass die Beigeladene keine Mitarbeiter für die anstrengende De- und Remontage der Fassadenplatten in ausreichender Anzahl beschäftige. Da über 70% der Leistung durch Nachunternehmer ausgeführt werden sollten, hätte der Antragsgegner konkret fragen müssen, wie die Beigeladene dies mit ihrem eigenen Personal leisten könne.
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Auch seien die Referenzen der Beigeladenen ungeeignet, ihre Eignung nachzuweisen. Die Beigeladene sei auf die Sanierung von Naturstein spezialisiert, aber nicht auf Fassadenbauleistungen. Sie verfüge über keinerlei nennenswerte Erfahrung im Bereich der Fassadenbauleistungen wie etwa der Montage von Natursteinplatten über Anker oder Unterkonstruktionen. Im Übrigen würden die Ausführungen im Rahmen der Angebotsaufklärung der Beigeladenen über die von ihr vorgesehene Art des Rückbaus unterstreichen, dass ihr jedwede Erfahrung mit Projekten, wie dem hier ausgeschriebenen, fehle. Der Großteil der ausgeschriebenen Leistungen umfasse die De- und Remontage der Fassade mit spezieller Verankerungstechnik, die Beigeladene verfüge über keine einzige solche Referenz, schon gar nicht in diesem Umfang.
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Weiter trägt die Antragstellerin vor, dass die Beigeladene etwas anderes anbiete, als ausgeschrieben worden sei, und allein aus diesem Grund zwingend ausgeschlossen hätte werden müssen. Die Vorgabe „gemäß den Vorgaben der TRGS 521“ bedeute, dass ein staubarmes und zerstörungsfreies Vorgehen bei der Demontage der Dämmung gefordert sei. Das Angebot der Beigeladenen, diesen Rückbau „mit der Flex“ durchzuführen, widerspreche den Vorgaben der TRGS 521. Ferner biete die Beigeladene sowohl im Hinblick auf die Ausführung des erschütterungsfreien Bohrens als auch im Hinblick auf die Wahl des Verankerungsmörtels, welcher der bei ihr eben gerade kein Verankerungsmörtel, sondern Fixzement sei, etwas anderes an, als im Leistungsverzeichnis vorgegeben sei.
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Die Antragstellerin beantragt
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Zuschlag unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer auf das Angebot der Antragstellerin vom 06.11.2023 zu erteilen.
2. Hilfsweise: Das Vergabeverfahren ist in den Stand vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen.
3. Der Antragstellerin ist Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren.
4. Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 128 Abs. 4 GWB wird für notwendig erklärt.
5. Dem Antragsgegner werden die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin auferlegt.
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Der Antragsgegner beantragt
1. Der Vergabenachprüfungsantrag vom 15.03.2024 wird als unzulässig verworfen, hilfsweise als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechen den Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners zu tragen.
3. Die Hinzuziehung der Bevollmächtigten durch den Antragsgegner wird für erforderlich erklärt.
30
Zur Begründung trägt der Antragsgegner vor, dass die Rügen der Antragstellerin ins Blaue hinein und ohne Anknüpfungspunkte formuliert seien. Zudem hätte die Antragstellerin bei einem Einblick in den allgemein zugänglichen Teil des PQ-Verzeichnisses feststellen können, dass die Beigeladene präqualifiziert sei.
31
Ferner sei der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin auch unbegründet. Die unzulässige nachträgliche Benennung von Nachunternehmern führe zur Rechtsfolge des § 15 Abs. 3 VOB/A, was bedeute, dass die Unzulässigkeit der nachträglichen Angebotsänderung das ursprüngliche Angebot nicht beeinträchtige und das ursprüngliche Angebot durch den Antragsgegner zu werten gewesen sei.
32
Die Überprüfung des Angebots der Beigeladenen durch das vom Antragsgegner beauftragte Architekturbüro habe ergeben, dass kein unangemessen niedriges Angebot vorliege. Ferner sei das Angebot der Beigeladenen auch hinsichtlich auffälliger Einzelpositionen aufgeklärt worden. Die dabei von der Beigeladenen angegebenen Synergieeffekte sowie die Berufung auf die Vermeidung von Leerzeiten seien vom Antragsgegner als korrekt und nachvollziehbar eingeschätzt worden. Zudem liege der Mittellohn noch über dem Niveau der Bieter auf dem zweiten und dritten Rang, so dass es keine Anhaltspunkte für die behaupteten Verstöße gegen sozial- und arbeitsrechtliche Anforderungen gebe. Ausschlaggebend für den Preisvorsprung sei die deutlich niedrigere Gesamtstundenanzahl, mit der die Beigeladene kalkuliert habe. Der Antragsgegner habe bei der Beurteilung der Erklärung der Beigeladenen auch keinen Anlass gehabt, anzunehmen, dass damit Falschangaben gemacht worden seien oder dass die Beigeladene ihrer Kalkulation eine unrealistische Einschätzung der Arbeitszeiten zu Grunde gelegt habe.
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Die Beigeladene sei auch geeignet. Die Eignungskriterien seien auch durch den Direktlink auf das Formblatt 124 wirksam bekannt gemacht worden. Der Antragsgegner habe die Eignung der Beigeladenen ausreichend geprüft. Die Beigeladene sei im PQ-Verzeichnis unter anderem für den Leistungsbereich 112_04 (Natur- und Betonwerksteinarbeiten) eingetragen. Dieser umfasse auch die Leistungen der De- und Remontage der Natursteinplatten und erfasse Dachbereiche mit. Die im PQ-Verzeichnis hinterlegten Referenzen würden auch zu den Leistungsbereichen der ausgeschriebenen Leistung passen. Die Prüfung des Antragsgegners habe ergeben, dass die Beigeladene sowohl im Hinblick auf die allgemeinen Eignungsanforderungen, als auch im Hinblick auf die im PQ-Verzeichnis hinterlegten Referenzprojekte dazu in der Lage sei, ihre Eignung für das vorliegende Projekt nachzuweisen. Selbst bei einem Bekanntmachungsdefizit der Eignungskriterien, drohe damit kein Zuschlag auf das Angebot eines ungeeigneten Bieters.
34
Aus dem Vortrag der Antragstellerin zum Einsatz einer „Flex“ beim Teilrückbau der Wärmedämmung und von „Fixzement“ beim Setzen der Traganker ergäben sich keine Anhaltspunkte darauf, dass die Antragstellerin nicht nach den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses leisten würde.
35
Mit Beiladungsbeschluss vom 22.03.2024 wurde die Beigeladene beigeladen und erklärte in der mündlichen Verhandlung, dass sie sich den Anträgen des Antragsgegners anschließe.
36
Zur Begründung trägt die Beigeladene vor, dass sie sich die Ausführungen des Antragsgegners im Schriftsatz vom 22.03.2024 zu eigen mache. Die Beigeladene zahle allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Löhne und Gehälter über dem gesetzlichen Mindestlohn. Zudem seien ihre Preise auskömmlich und ihre Eignung stehe durch ihre Präqualifikation fest. Die Beigeladene habe unzählige mit den ausgeschriebenen Arbeiten vergleichbare Arbeiten zur Zufriedenheit ihrer Auftraggeberinnen und Auftraggeber abgewickelt. Diese Referenzen würden das technisch notwendige Können der Beigeladenen belegen. Die ausgeschriebenen Vertragsleistungen würden keine Qualifikationen und Erfahrungen erfordern, die mit den vorstehenden Referenzen nicht nachgewiesen wären und zwar sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht. Der Vorhalt der Antragstellerin, die Beigeladene verfüge nicht über die Eignung für die ausgeschriebene Baumaßnahme, beruhe auf Mutmaßungen und sei unzutreffend.
37
Auch gäbe es keinerlei Anhaltspunkte, dass die Beigeladene so kalkuliert habe, dass sie mit vertragswidrigen oder auch nur minderwertigen Materialien arbeite und die einschlägigen Arbeits- und Umweltschutzrichtlinien missachten werde. Die Beigeladene habe die Leistungen angeboten und kalkuliert, die ausgeschrieben waren.
38
In der mündlichen Verhandlung vom 23.04.2024 wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag und zur Stellungnahme. Die Vergabekammer wies darauf hin, dass sie den Vortrag der Antragstellerin zum Unterkostenangebot der Beigeladenen nicht für präkludiert halte. Die Beteiligten diskutierten die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen kontrovers, insbesondere in Bezug auf die personelle Leistungsfähigkeit. Die Antragstellerin erklärte, dass sie zu Spitzenzeiten mindesten 5 bis 6 Mitarbeiter für erforderlich halte. Die Vergabekammer bestätigte, dass ihre Einsicht in das PQ-Verzeichnis ergeben habe, dass die Beigeladene deutlich mehr Mitarbeiter der Lohngruppe 3 dort angegeben habe. Weiter wurde auch über die Frage der Referenzen der Beigeladenen sowie die Anforderungen an die Vergleichbarkeit von Referenzen im Allgemeinen gesprochen. Während die Antragstellerin erklärte, die von der Beigeladenen vorgelegten Referenzen nicht für ausreichend zu halten, war der Antragsgegner der Meinung, die im PQ-Verzeichnis hinterlegten Referenzen der Beigeladenen seien deswegen vergleichbar, da sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen zuließen. Die Vergabekammer wies auf die Entscheidung der Vergabekammer Südbayern vom 27.02.2024 – Az. 3194.Z3-3_01-23-61 hin und zitierte die relevante Passage. Sie erklärte, dass sie derzeit nicht davon ausgehe, dass sie von ihrer ständigen Rechtsprechung abweichen werde.
39
Der Antragsgegner erhielt nachgelassene Schriftsatzfrist, um die Referenzen der Beigeladenen erneut zu prüfen und zur Leistungsfähigkeit der Beigeladenen Stellung zu nehmen.
40
Alle Beteiligten erhielten nachgelassene Schriftsatzfrist um ergänzend zur Thematik der Abweichung der Beigeladenen vom Leistungsverzeichnis vorzutragen, soweit diese Punkte bisher bereits Gegenstand der ausgetauschten Schriftsätze gewesen seien.
41
Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 26.04.2024 teilte die Beigeladene mit, dass unter Berücksichtigung der Baukostensteigerungen in den letzten Jahren sowie dem von der Beigeladenen angebotenen Nettopreis die Beigeladene drei Referenzen vorweisen könne, die in der Gesamtheit ihrer Einzelleistungen nach Quantität, Qualität und technischer Anforderung mindestens den Anforderungen des ausgeschriebenen Projekts entsprächen. Für die Instandhaltungs- oder Sanierungsarbeiten dürfe dabei nicht auf die reine zu bewältigende Fläche Bezug genommen werden, sondern da sie in einem Gewerk von mehreren Einzelleistungen zu erbringen ist, müsse für die Referenz auch auf den Umfang des Auftragswertes der Referenzen und der hier zu erbringenden Leistung abgestellt werden.
