Inhalt

Vergabekammer München, Beschluss v. 29.04.2024 – 3194.Z3-3_01-24-4
Titel:

Antragsgegner, Verhandlungsverfahren, Entscheidungen der Vergabekammer, Nachprüfungsverfahren, Nachprüfungsantrag, Zweckentsprechende Rechtsverfolgung, Bayerisches Oberstes Landesgericht, Aufhebung des Vergabeverfahrens, Architektenkammer, Realisierungswettbewerb, Eignungskriterien, Kostenentscheidung, Verfahrensbevollmächtigter, Anrechenbare Kosten, Öffentlicher Auftraggeber, Vergabestelle, Zuschlagskriterien, Gebührenfestsetzung, EU-Bekanntmachung, Auswahlkriterien

Normenketten:
VgV § 78
GWB § 182
Leitsätze:
1. Ein öffentlicher Auftraggeber, der einen Planungswettbewerb für Architekten- oder Ingenieurleistungen durchzuführen beabsichtigt, ist verpflichtet, dies auf der Grundlage veröffentlichter einheitlicher Richtlinien zu tun. § 78 Abs. 2 S. 1 VgV gibt dabei nicht eine bestimmte Richtlinie vor.
2. Soweit der öffentliche Auftraggeber eigene Richtlinien für die Durchführung von Planungswettbewerben entwickelt hat, müssen diese veröffentlicht sein. Eine Mitteilung in der Wettbewerbsbekanntmachung nach § 78 Abs. 3 S. 2 VgV genügt hierfür nicht. Die Richtlinien müssen vielmehr auftragsunabhängig veröffentlicht sein, wobei die Veröffentlichung bereits im Vorfeld eines Wettbewerbs erfolgt sein muss.
3. Bei einem Realisierungswettbewerb, bei dem sich ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb anschließt und bei dem noch keine Angebote vorliegen, wird zur Festsetzung der Gebührenhöhe der vom Antragsgegner geschätzte Auftragswert für den im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zu vergebenden Dienstleistungsauftrag herangezogen. Hierin besteht das maßgebliche wirtschaftliche Interesse, da die Motivation für die Teilnahme am Realisierungswettbewerb regelmäßig darin besteht, auch den endgültigen Auftrag zu erhalten.
4. Wenn der öffentliche Auftraggeber geregelt hat, dass im Falle weiterer Bearbeitungsbeauftragung durch den Wettbewerb bereits erbrachte Leistungen bis zur Höhe des jeweiligen Preisgeldes nicht erneut vergütet werden, werden die Preisgelder nicht zusätzlich in die Berechnung der Gebührenhöhe eingestellt.
Schlagworte:
Realisierungswettbewerb, Nichtoffenes Verfahren, Vergaberecht, Antragsbefugnis, Aufhebung des Vergabeverfahrens, Kostenentscheidung, Anwaltskosten
Fundstelle:
BeckRS 2024, 37925

Tenor

1. Das Nachprüfungsverfahren wird eingestellt.
2. Der Antragsgegnerträgt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungender Antragstellerin.
3. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von…,00 EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.
4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.

Gründe

I.
