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VG München, Urteil v. 26.03.2024 – M 5 K 20.30832
Titel:

Asylklage, Uganda, Politische Verfolgung (unglaubhaft)

Normenketten:
AsylG § 3
AsylG § 4
Schlagworte:
Asylklage, Uganda, Politische Verfolgung (unglaubhaft)
Fundstelle:
BeckRS 2024, 37780

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 

Tatbestand

1
Die Klägerin ist ugandischer Staatsangehörige. Sie reiste am … Mai 2019 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am … August 2019 einen unbeschränkten Asylantrag.
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Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am … September 2019 gab sie an, dass sie Uganda aufgrund politischer Verfolgung verlassen habe. Während ihrer Studienzeit von 2014 bis 2017 habe sie angefangen, sich politisch zu betätigen. Sie habe Leute auf die Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels angesprochen. Sie habe sich für Frauenrechte und die Rechte Homosexueller engagiert und sich gegen genitale Beschneidung und Polygamie ausgesprochen. Sie habe sich gegen sexuelle Belästigung eingesetzt und darauf hingewiesen, dass Religion Frauen unterdrücke. Sie habe zu friedlichen Demonstrationen aufgerufen, die jedoch nicht viele Teilnehmer gehabt hätten. Mitte April 2019 sei ein Auto zum ihrem Haus gekommen. Drei Männer in Zivilkleidung hätten nach ihr gefragt und ihr geraten, ihre politischen Aktivitäten einzustellen. Eine Woche später sei während ihrer Abwesenheit in ihr Haus eingebrochen worden. Es habe so ausgesehen, als hätte jemand etwas gesucht. Die Klägerin habe ihr Zimmer aufgeräumt und ein Polizeischreiben (Release on Police Bond, datiert auf den …1.2019) gefunden, das besagt habe, dass sie am … Januar 2019 zur Polizeiwache gehen sollte. Die besagten Vorfälle hätten jedoch erst im April 2019 begonnen. Die Antragstellerin sei am … Januar 2019 noch in Irland gewesen. Folglich stelle das Schreiben einen Fall dar, den es nicht geben könne. Sie sei nicht zur Polizei gegangen, gelte jetzt jedoch als Kriminelle.
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Mit Bescheid vom … Februar 2020, zugestellt am … Februar 2020, erkannte das Bundesamt die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Nr.1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Nr. 2) und erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3). Zudem stellte das Bundesamt fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4) und forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, andernfalls wurde der Klagepartei die Abschiebung nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den die Klagepartei einreisen darf oder der zu ihrer Rücknahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
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Am 4. Mai 2017 hat die Klagepartei Klage erhoben und beantragt,
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I. Der Bescheid der Beklagte vom … Februar 2020, zugestellt am … Februar 2020, wird in Ziffer I., II. und Ziffer III. aufgehoben.
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II. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides verpflichtet, das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG festzustellen
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III. Die Beklagte wird hilfsweise verpflichtet, subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG festzustellen
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IV. Die Beklagte wird höchsthilfsweise verpflichtet, Abschiebungshindernisse gem. § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.
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Die Klägerin sei auf Grund ihrer politischen Überzeugung in Uganda landesweit von Verfolgung bedroht bzw. betroffen.
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Die Beklagte hat die Akten vorgelegt, ohne sich in der Sache zu äußern.
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Mit Beschluss vom 30. Januar 2024 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen, § 76 Abs. 1 AsylG.
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Die Klägerin ist im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 19. März 2024 informatorisch angehört worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift vom 19. März 2024 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. März 2024 trotz Ausbleibens eines Beklagtenvertreters entschieden werden. Denn in der frist- und formgerechten Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Falle des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid stellt sich im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Asylgesetz – AsylG) als rechtmäßig dar und verletzt die Klägerin nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte, auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzes und keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
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Das Gericht nimmt insoweit auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid Bezug (§ 77 Abs. 3 AsylG). Lediglich ergänzend wird Folgendes ausgeführt:
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1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte (Art. 16a Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland – Grundgesetz/GG) und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.
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Das Gericht ist nach dem persönlichen Eindruck, den es von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, nicht in vollem Umfang davon überzeugt, dass die Klägerin in Uganda bereits politisch verfolgt worden ist oder dass ihr im Falle einerr Rückkehr nach Uganda mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die geltend gemachte politische Verfolgung droht.
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a) Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. Anerkennung als Asylberechtigte (bei Einreise auf dem Luftweg) dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine Verfolgung i.S.v. § 3 Abs. 1 AsylG liegt nach § 3a AsylG bei Handlungen vor, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1959 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Als Verfolgung im Sinne des Abs. 1 können unter anderem gemäß § 3a Abs. 2 AsylG die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden oder auch unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung gelten. Dabei muss zwischen den genannten Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen gemäß § 3a Abs. 3 AsylG eine Verknüpfung bestehen.