42
Die Beigeladene habe auch konform mit dem Leistungsverzeichnis angeboten. Aus den Fragen zur Angebotsaufklärung lasse sich nichts Anderes entnehmen. Insbesondere sei eine Aussage dazu, ob sich ein Loch „leicht“ bohren lässt, kein Widerspruch zur Vorgabe des erschütterungsfreien Bohrens. Hinsichtlich der Benutzung des Wortes „Fixzement“ sei zu sagen, dass dies der Handwerkersprache entlehnt und kein feststehender Fachbegriff sei. Die Beigeladene werde im Fall der Auftragserteilung nur zugelassene Materialien und Verfahren verwenden.
43
Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 29.04.2024 teilte die Antragstellerin mit, dass sie kein Bekanntmachungsdefizit hinsichtlich der Eignungskriterien sehe, da die Rechtsfrage umfassend vom OLG Düsseldorf entschieden worden sei. Die Beigeladene verfüge jedoch nur über Referenzen, die jeweils einen Teil der ausgeschriebenen Leistung abdecken, jedoch nicht die Gesamtleistung gleichwertig abbilden. Das Angebot der Beigeladenen weiche zudem von den Vorgaben der Vergabeunterlagen ab und sei deswegen auszuschließen. Die Beigeladene habe in der Angebotsaufklärung mitgeteilt, dass sie plane die KMF-Dämmung mit einer „Flex“ zurückzubauen, was jedoch der TRGS 521, deren Einhaltung auch die Vergabeunterlagen vorschrieben, widerspräche, da hier selbst bei der Anbringung einer Absaugung eine ganz erhebliche Staubentwicklung zu befürchten sei. Es müsse statt einer „Flex“ eine spezielle Dämmstoffsäge mit entsprechender Absaugung eingesetzt werden, welche sich erheblich von einer Flex mit einer rotierenden Trennscheibe unterscheide. Zudem habe die Beigeladene in der Angebotsaufklärung ebenfalls angegeben, dass sie die Traganker in Position 01.03.001 nicht mit dem im Leistungsverzeichnis vorgesehenen Verankerungsmörtel, sondern mit Fixzement setzen wolle. Die Verwendung von Schnellzementen oder Schnell-Fixzementen sei jedoch in Verankerungsmörteln an Fassaden nach den geltenden DIN wegen der geringeren Belastbarkeit und der Festigkeitsverluste nicht zugelassen.
44
Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 30.04.2024 trug der Antragsgegner vor, dass die Beigeladene mit den im PQ-Verzeichnis hinterlegten Referenzen belegen könne, dass zu jedem einzelnen Leistungsteil der ausgeschriebenen Tätigkeit ein entsprechender Leistungsteil aus einem vergleichbaren Referenzprojekt existiere und auf diese Weise aus den hinterlegten Referenzen für jeden Leistungsteil mindestens jeweils drei referenzierte Leistungsteile mit vergleichbaren Leistungen existierten. Die für das streitgegenständliche Verfahren relevanten Leistungsbereiche seien die Demontage der Natursteinplatten (Dachbereiche bzw. provisorische Regenentwässerung), die (Re-) Montage der Natursteinplatten (Dachbereiche bzw. provisorische Regenentwässerung), der Ausbau des Eingangsplateaus und der Freitreppe, die Reparatur von Natursteinplatten für Dach und Fassade inkl. der Lieferung von Ersatzmaterial sowie die Reinigung von Musterflächen. Dass sich aus den Referenzen auch ergäbe, dass ähnlich umfangreiche Leistungsvorgaben bewältigt worden seien, sei mit dem Schriftsatz vom 22.04.2024 bereits vorgetragen worden. Die Beigeladene habe auch die Vergabeunterlagen nicht abgeändert und der Antragsgegner schließe sich hierzu dem Vortrag der Beigeladenen an. Der Einsatz der korrekten Geräte und Materialien habe keinen Einfluss auf die Zeitansätze. Die Ausschreibung enthalte die richtigen Vorgaben („TRGS 521“ und „Verankerungsmörtel“). Das Angebot der Beigeladenen basiere darauf. Eine (nachträgliche) Änderung wäre jedenfalls unmaßgeblich.
45
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
46
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Die Antragstellerin ist durch die beabsichtigte Zuschlagserteilung auf das Angebot der Beigeladenen in ihren Rechten verletzt.
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1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
48
1.1. Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
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Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV.
50
Gegenstand der Vergabe ist ein Bauauftrag i. S. d. § 103 Abs. 3GWB. Der Antragsgegnerist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert.
51
1.2. Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.
52
Die Antragstellerinhat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerinhat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB dadurch geltend gemacht, dass das Angebot der Beigeladenen wegen nachträglichen Änderungen am Angebot und unangemessen niedrigem Preis und die Beigeladene selbst wegen fehlender Eignung und Leistungsfähigkeit vom Vergabeverfahren hätte ausgeschlossen werden müssen.
53
1.3. Die Antragstellerin ist mit den geltend gemachten Rügen aus den Schreiben vom 07.03.2024 und vom 12.03.2024 auch nicht präkludiert.
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1.3.1. Die von der Antragstellerin mit Schreiben vom 07.03.2024 und Schreiben vom 12.03.2024 erhobenen Rügen können entgegen der Ansicht des Antragsgegners auch nicht als bloße unsubstantiierte Beanstandungen ins Blaue qualifiziert werden.
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Grundsätzlich ist an Rügen ein eher großzügiger Maßstab anzulegen. Da ein Bieter naturgemäß nur begrenzten Einblick in den Ablauf des Vergabeverfahrens hat, darf er im Nachprüfungsverfahren behaupten, was er auf der Grundlage seines – oft nur beschränkten – Informationsstands redlicherweise für wahrscheinlich oder möglich halten darf, etwa wenn es um Vergabeverstöße geht, die sich ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen oder das Angebot eines Mitbewerbers betreffen. Der Antragsteller muss allerdings zumindest Anknüpfungstatsachen oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Verstoß begründen. Ein Mindestmaß an Substantiierung ist einzuhalten; reine Vermutungen reichen nicht aus (BayObLG, Beschluss vom 31.08.2022 – Verg 18/22).
56
Die Antragstellerin hat in ihrem Schreiben vom 07.03.2024 angeführt, dass der von der Beigeladenen angebotene Preis unangemessen niedrig nach § 16d EU Abs. 1 Nr. 1 S.2 VOB/A sei und dies damit begründet, dass sie anhand des veröffentlichten Preisspiegels aus dem Angebotspreis der Beigeladenen und unter Ansetzung sehr konservativer Zeitansätze und selbst bei Unterstellung idealer Baubedingungen berechnet habe, dass sich daraus ein Stundenlohn unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns ergeben würde. Auch wenn die Antragstellerin ihre genauen Rechenoperationen und Ergebnisse mit der Rüge nicht vorgelegt hat, genügen diese Ausführungen dem Anspruch an ein Mindestmaß an eine Substantiierung, da sie die Umstände dargelegt hat, welche in ihrer Gesamtschau die Unangemessenheit des Preises indizieren, nämlich den bekannten niedrigen Angebotspreis der Beigeladenen und die Schlussfolgerung, dass damit mit den nach Ansicht der Antragstellerin notwendigen Arbeitsstunden der gesetzliche Mindestlohn nicht einzuhalten wäre.
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Hinsichtlich der fehlenden Eignung der Beigeladenen trägt die Antragstellerin einerseits die recht pauschale Begründung vor, dass es auf dem Markt bekannt sei, dass die Beigeladene bisher keinerlei Fassadenbauleistungen wie diejenigen, welche in der streitgegenständlichen Ausschreibung verlangt würden, erbracht hätte. Daneben verweist sie jedoch als Beleg für diese Behauptung auf die Homepage der Beigeladenen, aus der sich ergeben würde, dass dort unter den aufgeführten Referenzen keinerlei der streitgegenständlichen Ausschreibung vergleichbare Fassadenbauarbeiten aufgeführt seien. Damit genügt die Antragstellerin ihrer Pflicht zur Substantiierung dieser Beanstandung und beruft sich gerade nicht rein auf ihre Marktkenntnis, sondern belegt ihre Behauptungen mit der vom Antragsgegner nachprüfbaren Selbstdarstellung der Beigeladenen auf deren Homepage.
58
Mit Schreiben vom 12.03.2024 ergänzte die Antragstellerin ihre Rügen noch. Bezüglich der nachträglichen Benennung eines Nachunternehmers berief sich die Antragstellerin auf Informationen aus dem vorausgegangenen Nachprüfungsverfahren mit dem Aktenzeichen 3194.Z3-3_01-24-2 und trug ihre Rechtsauffassung vor, was den Anforderungen an die Substantiierung einer Rüge genügt.
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Ihre bereits mit Schreiben vom 07.03.204 ausgesprochene Rüge der fehlenden Eignung der Beigeladenen ergänzt die Antragstellerin damit, dass eine Prüfung hätte ergeben müssen, dass die Beigeladene die Leistung im eigenen Betrieb nicht ausführen kann, da der Betrieb der Beigeladenen auf die Sanierung von Naturstein und nicht auf Fassadenbauleistungen spezialisiert sei. Da die Sanierung von Naturstein nach der Berechnung der Antragstellerin lediglich einen wertmäßigen Anteil von 7% der ausgeschriebenen Leistungen ausmachen würde und die Beigeladene den wertmäßigen Anteil von über 70% des Auftrags über Fassadenbauleistungen an Unterauftragnehmer vergeben wollte, sei davon auszugehen, dass sie diese Leistung im eigenen Betrieb nicht ausführen könne. Mit diesem Vortrag ergänzt die Antragstellerin ihre bereits substantiierte Rüge aus dem Schreiben vom 07.03.2024 lediglich weiter.
60
1.3.2. Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht hinsichtlich des Vorbringens der Antragstellerin, dass es sich bei dem Angebot der Beigeladenen um ein Unterkostenangebot gehandelt habe, auch keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB entgegen.
61
Nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind. Erhebt ein Bieter jedoch eine Rüge, ohne dass eine entsprechende Rügeobliegenheit bestand, und lehnt der Auftraggeber diese ab, ist die Vorschrift nicht anzuwenden, mit der Folge, dass auch die 15-tägige Antragsfrist nicht läuft (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 07.11.2012, VII-Verg 11/12). Eine Präklusion mit dem Vorbringen aus dem Schreiben der Antragstellerin vom 14.11.2023, dass es sich bei dem Angebot der Beigeladenen um ein Unterkostenangebot gehandelt habe, käme daher nur in Betracht, wenn die Antragstellerin zum Zeitpunkt des Schreibens einer Rügeobliegenheit unterlegen wäre.
