Inhalt

VG München, Beschluss v. 05.04.2024 – M 5 S 24.1048
Titel:

Beamter auf Probe, Entlassung, Charakterliche Nichteignung, Verstoß gegen Pflicht zur Befolgung von Anordnungen und Weisungen, Verstoß gegen Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten

Normenketten:
BeamtStG § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2
VwGO § 80 Abs. 5
Schlagworte:
Beamter auf Probe, Entlassung, Charakterliche Nichteignung, Verstoß gegen Pflicht zur Befolgung von Anordnungen und Weisungen, Verstoß gegen Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten
Fundstelle:
BeckRS 2024, 37779

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 8.669,28 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der 2000 geborene Antragsteller wurde mit Wirkung zum *. März 2021 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Polizeimeisteranwärter und mit Wirkung zum … März 2022 in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen und zum Polizeioberwachtmeister (A 5) ernannt. Er ist bei der Bayerischen Bereitschaftspolizei in E. (Regierungsbezirk Oberbayern) in einer Einsatzhundertschaft tätig.
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Mit Schreiben vom … Juli 2023 wurde der Kläger zur beabsichtigten Entlassung wegen charakterlicher Nichteignung angehört. Ein Antrag des Beamten, den Personalrat zu beteiligen, erfolgte nicht.
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Mit Bescheid vom … Februar 2024 wurde der Antragsteller mit Ablauf des … März 2024 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entlassen.
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Der Antragsgegner hielt dem Beamten im Bescheid vom … Februar 2024 unter anderem folgende Verfehlungen vor, die dessen charakterliche Nichteignung belegen sollen:
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Während der Zeit der Ausbildung in einem Ausbildungsseminar sei es wiederholt zu beleidigenden Äußerungen sowie unangebrachten Verhaltensweisen gegenüber Kollegeninnen und Kollegen gekommen. Der Beamte habe einen Kollegen beim Einparken aufgefordert, das Auto einer anderen Kollegin anzufahren, da dies lustig sei. Als ein Kollege einen Schaden an seinem privaten PKW fotografieren wollte, habe der Beamte sein Gesäß entblößt, sodass auf dem Foto auch sein nacktes Gesäß zu sehen gewesen sei. Der Beamte habe beim Vorbeilaufen wiederholt gegen das Kennzeichen des Autos einer Kollegin getreten bzw. dies zumindest angetäuscht. Auch habe der Beamte eine Seite, auf welcher eine auch für Prüfungen wichtige Strafrechtsnorm abgedruckt war, aus der Vorschriftensammlung eines Kollegen gerissen. Weiter habe sich der Beamte in einer WhatsApp-Gruppe bestehend aus zwölf Teilnehmern, allesamt Polizeibeamte, wiederholt belustigend und beleidigend vor allem gegen PMin X. geäußert und habe zu diesem Zweck auch Fotos der Kollegin ohne deren Zustimmung eingestellt. Gegenüber der Beamtin PMin X. sowie der Beamtin PMin Y. sei es zudem mehrmals zu weiteren Beleidigungen gekommen. Weiter habe der Beamte gegen Corona-Quarantäne-Beschränkungen verstoßen, da er trotz positiver Schelltests (**.2.2022, …2.2022 und …2.2022) am … Februar 2022 mit Kollegen feiern gewesen sei und trotz geltendem Betretungsverbot auf dem Areal der Bereitschaftspolizei übernachtet habe, obwohl noch kein negativer Schnelltest vorgelegen und somit die Isolationspflicht nach wie vor bestanden habe. Auf Grund dieses Sachverhaltes sei auch ein Ordnungswidrigkeitenverfahren durchgeführt worden und gegen den Beamten mit rechtskräftigem Bescheid vom … Juli 2022 ein Bußgeld in Höhe von 400,00 EUR verhängt worden. Ebenso seien diesbezüglich am *. September 2022 disziplinarrechtliche Ermittlungen eingeleitet worden.