1
Mit Wettbewerbsbekanntmachung vom22.12.2023, veröffentlicht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union unter …, schrieb der Antragsgegner einen nichtoffenen Realisierungswettbewerb für ein Heilpädagogisches Zentrum aus. Ziel des Verfahrens sei es, ein Architekturbüro zu finden, welches das Heilpädagogische Zentrum entsprechend der Aufgabenstellung hochbau- und landschaftsplanerisch begleite. In Ziffer 2.1.4 der Bekanntmachung befindet sich der Hinweis, dass die Teilnehmerzahl für den Wettbewerb auf zehn begrenzt sei. Der Antragsgegner habe zwei Teilnehmer gesetzt. Weitere bis zu acht Teilnehmer würden durch einen nicht offenen Teilnahmewettbewerb ausgewählt werden. Teilnahmeberechtigt seien natürliche und juristische Personen, die die geforderten fachlichen Anforderungen erfüllen. Anhand der Eignungskriterien würden die Bewerber ausgewählt werden, die zur zweiten Phase des Verfahrens eingeladen werden sollen. Ausweislich Ziffer 5.1.6 der Bekanntmachung würden Preise vergeben werden. Als Preise seien vorgesehen: 1. Platz 31.250 EUR netto, 2. Platz 20.850 EUR netto und 3. Platz 10.400 EUR netto. Die Teilnahme in den nachgelagerten Verhandlungsverfahren und etwaigen Verhandlungsgesprächen werde nicht gesondert vergütet. Mit der Zahlung des Bearbeitungshonorars seien sämtliche Ansprüche der Teilnahme am Wettbewerb abgegolten. Im Falle einer weiteren Bearbeitungsbeauftragung würden durch den Wettbewerb bereits erbrachte Leistungen des jeweiligen Preisträgers bis zur Höhe des jeweiligen Preisgelds nicht erneut vergütet werden. Nach Abschluss des Realisierungswettbewerbes werde ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nach § 14 Abs. 4 Nr. 8 VgV durchgeführt. Alle Preisträger würden zur Einreichung eines Angebots, für Architektur und Freianlagenarchitektur getrennt, aufgefordert und zu Verhandlungen eingeladen werden. Nach den Verhandlungen finde eine Bewertung anhand der Zuschlagskriterien seitens des Antragsgegners statt. Ziffer 5.1.9 der Bekanntmachung enthält in Bezug auf die Eignungskriterien unter anderem folgende Festlegung:
[…] „5.1.9. Eignungskriterien
(…) Kriterium:
Art: Sonstiges
Bezeichnung: Vorlage Referenzprojekte über Planungsleistung von Gebäuden für die Leistungsphasen 1-9 gem. HOAI
Beschreibung: sh. Beschreibung / Bewerbermemorandum
Anhand der Kriterien werden die Bewerber ausgewählt, die zur zweiten Phase des Verfahrens eingeladen werden sollen
Informationen über die zweite Phase eines zweiphasigen Verfahrens:
Mindestzahl der zur zweiten Phase des Verfahrens einzuladenden Bewerber: 2
Höchstzahl der zur zweiten Phase des Verfahrens einzuladenden Bewerber: 10“ […]
2
Ausweislich der Angabe in Ziffer 5.1.11 der Bekanntmachung standen die Auftragsunterlagen für einen uneingeschränkten und vollständigen direkten Zugang gebührenfrei unter der dort genannten Internetadresse zur Verfügung. Bestandteil der Vergabeunterlagen war unter anderem das in Ziffer 5.1.9 der Bekanntmachung genannte Bewerbermemorandum. Darin heißt es unter anderem:
[…] „2.1 Verfahrensart
Aufgrund des geschätzten Auftragswerts der zu vergebenden Leistungen und den vorherrschenden Fördermittelbedingungen erfolgt die Ausschreibung europaweit in einem nicht-offenen Realisierungswettbewerb in Anlehnung an die RPW 2013 mit nachgelagerten Verhandlungsverfahren nach VgV § 78- 80 für die Leistungen Hochbauarchitektur und Freianlagenarchitektur (…)
2.6 Einverständnis der Teilnehmer
Jeder am Verfahren beteiligte Teilnehmer erklärt sich durch seine Beteiligung und Mitwirkung mit den vorliegenden Verfahrensbedingungen einverstanden (…).
3. Ablauf des Verfahrens
Im Folgenden wird der Verfahrensablauf geschildert. Dieser gliedert sich in den Teilnahmewettbewerb mit zwei Stufen und die nachgelagerten VgV Verfahren.