62
Im vorliegenden Fall kommt dafür allenfalls eine Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB in Betracht. Danach ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat. Die in § 160 Abs. 3 GWB enthaltene Rügeobliegenheit entsteht dabei jedoch erst, wenn der Antragsteller um die dann zum Gegenstand des Nachprüfungsbegehrens gemachte Nichtbeachtung von Vergaberechtsvorschriften weiß. Das setzt positive Kenntnis aller tatsächlichen Tatumstände, aus denen die Beanstandung im Nachprüfungsverfahren abgeleitet wird, sowie die zumindest laienhafte rechtliche Wertung voraus, dass sich aus ihnen eine Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren ergibt (OLG München, Beschluss vom 19.09.2018, Verg 6/18 m. w. N.).
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Zum Zeitpunkt des Schreibens der Antragstellerin vom 14.11.2023 konnte diese jedoch noch gar keine positive Kenntnis von einem Vergabeverstoß des Antragsgegners hinsichtlich eines vermeintlichen Unterkostenangebots der Beigeladenen haben, da zu diesem Zeitpunkt noch keine hinreichend nach außen manifestierte Entscheidung des Antragsgegners vorlag, welche geeignet gewesen wäre die Auftragschancen der Antragstellerin zu beeinträchtigen. Das Vergaberecht sieht jedoch eine „vorsorgliche Rüge“ künftigen potentiell fehlerhaften Handelns des Auftraggebers nicht vor. Der Gesetzeswortlaut knüpft die Rügepflicht an einen vollzogenen und vom Rechtsschutz suchenden Bieter im Vergabeverfahren erkannten Vergabefehler an. Das entspricht Sinn und Zweck der Regelung. Ein Nachprüfungsantrag kann sich deshalb nur gegen ein bestimmtes, nach außen gerichtetes Tun oder Unterlassen der Vergabestelle in einem konkreten Vergabeverfahren richten. Selbst Ankündigungen oder Absichtserklärungen sind als interner Akt der Willensbildung des Auftraggebers nicht angreifbar (VK Südbayern, Beschluss vom 17.08.2022 – 3194.Z3-3_01-22-16, VK Südbayern, Beschluss vom 21.04.2009, Z3-3-3194-1-09-02/09). Wenn der öffentliche Auftraggeber daher, wie im vorliegenden Fall, noch nicht einmal eine Ankündigung oder eine Absichtserklärung an die Bieter kommuniziert hat, sondern noch mitten in der internen Willensbildung steckt, so wird die Rügeobliegenheit nicht ausgelöst.
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Bescheidet der Auftraggeber eine vorsorgliche, nach dem Gesetz nicht erforderliche Rüge negativ, wird dadurch die 15-Tage-Frist nicht in Lauf gesetzt. Dies beruht auf dem Gebot zu restriktiver Auslegung von Präklusionsvorschriften (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.05.2017 – Verg 36/16).
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2. Der Nachprüfungsantrag istauch begründet. Der beabsichtigte Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB, da der Antragsgegner, die Referenzen der Beigeladenen ohne nachvollziehbare Dokumentation als vergleichbar anerkannt hat und nicht ausreichend aufgeklärt hat, ob das Angebot der Beigeladenen mit den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses übereinstimmt sowie ob der von der Beigeladenen angebotene Preis unangemessen niedrig ist.
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Den von der Antragstellerin gestellten Anträgen konnte nicht entsprochen werden, da die Vergabekammer der notwendigen erneuten Prüfung des Angebots der Beigeladenen mit den vom Antragsgegner anzustellenden Ermessensentscheidungen nicht vorweggreifen darf.
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2.1. Der Antragsgegner hat die Bestimmungen über das Vergabeverfahren dadurch verletzt hat, dass er die Referenzen der Beigeladenen als ausreichenden Eignungsnachweis akzeptiert hat.
68
Gemäß § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB sind die Eignungskriterien bereits in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen. Vorliegend hatte der Antragsgegner hinsichtlich der Kriterien der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit in Abschnitt III.1.3) der Auftragsbekanntmachung einen Link auf das Formblatt 124 des VHB Bayern – Stand September 2022 eingefügt. Die Praxis, Eignungsanforderungen mittels eines direkten Links auf ein Dokument der Vergabeunterlagen bekanntzugeben, aus dem sich die Eignungsanforderungen ergeben, erachtet die vergaberechtliche Rechtsprechung und so auch die Vergabekammer Südbayern grundsätzlich als zulässig (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.06.2022 – VII Verg 19/22; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2018 – VII Verg 24/18).
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2.1.1. Allerdings besteht vorliegend die Besonderheit, dass sich das verlinkte Formblatt ausweislich seines Titels nur auf nicht präqualifizierte Unternehmen bezieht. Laut des darauffolgenden Klammerzusatzes ist es vom Bieter nur auszufüllen, soweit dieser nicht präqualifiziert ist. Es stellt sich damit die Frage, welche Eignungsanforderungen Bieter zu erfüllen hatten, die eine einschlägige Präqualifikation aufweisen.
70
Nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 08.06.2022 – VII Verg 19/22) müssen die inhaltlichen Anforderungen an die Eignung und ihre Nachweise für jeden Bieter gleich sein, unabhängig davon, ob dieser präqualifiziert ist oder nicht. Der in § 122 Abs. 3 GWB, § 6b EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A-EU geregelte Nachweis der Eignung durch Teilnahme an einem Präqualifikationssystem diene der Umsetzung von Art. 64 der Vergaberichtlinie 2014/24/EU. Der Bestimmung liege die Erwägung zugrunde, den Verwaltungsaufwand zu verringern, welcher insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen durch die Führung des Eignungsnachweises entstehe. Die Teilnahme am Präqualifikationssystem bezwecke demnach eine Entlastung des Bieters von der Beibringung der Eignungsnachweise, nicht jedoch ihrer Ersetzung. Die Erleichterung in Bezug auf die Beibringung ändere nichts daran, dass die Erfüllung der Eignungskriterien grundsätzlich vom Bieter nachzuweisen sei. Dies gelte auch für einen im Präqualifikationsverzeichnis eingetragenen Bieter. Dieser sei nur insoweit privilegiert, als er von der Beibringung der geforderten Eignungsnachweise entlastet und die inhaltliche Richtigkeit der hinterlegten Nachweise vermutet würde. Die inhaltlichen Anforderungen an die Eignungsnachweise gälten aber auch für ihn, da nur so das der Konkretisierung des Gleichbehandlungsgrundsatzes dienende Eignungserfordernis gemäß § 122 Abs. 1 GWB gewährleistet sei, wonach Aufträge nur an fachkundige und leistungsfähige Unternehmen vergeben werden.
71
Die Vergabekammer erachtet diese Argumentation für stichhaltig. Wie sich aus Art. 64 Abs. 6 Unterabs.1 Satz 1 der RL 2014/24/EU ergibt, müssen die Nachweisanforderungen für die Eignungskriterien, auf die sich die Wirtschaftsteilnehmer für ihre Eintragung in das amtliche Verzeichnis berufen, unter anderem die Anforderungen des Art. 60 der Richtlinie erfüllen. Aus diesem Verweis in der Regelung über amtliche Verzeichnisse zugelassener Wirtschaftsteilnehmer auf die außerhalb dieser Verzeichnisse zu erbringenden Nachweise an die Eignung ergibt sich zur Überzeugung der Vergabekammer, dass der EU-Gesetzgeber präqualifizierte und nicht präqualifizierte Bieter im Hinblick auf die jeweils zu erbringenden Eignungsnachweise grundsätzlich gleichbehandelt wissen wollte (VK Südbayern, 27.02.2024 – 3194.Z3-3_01-23-61).
72
2.1.2. Ein präqualifizierter Bieter konnte im vorliegenden Fall dem über die Auftragsbekanntmachung verlinkten Formblatt 124 zur „Eigenerklärung der Eignung für nicht präqualifizierte Bieter“ jedoch nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit entnehmen, dass die in dem Formblatt enthaltenen Nachweisanforderungen, drei vergleichbare Referenzen vorweisen zu müssen, auch für ihn Anwendung finden sollten.
73
Der Erklärungswert der Vergabeunterlagen beurteilt sich nach den für die Auslegung von Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB (BGH, Beschluss vom 07.01.2014 – X ZB 15/13). Dabei ist auf die objektive Sicht eines verständigen und fachkundigen Bieters abzustellen, der mit der Erbringung der ausgeschriebenen Leistung vertraut ist. Maßgeblich ist nicht das Verständnis eines einzelnen Bieters, sondern wie der abstrakt angesprochene Empfängerkreis die Leistungsbeschreibung und Vergabeunterlagen versteht (OLG München, Beschluss vom 20.01.2020 – Verg 19/19). Wie Mitbieter die Vergabeunterlagen verstanden haben, kann für die normativ zu bestimmende Verständnismöglichkeit des durchschnittlichen Bieters von indizieller Bedeutung sein (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.12.2017 – VII-Verg 19/17). Kommen nach einer Auslegung von Vergabeunterlagen mehrere Verständnismöglichkeiten in Betracht oder können Unklarheiten oder Widersprüche nicht aufgelöst werden, geht dies zulasten des öffentlichen Auftraggebers (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.12.2017 – VII-Verg 19/17). Die Vergabestellen trifft insoweit die Verpflichtung, die Vergabeunterlagen klar und eindeutig zu formulieren und Widersprüchlichkeiten zu vermeiden (OLG München, Beschluss vom 09.03.2020 – Verg 27/19 m. w. N.).
74
Soweit das OLG Düsseldorf daher in seinem Beschluss vom 08.06.2022 – Verg 19/22 die Ansicht vertritt, dass ein im Präqualifikationsverzeichnis eingetragener durchschnittlicher Bieter auch allein aus dem bekannten Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bieter erkennen müsse, dass die Forderung vergleichbarer Referenzen in einer Eigenerklärung zur Eignung, die in diesem Teil nur von nicht präqualifizierten Bietern auszufüllen ist, sich auch an ihn richte, kann dem nicht generell gefolgt werden.
