Titel:
Einstweiliger Rechtsschutz gegen Fälligkeitserklärung eines Zwangsgeldes, Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht, Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, da Fälligkeitsmitteilung zu recht ergangen ist
Normenketten:
VwGO § 123
VwZVG Art. 19 ff.
VwZVG Art. 29 ff.
VwZVG Art. 31
VwZVG Art. 36
Schlagworte:
Einstweiliger Rechtsschutz gegen Fälligkeitserklärung eines Zwangsgeldes, Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht, Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, da Fälligkeitsmitteilung zu recht ergangen ist
Fundstelle:
BeckRS 2024, 37845
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Fälligerklärung eines Zwangsgeldes.
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1. Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 2* … der Gemarkung E* … Auf diesem befindet sich u.a. ein Kuhstall mit überdachtem Laufgehege und angebauter Überdachung sowie – nördlich davon – eine offene Unterstellhalle.
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Das Landratsamt M* … hatte den Antragsteller mit Bescheid vom 12. Februar 2019 u.a. verpflichtet, den Kuhstall sowie die offene Unterstellhalle bis spätestens 31. März 2019 zu beseitigen. Zudem wurden dem Antragsteller in diesem Bescheid für den Fall der nicht rechtzeitigen Beseitigung u.a. Zwangsgelder in Höhe von 3.000,00 EUR (bzgl. Kuhstall) bzw. 1.000,00 EUR (bzgl. offenen Unterstellhalle) angedroht. Nachdem hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung für die Beseitigung des Kuhstalls mit Beschluss vom 19. Mai 2019 (W 4 S 19.202) die aufschiebende Wirkung der Klage durch das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg angeordnet worden war, weil nach Auffassung des Gerichts die Erfüllungsfrist unverhältnismäßig kurz bemessen war, wurde die Zwangsgeldanordnung hinsichtlich des Kuhstalls durch Bescheid des Landratsamts M* … vom 2. Dezember 2019 ersetzt, womit der Antragsteller verpflichtet worden war den Kuhstall bis spätestens 31. März 2021 zu beseitigen. Die angedrohte Zwangsgeldhöhe blieb gleich. Der Bescheid des Landratsamts M* … vom 12. Februar 2019 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 2. Dezember 2019 wurde in der Folge, nachdem die entsprechenden Klagen für erledigt erklärt worden waren, bestandskräftig.
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Nachdem bei einer Baukontrolle am 20. Juli 2021 festgestellt worden war, dass der Antragsteller bis zu diesem Zeitpunkt lediglich den Strommast auf dem als Kuhstall benutzten Gebäude beseitigt hatte, wurde mit Schreiben des Landratsamts M* … vom 2. August 2021 Zwangsgelder in Höhe von 4.500,00 EUR für fällig erklärt. Darüber hinaus drohte das Landratsamt den Antragsteller mit Bescheid vom 2. August 2021 an, dass für den Fall, dass bis zum 30. September 2021 der Kuhstall mit überdachtem Laufgehege und angebauter Überdachung auf dem Grundstück Fl.Nr. 2* …, Gemarkung E* …, nicht oder nicht vollständig beseitigt ist, ein Zwangsgeld in Höhe von 6.000,00 EUR zur Zahlung fällig wird (Ziffer I. 1.). Unter Ziffer I. 2. wurde angeordnet, dass, falls der Antragsteller die offene Unterstellhalle nördlich des Kuhstalls auf dem Grundstück Fl.Nr. 2* …, Gemarkung E* …, nicht oder nicht vollständig bis zum 30. September 2021 beseitigt hat, ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR fällig wird.
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In der Folgezeit wurden von Antragstellerseite dann Pläne zur Errichtung eines Kuhstalls an einem Alternativstandort eingereicht. Nachdem festgestellt worden war, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb nur auf die Ehefrau des Antragstellers registriert ist, wurde diese mit Schreiben des Landratsamts M* … vom 19. Dezember 2022 und 26. Juni 2024 aufgefordert, einen entsprechenden Bauantrag einzureichen bzw. neue Alternativgrundstücke für die Errichtung eines Kuhstalls zur Vorprüfung zu benennen. Dem kam die Ehefrau des Antragstellers zunächst nach. Da das von der Antragstellerseite avisierte Grundstück Fl.Nr. 4* … der Gemarkung E* … für die Errichtung eines Kuhstalls aus naturschutzrechtlichen Gründen aber nicht in Betracht kam, wurde die Antragstellerseite mit Schreiben des Landratsamts M* … vom 19. August 2024 aufgefordert, bis spätestens 30. September 2024 einen weiteren Alternativstandort zur Vorprüfung vorzulegen. Der Antragsteller ließ diese Frist jedoch verstreichen, ohne tätig zu werden.
