Titel:
Unterbringung in geschlossener Abteilung einer soziotherapeutischen Einrichtung wegen Gefahr erheblicher Gesundheitsschäden
Normenkette:
BGB § 1831 Abs. 1 Nr. 1
Leitsätze:
1. Die Unterbringung nach § 1831 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist anzuordnen, wenn die erhebliche Gefahr besteht, dass der Betroffene außerhalb des Rahmens einer beschützenden Einrichtung seine antipsychotische Medikamentierung absetzt und psychoaktive Substanzen konsumiert und sich dadurch ein psychotischer Schub bzw. eine erneute Verschlechterung des psychischen Zustandes ergibt. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine langfristige Rehabilitationsmaßnahme zur Stabilisierung eines Betroffenen ist notwendig, wenn bei ihm krankheitsbedingt eine erhebliche, langfristige Beeinträchtigung des psychosozialen Funktionsniveaus besteht. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
geschlossene Unterbringung, Medikamenteneinnahme, psychosoziale Beeinträchtigung, Krankheitseinsicht
Rechtsmittelinstanzen:
LG Hof, Beschluss vom 24.05.2024 – 24 T 118/24
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 06.11.2024 – XII ZB 254/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 37860
Tenor
Die Unterbringung des Betreuten durch die vorläufige Betreuerin in der geschlossenen Abteilung einer (soziotherapeutischen) Einrichtung wird bis längstens 17.04.2025 genehmigt.
Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.
Gründe
1
Nach dem aktuellen Gutachten des Sachverständigen Herrn Dr. med. … vom 18.04.2024 leidet der Betreute an einer psychischen Krankheit bzw. geistigen/seelischen Behinderung, nämlich einer paranoiden Schizophrenie mit hebephrenen Zügen.
2
Die geschlossene Unterbringung ist erforderlich, weil ansonsten aufgrund der psychischen Erkrankung die Gefahr besteht, dass der Betroffene sich erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt.
3
Ohne die Unterbringung in einer beschützenden Einrichtung ist die erforderliche regelmäßige Medikamenteneinnahme nicht gewährleistet. Es besteht die erhebliche Gefahr, dass der Betroffene außerhalb des Rahmens der beschützenden Einrichtung, wie bereits vor der stationären Aufnahme, die antipsychotische Medikamentierung absetzt und psychoaktive Substanzen (z.B. Cannabis) konsumiert und sich dadurch ein erneuter psychotischer Schub bzw eine erneute Verschlechterung des psychischen Zustandes ergibt.
4
Bei ihm besteht krankheitsbedingt eine erhebliche, langfristige Beeinträchtigung des psychosozialen Funktionsniveaus, die eine langfristige Rehabilitationsmaßnahme zur Stabilisierung des Betroffenen notwendig macht.
5
Er zeigte sich nach der eigenmächtigen Absetzung der Medikamente vor der aktuellen stationären Aufnahme in der Bezirksklinik z.B. nicht in der Lage, die Körperhygiene einschließlich Waschen und Zähneputzen regelmäßig durchzuführen und urinierte neben die Toilette. Rationale Gespräche oder zuverlässige Absprachen waren nicht möglich, sein Verhalten war unberechenbar.
6
Der Betreute hat zurzeit noch keine ausreichende Krankheitseinsicht; er ist zu keiner freien und stabilen Willensbildung zumindest hinsichtlich der Entscheidungen im Zusammenhang mit der Erkrankung und Unterbringung in der Lage in der Lage.
7
Der Betroffene ist bezüglich der Medikamentenkompliance und der weiteren Behandlungsmaßnahmen krankheitsbedingt weiterhin ambivalent.
8
Soweit von ihm Krankheitseinsicht und Einsicht in die Notwendigkeit weiterer Therapie geäußert wurde, ist dies nach Einschätzung des Gerichts primär von dem Bestreben geprägt, durch Betonung der Bereitschaft zur Zusammenarbeit die Unterbringungsdauer zu minimieren. In inhaltlicher und verhaltensleitender Hinsicht sind Krankheitseinsicht und Therapieeinsicht nach wie vor nur unzureichend und nicht ausreichend stabil vorhanden. Der Versuch des Drogenkonsums während des stationären Aufenthaltes und das unerlaubte Verlassen der Bezirksklinik vor etwa 3 Wochen verdeutlichen dies.
9
Dies folgt aus dem Ergebnis der gerichtlichen Ermittlungen, insbesondere aus dem aktuellen Gutachten des Sachverständigen Herrn Dr. med. … vom 18.04.2024, der Stellungnahme des Verfahrenspflegers U… und dem unmittelbaren Eindruck des Gerichts, den sich dieses anlässlich der Anhörung des Betreuten am 23.04.2023 verschafft hat.
10
Die Entscheidung beruht auf § 1831 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
11
Bei der Festsetzung der Frist über die Dauer der Entscheidung hinsichtlich der freiheitsentziehenden Maßnahmen hat das Gericht die Ausführungen d. Sachverständigen berücksichtigt.
12
Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit beruht auf § 324 Abs. 2 Satz 1 FamFG.