75
Der Gestaltung und dem Inhalt der Vergabeunterlagen, insbesondere der verwendeten Formblätter, kommt dabei eine wesentliche Bedeutung zu. Allein aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz kann nicht allgemein darauf geschlossen werden, dass es einem Bieter stets klar sein müsse, dass entgegen der mehrfachen ausdrücklichen oder bestenfalls missverständlichen Formulierungen allein die Tatsache seiner Präqualifizierung zum Nachweis seiner Eignung nicht ausreicht. Es überspannt die Anforderungen an einen durchschnittlichen Bieter und verstößt zudem gegen das Transparenzgebot zu verlangen, dass dieser sich, allein auf Grund des Wissens um den Gleichbehandlungsgrundsatz, in den verwendeten Formblättern über Gebühr mit nicht an ihn gerichteten Formulierungen befasst, um zu versuchen herauszufinden, welche für nicht präqualifizierte Bieter aufgestellte Eignungskriterien Nachweispflichten und Mindestanforderungen nun auch für ihn anwendbar sein könnten.
76
Anders als im Beschluss des OLG Düsseldorf vom 08.06.2022 – Verg 19/22 enthielt der Direktlink im vorliegenden Fall keinen Link auf ein Formblatt, das für alle Bieter als einschlägig verstanden hätte werden können. Im Fall, den das OLG Düsseldorf zu entscheiden hatte, handelte es sich um eine Beschaffung aus dem Bereich des Straßenbaus und es fand das Formblatt 107 aus dem Handbuch für die Vergabe und Ausführung von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau (HVA B-StB) Verwendung (vgl. VK Bund, Beschluss vom 06.04.2022 – VK 2-26/22). Dieses Formblatt 107 des HVA B-StB mit der Überschrift „Eigenerklärung Eignung“ kann zumindest in Teilen grundsätzlich auch für Unternehmen mit Präqualifikation relevant sein. Insbesondere stand dort nur bei Ziffer „I. Verpflichtende Eignungsnachweise“ ein Klammerzusatz hinter der Überschrift mit dem Inhalt „Angaben sind immer vorzunehmen, soweit das Unternehmen nicht PQqualifiziert ist“. Die Ziffer „II. Ergänzende Eignungsnachweise“ richtet sich dagegen grundsätzlich an alle Bieter, Bewerber oder Mitglieder von Bietergemeinschaften, unabhängig davon, ob sie präqualifiziert sind. Zudem sieht das Formblatt explizit auch Raum vor für individuelle Angaben des Verwenders für die Mindestanforderungen für einen Mindestjahresumsatz sowie für die Bestimmung, was als vergleichbare Referenzen angesehen wird. Dem Beschluss des OLG Düsseldorf vom 08.06.2022 – Verg 19/22 liegt damit ein Formblatt zugrunde, das sich bereits gestalterisch wie inhaltlich ausdrücklich auch an präqualifizierte Bieter richtet und damit von diesen grundsätzlich zu lesen und zu beachten ist. Auf Grund der Gestaltung des Formblatts ist es in diesem Fall einem durchschnittlichen, präqualifizierten Bieter tatsächlich durchaus möglich, auch die fett gedruckten Passagen über die Mindestanforderungen, welche explizit als solche benannt waren, an die Eignung und die geforderten Nachweise zu lesen und diese Anforderungen auch auf sich zu beziehen, weil auf das Formblatt für die Bekanntmachung der Eignungskriterien, geforderten Nachweise und Mindestanforderungen verlinkt wurde.
77
Im vorliegenden Fall jedoch verlinkte der Antragsgegner in den Vergabeunterlagen auf das Formblatt 124 des Vergabehandbuchs Bayern – Stand September 2022. Dieses beinhaltete vollständig andere Formulierungen. Bereits die große und fett gedruckte Überschrift des Formblattes mit der Formulierung „Eigenerklärung zur Eignung für nicht präqualifizierte Unternehmen“ richtet sich ausdrücklich und unmissverständlich nur an nicht präqualifizierte Unternehmen. In dem Formblatt 124 werden zudem auch gerade keine Angaben gefordert, welche über die üblichen Angaben im PQ-Verzeichnis hinausgehen, insbesondere ist – im Gegensatz zum Formblatt 107 HVA B-StB – kein Platz vorgesehen, wo der öffentliche Auftraggeber Mindestbedingungen an die Eignung wie einen Mindestjahresumsatz oder Angaben zur Vergleichbarkeit von Referenzen machen kann. Auch eine Möglichkeit, in diesem Formblatt ergänzende weitere Eignungsnachweise zu fordern, die über die üblichen Eintragungen im Präqualifizierungsverzeichnis hinausgehen, fehlt vollständig. Damit kann auch der Klammerzusatz „vom Bieter/Mitglied der Bietergemeinschaft sowie zugehörigen Nachunternehmen auszufüllen, soweit diese nicht präqualifiziert sind“ nicht dahingehend zu verstehen sein, dass von präqualifizierten Bietern Angaben zu machen wären, soweit die Präqualifikation eventuell abgefragte Punkte oder Nachweise nicht abdecken würde. Über die Eintragungen im Präqualifizierungsverzeichnis hinausgehende Punkte sowie die Möglichkeit für Ergänzungen zu Mindestbedingungen oder weiteren Nachweisen sind im Formblatt bereits nicht vorgesehen. Es ist einzig und allein in dem Kästchen mit „Angaben zu Leistungen, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind“ im Fließtext ohne Fettdruck und ohne das Wort „Mindestanforderung“ oder etwas ähnliches zu verwenden aufgeführt, dass drei Referenznachweise vorzulegen sind, wenn das Angebot in die engere Wahl kommt.
78
Im Gegensatz zu dem der Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 08.06.2022 (Verg 19/22) zugrundeliegenden Formblatt, war hier ein präqualifizierter Bieter von dem verlinkten Formblatt weder explizit angesprochen, noch hat die Gestaltung des Formblatts darauf hingewiesen, dass hier eine Mindestanforderung hinsichtlich der Nachweise aufgestellt wird, die auch für präqualifizierte Bieter einschlägig sein soll. Vielmehr durfte ein präqualifizierter Bieter bereits auf Grund der Überschrift davon ausgehen, dass dieses Formblatt keine für ihn relevanten Informationen enthält.
79
Hinzu kommt, dass sich auch die Vorgabe unter Ziffer 7.1. der Teilnahmebedingungen gemäß Formblatt 212 EU so verstehen lässt, dass die Eintragung in das Präqualifikationsverzeichnis als Nachweis der Eignung genügt. Danach führen präqualifizierte Unternehmen den Nachweis der Eignung für die zu vergebende Leistung durch den Eintrag ins Präqualifikationsverzeichnis und ggf. ergänzt durch geforderte auftragsspezifische Einzelnachweise. Demgegenüber haben nicht präqualifizierte Unternehmen mit dem Angebot entweder die ausgefüllte „Eigenerklärung zur Eignung“ ggf. ergänzt durch geforderte auftragsspezifische Einzelnachweise oder eine Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE) vorzulegen. Diese Regelungssystematik, nach welcher der Nachweis der Eignung sowohl bei präqualifizierten Bietern als auch bei nicht präqualifizierten Bietern jeweils unter dem Vorbehalt gegebenenfalls geforderter auftragsspezifischer Einzelnachweise steht, lässt sich durchaus so verstehen, dass der Eintrag in das Präqualifikationsverzeichnis der ausgefüllten Eigenerklärung zur Eignung gleichgestellt sein sollte. Dies gilt jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, wo der Auftraggeber neben dem Eintrag in das Präqualifikationsverzeichnis oder der ausgefüllten Eigenerklärung zur Eignung keine auftragsspezifischen Einzelnachweise gefordert hat.
80
Ähnliches gilt für die Ausführungen im Formblatt 216. Das Formblatt enthält das Verzeichnis der im Vergabeverfahren vorzulegenden Unterlagen. Nach § 8 EU Abs. 2 Nr. 5 VOB/A sind an zentraler Stelle in den Vergabeunterlagen alle Unterlagen im Sinne von § 16a EU Abs. 1 VOB/A aufzuführen. Im Formblatt 216 unter Ziffer 1.2. hat der Antragsgegner angegeben, dass mit dem Angebot als unternehmensbezogene Unterlagen einzig die „Angabe der PQ-Nummer im Angebotsschreiben oder Formblatt Eigenerklärung zur Eignung oder Einheitliche Europäische Eigenerklärung“ abzugeben sind. Dies lässt den Schluss zu, dass lediglich eine der als Alternativen aufgeführten Angaben bzw. Unterlagen mit dem Angebot einzureichen sind und damit das Formblatt Eigenerklärung zur Eignung keine selbständige Relevanz für präqualifizierte Unternehmen hat.
81
Auf Grund der ausschließlichen Verlinkung auf das Formblatt 124 für die Eignungskriterien in Zusammenspiel mit den mehrfachen, missverständlichen Hinweisen in den Vergabeunterlagen, dass präqualifizierte Unternehmen ihre Eignung durch den Eintrag ins Präqualifikationsverzeichnis führen, musste ein durchschnittlicher präqualifizierter Bieter unter Berücksichtigung des Transparenzgebots auch nicht im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot davon ausgehen, dass irgendwo für ihn noch Mindestanforderungen an die Eignung bzw. die vorzulegenden Nachweise aufgestellt waren.
82
2.1.3. Da für präqualifizierte Bieter weder Eignungsanforderungen wirksam aufgestellt noch Nachweise wirksam gefordert wurden, muss das Vergabeverfahren in den Stand vor Bekanntmachung zurückversetzt werden, wenn der Zuschlag auf das Angebot eines ungeeigneten Bieters droht.
83
Eine Eignungsprüfung ist in den Fällen, in welchen die Eignungsanforderungen sowie die Nachweise an die Eignung nicht wirksam bekannt gemacht worden, oft kaum mehr möglich. Nach § 122 Abs. 1 GWB sind öffentliche Aufträge jedoch an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen zu vergeben, die nicht nach den §§ 123 oder 124 GWB ausgeschlossen worden sind. § 122 Abs. 1 GWB enthält damit eine Pflicht zur Eignungsprüfung. Die Vorschrift ist so zu verstehen, dass öffentliche Aufträge nur an fachkundige und leistungsfähige Unternehmen vergeben werden dürfen. Ohne dass der Auftraggeber die Eignung der Bieter festgestellt hat, darf er den Zuschlag nicht erteilen (VK Südbayern, Beschluss vom 05.06.2019 – Z3-3-3194-1-06-02/19). Das Vergabeverfahren leidet an einem schwerwiegenden Mangel und ist in den Stand vor Bekanntmachung zurückzuversetzen. (VK Südbayern, Beschluss vom 05.06.2019 – Z3-3-3194-1-06-02/19; OLG Düsseldorf Beschluss vom 11.07.2018 – Verg 24/18; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.06.2010, VII-Verg 18/10).