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Bei einer weiteren Baukontrolle am 7. Oktober 2024 stellte das Landratsamt fest, dass der Kuhstall und die offene Unterstellhalle auf dem Grundstück Fl.Nr. 2* … noch immer nicht beseitigt worden waren.
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Mit Schreiben vom 8. Oktober 2024 erklärte das Landratsamt M* … daher die Zwangsgelder aus dem Bescheid vom 2. August 2021 in Höhe von 6.000,00 EUR für die Nichtbeseitigung des Kuhstalls und in Höhe von 2.000,00 EUR für die Nichtbeseitigung der offenen Unterstellhalle für fällig.
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Mit Bescheid vom 8. Oktober 2024 wurde dem Antragsteller zudem unter Ziffer I. 1. ein Zwangsgeld in Höhe von 12.000,00 EUR angedroht für den Fall, dass der Kuhstall mit überdachtem Laufgehege und angebauter Überdachung auf dem Grundstück Fl.Nr. 2* …, Gemarkung E* …, bis zum 30. April 2025 nicht oder nicht vollständig beseitigt ist. Hinsichtlich der offenen Unterstellhalle wurde ein Zwangsgeld von 4.000,00 EUR angedroht, für den Fall, dass diese nicht bis zum 30. April 2025 vollständig beseitigt ist. Der vorgenannte Bescheid wurde dem Antragsteller ausweislich der bei den Behördenakten befindlichen Kopie der Postzustellungsurkunde am 12. Oktober 2024 zugestellt.
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2. Mit Schreiben vom 2. November 2024, eingegangen bei Gericht am 11. November 2024, beantragt der Antragsteller sinngemäß,
die Zwangsvollstreckung vorläufig einzustellen.
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Begründet wurde der Antrag im Wesentlichen damit, dass der Antragsteller es zwar versäumt habe, rechtzeitig ein weiteres Alternativgrundstück für die Errichtung eines Kuhstalls zur Vorprüfung dem Landratsamt gegenüber zu benennen. Dieses Versäumnis bedauere der Antragsteller und er entschuldige sich hierfür. Mittlerweile habe er aber weitere Grundstücke für die Verlagerung des Kuhstalls benannt, die nach einer Vorprüfung für eine Verlagerung des Kuhstalls in Betracht kämen. Geplant sei daher, entsprechende Genehmigungsunterlagen bis Ende November 2024 bei der Marktgemeinde E* … einzureichen.
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3. Mit Schriftsatz des Landratsamts M* … vom 21. November 2024 beantragt der Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
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Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass der Antrag unbegründet sei, da die Fälligkeitsmitteilung zu Recht ergangen sei. Die Vollstreckungsvoraussetzungen lägen vor. Die entsprechenden Beseitigungsanordnungen aufgrund Bescheids vom 2. Februar 2019 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 2. Dezember 2019 seien bestandskräftig. Gleiches gelte hinsichtlich der weiteren Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 2. August 2021. Der Antragsteller sei seiner Verpflichtung, den Kuhstall und die offene Unterstellhalle zu beseitigen, bis heute allerdings nicht nachgekommen. Die Zwangsgelder seien daher fällig geworden.
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4. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und in den Verfahren W 4 S 24.1822, W 4 K 19.201, W 4 S 19.202, W 4 K 19.203 und W 4 S 19.204 sowie auf die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
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1. Der hier erhobene Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig.
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Einer Fälligkeitsmitteilung kommt nur eine deklaratorische Wirkung zu, da die Fälligkeit des angedrohten Zwangsgelds in Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG unmittelbar gesetzlich geregelt ist. Der Mitteilung kommt daher nicht die für einen Verwaltungsakt nach Art. 35 Satz 1 BayVwVfG erforderliche Regelungswirkung zu, sie stellt nur eine – an sich gesetzlich nicht vorgeschriebene – Mitteilung des Bedingungseintritts dar (vgl. BayVerfGH, E.v. 24.1.2007 – Vf. 50-VI-05 – juris Rn. 46). Unter Berücksichtigung von § 123 Abs. 5 VwGO ist daher vorliegend ein Antrag nach § 123 VwGO statthaft (vgl. hierzu st. Rspr. des BayVGH seit B.v. 26.6.1978 – 856 VII 77 – BayVBl. 1980, 51/52; vgl. aus jüngerer Zeit etwa BayVGH, B.v. 12.5.2023 – 15 CS 23.606 – juris).