6
Während des ersten Ausbildungsabschnittes habe der Beamte zudem online ein Video gepostet, welches den Beamte zeigt, wie er auf einer öffentlichen Straße ein Motorrad fährt, ohne dabei einen Motorradhelm zu tragen. Obwohl der Beamte auf Grund dieses Vorfalls ein Gespräch mit PHM Z. hatte, habe der Beamte einige Wochen später erneut ein Video, welches ihn zeigt, wie er mit einem PKW mit durchdrehenden Reifen „Donuts“ vorführt, online gestellt. Daraufhin sei erneut ein Kritikgespräch mit PHM Z. erfolgt. Dennoch habe der Beamte am … Januar 2022 ein Video gepostet, das ihn zeigt, wie er mit einem Motorrad nur auf dem Hinterrad fahrend einen PKW überholt.
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Als rechtliche Grundlage für Pflichtenverstöße, die Zweifel an der charakterlichen Eignung rechtfertigen, würden insbesondere die beamtenrechtlichen Pflichten nach §§ 33 ff. des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz/BeamtStG) zählen, gegen welche der Beamte verstoßen habe. Auf Grund der über einen längeren Zeitraum wiederholt völlig verfehlten Äußerungen und Verhaltensweisen bestünden berechtigte erheblich Zweifel daran, dass der Beamte die für einen Polizeivollzugsbeamten erforderlichen Charaktereigenschaften wie Disziplin, Ernsthaftigkeit, Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein, Kollegialität, Respekt gegenüber Mitmenschen und Unvoreingenommenheit besitze.
8
Das besondere Vollzugsinteresse überwiege das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs.
9
Am … Februar 2024 wurde Widerspruch gegen den Bescheid vom … Februar 2024 erhoben, über den – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden ist.
10
Der Antragsteller hat am … Februar 2024 einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gestellt. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung liege weder im öffentlichen Interesse noch im überwiegenden Interesse eines Beteiligten, sodass die aufschiebende Wirkung des eingelegten Widerspruches wiederherzustellen sei. Die Anordnung des Sofortvollzuges sei nicht hinreichend begründet worden. Es sei lediglich darauf abgestellt worden, dass es dem Dienstherrn und der Allgemeinheit nicht zuzumuten sei, bis zu Abschluss eines Rechtsmittelverfahrens in der Hauptsache einen Beamten mit charakterlichen Mängeln weiter zu beschäftigen. Auch würde bei einem Verbleib des Beamten auf der Planstelle diese nicht zeitnah nachbesetzt werden können. Diese Argumente seien nicht überzeugend und die Anordnung des Sofortvollzuges sei ermessenfehlerhaft. Insbesondere habe der Antragsgegner nicht berücksichtigt, dass mit der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit ein Präjudiz zulasten des Antragstellers geschaffen werde.
11
Weiter sei die Frist des Art. 56 Abs. 5 Satz 1 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) nicht eingehalten worden, da die Entlassungsverfügung vom … Februar 2024 dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am … Februar 2024 lediglich per Fax übermittelt worden sei. Das Original der Entlassungsverfügung sei jedoch erst am … Februar 2024 per Post zugegangen. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners seien auch die Erfolgsaussichten in der Hauptsache gegeben. Die Äußerungen des Antragstellers seien nicht in der Ermessensentscheidung berücksichtigt worden. Der Antragsgegner habe zudem übersehen, dass die Chat-Gruppe ein beleidigungsfreier Raum sei, so wie dies auch die Staatsanwaltschaft in ihrer Einstellungsverfügung ausgeführt habe, sodass die Äußerungen des Antragstellers in der Chat-Gruppe nicht verwertet werden dürften.
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Der Antragsteller hat beantragt,
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Unter Aufhebung der Vollziehungsanordnung des Antragsgegners im Bescheid vom … Februar 2024 wird gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom … Februar 2024 wiederhergestellt.
