Titel:
Anordnung einer Unterbringung aufgrund einer hebephrenen Schizophrenie rechtmäßig
Normenketten:
BGB § 1831 Abs. 1 Nr. 1
FamFG § 324 Abs. 2 S. 1, § 329 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Die Unterbringung durch einen Betreuer nach § 1831 Abs. 1 Nr. 1 BGB zur Verhinderung einer Selbstschädigung infolge psychischer Erkrankung setzt voraus, dass der Betreute krankheitsbedingt seinen Willen nicht frei bestimmen kann, er also außerstande ist, seine Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. (Rn. 13 – 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Genehmigung der Unterbringung ist verhältnismäßig, wenn die Fortführung der aktuellen lebenswichtigen psychopharmakologischen Medikation und die Vermeidung von erneutem Drogenkonsum ohne eine Unterbringung nicht durchführbar ist. (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Besteht aufgrund einer hebephrenen Schizophrenie eine erhebliche langfristige Beeinträchtigung des psychosozialen Zustandes eines Betroffenen und ist eine dauerhafte, langfristige Rehabilitationsmaßnahme in einer soziotherapeutischen Einrichtung zu seiner Stabilisierung notwendig, dann ist die Anordnung einer Unterbringung mit der Dauer von einem Jahr nach § 329 Abs. 1 S. 1 FamFG nicht zu beanstanden. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unterbringungsgenehmigung, Selbstschädigung, psychiatrisches Gutachten, paranoide Schizophrenie, Verhältnismäßigkeit
Vorinstanz:
AG Hof, Beschluss vom 23.04.2024 – 09 XVII 846/23
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 06.11.2024 – XII ZB 254/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 37859
Tenor
1. Die Beschwerde des Betreuten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hof vom 23.04.2024, Az. 09 XVII 846/23, wird zurückgewiesen.
2. Der Betreute trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Das Amtsgericht Hof ordnete für den Betreuten mit Beschluss vom 20.03.2024 im Wege einer bis zum 19.09.2024 befristeten einstweiligen Anordnung die vorläufige Betreuung des Betreuten an.
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Mit Schreiben vom 04.04.2024 beantragte die vorläufige Betreuerin beim Amtsgericht Hof die Genehmigung der Unterbringung des Betreuten in der geschützten Abteilung eines Wohnheimes im Anschluss an die erfolgreich abgeschlossene Heilbehandlung in der geschützten Abteilung der Psychiatrie des BKH R. nach § 1831 BGB für die Dauer von einem Jahr.
3
Das Amtsgericht Hof gab ein Gutachten zu den medizinischen Voraussetzungen der Unterbringung in Auftrag. Der Sachverständige … erstattete daraufhin unter dem 18.04.2024 ein entsprechendes Gutachten. Darin diagnostizierte er eine paranoide Schizophrenie mit hebephrenen Zügen (ICD-10. F20.0) und einen Missbrauch von psychotropen Substanzen (ICD-10. F19.1) und bejahte die Voraussetzungen der Unterbringung für ein Jahr.
4
Das Amtsgericht Hof genehmigte nach Anhörung des Betreuten mit Beschluss vom 23.04.2024 die Unterbringung des Betreuten durch die vorläufige Betreuerin in der geschlossenen Abteilung einer (soziotherapeutischen) Einrichtung bis längstens 17.04.2025.
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Gegen diesen ihm am 25.04.2024 zugestellten Beschluss legte der Betreute mit Schreiben vom 11.05.2024 (eingegangen am 14.05.2024) Beschwerde ein, ohne diese näher zu begründen.
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Das Amtsgericht Hof half der Beschwerde mit Beschluss vom 14.05.2024 nicht ab und legte die Akte dem Landgericht Hof zur Entscheidung vor.
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Hinsichtlich der inhaltlichen Einzelheiten wird auf die vorgenannten Aktenbestandteile sowie im Übrigen auf den gesamten Inhalt der der Kammer vorliegenden Akte 09 XVII 846/23 inkl. Unterbringungsheft verwiesen.