3.1 Ablauf und Bewertung des Verfahrens
Stufe 1 – Teilnahmewettbewerb
Die Stufe 1 beginnt mit der Bekanntmachung des Verfahrens auf der Plattform DTVP. Der Bekanntmachung werden neben diesem Bewerbermemorandum auch eine Bewerbererklärung und eine Teilnahmeberechtigung beigelegt. Die auszufüllenden und zu unterzeichnenden Unterlagen sind bei Interesse binnen 30 Tagen fristgerecht über die Plattform elektronisch einzureichen. Die Unterlagen zum Teilnahmewettbewerb werden mit der Frist in 3 Schritten (3.1.1) geprüft und ausgewertet. Daraufhin werden maximal 10 teilnahmeberechtigte Bewerber für Stufe 2, dem Realisierungswettbewerb zugelassen (…).
Stufe 2 – Realisierungswettbewerb
In Stufe 2 werden den berechtigten Teilnehmern die Auslobungsunterlagen zugesandt und die Teilnehmer zur Abgabe eines Wettbewerbsbeitrags aufgefordert. Die übrigen Teilnehmer erhalten eine Absage und können, falls die Eignungskriterien vorliegen und einer der ersten fünf Teilnehmer innerhalb der Frist absagt, durch ein Nachrückverfahren an der Stufe 2 teilnehmen. (…) Die Bewertung der Stufe 2, des Wettbewerbsbeitrags, wird anhand der mit Bekanntmachung mitgeteilten Bewertungskriterien bewertet (…).
Nachgelagertes VgV Verhandlungsverfahren
Die Preisträger werden nach den Zuschlagskriterien (qualitative Kriterien) im Anschluss an das Preisgericht seitens der Ausloberin bewertet. Anschließend werden die Preisträger zur Abgabe eines indikativen Honorarangebots aufgefordert. (…) Durch das Verhandlungsverfahren nach VgV soll mit den Erstplatzierten aus dem Wettbewerbsverfahren über das Honorarangebot verhandelt werden. Der Zuschlag erfolgt auf das wirtschaftlichste Angebot gemäß § 58 VgV, welches unter Berücksichtigung der genannten Kriterien insgesamt den höchsten Punktwert erreicht.
4. Bewertungskriterien
4.1 Teilnahmewettbewerb STUFE l
(…) Auswertung der Stufe 1
Die Bewertung der Teilnahmeanträge und somit die Auswahl der Bewerber, die zur Abgabe eines Wettbewerbsbeitrags für die Stufe 2 zugelassen werden, erfolgt in drei Schritten (…).
Schritt 3:
Schließlich wird unter den Bewerbern anhand der eingereichten Referenzen beurteilt, wer unter den als grundsätzlich geeignet eingestuften Bewerbern im Vergleich zu den Mitbewerbern besonders geeignet erscheint und daher am weiteren Verfahren beteiligt werden soll. Für die Auswahl werden jeweils nur die als priorisiert gekennzeichnete Referenz für „Planungsleistung von Gebäuden für die Leistungsphasen 1-9 gem. HOAI berücksichtigt. Hierzu sind die Referenzen durch den Bewerber zu priorisieren. Erfolgt, auch nach ggf. erfolgter Nachforderung, keine Priorisierung durch den Bewerber, so wird die Vergabestelle die Referenzen priorisieren und entsprechend in die Wertung einbeziehen.
Folgende Mindestreferenzen sind nachzuweisen
 Vorlage mindestens eines Referenzobjekts über Planungsleistung von Gebäuden für die Leistungsphasen 1-9 gemäß HOAI mit anrechenbaren Kosten von 25 Mio. € brutto für die KG200-500. Das Referenzobjekt muss baulich fertiggestellt sein. Fertigstellung(Abnahme) in den letzten sechs Jahren (d.h. ab dem 01.01.2017).
 Vorlage von mindestens eines Referenzobjekts über Planungsleistung von Gebäuden für die Leistungsphasen 1-9 gem. HOAI mit anrechenbaren Kosten von 10 Mio. € brutto für die KG 200-500 im Bereich Schule. Das Referenzobjekt muss baulich fertiggestellt sein. Fertigstellung(Abnahme) in den letzten sechs Jahren (d.h. ab dem 01.01.2017).