84
Nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern besteht allerdings nur dann die Verpflichtung der Vergabestelle, das Verfahren in den Stand vor Bekanntmachung zurückzuversetzen, wenn tatsächlich ansonsten der Zuschlag auf das Angebot eines ungeeigneten Bieters droht (VK Südbayern, Beschluss vom 05.06.2018, Z3-3-3194-1-12-04/18). Ein Bieter ist jedenfalls dann als ungeeignet anzusehen, wenn er die von der Vergabestelle in den Vergabeunterlagen gewollten, aber mangels Nennung in der Bekanntmachung oder korrekter Verlinkung nicht wirksam aufgestellten Eignungsanforderungen nicht erfüllt. Ansonsten könnte der öffentliche Auftraggeber nämlich seinen eigenen Verstoß gegen die Bekanntmachungspflicht dazu nutzen, seine ursprünglich gewollten Eignungsanforderungen zugunsten eines Bieters nachträglich fallen zu lassen (vgl. VK Südbayern, Beschluss vom 05.06.2019 – Z3-3-3194-1-06-02/19).
85
2.1.4. Der Antragsgegner hält die Beigeladene auf Grund der im Präqualifizierungsverzeichnis hinterlegten Referenzen auch bei Anwendung der nicht ordnungsgemäß bekannt gegebenen Referenzen für geeignet. Die vom Antragsgegner vorgenommene und mit nachgelassenem Schriftsatz vom 30.04.2024 weiter konkretisierte materielle Eignungsprüfung der Beigeladenen hält jedoch einer vergaberechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Antragsgegner hat den bei der Eignungsprüfung nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum überschritten. Er hat die technische und berufliche Leistungsfähigkeit der Beigeladenen bejaht, obwohl aus der eingereichten Vergabeakte, den Schriftsätzen und Anlagen sowie den nachgereichten Unterlagen nicht hinreichend deutlich hervorgeht, dass der Antragsgegner die von der Beigeladenen im Präqualifizierungsverzeichnis hinterlegten Referenzen ordnungsgemäß geprüft und aus welchen Gründen er die Vergleichbarkeit bestimmter benannter Referenzen mit der ausgeschriebenen Leistung angenommen hat.
86
Auch bei einem präqualifizierten Bieter hat die Vergabestelle die im Präqualifizierungsverzeichnis hinterlegten Referenzen hinsichtlich der von ihr aufgestellten Anforderungen bezüglich der Vergleichbarkeit mit der ausgeschriebenen Leistung nach Art und Umfang zu prüfen. Ein Bieter ist nur insoweit präqualifiziert, als die für ihn hinterlegten Angaben mit den Referenzanforderungen des öffentlichen Auftraggebers übereinstimmen (OLG Düsseldorf vom 08.06.2022 – Verg 19/22).
87
Bei dem Begriff „vergleichbare Leistung“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der anhand des Wortlauts der Vergabeunterlagen und von Sinn und Zweck der geforderten Angaben unter Berücksichtigung des Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatzes auszulegen ist. Die Forderung von Referenzen für „vergleichbare“ Leistungen bedeutet jedoch nicht, dass das Leistungsbild der herangezogenen Aufträge mit dem ausgeschriebenen Auftrag identisch sein muss. Es genügt, dass die Referenzleistung der ausgeschriebenen Leistung so weit ähnelt, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffnet. Dies ist bereits dann der Fall, wenn die Leistungen im technischen oder organisatorischen Bereich einen gleich hohen oder höheren Schwierigkeitsgrad haben (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. November 2008 – Verg 54/08; OLG Frankfurt, Beschluss vom 24. Oktober 2006 – 11 Verg 8/06).
88
Bei der Bewertung der Frage der Vergleichbarkeit der Referenz kommt der Vergabestelle, die regelmäßig über spezifisches Fachwissen und fachliche Erfahrung verfügt, ein Beurteilungsspielraum zu, der nur eingeschränkt überprüft werden kann, insbesondere darauf, ob von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen worden ist und allgemeine Wertungsgrundsätze beachtet sowie keine sachwidrigen Erwägungen in die Wertung eingeflossen sind (vgl. BayObLG, Beschluss vom 09.11.2021 – Verg 5/21, OLG Celle, Beschluss vom 03.07.2018).
89
2.1.4.1. Die Vergabekammer hält es zunächst grundsätzlich für zulässig, dass der Antragsgegner bei seiner Eignungsprüfung auch Referenzen der Beigeladenen heranzieht, welche nur hinsichtlich einer Teilleistung mit der ausgeschriebenen Leistung vergleichbar sind.
90
Die von einer Vergabestelle geforderten vergleichbaren Referenzen müssen nicht zwingend Referenzen für die Komplettleistung sein, sondern eine Vergabestelle kann die technische Leistungsfähigkeit eines Bieter auch anhand der im Präqualifizierungsverzeichnis für einzelne Leistungsbereiche hinterlegten Referenzen bejahen, wenn die Einzelreferenzen über Leistungen erteilt wurden, welche mit den ausgeschriebenen Teilleistungen vergleichbar sind und die Vergabestelle in einer fehlerfreien Prognoseentscheidung festgestellt hat, dass die Summe der Einzelreferenzen die ordnungsgemäße Erfüllung der Gesamtmaßnahme erwarten lässt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.04.2022 – VII-Verg 35/21).
91
Das OLG Düsseldorf begründet diese Auffassung mit der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 10.10.2013 – C 94/12), welche zur RL 2004/18/EG ergangen ist, die sich jedoch im Wesentlichen auf Formulierungen stützt, die auch in der RL 2014/24/EU gleichlautend oder vergleichbar enthalten sind. Demnach sei es möglich, die Kapazitäten mehrerer Wirtschaftsteilnehmer zu kumulieren, um die von dem öffentlichen Auftraggeber festgelegten Mindestanforderungen an die Leistung zu erfüllen. Dies stünde im Einklang mit dem Ziel der Richtlinie, den Bereich des öffentlichen Auftragswesens einem möglichst umfassenden Wettbewerb zu öffnen, das im Interesse der Wirtschaftsteilnehmer und der öffentlichen Auftraggeber angestrebt werde. Außerdem diene dies auch dazu, kleineren und mittleren Unternehmen den Zugang zu öffentlichen Aufträgen zu erleichtern, was mit der Richtlinie ebenfalls beabsichtigt sei. Es stelle demgegenüber einen Ausnahmefall dar, dass Arbeiten auf Grund ihrer Besonderheiten eine bestimmte Kapazität erfordern, die sich durch die Zusammenfassung kleinerer Kapazitäten mehrerer Wirtschaftsteilnehmer nicht erlangen ließen.
92
Wenn sich ein Unternehmen jedoch hinsichtlich des Nachweises, dass eine vergleichbare Leistung bereits erbracht wurde, bezüglich eines Teils der Leistung auf die Referenz eines anderen Unternehmens berufen kann und in einem solchen Fall nicht den Nachweis über eine Komplettleistung erbringen muss, so ist – auch aus Gründen der Gleichbehandlung – zumindest hinsichtlich der Art der Leistung kein Grund ersichtlich, dass es sich in vergleichbarer Weise nicht auch auf eine eigene Referenz hinsichtlich einer der Art nach abgrenzbaren Teilleistung berufen kann.
93
Da zur Vergleichbarkeit einer Leistung jedoch auch der Umfang der erbrachten Leistung gehört, muss hier differenziert werden. In der Regel soll mit der Referenz über eine vergleichbare Leistung hinsichtlich des Umfangs gerade nachgewiesen werden, dass der Bieter den Auftrag auch in dieser Größenordnung stemmen kann. Es erscheint daher im Regelfall ausgeschlossen, dass mehrere Teilleistungen hinsichtlich des Umfangs einer der Art vergleichbaren Leistung vom selben Bieter zusammengenommen werden können, um eine nach Art und Umfang vergleichbare (Teil-) Leistung nachzuweisen.
94
Allerdings ist dabei auf Grund des Gebots der Gleichbehandlung der Bieter nach § 97 Abs. 2 GWB zu beachten, dass sich die von der Vergabestelle bekannt gemachte Anzahl von geforderten Referenzen über eine vergleichbare Leistung auf die Gesamtleistung bezieht, wenn die Vergabestelle nichts anderes angegeben hat. Will ein Bieter daher mangels ausreichender Referenzen über die Gesamtleistung, seine Eignung (zumindest auch) mit eigenen Referenzen über erbrachte, vergleichbare Teilleistungen nachweisen, muss er diese in einer Anzahl nachzuweisen, dass sich insgesamt ein Nachweis für die geforderte Anzahl an vergleichbaren Gesamtleistungen ergibt. Fordert die Vergabestelle daher drei Referenzen über vergleichbare (Gesamt-) Leistungen, so ist es nicht ausreichend, wenn ein Bieter insgesamt nur drei Referenzen über vergleichbare Teilleistungen einreicht. Stattdessen müsste er für jede Teilleistung je drei vergleichbare Referenzen einreichen.
95
2.1.4.2. Die Vergabekammer kann jedoch anhand der vorgelegten Dokumentation des Vergabeverfahrens und der im Nachprüfungsverfahren eingereichten Schriftsätze und Unterlagen nicht erkennen, warum der Antragsgegner die von der Beigeladenen im Präqualifizierungsverzeichnis hinterlegten Referenzen als vergleichbar gewertet hat.
96
Im Vergabevorschlag vom 29.11.2023 war vermerkt: „Im PQ-Verzeichnis liegen mehrere Referenzen für Leistungen vor, die hinsichtlich Art, Größe und Umfang der ausgeschriebenen Leistung entsprechen und damit eine ausreichende Leistungsfähigkeit des Bieters erwarten lassen.“ Eine Nennung von konkreten Referenzen, auf welche sich diese Aussage bezieht, erfolgte nicht. Der Vergabevermerk enthält auch keine weiteren Erläuterungen zu dieser Feststellung. Die weiteren Vergabevorschläge vom 14.12.2023 und vom 06.03.2024 erwähnen die Referenzen nicht mehr explizit und befassen sich daher ebenfalls nicht weiter mit der Vergleichbarkeit. Der Vergabevermerk enthält zur Eignungsprüfung ebenfalls nur den generischen Textbaustein des Vordrucks aus dem Vergabehandbuch und verweist bei präqualifizierten Bietern zur Dokumentation pauschal auf einen Auszug aus dem Präqualifikationsverzeichnis. Zur Vergleichbarkeit der Referenzen ist im Vergabevermerk nichts dokumentiert.