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Die Verfolgung kann gemäß § 3c AsylG vom Staat oder von Parteien oder Organisationen ausgehen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder aber von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob im Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
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Die Flüchtlingseigenschaft wird nicht zuerkannt, wenn im Herkunftsland eine interne Schutzmöglichkeit besteht, § 3e AsylG.
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Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich drohen; das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzuwenden. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 32; B.v. 7.2.2008 – 10 C 33/07 – juris Rn. 37).
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Die begründete Furcht vor Verfolgung kann dabei sowohl auf tatsächlich erlittener oder unmittelbar drohender Verfolgung bereits vor der Ausreise im Herkunftsstaat (Vorverfolgung) oder auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat (Nachfluchtgründe), insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist (§ 28 Abs. 1a AsylG).
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Der der Prognose zugrunde zu legende Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit bleibt auch dann unverändert, wenn der Ausländer bereits Vorverfolgung erlitten hat. Allerdings ist nach Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 – Qualifikationsrichtlinie – (ABl. L 337 S. 9) die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde bzw. von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Ausländer erneut von solcher Verfolgung bedroht wird. Dies ist im Sinne einer widerlegbaren tatsächlichen Vermutung zu verstehen (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – juris Rn. 23).
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Das Gericht muss auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage von der Richtigkeit seiner gewonnenen Prognose drohender Verfolgung die volle richterliche Überzeugung erlangt haben (vgl. BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6/13 – juris Rn. 18).
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Für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Vorbringens gilt nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen, die sich in Art. 4 Abs. 1, 2 und 5 der Qualifikationsrichtlinie widerspiegeln, dass es dem Ausländer obliegt, von sich aus umfassend die Gründe für das verfolgungsbedingte Verlassen der Heimat substantiiert, unter Angabe genauer Einzelheiten und in sich stimmig darzulegen.
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Der Vortrag, insbesondere zu den in die eigene Sphäre fallenden Ereignissen, muss geeignet sein, den Schutzanspruch lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, U.v. 24.3.1987 – 9 C 321/85 – juris Rn. 9).
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Das Gericht muss sich in vollem Umfang die Überzeugung von der Wahrheit des von dem Ausländer behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals verschaffen, wobei allerdings der typische Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Herkunftsland bei der Auswahl der Beweismittel und bei der Würdigung des Vortrags und der Beweise angemessen zu berücksichtigen ist. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit unvereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann, es sei denn, die Widersprüche und Unstimmigkeiten können überzeugend aufgelöst werden (vgl. BVerwG, U.v. 12.11.1985 – 9 C 27/85 – juris Rn. 11 ff.; B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – juris Rn. 3).
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b) Gemessen an diesen Maßstäben erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass die Klägerin in Uganda bereits politisch verfolgt worden ist oder dass sie berechtigterweise befürchten muss, bei einer Rückkehr politisch verfolgt zu werden.
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Die Klägerin hat nicht glaubhaft gemacht, warum sie für eine politische Verfolgung besonders exponiert wäre. Nach dem Länderinformationsblatt Uganda des Österreichischen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27. September 2017 (S. 6 f.) kann die politische Lage in Uganda als relativ stabil bezeichnet werden.
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Die Klägerin selbst führt bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 19. März 2024 aus, dass sie alleine tätig war und keiner Organisation angeschlossen war und dass es kein großes politisches Projekt war. Sie sei in der Nachbarschaft herumgegangen und haben mit den Leuten geredet. Erst auf Nachfrage durch das Gericht gab die Klägerin an, auch mit Kirchen und Bildungseinrichtungen geredet zu haben.
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Zudem ist der Vortrag der Klägerin in einigen Teilen widersprüchlich, sodass die Klägerin eine tatsächlich erlittene oder unmittelbar drohende Verfolgung vor der Ausreise in Uganda nicht glaubhaft dargelegt hat und auch nicht beachtlich wahrscheinlich ist, dass ihr eine solche bei einer Rückkehr nach Uganda droht. So hat die Klägerin vor dem Bundesamt angegeben, dass Mitte April drei Männer zu dem Haus ihrer Tante gekommen seien und sie bedroht hätten. Eine Woche später sein dann im Haus der Tante eingebrochen worden und in ihrem Zimmer lag alles herum, so als ob jemand etwas gesucht hätte. Die Einbrecher hätten ein Schreiben der Polizei hinterlassen. In der mündlichen Verhandlung gab die Klägerin hierzu in Widerspruch stehend an, dass zwei Männer sie bedroht hätten und dies Ende Januar/Anfang Februar 2019 gewesen sei.
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2. Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt.
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3. Die Klägerin hat als unterlegene Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.