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2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
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Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Form der Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dazu hat der Antragsteller die besondere Dringlichkeit der Anordnung (Anordnungsgrund) und das Bestehen des zu sichernden Anspruchs (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 und § 294 ZPO).
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2.1. Der Antrag ist unbegründet, weil bereits ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht wurde.
19
Die erforderliche Dringlichkeit für eine einstweilige Anordnung setzt voraus, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen nicht zumutbar ist, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 12.5.2023 – 15 CS 23.606 – juris Rn. 31). Dass es dem Antragsteller nicht zumutbar wäre, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, hat dieser aber selbst nicht behauptet.
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Schon mangels Anordnungsgrunds ist der Antrag somit unbegründet.
21
2.2. Der Antrag ist aber auch deswegen unbegründet, weil ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht wurde. Denn der Antragsteller hat keinen Anspruch glaubhaft gemacht, der die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung rechtfertigen würde.
22
Nach Art. 22 VwZVG ist die Zwangsvollstreckung u.a. einzustellen, wenn sie für unzulässig erklärt wird. Die Zwangsvollstreckung aus einem Verwaltungsakt ist unzulässig, wenn die allgemeinen oder die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen nicht vorliegen oder Vollstreckungshindernisse bestehen (vgl. hierzu etwa BayVGH, B.v. 17.2.2023 – 8 CE 22.2113 – juris Rn. 20).
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Vorliegend liegen die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen des Art. 19 VwZVG vor. Insbesondere liegt ein wirksamer, nicht nichtiger Grundverwaltungsakt in Form der Beseitigungsanordnungen vom 12. Februar 2019 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 2. Dezember 2019 vor. Diese Grundverwaltungsakte sind auch unanfechtbar.
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Des Weiteren liegen auch die besonderen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen vor, unabhängig davon, dass der Bescheid vom 2. August 2021 ebenfalls bereits bestandskräftig ist. Gemäß Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG ist eine erneute Androhung des Zwangsmittels dann zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist. Dies war und ist vorliegend der Fall.
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Auch wurde das Zwangsgeld im Bescheid vom 2. August 2021 schriftlich in einer bestimmten, angemessenen Höhe unter Einräumung einer angemessenen Erfüllungsfrist angedroht. Der Bescheid vom 2. August 2021 war dem Antragsteller schließlich auch zugestellt worden (Art. 36 Abs. 7 Satz 1 VwZVG; vgl. hierzu Bl. 122 der Behördenakte).
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Vollstreckungshindernisse wurden vom Antragsteller weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.
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Das Zwangsgeld im Bescheid vom 2. August 2021 ist schließlich gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG fällig geworden, da der Kuhstall sowie die offene Unterstellhalle bis heute nicht beseitigt wurden. Ob man insoweit auf die im Bescheid vom 2. August 2021 gesetzte Frist bis zum 30. September 2021 abstellt oder aber man in den in der Folge ergangenen Schreiben des Landratsamts M* …, mit denen die Antragstellerseite aufgefordert wurde, Alternativstandorte für die Errichtung eines neuen Kuhstalls zur Vorprüfung vorzulegen, konkludent auch jeweils eine Verlängerung der Erfüllungsfrist gemäß Art. 31 Abs. 7 Satz 1 BayVwVfG sehen möchte, kann mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen.
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Da alle Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sind, kein Vollstreckungshindernis vorliegt und der Antragsteller den auferlegten Beseitigungspflichten nach Ablauf der gesetzten Frist nicht nachgekommen ist, ist das Zwangsgeld im Bescheid vom 2. August 2021 hinsichtlich des Kuhstalls (6.000,00 EUR) und der offene Unterstellhalle (2.000,00 EUR) auf dem Grundstück Fl.Nr. 2* … der Gemarkung E* … fällig geworden.
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Die Fälligkeitserklärung ist damit zu Recht erfolgt, der Antrag war daher abzulehnen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 und 1.7.1, Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2013.