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Das Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei hat für den Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei formell rechtmäßig. Insbesondere sei eine entsprechende Begründung abgegeben und das Formerfordernis der schriftlichen und einzelfallbezogenen Begründung der Vollzugsanordnung sei beachtet worden. Auch habe ein Rechtsbehelf in der Hauptsache keine Erfolgsaussichten. In einer Gesamtbewertung des Verhaltens des Antragstellers bestünden erhebliche und begründete Zweifel an der persönlichen Eignung für den Polizeivollzugsdienst. Die mangelnde Bewährung des Antragstellers im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG stünde zur vollen Überzeugung fest. Die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis sei nicht von dem Nachweis eines konkreten Dienstvergehens abhängig; ebenso wenig sei von Bedeutung, ob der Beamte eine nachweisbare Straftat begangen habe oder ob er deswegen verurteilt worden sei. Die Beurteilung der charakterlichen Eignung und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen besäßen keinen Strafcharakter; sie diene vielmehr der Sicherung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, weshalb der Antragsgegner – anders als die Staatsanwaltschaft W. – bei der WhatsApp-Gruppe nicht von einem beleidigungsfreien Raum ausgehe. Die Entlassungsverfügung sei per Fax am … Februar 2024 um 14:45 Uhr – mithin noch innerhalb der Geschäftszeiten des Bevollmächtigten – übermittelt worden und der Empfang der Entlassungsverfügung sei mit Empfangsbekenntnis gemäß Art. 5 Abs. 4 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) am 16. Februar 2024 bestätigt worden.
17
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten in diesem Verfahren verwiesen.
II.
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Der zulässige Antrag ist unbegründet.
19
1. Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Diese Bestimmung stellt eine zentrale Norm der Verwaltungsrechtspflege dar, denn der Bürger hat nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) Anspruch auf eine tatsächlich wirksame Kontrolle der Verwaltung. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage aber nicht schlechthin. Die Behörde darf sie gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO durch Anordnung der sofortigen Vollziehung beseitigen, wenn dafür ein besonderes öffentliches Interesse besteht,
das grundsätzlich über jenes Interesse hinauszugehen hat, welches den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt.
20
Dieses besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts ist nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO schriftlich zu begründen.
21
Die Begründung der in Nr. 2 des angefochtenen Bescheids vom … Februar 2024 geregelten Vollzugsanordnung genügt diesem gesetzlichen Erfordernis. Sie ist nicht lediglich formelhaft, sondern lässt erkennen, dass die Behörde eine Einzelfallprüfung vorgenommen und die unterschiedlichen, einander widerstreitenden Interessen der Beteiligten gegeneinander abgewogen hat. Insbesondere hat die Behörde nicht nur einseitig auf die Interessenlage der öffentlichen Hand abgestellt, sondern auch die Interessen des Antragstellers berücksichtigt.
22
Über diese Feststellung hinaus bedarf es keiner weiteren Erörterung der von der Behörde genannten Gründe, da das Gericht nicht auf die Überprüfung dieser Gründe beschränkt ist, sondern im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO unter Abwägung der öffentlichen Belange gegen den Rechtsanspruch des Einzelnen selbst zu beurteilen hat, ob ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht. Soweit dabei die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs oder der Klage bereits absehbar sind, hat das Gericht sie zu berücksichtigen. Ergibt diese im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes notwendigerweise summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf oder die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, so scheidet, sofern ein öffentliches Interesse für den sofortigen Vollzug spricht, ein Vorrang der privaten Interessen von vornherein aus, da an der Aussetzung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakts in der Regel kein überwiegendes privates Interesse bestehen kann (vgl. BayVGH, B.v. 4.10.1982 – 19 AS 82 A.2049 – BayVBl 1983, 23).