 Die Vorlage von mehr als jeweils zwei Referenzen „Gebäuden“ und „Schulen“ ist nicht erwünscht.
 Dabei werden die Referenzen „Planung Gebäude“ mit jeweils maximal 14 Punkten wie folgt bewertet: (…)
8. Einverständnis des Bewerbers
Jeder am Verfahren beteiligte Bewerber erklärt sich durch seine Beteiligung und Mitwirkung mit den vorliegenden Verfahrensbedingungen einverstanden. (…)“ […]
3
Mit Schreiben vom 17.01.2024 teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner mit, dass der Wettbewerb nicht mit der Architektenkammer abgestimmt und registriert worden sei, wodurch die fairen Verfahrensbedingungen eines RPW-Wettbewerbs ausgehebelt würden. So sei beispielsweise das Preisgeld zu niedrig berechnet und entspreche nur ca. 25% der Preissumme, die sich bei regulärer Berechnung durch die Kammer ergeben würde. Dies stelle einen Verstoß gegen § 77 Abs. 2 VgV dar. Darüber hinaus seien die Referenzanforderungen so gewählt, dass geeignete Architekturbüros mit für die Aufgabe angemessenen Hochbaureferenzen keine Chance auf die Teilnahme hätten. Es würden Großbüros bevorzugt werden.
4
Mit Schreiben vom 24.01.2024 antwortete der Antragsgegner der Antragstellerin, dass ihren Rügen nicht abgeholfen werde. Eine Verpflichtung zur Anwendung der RPW bestehe für die Vergabestelle ausweislich § 78 VgV nicht. Dementsprechend bestehe für die Vergabestelle keine Verpflichtung, den Wettbewerb entsprechend der Regelungen der RPW auszugestalten oder bei der Architektenkammer zu registrieren. Die Regelung in § 78 Abs. 2 S. 3 VgV habe lediglich eine Hinweisfunktion. Auch seien die von der Vergabestelle vorgesehenen Mindestreferenzen und Auswahlkriterien vergaberechtskonform. Das Preisgeld orientiere sich an der Bauaufgabe und dem im Rahmen der Auslobung geforderten Bearbeitungsaufwand. Insbesondere vor dem Hintergrund erheblicher Reduktionen des Leistungsumfangs sei das veranschlagte Bearbeitungshonorar bzw. die ausgelobten Preisgelder angemessen i.S.d. § 79 Abs. 1 VgV bemessen worden.
5
Nachdem den Rügen der Antragstellerin nicht abgeholfen wurde, stellte die Antragstellerin mit Schreiben vom 06.02.2024 einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB.
6
Die Antragstellerin trägt vor, dass der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet sei. Die Antragstellerin sei gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Das hierfür notwendige Interesse an der Teilnahme am Wettbewerb habe die Antragstellerin durch ihre vorprozessuale Rüge und ihren Nachprüfungsantrag hinreichend belegt. Durch die vergaberechtswidrigen Bedingungen sei sie allerdings an der Wettbewerbsteilnahme gehindert. Darüber hinaus beeinträchtige die vergaberechtswidrige Ausgestaltung der Auswahlkriterien die Chancen der Antragstellerin im Teilnahmewettbewerb. Der Vortrag der Antragstellerin sei auch nicht präkludiert. Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet. Es liege ein Verstoß gegen § 78 Abs. 2 VgV vor. Der Antragsgegner müsse, wenn er sich für die RPW als veröffentlichte einheitliche Richtlinie entscheide, diese unverändert anwenden und dürfe nur im Einvernehmen mit der Architektenkammer von deren Vorschriften abweichen. Eine Beteiligung der Architektenkammer sei jedoch unterblieben. Entscheide sich der Antragsgegner dafür, nach eigenen, an die RPW nur „angelehnten“ Regelungen zu verfahren, verstoße er gegen das Gebot in § 78 Abs. 2 Satz 1 VgV, den Wettbewerb auf der Grundlage veröffentlichter einheitlicher Richtlinien durchzuführen. Denn für einen bestimmten Wettbewerb konzipierte Verfahrensreglungen seien keine einheitlichen Richtlinien. Neben der