97
Mit Schreiben vom 17.04.2024 bat die Vergabekammer den Antragsgegner explizit dazu auszuführen, welche im Präqualifizierungsverzeichnis der Beigeladenen hinterlegten Referenzen für den Nachweis der Eignung herangezogen wurden und warum diese Referenzen als vergleichbar mit der zu vergebenden Leistung bewertet wurden. Mit Schriftsatz vom 22.04.2024 benannte der Antragsgegner zu den Teilbereichen Demontage und Remontage der Natursteinplatten (Dachbereiche bzw. provisorische Regenentwässerung) daraufhin je eine Referenz, die er als vergleichbar erachtete. Zum Teilbereich Ausbau Eingangsplateau und Freitreppe benannte er zwei Referenzen, zum Teilbereich Reparatur und Ersatzmaterial Natursteinplatten ebenfalls zwei Referenzen und zum Teilbereich Reinigungsmusterflächen eine Referenz, wies jedoch darauf hin, dass die Beigeladene noch mehr Referenzen vorweisen könne. Zudem habe die Beigeladene zwei Referenzen, die in Ausführungszeit und Auftragssumme dem streitgegenständlichen Auftrag entsprächen.
98
Auf den Hinweis der Vergabekammer in der mündlichen Verhandlung, dass bei der Anerkennung von Teilreferenzen, dann aber für jede Teilleistung auch die im Formblatt 124 geforderten drei Referenzen vorliegen müssten, so dass letztlich drei zusammengesetzte Referenzen über die Gesamtleistung vorliegen würden, erhielt der Antragsgegner nachgelassene Schriftsatzfrist, um die Ausführungen zur Vergleichbarkeit der Referenzen zu ergänzen. Mit Schriftsatz vom 29.04.2024 teilte die Beigeladene noch mit, dass sie drei Referenzen vorweisen könne, die im Auftragswert mit ihrem Angebot für den streitgegenständlichen Auftrag unter Berücksichtigung der Inflation und der sprunghaften Entwicklung der Baupreise vergleichbar wären. Mit Schriftsatz vom 30.04.2024 macht sich der Antragsgegner diesen Vortrag der Beigeladenen zu eigen und erklärte zudem, dass die Teilbereiche
- Demontage und Remontage der Natursteinplatten (Dachbereiche bzw. provisorische Regenentwässerung) durch die im Präqualifikationsverzeichnis für die Beigeladene hinterlegten Referenzen mit den Nummern 24, 32 und 33
- Ausbau des Eingangsplateaus und der Freitreppe durch die im Präqualifikationsverzeichnis für die Beigeladene hinterlegte Referenz mit der Nummer 32 neben den generellen Referenzen für Abbau und Wiedereinbau von Naturstein
- Reparatur von Natursteinplatten für Dach und Fassade inkl. der Lieferung von Ersatzmaterial durch die im Präqualifikationsverzeichnis für die Beigeladene hinterlegten Referenzen mit den Nummern 24, 25 und 32
- Reinigung von Musterflächen durch die im Präqualifikationsverzeichnis für die Beigeladene hinterlegten Referenzen mit den Nummern 24, 25 und 30 abgedeckt würden. Eine Erläuterung, warum diese Referenzen nach Art und Umfang der Teilleistung als vergleichbar gesehen werden enthielt der Schriftsatz nicht.
99
Die Vergabekammer kann daher auf Grund der äußerst spärlich vorgebrachten Erläuterungen des Antragsgegners zur Frage, warum dieser die benannten Referenzen als mit der jeweiligen Teilleistung nach Art und Umfang vergleichbar sieht nur hinsichtlich weniger Referenzen, die im Schriftsatz vom 22.04.2024 und im Schriftsatz der Beigeladenen vom 19.04.2024 erläutert wurden, überhaupt nachprüfen. Bei der Referenz 32 dagegen kann die Vergabekammer keine Ausführungen finden, warum der Antragsgegner diese Referenz für vergleichbar mit den ausgeschriebenen Teilleistungen findet, die über die reine Nennung der Referenz und die Behauptung ihrer Vergleichbarkeit hinausgehen.
100
Hinsichtlich aller Referenzen gilt, dass die Vergabekammer mangels Vortrag oder Dokumentation bereits nicht feststellen kann, von welchen Voraussetzungen der Antragsgegner für seine Ermessensentscheidung, die Referenz als vergleichbar anzusehen, ausgegangen ist. Es fehlt an einer Erläuterung zu jeder der Teilleistungen, welche Tätigkeit nach den Ausschreibungsunterlagen hier nach den Vergabeunterlagen zu erbringen ist und einer anschließenden ausführlichen Auseinandersetzung damit, welche drei Referenzen der Beigeladenen eine vergleichbare (Teil-)Leistung nachweisen und warum die in den Referenzen ausgewiesenen Leistungen nach Art und Umfang als vergleichbar angesehen werden. Dabei wäre insbesondere zu berücksichtigen, dass die Vergabeunterlagen bei der Demontage und (Re-)Montage der Natursteinplatten von Stückzahlen ausgehen, die Referenz 32 dagegen lediglich Angaben in Metern macht.
101
2.2. Der Antragsgegner durfte nicht beanstandungsfrei ohne weitere Aufklärung aufgrund der Erklärungen der Beigeladenen im Schriftsatz vom 19.04.2024 und 26.04.2024 zu der Einschätzung gelangen, das Angebot der Beigeladenen weiche nicht von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses ab. Der Antragsgegner hätte auf Grund der Anhaltspunkte, die sich aus der Preisaufklärung bei der Beigeladenen ergeben haben, überprüfen müssen, ob das Angebot der Beigeladene auch den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses entspricht.
102
Der öffentliche Auftraggeber ist grundsätzlich nicht verpflichtet zu überprüfen, ob die Bieter ihre mit dem Angebot verbindlich eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen auch einhalten werden. Vielmehr darf er sich grundsätzlich auch ohne Überprüfung auf die Leistungsversprechen der Bieter verlassen. Eine Überprüfungspflicht des öffentlichen Auftraggebers ergibt sich nur dann, wenn konkrete Tatsachen das Leistungsversprechen eines Bieters als nicht plausibel erscheinen lassen. In diesen Fällen muss aus Gründen der Transparenz und der Gleichbehandlung der Bieter (§ 97 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 GWB) der öffentliche Auftraggeber bereit und in der Lage sein, das Leistungsversprechen der Bieter effektiv zu verifizieren (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.01.2020 – Verg 20/19).
103
Im vorliegenden Fall haben sich aus den Antworten zur Preisaufklärung bei der Beigeladenen, nämlich aus deren Ausführungen im Schreiben vom 21.11.2023, dass bezüglich des Teilrückbaus KMF ein erfahrener Steinmetz, dessen tägliche Arbeit der Umgang mit der „Flex“ sei, die Schnitte in der angegebenen Zeit schaffe, sowie aus der Antwort zum Setzen von Tragankern, dass sich in der angegebenen Zeit leicht ein Loch bohren und ein Anker mit Fixzement setzen lasse, Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das Angebot der Beigeladenen von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses abweicht. Hinsichtlich des Teilrückbaus der KMF-Dämmung sieht das Leistungsverzeichnis vor, dass die Vorgaben der TRGS 521 einzuhalten sind. Nach dem Vortrag der Antragstellerin aus den Schriftsätzen vom 16.04.2024 und vom 29.04.2024 dürfte es zumindest stark zweifelhaft sein, dass für diese Arbeiten die Vorgaben der TRGS 521 beim Einsatz einer Flex eingehalten werden können. Ebenso zweifelhaft ist es nach dem Vortrag der Antragstellerin aus den Schriftsätzen vom 16.04.2024 und vom 29.04.2024, dass das Setzen eines Tragankers unter Einsatz von Fixzement den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses entspricht, welches die Verwendung von Verankerungsmörtel vorschreibt.
104
Die Beigeladene hat diese Diskrepanz auf Nachfrage der Vergabekammer im nachgelassenen Schriftsatz vom 26.04.2024 hinsichtlich des Fixzements so erklärt, dass die Begrifflichkeit der Handwerkersprache entlehnt und kein feststehender Fachbegriff sei. Hinsichtlich der Vorgaben der TRGS 521 trug die Beigeladene im Schriftsatz vom 19.04.2024 vor, dass sie selbstverständlich die Erfordernisse der TRGS 521 bei der Kalkulation berücksichtigt habe und es zudem geeignete Winkelschleifer mit Drehzahlregelung und integrierter Absaugung sowie weiteren Methoden gebe, um Staub zu reduzieren.
105
Der Antragsgegner hat damit zu überprüfen, inwieweit das Angebot der Beigeladenen unter Berücksichtigung der Aussagen im Rahmen der Preisprüfung den Ausschreibungsunterlagen entspricht. Dabei kann er sich nicht, wie im Schriftsatz vom 30.04.2024 geschehen, darauf zurückziehen, dass eine nachträgliche Änderung jedenfalls unmaßgeblich wäre.
106
Dabei ist zunächst zu ermitteln, welchen Inhalt das Angebot der Beigeladenen hinsichtlich der Positionen 01.02.0016 (Teilrückbau KMF) und 01.03.0001 und 01.03.0003 (Setzen Traganker) tatsächlich hatte. Dabei dürfen bei der Frage, ob der vom Bieter angebotene Leistungsumfang demjenigen der Leistungsbeschreibung entspricht, nachträgliche Erläuterungen des Bieters darüber, wie er sein Angebot im Zeitpunkt seiner Abgabe verstanden wissen wollte, und welchen Inhalt er ihm tatsächlich beimaß, nicht unberücksichtigt bleiben (VK Südbayern, Beschluss vom 30.05.2022 – 3194.Z3-3_01-21-61).
107
Da ein Bieter bei einer Preisaufklärung stets gehalten ist, die seriöse Kalkulation seines ungewöhnlich niedrigen Angebots nachzuweisen, indem er die Gründe seiner Angebots- und Preisgestaltung nachvollziehbar und stichhaltig aufschlüsselt (vgl. VK Sachsen, Beschluss vom 10.02.2023 – 1/SVK/031-22), kommt den Aussagen eines Bieters im Rahmen einer Preisaufklärung damit ein bedeutender Erklärungswert darüber zu, wie der Bieter sein Angebot verstanden wissen wollte und mit welchem Inhalte er es kalkuliert hat. Auf Grund der Bedeutung der Preisaufklärung insbesondere hinsichtlich eines drohenden Angebotsausschlusses nach § 16 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A ist in der Regel davon auszugehen, dass der Bieter seine Antworten bewusst und sorgfältig wählt. Erklärt ein Bieter daher bei einer Preisaufklärung, welche Werkzeuge und Stoffe er einzusetzen gedenkt und wie er den Auftrag ausführen will, so ist zunächst einmal davon auszugehen, dass diese Angaben seiner Kalkulation und damit seinem Angebot auch zugrunde lagen. Dies gilt auch dann, wenn diese Erläuterungen den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses widersprechen.