23
Die Begründung, dem Dienstherrn sei nicht zuzumuten, dass ein Beamter, bei dem bereits aktuell feststehe, dass seine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nicht infrage komme, weiterhin im Beamtenverhältnis auf Probe verbleibe, bis ein eventuelles Rechtsmittelverfahren abgeschlossen sei und für diesen Zeitraum weiterhin Bezüge erhalte, ist tragfähig, weil diese Argumentation der Behörde in Kombination mit dem sich anschließenden Argument zu sehen ist. Der Verbleib im Beamtenverhältnis auf Probe würde verhindern, dass der Dienstherr die Planstelle an einen anderen, geeigneteren Bewerber vergeben könnte; angesichts der begrenzten Zahl der Planstellen wäre dies ein nicht hinnehmbarer Eingriff in die Personalhoheit des Dienstherrn (BayVGH, B.v. 17.5.2017 – 3 CS 17.26 – juris Rn. 5 m.w.N.). Mit der Erwägung, es stehe bereits fest, dass eine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nicht infrage komme, sodass eine vorübergehende Fortsetzung des Dienstverhältnisses für das weitere berufliche Fortkommen des Antragstellers nicht von Nutzen sei (vgl. BayVGH, B.v. 17.5.2017 a.a.O.), hat der Antragsgegner eine Interessenabwägung in seine Argumentation aufgenommen. Denn er hat ausgeführt, auch unter Berücksichtigung der Interessen des Beamten sei es sinnvoll und notwendig, die Entlassung und die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu verfügen, um den Antragsteller über seine berufliche Zukunft nicht im Unklaren zu lassen. Dass diese Erwägungen in nahezu allen Fällen der Entlassung eines Probebeamten herangezogen werden können, ist unschädlich. Die Gründe, die die Entlassung des Probebeamten rechtfertigen, fordern zugleich auch deren Vollzug (vgl. zum Ganzen auch: BayVGH, B.v. 16.8.2017 – 3 CS 17.1342 – juris Rn. 3).
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2. Die summarische Überprüfung der angefochtenen Entlassungsverfügung vom … Februar 2024 ergibt im vorliegenden Fall, dass keine durchgreifenden Bedenken gegen deren Rechtmäßigkeit bestehen.
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Der Antragsgegner hat ohne Rechtsfehler die Entlassung auf § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz/BeamtStG) gestützt. Nach dieser Vorschrift kann ein Beamter auf Probe entlassen werden, wenn er sich in der Probezeit hinsichtlich seiner Eignung, Befähigung oder fachlichen Leistung nicht bewährt hat.
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Das Gericht hat im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO unter Abwägung der öffentlichen Belange gegen den Rechtsanspruch des Einzelnen zu beurteilen, ob ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht. Soweit dabei die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs oder der Klage bereits absehbar sind, hat das Gericht sie zu berücksichtigen. Ergibt diese im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes notwendigerweise summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf oder die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, so scheidet – sofern ein öffentliches Interesse für den sofortigen Vollzug spricht – ein Vorrang der privaten Interessen von vornherein aus, da an der Aussetzung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakts in der Regel kein überwiegendes privates Interesse bestehen kann (Schmidt in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 80 Rn. 89 ff.; vgl. BayVGH, B.v. 4.10.1982 – 19 AS 82 A.2049 – BayVBl 1983, 23).
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a) Es bestehen keine Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheids.
28
Dem Antragsteller wurde Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Vorwürfen des Dienstherrn gegeben (Art. 28 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes/BayVwVfG).
29
Der Personalrat musste mangels Antrags des Beamten nicht beteiligt werden (Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 3 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes/BayPVG).