unterlassenen Beteiligung der Architektenkammer würden die bekanntgegebenen Verfahrensregelungen weitere Abweichungen von der in Bezug genommenen RPW enthalten. So entspreche insbesondere die Höhe des Preisgeldes nicht den Vorgaben der RPW. Ein weiterer Verstoß liege darin, dass die im Bewerbermemorandum in Bezug genommenen Auslobungsunterlagen nicht zur Verfügung gestellt worden seien. Ferner seien die Eignungs- und Auswahlkriterien und Mindestanforderungen in der Bekanntmachung nicht konkret benannt und die Auswahlkriterien seien nicht bekannt gemacht worden. Dass bei Mindestanforderungen und den Auswahlkriterien auf Referenzprojekte einer bestimmten Nutzungsart abgestellt werde, verstoße gegen § 75 Abs. 5 VgV und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach § 122 Abs. 4 S. 1 GWB. Dass die im Rahmen der Bewerberauswahl berücksichtigten Referenzen zahlenmäßig beschränkt werden, sei ebenfalls vergaberechtswidrig. Die Auswahlkriterien würden ferner auch keinen hinreichenden Auftragsbezug aufweisen, seien nicht eindeutig und verstießen gegen den Grundsatz, dass bei der Auswahl der Teilnehmer kein Wertungssystem zur Anwendung kommen dürfe, bei dem eine aussichtsreiche Positionierung von Kriterien abhängig sei, die für den zu vergebenden Auftrag keine Vorteile biete.
7
Die Antragstellerin beantragt
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den unter der Veröffentlichungs-Nr. … im EU Amtsblatt bekannt gemachten Realisierungswettbewerbs „Heilpädagogisches Zentrum – …“ in den Stand vor Versendung der Bekanntmachung zurück zu versetzen und bei erneuter Einleitung des Wettbewerbs die Rechtsaufassung der Vergabekammer zu berücksichtigen.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin.
3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.
4. Der Antragstellerin wird Einsichtnahme in die Vergabeakte gewährt, sobald diese bei der Vergabekammer eingegangen ist.
8
Der Antragsgegner beantragt
1. Der Nachprüfungsantrag vom 6. Februar 2024 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Antragsgegners.
3. Es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung für die Antragsgegnerin notwendig war.
4. Der Antrag auf Akteneinsicht wird zurückgewiesen.
9
Zur Begründung trägt der Antragsgegner vor, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig sei. Es fehle der Antragstellerin bereits an der Antragsbefugnis, da sie nicht in eigenen Rechten verletzt sei. Die streitgegenständlichen Verfahrensbedingungen würden die Anforderungen an einen „lauteren Leistungsvergleich“ erfüllen, so dass eine Teilnahme am Verfahren für die Antragstellerin nicht unzumutbar gewesen wäre. Mangels Darlegung eines Interesses an dem Auftrag im streitgegenständlichen Vergabeverfahren fehle es der Antragstellerin im Ergebnis bereits an der Antragsbefugnis. Auch sei der Vortrag der Antragstellerin wegen des behaupteten Verstoßes gegen die Verpflichtung zur Bereitstellung der Auslobungsunterlagen, wegen vermeintlich bestehender Unklarheiten hinsichtlich der Auswahlkriterien und des Punktesystems, wegen des Verweises der EU-Auftragsbekanntmachung auf das Bewerbermemorandum hinsichtlich der Eignungskriterien, wegen der vermeintlich bestehenden Beschränkung der Referenzanzahl und wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen § 75 Abs. 5 VgV präkludiert, da die Rügen weder vor noch nach Ablauf der Teilnahmefrist erhoben worden seien. Die Antragstellerin sei ein fachkundiges Unternehmen, welches sich regelmäßig an Planungswettbewerben und Ausschreibungen beteilige und die vermeintlichen Vergabeverstöße daher hätte erkennen und rügen müssen.