108
Ein Bieter, der nachträglich von Erklärungen im Rahmen der Preisaufklärung abrücken will, muss darlegen, dass es sich dabei nicht um eine nachträgliche Änderung seines Angebots handelt und hinreichende Nachweise dafür bringen, dass die Kalkulation seines Angebots ursprünglich tatsächlich etwas anderes beinhaltete als er (versehentlich) in der Preisaufklärung erklärt hat. Dies könnte beispielsweise durch eine mit dem Angebot auf der Vergabeplattform manipulationssicher hinterlegte Urkalkulation mit dem entsprechenden Inhalt erfolgen.
109
Sobald der Antragsgegner festgestellt hat, welchen Inhalt das ursprüngliche Angebot der Beigeladenen hinsichtlich der Positionen 01.02.0016 (Teilrückbau KMF) und 01.03.0001 und 01.03.0003 (Setzen Traganker) tatsächlich hatte, muss er anschließend entscheiden, ob dies den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses entspricht und wenn nicht das Angebot der Beigeladenen ausschließen.
110
2.3. Auf Grund der noch nicht ordnungsgemäßen Durchführung der Aufklärung, ob das Angebot der Beigeladenen den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses entspricht, kann auch im Rahmen der Preisaufklärung noch nicht abschließend ermessensfehlerfrei davon ausgegangen werden, dass der von der Beigeladenen angebotene Preis nicht ungewöhnlich niedrig erscheint.
111
Nach § 16d EU Abs. 1 und 2 VOB/A hat der öffentliche Auftraggeber, wenn Preis oder Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen, vom Bieter Aufklärung zu verlangen. Der öffentliche Auftraggeber hat dann die Zusammensetzung des Angebots zu prüfen und berücksichtigt dabei die übermittelten Unterlagen, § 16d EU Abs. 2 VOB/A. Kann er nach der Prüfung die geringe Höhe des angebotenen Preises nicht zufriedenstellend aufklären, muss er den Zuschlag auf dieses Angebot ablehnen, § 16d EU Abs. 1 Satz 1 VOB/A.
112
Bei der Überprüfung der Entscheidung des Auftraggebers durch die Vergabekammer hat diese nicht zu bewerten, ob das Angebot der Beigeladenen auskömmlich ist, sondern ob die Entscheidung des Auftraggebers, das Angebot der Beigeladenen als auskömmlich zu bewerten, auf Basis eines zutreffend und hinreichend ermittelten Sachverhaltes und einer gesicherten Erkenntnisgrundlage getroffen wurde und im Ergebnis nachvollziehbar und vertretbar ist. Diese Prognoseentscheidung, bei der der Auftraggeber über einen Beurteilungsspielraum verfügt, unterliegt nur einer eingeschränkten Nachprüfbarkeit durch die Nachprüfungsbehörden und Gerichte. Im Nachprüfungsverfahren ist dieser Beurteilungsspielraum deshalb nur auf etwaige Beurteilungsfehler hin zu prüfen. Wenn dem Auftraggeber so viele Anhaltspunkte vorliegen, dass diese in ihrer Gesamtheit stimmig für die Auskömmlichkeit des Angebotes sprechen, bleibt die Entscheidung des Auftraggebers bestehen (vgl. VK Sachsen, Beschluss vom 10.02.2023 – 1/SVK/031-22).
113
Unter Berücksichtigung des beschriebenen Prüfungsmaßstabes ist die Entscheidung des Antragsgegners, den Preis des Angebots der Beigeladenen als auskömmlich anzusehen und dieses bezuschlagen zu wollen, nicht ermessensfehlerfrei. Dafür hätte der Sachverhalt, ob die in den aufgeklärten Positionen 01.02.0016 (Teilrückbau KMF) und 01.03.0001 und 01.03.0003 (Setzen Traganker) von der Beigeladenen angebotene Leistung auch den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses entspricht, vollständig aufgeklärt werden müssen. Dies ist bisher nicht erfolgt.
114
2.3.1. Der Antragsgegner hat zunächst mit Schreiben vom 07.11.2023 das Formblatt 221 (Preisermittlung bei Zuschlagskalkulation) bzw. das Formblatt 222 (Preisermittlung bei Kalkulation über die Endsumme) sowie das Formblatt 223 (Aufgliederung der Einheitspreise) bei der Beigeladenen angefordert. Nachdem die Beigeladene diese Formblätter eingereicht hatte, hat der Antragsgegner mit Schreiben vom 17.11.2023 um die Erläuterung der Preisbildung zu diversen Einzelpositionen, insbesondere im Hinblick auf die angegebenen Zeitansätze, gebeten. Darauf legte die Beigeladene in ihrem Schreiben vom 21.11.2023 dar, wie sie auf die jeweiligen Zeitansätze komme. Insbesondere hat die Beigeladene dabei zur Aufklärung der Preispositionen 01.03.0001 (Setzen Traganker verpresster Halbdorn M12) und 01.03.0003 (Setzen Traganker verpresster 1/1-Dorn M12) angegeben, dass ihr Zeitansatz nach ihrem Erfahrungswert stimme, da sich in der angegebenen Zeit „leicht ein Loch bohren und ein Anker mit Fixzement setzen“ lasse, insbesondere, wenn die Arbeiten auf zwei Personen aufgeteilt würden.
115
Der Antragsgegner wertete diesen Vortrag als plausibel und stellt im Vergabevorschlag vom 29.11.2023 fest, dass sich der erhebliche Preisvorteil der Beigeladenen hauptsächlich darauf zurückzuführen lasse, dass die veranschlagte Gesamtstundenzahl erheblich geringer sei als bei der Antragstellerin. Anhaltspunkte dafür, dass die geltenden sozial- und arbeitsrechtlichen Anforderungen, insbesondere der Mindestlohn, mit dem angebotenen Preis und den veranschlagten Arbeitsstunden nicht eingehalten werden können, lägen nicht vor. Eine Urkalkulation forderte der Antragsgegner im Rahmen der Preisaufklärung nicht an.
116
Um nach § 16d EU Abs. 2 GWB das Verhältnis zwischen dem angebotenen Preis und der zu erbringenden Leistung sachgemäß einschätzen zu können, ist mithin die Berücksichtigung und damit eine grundsätzliche Betrachtung und Würdigung aller für die Angebotskalkulation relevanten Merkmale geboten, sofern der öffentliche Auftraggeber solche ausdrücklich in den Vergabeunterlagen vorgegeben hat (vgl. VK Bund, Beschluss vom 24.11.2022 – VK 2-94/22). Macht der Auftraggeber in seinen Vergabeunterlagen kalkulationsrelevante Vorgaben, so muss er bei entsprechenden Hinweisen, dass diese Vorgaben nicht eingehalten werden, diese Punkte auch bei seiner Preisprüfung mit einbeziehen.
117
Der Antragsgegner hätte damit auch im Rahmen der Preisprüfung überprüfen müssen, ob die von der Beigeladenen abgegebenen Erklärungen, wie ihr Angebot zustande kommt, den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses entsprechen und damit alle kalkulationsrelevanten Vorgaben, insbesondere hinsichtlich des Materialeinsatzes und der vorgeschriebenen Ausführung einhalten. Eine derartige Prüfung hat der Antragsteller bisher zumindest hinsichtlich der Positionen 01.02.0016 (Teilrückbau KMF) und 01.03.0001 und 01.03.0003 (Setzen Traganker) nicht vorgenommen. Die Behauptung aus dem Schriftsatz vom 30.04.2024, dass der Einsatz der konkreten Geräte und Materialien keinen Einfluss auf die Zeitansätze habe, wurde zudem nicht begründet und genügt daher bereits nicht den Anforderungen an eine Nachvollziehbarkeit der Prüfung.
118
2.3.2. Vollständigkeitshalber weißt die Vergabekammer darauf hin, dass der Antragsgegner seine Dokumentation zur Preisprüfung im Nachprüfungsverfahren jedenfalls soweit ergänzen durfte, wie er es mit dem Schriftsatz vom 22.04.2024 getan hat.
119
Der Antragsgegner hat auf Nachfrage der Vergabekammer vom 17.04.2024 mit Schriftsatz vom 22.04.2024 noch einmal ausführlich erläutert, warum er die von der Beigeladenen veranschlagte niedrige Gesamtstundenzahl für plausibel hält. Er kommt dabei insbesondere zu dem Ergebnis, dass die Zeitansätze der Beigeladenen in der von ihr für das bepreiste Leistungsverzeichnis verwendeten Datenbank sogar in etwa im Durchschnitt pro Quadratmeter für die Montage einer hinterlüfteten Natursteinfassade einen deutlich geringeren Zeitansatz als den der -Antragstellerin vorsehen. Der höhere Preis im bepreisten LV ergäbe sich daraus, dass in den Vergleichsprojekten in die einzelnen Positionen in der Regel Leistungen miteinzukalkulieren waren, welche in der streitgegenständlichen Ausschreibung jedoch entweder eine eigene Preisposition erhalten hätten oder wie der Kran mit Kranführer kostenlos vom Bauherren gestellt werde.
120
Nach der Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 08.02.2011 Az. X ZB 4/10) kann der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren nicht kategorisch mit allen Aspekten und Argumenten präkludiert werden, die nicht im Vergabevermerk zeitnah niedergelegt worden sind. Es ist vielmehr möglich, dass Dokumentationsmängel nachträglich geheilt werden können, etwa wenn der Auftraggeber die Dokumentation nachholt und Gründe dartut, die er nach Aufhebung in einem wiederholten Verfahren ohne Weiteres seiner Entscheidung zugrunde legen kann. Dies ist aber dann anders zu beurteilen, wenn zu besorgen ist, dass die Berücksichtigung der nachgeschobenen Dokumentation lediglich im Nachprüfungsverfahren nicht ausreichen könnte, um eine wettbewerbskonforme Auftragserteilung zu gewährleisten.
121
Es liegen derzeit keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer ergänzenden Dokumentation eine wettbewerbskonforme Auftragserteilung nicht zu gewährleisten wäre. Insbesondere hat der Antragsgegner seine Gründe für die Einschätzung, dass das Angebot der Beigeladenen nicht unangemessen niedrig ist, bereits auf Seite 8 im Vergabevorschlag vom 29.11.2023 in Grundzügen dokumentiert. In der mit Schriftsatz vom 22.04.2024 nachgereichten, ausführlichen Dokumentation der Preisprüfung hat der Antragsgegner lediglich ausführlicher erläutert, wie er zu der bereits im Vergabevorschlag vom 29.11.2023 niedergelegten Auffassung gelangt sei, dass die Kalkulation der Gesamtstundenzahl der Beigeladenen nicht unplausibel ist. Dabei hat er lediglich die bereits dokumentierten Gründe, nämlich die niedrigeren Zeitansätze der Beigeladenen, ausführlicher erklärt und die Diskrepanz zum bepreisten Leistungsverzeichnis dargelegt, aber keine gänzlich neuen Gründe für die Auskömmlichkeit des Angebots nachgeschoben.