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b) Auch die Entlassungsfrist von sechs Wochen zum Kalendervierteljahr wurde beachtet (Art. 56 Abs. 5 Satz 1 des Bayerischen Beamtengesetzes/BayBG). Das Gericht geht davon aus, dass die Zustellung zum … Februar 2024 erfolgt ist. Der wohl vorliegende Zustellmangel durch Zustellung per Fax gegen Empfangsbekenntnis an einen Rechtsschutzsekretär bzw. die DGB Rechtschutz GmbH ist jedenfalls geheilt worden. Art. 5 Abs. 4 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) eröffnet die Möglichkeit der Zustellung in elektronsicher Form oder auf andere Weise gegen Empfangsbekenntnis für einen bestimmten – in der Norm genannten – Personenkreis. Rechtsschutzsekretäre sowie die DGB Rechtschutz GmbH sind wohl nicht von der Norm des Art. 5 Abs. 4 VwZVG umfasst, da der Personenkreis aus Gründen der Rechtsklarheit abschließend zu verstehen ist (vgl. BT- Drs. 15/5216 S. 13 zur wortgleichen Bundesnorm: „Von einer unbestimmten Erweiterung des genannten Adressatenkreises auf andere Personen, bei denen aufgrund ihres Berufs von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann – wie es § 174 Abs. 1 ZPO vorsieht – wird für das Verwaltungsverfahren aus dem Gesichtspunkt der Rechtsklarheit abgesehen.“). Der wohl vorliegende Zustellmangel ist jedoch nach Art. 9 VwZVG geheilt worden. Der für die Heilung erforderliche Wille zur Entgegenahme des zuzustellenden Schriftstückes sowie der Zustellwille der Behörde lagen vor (vgl. BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, Stand: 1.10.2023, § 8 VwZG, Rn. 5, 10 f.). Die Antragstellerpartei hat durch die Rückübersendung des Empfangsbekenntnisses vom … Februar 2024 zum Ausdruck gebracht, dass sie den entsprechenden Willen zur Entgegennahme der Entlassungsverfügung besitzt und das an diesem Tag der Bescheid auch tatsächlich zugegangen ist. Auch der erforderliche Zustellwille des Antragsgegners ergibt sich aus dem Zuleitungsschreiben vom … Februar 2024 (Blatt 706 der Behördenakte), da die Entlassungsverfügung im Original per Empfangsbekenntnis übersandt wurde. Weiter bat der Antragsgegner darum, das Empfangsbekenntnis zurückzusenden, sodass daraus der eindeutige Wille hervorgeht, dass der Antragsgegner bereits mit Fax vom … Februar 2024 die Zustellung bewirkten wollte und nicht erst mit der späteren nochmaligen Übermittlung des Bescheides, sodass eine Heilung des Zustellmangels eintreten konnte.
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c) Auch materiell ist gegen den streitgegenständlichen Bescheid rechtlich nichts zu erinnern.
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aa) Die beamtenrechtliche Probezeit soll dem Beamten die Möglichkeit geben, während des gesamten Laufs der Probezeit seine Eignung und Befähigung zu beweisen. Die Entscheidung des Dienstherrn darüber, ob sich der Beamte bewährt hat, ist ein Akt wertender Erkenntnis seines für die Beurteilung zuständigen Organs. Dabei genügen bereits begründete ernstliche Zweifel des Dienstherrn, ob der Beamte die Eignung und Befähigung besitzt und die fachlichen Leistungen erbringt, die für die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit notwendig sind, um eine Bewährung zu verneinen. Diese Entscheidung ist gerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Begriff der mangelnden Bewährung und die gesetzlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums verkannt worden sind, ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde liegt und ob allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 18.7.2001 – 2 A 5/00 – ZBR 2002, 184, juris; BayVGH, B.v. 11.6.2017 – 3 CS 17.512 – juris Rn. 2; VG München, U.v. 24.9.2019 – M 5 K 18.3333 – juris Rn. 16).
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Eine Entlassung wegen mangelnder Bewährung ist sachlich bereits dann gerechtfertigt, wenn sich während der Probezeit Zweifel an der persönlichen oder fachlichen Eignung des Beamten ergeben (BVerwG, U.v. 29.9.1960 – II C 79.59 – BVerwGE 11, 139/140). Der Feststellung der Bewährung während der Probezeit kommt als Voraussetzung für die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit der Charakter einer Prognose im Hinblick darauf zu, dass der Beamte aufgrund der während der Probezeit erbrachten Leistungen, seines während der Probezeit gezeigten Verhaltens oder sonstiger während der Probezeit bekannt gewordener Umstände voraussichtlich auf Dauer den an einen Beamten seiner Laufbahn zu stellenden persönlichen und fachlichen Anforderungen gewachsen sein wird. Eine mangelnde Bewährung liegt also nicht erst dann vor, wenn endgültig die fehlende Eignung, Befähigung oder fachliche Leistung erwiesen ist, sondern schon dann, wenn begründete Zweifel bestehen, ob der Beamte den an ihn zu stellenden Anforderungen persönlich oder fachlich gewachsen sein wird (Baßlsperger in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: September 2023, § 23 BeamtStG Rn. 136 m.w.N.). Bei der Feststellung der Bewährung oder mangelnden Bewährung, die von den zahlreichen Anforderungen des konkreten Aufgabengebiets sowie von der Beurteilung der Persönlichkeit des Beamten abhängt, handelt es sich um einen Akt wertender Erkenntnis, um ein an den Anforderungen der konkreten Laufbahn auszurichtendes, persönlichkeitsbedingtes Werturteil.