10
Zudem sei der Nachprüfungsantrag auch unbegründet. Es bestehe keine Verpflichtung zur Durchführung von Planungswettbewerben oder Anwendung der RPW für den Antragsgegner. Auf Grund der fehlenden Verpflichtung zur Anwendung der RPW bestehe auch keine Verpflichtung zur Einbeziehung der Bayerischen Architektenkammer. Da keine Verpflichtung zur Anwendung der RPW bestehe, bestehe auch keine Verpflichtung zur Festsetzung der Vergütung nach der RPW. Nach den Regelungen der §§ 69 bis 72 VgV, welche bei der Durchführung von Planungswettbewerben einschlägig seien, sei gar keine Vergütung für die Leistungen im Rahmen des Wettbewerbs festzusetzen. Jedenfalls sei das festgesetzte Preisgeld vor dem Hintergrund erheblicher Reduktionen des Leistungsumfangs in jedem Fall angemessen bemessen worden.
11
Weiter trägt der Antragsgegner vor, dass auch kein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Bereitstellung der Auslobungsunterlagen vorliege. Die vom Antragsgegner in der EU-Auftragsbekanntmachung und dem Bewerbermemorandum zur Verfügung gestellten Informationen würden für die interessierten Unternehmen eine im Sinne des § 41 Abs. 1 VgV ausreichende Entscheidungsgrundlage darstellen. Ein Nachteil durch eine spätere Bereitstellung der Vergabeunterlagen im zweiten Verfahrensabschnitt sei der Antragstellerin nicht entstanden. Auch sei der Verweis auf die Eignungskriterien in der EU-Auftragsbekanntmachung in das Bewerbermemorandum unschädlich. Es fehle an der Kausalität zwischen Vergabefehler und Schaden. Die Antragstellerin habe die Eignungskriterien im Bewerbermemorandum zweifelsfrei zur Kenntnis nehmen können und es habe damit kein Hindernis für die Teilnahme am Vergabeverfahren bestanden. Ferner sei auch die Ausgestaltung der Teilnahmebedingungen und der Auswahlkriterien vergabekonform erfolgt, insbesondere liege kein Verstoß gegen § 75 Abs. 5 VgV vor.
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Mit rechtlichem Hinweis vom 15.04.2024 teilte die Vergabekammer Südbayern dem Antragsgegner mit, dass sie nach eingehender Prüfung des Nachprüfungsantrags, der beigefügten Unterlagen sowie der vorgelegten Vergabeakte zu der vorläufigen Einschätzung gekommen sei, dass der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet sei. Insbesondere sei die Antragstellerin gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Der Antragstellerin könne aufgrund ihres schlüssigen Vortrags schon nicht zugemutet werden, eine Teilnahmeberechtigung für ein Verfahren einzureichen und damit zugleich ein Einverständnis mit den zugrundeliegenden Verfahrensbedingungen zu geben, dass ihrer Ansicht nach gegen im GWB und der VgV enthaltene Vergabegrundsätze verstoße. Die Antragstellerin sei, jedenfalls was die fehlende Angabe der Eignungs- und Auswahlkriterien in der Bekanntmachung betreffe, mit ihrem Vorbringen nicht nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GWB präkludiert. Es könne von der zunächst nicht anwaltlich vertretenen Antragstellerin nicht erwartet werden, dass diese den vorliegenden Sachverhalt als Verstoß gegen Vergabevorschriften einordnen konnte. Die Durchführung des Realisierungswettbewerbs nur in Anlehnung an die RPW 2013 stelle einen Verstoß gegen § 78 Abs. 2 VgV dar. Die vom Antragsgegner beabsichtigte Vorgehensweise stehe nicht im Einklang mit dem Vergaberecht. Es sei vorliegend bereits nicht ersichtlich, welche veröffentlichten einheitlichen Richtlinien der Antragsgegner konkret dem Realisierungswettbewerb zugrunde legen möchte. Soweit er eigene Richtlinien für die Durchführung von Planungswettbewerben entwickelt habe, was jedenfalls die Formulierung „in Anlehnung an die RPW 2013“ suggeriere, dann müssten diese veröffentlicht sein. Eine Mitteilung in der