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1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hof vom 23.04.2024 ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere wurde die Beschwerde form- und fristgerecht eingelegt.
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2. Die Beschwerde erweist sich aber als unbegründet, da das Amtsgericht Hof zu Recht mit dem angegriffenen Beschluss die Unterbringung des Betroffenen durch dessen (vorläufige) Betreuerin in einer soziotherapeutischen Einrichtung bis längstens 17.04.2025 genehmigt hat.
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Die Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 1831 Abs. 1 Nr. 1 BGB liegen vor:
11
a) Der Betroffene leidet an einer psychischen Erkrankung, nämlich an einer paranoiden Schizophrenie mit hebephrenen Zügen (ICD-10. F20.0). Zudem liegt ein Missbrauch von psychotropen Substanzen (ICD-10. F19.1) vor.
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Dies ergibt sich aus dem fachärztlichen psychiatrischen Gutachten des Sachverständigen Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie … vom 18.04.2024. An der entsprechenden Diagnose des Sachverständigen bestehen aus Sicht der Kammer keine Zweifel.
13
b) Die Unterbringung der Betroffenen ist zu dessen Wohl erforderlich, weil aufgrund seiner psychischen Krankheit die Gefahr besteht, dass er sich selbst erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt.
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Eine Unterbringung durch den Betreuer zur Verhinderung einer Selbstschädigung infolge psychischer Erkrankung setzt voraus, dass der Betreute krankheitsbedingt seinen Willen nicht frei bestimmen kann, er also außerstande ist, seine Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen.
15
Dies ist nach den eindeutigen Ausführungen des Sachverständiger … vom 18.04.2024, auf denen der Beschluss des Amtsgerichts Hof vom 23.04.2024 beruht, der Fall. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher auf die in vollem Umfang zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts Hof, denen sich die Kammer uneingeschränkt anschließt, Bezug genommen.
16
c) Die Genehmigung der Unterbringung ist auch verhältnismäßig, denn andere, mildere, Mittel stehen nicht zur Verfügung.
17
Der Sachverständige hierzu überzeugend aus, dass die anamnestischen Angaben sowie die formale Krankheitseinsicht zeigen, dass die Fortführung der aktuellen lebenswichtigen psychopharmakologischen Medikation und die Vermeidung von erneutem Drogenkonsum ohne eine Unterbringung nicht durchführbar ist. Der Hinweis auf eine unzureichende Fähigkeit des Betroffenen, ein selbstständiges Leben mit Wahrnehmung der lebenswichtigen psychiatrischen und psychotherapeutischen Maßnahmen sowie Drogenabstinenz ohne eine geschützte Umgebung zu führen, deute darauf hin, dass zum aktuellen Zeitpunkt weniger einschneidende Maßnahmen als die langfristige Unterbringung nicht ausreichend seien.
18
d) Auch die Dauer der genehmigten Unterbringung ist gemäß § 329 Abs. 1 S. 1 FamFG unter Bezugnahme auch die nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen, wonach aufgrund der hebephrenen Schizophrenie eine erhebliche langfristige Beeinträchtigung des psychosozialen Zustandes des Betroffenen bestehe, so dass eine dauerhafte, langfristige Rehabilitationsmaßnahme in einer soziotherapeutischen Einrichtung zur Stabilisierung des Betreuten notwendig sei und deshalb eine Unterbringung für die Dauer eines Jahres für erforderlich erachtet werde, nicht zu beanstanden.
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Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit der amtsgerichtlichen Entscheidung war gemäß § 324 Abs. 2 S. 1 FamFG ebenfalls erforderlich.
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Auf eine mündliche und wiederholte Anhörung des Betreuten konnte ausnahmsweise verzichtet werden. Insbesondere unter Berücksichtigung der zeitnah erfolgten ordnungegemäßen und umfangreichen Anhörung durch das Amtsgericht am 23.04.2024 war eine erneute persönliche Anhörung nicht erforderlich.
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Aus diesen Gründen war die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 84 FamFG.
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Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren beruht auch § 36 Abs. 3 GNotKG.