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Zur persönlichen Eignung gehören die allgemeine geistige Veranlagung, charakterliche Eigenschaften, der Bildungsstand, die beruflichen Interessen und Neigungen, der Arbeitsstil, die Effizienz, die Belastbarkeit und das soziale Verhalten im Dienst gegenüber Kollegen, Kolleginnen und Bürgern, Bürgerinnen (v. Roetteken in: v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, Stand Juni 2020; § 23 BeamtStG, Rn. 575 m.w.N.).
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bb) Nach diesen Grundsätzen hat das Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei ohne Rechtsfehler die charakterliche Nichteignung des Antragstellers angenommen.
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Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei im Rahmen der Gesamtschau zur Begründung der Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers auf die Vielzahl an Verfehlungen des Antragstellers abstellt. Die Gesamtschau der in der Entlassungsverfügung aufgelisteten einzelnen Vorkommnisse und Verfehlungen rechtfertigen die Beurteilung, dass es dem Probebeamten an der charakterlichen Eignung fehlt.
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(1) Es ist rechtlich nichts dagegen zu erinnern, dass der Dienstherr zunächst (Nr. VI. 2.1 des Bescheids vom …2.2024) darauf abstellt, dass der Antragsteller schuldhaft gegen seine Pflicht zur Befolgung von Anordnungen und Weisungen (§ 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) sowie gegen die beamtenrechtliche Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) verstoßen hat. Ein Verstoß gegen seine Pflicht zur Befolgung von Anordnungen und Weisungen liegt darin, dass der Antragsteller sich über die bestehenden Quarantäneanordnungen hinweggesetzt hat, indem er seine Wohnung am … Februar 2022 verlassen hat. Auch durch das anschließende Übernachten auf dem Areal der Bereitschaftspolizei W. hat sich der Antragsteller über ein bestehendes Betretungsverbot hinweggesetzt. Die Ausführungen des Dienstherrn, dass ein Verstoß gegen bestehenden Quarantäneanordnungen schwer wiegt, ist schlüssig, da es auch Aufgabe der Polizei gewesen ist die Gesundheitsämter bei der Durchsetzung und Einhaltung der Infektionsschutzmaßnahmen zu unterstützen. Dieses Verhalten zeigt, dass sich der Beamte seiner Stellung und Vorbildfunktion nicht bewusst ist.
38
(2) Weiter ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das wiederholte gefährliche Verhalten des Antragstellers im Straßenverkehr, welches dieser trotz zweier Kritikgespräche fortsetzte und die Videos auf sozialen Medien veröffentlichte, durch den Dienstherrn als Verstoß gegen die beamtenrechtliche Pflicht zur achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten gewertet wurde. Der Antragsgegner führt nachvollziehbar aus, dass die Gewährleistung der Sicherheit im Straßenverkehr sowie die Durchführung von Verkehrskontrollen zu den Kernaufgaben eines Polizeivollzugsbeamten gehören und dass ein Beamter, der rechtswidriges (Verstoß gegen die Helmpflicht) und rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr an den Tag legt und die Videos davon veröffentlicht, das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Bayerischen Polizei gefährden kann, in dem er straßenverkehrsgefährdendes Verhalten verherrlicht und verharmlost.
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(3) Ebenfalls ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Dienstherr die wiederholten beleidigenden Äußerungen und unangebrachten und unkollegialen Verhaltensweisen gegenüber Kollegeninnen und Kollegen herangezogen hat, um auf die charakterliche Nichteinigung des Antragstellers zu schließen. Der Dienstherr konnte die verschiedensten Vorfälle berücksichtigen und den Schluss ziehen, dass das Verhalten des Antragstellers von fehlendem Pflichtbewusstsein, mangelndem Respekt und Ignoranz gegenüber Mitmenschen sowie Regelungen geprägt ist und somit von einer charakterlichen Nichteignung auszugehen ist.