Wettbewerbsbekanntmachung nach § 78 Abs. 3 S. 2 VgV genüge hierfür nicht. Wenn der Antragsgegner hingegen die RPW 2013 als veröffentlichte einheitliche Richtlinie seinem Realisierungswettbewerb zugrunde legen möchte, dann sei ein Abweichen von Regelungen der RPW nur unter den Voraussetzungen von § 2 Abs. 4 S. 3 RPW 2013 möglich. Es sei jedoch anhand der vorgelegten Verfahrensakte nicht ersichtlich, dass das Einvernehmen mit der Abweichung von der zuständigen Architektenkammer im Vorfeld eingeholt worden sei. Ein nur in Anlehnung an die RPW 2013 ausgestalteter Realisierungswettbewerb, bei dem weder eine eigene veröffentlichte einheitliche Richtlinie noch die RPW 2013 Anwendung finden solle, verstoße jedenfalls gegen vergaberechtliche Grundsätze. Zudem liege ein weiterer Vergabeverstoß vor, der die Rückversetzung des Vergabeverfahrens in das Stadium vor Wettbewerbsbekanntmachung unumgänglich mache. Der Antragsgegner habe die Eignungskriterien nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht. Vor diesem Hintergrund müsse nicht geprüft werden, ob die Eignungskriterien einer inhaltlichen vergaberechtlichen Prüfung standhalten würden und ob ein etwaiger Verstoß gegen die Verpflichtung zur Bereitstellung der Auslobungsunterlagen vorliege, da der Antragsgegner bereits aus den genannten Gründen bei fortbestehender Beschaffungsabsicht zu verpflichten wäre, das Verfahren in das Stadium vor Wettbewerbsbekanntmachung zurückzuversetzen. Der Antragsgegner erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme.
13
Mit Schriftsatz vom 22.04.2024 teilte der Antragsgegner mit, dass er sich entschieden habe, den Wettbewerb aufzuheben. Mit Schriftsatz vom 26.04.2024 reichte der Antragsgegner zum Nachweis der Aufhebung des Realisierungswettbewerbs die an die Bewerber ergangene Nachricht über die Aufhebung des Verfahrens vom 25.04.2024 ein. Darin wurde mitgeteilt, dass die Vergabestelle entschieden habe, den Wettbewerb aufzuheben, da die Ausschreibungsbedingungen angepasst werden müssten. Die Vergabestelle prüfe, ob die Realisierung des Vorhabens unter Anpassung der Ausschreibungsbedingungen mit neuen Vorgaben/Prämissen erfolgen könne, Sofern die Vergabestelle eine Neuausschreibung der Leistung vornehme, werde dies öffentlich bekannt gegeben.
14
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
15
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
16
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV.
17
Durch die Erklärungdes Antragsgegners, das er das Verfahren aufgehoben hat, hat sich das Nachprüfungsverfahren erledigt.
18
Die Erledigung des Nachprüfungsantrags hat zur Folge, dass das Verfahren einzustellen und nur noch über die Kosten zu entscheiden ist.
19
Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB. Nach § 182 Abs. 3 S. 5 GWB erfolgt die Entscheidung, wer die Kosten zu tragen hat, bei einer Erledigung des Nachprüfungsantrages vor einer Entscheidung der Vergabekammer nach billigem Ermessen. Die Vergabekammer hat hierbei die jeweiligen Umstände des Einzelfalls im Rahmen der Kostenentscheidung zu berücksichtigen. Maßstab für die Ermessensentscheidung bilden grundsätzlich die Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes und die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrages im Zeitpunkt der Erledigung (von Werder, in: Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Auflage 2022, § 182 GWB Rn. 11). Vorliegend trifft den Antragsgegner aus Gründen der Billigkeit insoweit die Kostenlast, weil er durch die Aufhebung des Vergabeverfahrens dem Nachprüfungsverfahren die Grundlage entzogen hat. Zudem wäre er im Verfahren aus den von der Vergabekammer im rechtlichen Hinweis vom 15.04.2024 dargelegten Gründen voraussichtlich unterlegen.