122
2.4. Das Angebot der Beigeladenen ist nicht deswegen auszuschließen, weil sie nach Ablauf der Angebotsfrist das Formblatt 235 (Verzeichnis der Leistungen anderer Unternehmen) eingereicht und darin erstmalig erklärt hat, dass sie für die Leistungsbereiche 1.2 (Demontage Natursteinplatten Dachbereiche) und 1.3 (Montage Natursteinplatten Dachbereiche) Nachunternehmen einsetzen will.
123
2.4.1. Mit Schreiben vom 13.11.2023 reichte die Beigeladene das Formblatt 235 (Verzeichnis der Leistungen anderer Unternehmen) ein, welches auch das Datum des 13.11.2023 trägt. In diesem war aufgeführt, dass die Beigeladene für die Leistungsbereiche 1.2 (Demontage Natursteinplatten Dachbereiche) und 1.3 (Montage Natursteinplatten Dachbereiche) Nachunternehmen einsetzen will. Durch die nachträgliche Benennung von Leistungsbereichen, für die nun ein Nachunternehmer eingesetzt werden soll, würde die Beigeladene ihr ursprüngliches Angebot vom 06.11.2023 abändern. Dies ist nach § 15 EU Abs. 3 VOB/A im offenen Verfahren unzulässig. Hat nämlich ein Bieter in seinem Angebot abschließend erklärt, eine bestimmte (Teil-)Leistung selbst zu erbringen, kann er für diese Leistung nachträglich keinen Unterauftragnehmer mehr benennen, da dies eine unzulässige inhaltliche Änderung seines Angebots darstellen würde (vgl. VK Sachsen, Beschluss vom 30.10.2020 – 1/SVK/028-20).
124
Wegen einer unzulässigen Angebotsänderung ist das Angebot jedoch nicht zwingend auszuschließen. Vielmehr ist das Angebot so zu werten, wie es eingegangen und nach dem objektiven Empfängerhorizont zu verstehen war (BGH Urteil vom 06.02.2002, X ZR 185/99; OLG München, Beschluss vom 09.08.2005, Verg 11/05; VK Südbayern, Beschluss vom 05.06.2019 – Z3-3-3194-1-06-02/19; VK Sachsen, Beschluss vom 30.10.2020 – 1/SVK/028-20).
125
Das ursprüngliche Angebot der Beigeladenen war demnach nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen. Die Beigeladene hat mit der Abgabe ihres Angebots im Formblatt 213H (Angebotsschreiben) erklärt, dass sie alle Leistungen im eigenen Betrieb ausführen wird. Sie hat unter Nummer 7 des Formblattes diese Erklärung explizit angekreuzt. In der reinen Nachreichung des Formblatts 235 am 13.11.2023 durch die Beigeladene liegt zwar ein unzulässiges Änderungsangebot für das ursprünglich abgegebene Angebot der Beigeladenen, es ist jedoch allein daraus nicht ersichtlich, dass die Beigeladene nicht mehr (auch) an ihr ursprüngliches Angebot gebunden sein will und dieses konkludent mit der Abgabe des Änderungsangebots anfechten wollte. Dafür bedürfte es einer ausdrücklichen Erklärung oder weiterer Anhaltspunkte, die über die reine Übersendung von Formblättern ohne weitere Erläuterung hinausgehen.
126
Das führt dazu, dass das Angebot der Beigeladenen so gewertet werden muss, wie sie es ursprünglich erklärt hat, nämlich mit der Ausführung aller Arbeiten im eigenen Betrieb und ohne Beteiligung eines Nachunternehmers für die De- und Remontage der Natursteinplatten.
127
2.4.2. Es liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beigeladene ohne den unzulässigen nachträglich angebotenen Nachunternehmereinsatz nicht auch im eigenen Betrieb leistungsfähig ist. Insbesondere verfügt die Beigeladene über ausreichend eigenes Personal zur Durchführung der streitgegenständlichen Leistung.
128
Ein öffentlicher Auftraggeber darf grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Bieter seine vertraglichen Zusagen auch erfüllen wird. Erst wenn sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dies zweifelhaft ist, ist der öffentliche Auftraggeber gehalten, durch Einholung ergänzender Informationen die Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens beziehungsweise die hinreichende Leistungsfähigkeit des Bieters zu prüfen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.07.2018 – Verg 23/18). Ein konkreter Anhaltspunkt ergibt sich im vorliegenden Fall aus der Tatsache, dass der Bieter nach Angebotsabgabe für einen erheblichen Teil der ausgeschriebenen Leistung einen Nachunternehmer benennen wollte, statt diese Leistungen, wie im Angebot angegeben, im eigenen Betrieb auszuführen. Auf das Angebot eines Bieters der ohne eine unzulässige Änderung seines Angebotsinhalts erwiesenermaßen nicht leistungsfähig ist, darf gem. § 16b EU Abs. 1 Satz 2 VOB/A der Zuschlag nicht erteilt werden (VK Südbayern, Beschluss vom 05.06.2019 – Z3-3-3194-1-06-02/19). Daher war vom Antragsgegner zu prüfen, ob die Beigeladene auch ohne den unzulässigen Nachunternehmereinsatz leistungsfähig ist.
129
Der Antragsgegner hat im Vergabevorschlag vom 29.11.2023 bereits auf Seite 4 die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen beurteilt, wobei er auch die durchschnittliche Anzahl der Mitarbeiter der Beigeladenen aufgelistet hat. Eine eigene Beurteilung, ob diese Anzahl insgesamt oder die nach Lohngruppen angegebenen Mitarbeiter ausreichend sind und warum, wurde nicht dokumentiert. Zudem hatte die Beigeladene zu diesem Zeitpunkt schon angegeben, dass sie die Leistungsbereiche 1.2 (Demontage Natursteinplatten Dach) und 1.3 (Montage Natursteinplatten Dach) durch Nachunternehmer erbringen lassen möchte. Während bei der Eignungsprüfung der Antragstellerin in diesem Vermerk aufgeführt ist, dass sie angibt alle Leistungen im eigenen Betrieb auszuführen, lautet die Feststellung bei der Beigeladenen, dass diese alle Leistungen, die nicht im Verzeichnis der Nachunternehmer aufgeführt sind, im eigenen Betrieb ausführen wird. Es erscheint damit nicht unwahrscheinlich, dass sich die folgende Feststellung, dass „nach Durchsicht der vorgelegten Unterlagen […] keine Zweifel an der Leistungsfähigkeit und der Verfügbarkeit ausreichend wirtschaftlicher Mittel für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen [bestehen]“, auf eine Prüfung der Leistungsfähigkeit unter Einbeziehung der nachträglich benannten Nachunternehmer bezieht und gerade keine Prüfung der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen, insbesondere im Hinblick auf die Personalsituation, erfolgt ist.
130
Auch die folgenden Vergabevorschläge vom 14.12.2023 und vom 06.03.2024 gehen auf die Frage, ob die Beigeladene auch ohne den unzulässigen Nachunternehmereinsatz mit eigenem Personal leistungsfähig ist nicht näher ein, sondern erklären pauschal, dass nach Durchsicht der Unterlagen aus dem Präqualifikationsverzeichnis keine Zweifel an der Leistungsfähigkeit und der Verfügbarkeit ausreichend wirtschaftlicher Mittel bestehen.
131
Aus der mündlichen Verhandlung ergab sich, dass für die Ausführungen der Arbeiten in den Leistungsbereichen 1.2. (Demontage Natursteinplatten Dach) und 1.3 (Montage Natursteinplatten Dach) in der Regel ein Team von 2 Leuten benötigt wird und in Spitzenzeiten bis zu 6 Personen damit beschäftigt sind. Diese Aufgaben würden auch üblicherweise von Personen durchgeführt, die der Lohngruppe 3 nach dem Bundesrahmentarifvertag für das Baugewerbe zugeordnet seien.
132
Da die Beigeladene im Präqualifizierungsverzeichnis erheblich mehr Mitarbeitende in der Lohngruppe 3 aufgeführt hat, als die selbst in Spitzenzeiten erforderlichen 6 Personen für die Leistungserbringung in den Leistungsbereichen 1.2 (Demontage Natursteinplatten Dach) und 1.3 (Montage Natursteinplatten Dach), ist nicht ersichtlich, dass die Beigeladene diesen Auftrag nicht auch mit ihrem eigenen Personal ausführen kann. Allein aus der Tatsache, dass die Beigeladene nachträglich für diese Arbeiten einen Nachunternehmer einsetzen wollte, kann nicht geschlossen werden, dass es der Beigeladenen nicht möglich sein würde, ihre eigenen grundsätzlich ausreichend vorhandenen Mitarbeiter entsprechend zu disponieren, dass diese für den streitgegenständlichen Auftrag auch zur Verfügung stehen. Der zusätzlichen Anforderung und Überprüfung von spezifischen Ablauf- und Einsatzplänen oder sonstigen Dispositionen bedarf es nicht, um die Leistungsfähigkeit zu prüfen. Zumal die Aussagekraft derartiger Aufstellungen aufgrund der potentiellen und nicht unwahrscheinlichen Verzögerungen oder Fluktuation von Mitarbeitenden über die mehrjährige Ausführungszeit nur sehr begrenzt wäre.
133
3. Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S. 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies sind vorliegend der Antragsgegner und die Beigeladene.
134
Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.
135
Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Gründe für eine Ermäßigung der Gebühr aus Billigkeitsgründen sind nicht ersichtlich. Der Antragsgegnerist als Bundesland von der Zahlung der Gebühr nach § 182 Abs. 1 S. 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 VwKostG (Bund) vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung befreit. Die Beigeladene hat sich am Verfahren aktiv auf Seiten des Antragsgegners beteiligt.
136
Von der Antragstellerinwurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskrafterstattet.
137
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB.
138
Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da es sich beim Vergaberecht und dem Nachprüfungsverfahren um einen komplexen Problemkreis handelt und die Antragstellerin nicht über die für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendigen personellen Kapazitäten verfügt und daher auf eine vertiefte rechtliche Begleitung im Nachprüfungsverfahren durch einen Anwalt angewiesen war. Die im Nachprüfungsverfahren aufgeworfenen Rechtsfragen waren jedenfalls hinsichtlich der Frage der aufgestellten Eignungskriterien und der Eignung der Beigeladenen, der nachträglichen Benennung eines Nachunternehmers durch die Beigeladene und der Preisaufklärung bei der Beigeladenen mit möglicher Abweichung von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses durchaus komplex und von der Antragstellerin ohne anwaltliche Beratung nicht zu bewältigen.