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(4) Inwieweit die Äußerungen des Antragstellers in der Chatgruppe auch im Rahmen des Entlassungsverfahrens verwertbar sind, kann letztlich dahinstehen, da dies der Antragsgegner nur abschließend bzw. bestätigend für seine Einschätzung der charakterlichen Nichteignung angeführt hat (Nr. VI. 2.2.3 des Bescheids vom 16.2.2024). Die Prognose der charakterlichen Nichteignung ist auch ohne Berücksichtigung der Äußerungen in der Chatgruppe auf Grund der Vielzahl der anderen Vorfälle tragfähig und rechtlich nicht zu beanstanden (siehe oben).
41
cc) Eine Abmahnung des Antragstellers musste vor seiner Entlassung nicht erfolgen. Eine Abmahnung wird allenfalls dann für erforderlich erachtet (vgl. BVerfG, B.v. 15.12.1976 – 2 BvR 841/73 – juris), wenn die Mängel grundsätzlich behebbar erscheinen, z. B. bei Leistungsmängeln oder bei nicht „selbsterklärenden Pflichten“ (vgl. BayVGH, B.v. 27.8.2014 – 3 ZB 13.2214 – juris Rn. 31). Bei – wie hier – charakterlichen Eignungsmängeln ist mit einer Änderung nicht ernsthaft zu rechnen (vgl. zum Ganzen auch: BayVGH, B.v. 16.8.2017 – 3 CS 17.1342 – juris Rn. 20).
42
dd) Schließlich sind Ermessensfehler nicht ersichtlich. Steht für den Dienstherrn die fehlende Bewährung eines Probebeamten endgültig fest, kommt ihm kein weiteres Handlungsermessen zu. Nach der zwingenden Vorschrift des § 10 Satz 1 BeamtStG darf ein Beamter nur dann in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen werden, wenn er sich in der Probezeit bewährt hat. § 10 Satz 1 BeamtStG wirkt sich wie eine absolute Ermessensschranke aus, die bei endgültig feststehender mangelnder Bewährung nur die Entlassung als sachgerecht („ermessensgerecht“) erscheinen lässt. Das wird in Art. 12 Abs. 5 des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz/LlbG) wiederholt. Für eine Verlängerung der Probezeit bei einem Beamten, dessen fachliche Nichtbewährung endgültig feststeht – wie also bei dem Antragsteller –, ist daher kein Raum (Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Stand: September 2023, § 23 BeamtStG Rn. 160 m.w.N.).
43
3. Auch eine isolierte Interessenabwägung des öffentlichen Vollzugsmit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers ohne Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache fällt zu Ungunsten des Antragstellers aus. Angesichts der durch erhebliche Auffälligkeiten und Defizite zutage getretenen charakterlichen Nichteignung ist es dem Antragsgegner nicht zuzumuten, den Antragsteller bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens weiter zu beschäftigen. Dabei wiegt gerade das fortgesetzte und wiederholt unkollegiale Verhalten sowie die wiederholte Verletzung von Regeln des Straßenverkehrs besonders schwer. Dieser Umstand ist so wesentlich, dass das Interesse des Antragstellers an einer Fortsetzung seiner Tätigkeit während des Rechtsbehelfsverfahrens hinter dem öffentlichen Interesse an seiner sofortigen Entlassung zurücktreten muss.
44
4. Der Antragsteller hat nach § 154 Abs. 1 VwGO als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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5. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und 3, § 40 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Jahresbezüge des Antragstellers im Jahr 2024 hätten sich inklusive jährlicher Sonderzahlung in der Besoldungsgruppe A 5 von monatlich 2.538,69 EUR zuzüglich Polizeivollzugszulage in Höhe von 168,54 EUR sowie Strukturzulage von 23,25 EUR auf insgesamt 34.677,10 EUR summiert, hiervon ein Viertel (Halbierung der Summe, da nicht ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zur Prüfung steht, weitere Halbierung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes – Nr. 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit): Das ergibt den als Streitwert festzusetzenden Betrag von 8.669,28 EUR.