20
Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag von 100.000 Euro erhöht werden kann.
21
Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Die Vergabekammer hat bei der Gebührenfestsetzung zunächst eine Gebührentabelle herangezogen, die sie in Anlehnung an die von den Vergabekammern des Bundes entwickelte Gebührentabelle konzipiert hat. Dabei ist vom Wert des streitgegenständlichen Auftrags auszugehen (vgl. Krohn, in: Burgi/Dreher/Opitz, Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Auflage 2022, § 182 GWB, Rn. 19). Der für die Gebührenfestlegung zugrunde zu legende Auftragswert bemisst sich wie der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren entsprechend § 50 Abs. 2 GKG (Krohn, in: Burgi/Dreher/Opitz, Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Auflage 2022, § 182 GWB, Rn. 21). Maßgeblich ist in der Regel der Brutto-Auftragswert gemäß dem Angebot des Antragstellers. Da es sich vorliegend um einen Realisierungswettbewerb handelt, der dem sich anschließenden Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb mit allen Preisträgern vorgeschaltet ist und bei dem noch keine Angebote vorliegen, ist es der Vergabekammer nicht möglich, das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin unter Heranziehung einer Angebotssumme zu ermitteln. Die Vergabekammer zieht stattdessen den vom Antragsgegner geschätzten Auftragswert für den im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zu vergebenden Dienstleistungsauftrag heran. Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 26.02.2024 als Anlage Ag5 eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung mit Stand 23.11.2023 vorgelegt und unter dem Ordnungspunkt KG 700 Baunebenkosten die geschätzten Brutto-Kosten für Architektur und Freianlagen Planung angegeben. Diese Werte hat die Vergabekammer herangezogen. Hierin besteht im vorliegenden Nachprüfungsverfahren das maßgebliche wirtschaftliche Interesse, da die Motivation für die Teilnahme am Realisierungswettbewerb regelmäßig darin besteht, auch den endgültigen Auftrag zu erhalten. Die Preisgelder wurden nicht zusätzlich in die Berechnung mit eingestellt, da ausweislich Ziffer 5.1.6 der EU-Bekanntmachung im Falle einer weiteren Bearbeitungsbeauftragung durch den Wettbewerb bereits erbrachte Leistungen des jeweiligen Preisträgers bis zur Höhe des jeweiligen Preisgeldes nicht erneut vergütet werden sollen. Es wurde ein Abschlag für verminderten Arbeitsaufwand der Vergabekammer vorgenommen, da vorliegend die Erstellung eines Akteneinsichtsbeschlusses respektive Beiladungsbeschlusses entfiel und auch keine mündliche Verhandlung durchgeführt werden musste.
22
Da sich der Antrag vor der Entscheidung der Vergabekammer erledigt hat, reduziert sich die Gebühr auf die Hälfte, § 182 Abs. 3 S. 4 GWB.
23
Von der Antragstellerinwurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskrafterstattet.
24
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin beruht auf § 182 Abs. 4 S. 3 1. HS GWB. Es entspricht aus den bereits zu den Kosten des Verfahrens ausgeführten Gründen, die hier in gleicher Weise zum Tragen kommen, billigem Ermessen, dem Antragsgegner auch die Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin aufzuerlegen.
25
Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i.S.v. § 182 Abs. 4 S. 1 und 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, daim vorliegenden Fall nicht einfach gelagerte Rechtsfragen zu beantworten waren. Es spielten verschiedenste Aspekte in einem nicht offenen Realisierungswettbewerb eine Rolle, die ein Bieter nicht ohne weiteres beantworten können muss und sich daher anwaltlich vertreten lassen darf.