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VG München, Beschluss v. 16.05.2024 – M 15 S 24.31355
Titel:

Asylrecht, Herkunftsland: Bosnien und Herzegowina, Roma, Homosexualität, Folgeantrag, Keine Gruppenverfolgung, Abschiebungsverbote verneint

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
AsylG § 36
AsylG § 71
VwGO § 60
Schlagworte:
Asylrecht, Herkunftsland: Bosnien und Herzegowina, Roma, Homosexualität, Folgeantrag, Keine Gruppenverfolgung, Abschiebungsverbote verneint
Fundstelle:
BeckRS 2024, 37778

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin ist Staatsangehörige Bosnien-Herzegowinas, Zugehörige der Volksgruppe der Roma und muslimischen Glaubens. Ihr Asylerstantrag war mit Bescheid vom … … … abgelehnt worden. Am … … 2024 reiste sie von Italien wieder in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am … … 2024 Asylfolgeantrag. Zur Begründung trug sie schriftlich im Wesentlichen vor, dass sie keinen Schlafplatz habe und niemanden, der ihr helfen könne. Sie sei lesbisch und ihre Familie akzeptiere dies nicht. Die Eltern seien zudem Alkoholiker. Sie wolle sich hier in Deutschland eine Zukunft aufbauen.
2
In der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am … … 2024 führte sie im Wesentlichen aus, dass sie in Italien in einem Roma Camp gelebt habe. In Bosnien habe sie nie gelebt. Sie habe in Deutschland die Mittelschule besucht und ein Praktikum gemacht. Sie sei homosexuell und brauche Unterstützung. Als ihre Eltern von ihrer Freundin in L... erfahren hätten, habe ihr Vater sie geschlagen. Sie habe einen Mann heiraten sollen, weil man das mit 16 Jahren bei ihnen mache. Ihr Vater habe gedroht, dass er sie umbringe, wenn sie weiterhin homosexuell sei. Sie sei eine Schande für die Familie. Die Antragstellerin habe ihre Homosexualität nicht zeigen dürfen und als sie eines Abends nach Hause gekommen sei, nachdem sie mit ihrer Freundin unterwegs gewesen sei, habe ihr Vater sie geschlagen. Sie habe die Polizei angerufen und sei für drei bis vier Wochen nach B... ins Kinderheim gekommen. Ihre Mutter habe ihr versprochen, dass es nicht wieder geschehe, ihr Vater habe ihr aber am Handy gesagt, dass sie sehen würde, was passiere, wenn sie zurückkomme. Sie sei dann nach Italien abgehauen und sei abwechselnd bei ihren Geschwistern gewesen. In Bosnien würde ihr eine Zwangsheirat oder der Tod drohen, vielleicht nicht seitens ihrer Eltern, aber von anderen Roma. Dort könne sie nicht zeigen, dass sie homosexuell sei.
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Mit Bescheid vom … … 2024, zugestellt am … … 2024, lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1) und lehnte auch den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom … … … bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) ab (Nr. 2). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 24 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 3).
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Der Antrag sei unzulässig, da die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorlägen. Die Antragstellerin stamme aus Bosnien und Herzegowina als einem sicheren Herkunftsstaat. Insoweit werde vermutet, dass der Ausländer nicht verfolgt werde, solange er keine Tatsachen vortrage, die die Annahme begründeten, dass er entgegen dieser Vermutung verfolgt werde. Roma hätten weder mit Einzel- noch mit Gruppenverfolgung aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit zu rechnen. Die staatlichen Behörden und internationalen Organisationen hätten einige Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der Roma ergriffen. Roma seien zwar gelegentlichen verbalen und körperlichen Übergriffen durch Dritte ausgesetzt, diese erreichten jedoch kein solches Ausmaß, dass jeder Volkszugehörige der Roma befürchten müsse, selbst Opfer eines solchen Übergriffs zu werden. Wenngleich die staatlichen Bemühungen zur Prävention bzw. Ermittlung und Strafverfolgung bei Angriffen Dritter zum Teil als unzureichend beurteilt würden, lägen keine Erkenntnisse vor, dass der Staat nicht willens oder in der Lage wäre, Schutz zu bieten. Soweit die Antragstellerin vortrage, dass sie homosexuell sei, sei dieses Vorbringen nicht flüchtlingsschutzrelevant. Minderheitenangehörige oder andere Personengruppen unterlägen grundsätzlich keiner nichtstaatlichen Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 i.V.m. § 3c Nr. 3 AsylG. Einzelfälle von Übergriffen auf z.B. Homosexuelle würden immer wieder bekannt, es lägen jedoch keine Erkenntnisse vor, dass der Staat Übergriffen Vorschub leiste. Im Allgemeinen sei davon auszugehen, dass die Sicherheitskräfte willens und in der Lage seien, auch Verfolgungsmaßnahmen von Dritten wirksam zu unterbinden. Einen lückenlosen Schutz vor möglicher Gewaltanwendung durch Dritte vermöge letztlich kein Staatswesen zu gewährleisten. Auch hinsichtlich der vorgetragenen befürchteten Bedrohung durch häusliche Gewalt seitens des Vaters im Falle einer Rückkehr oder hinsichtlich der ausgesprochenen angeblich drohenden Zwangsehe müsse sich die Antragstellerin auf die vorhandenen staatlichen Schutzmöglichkeiten verweisen lassen. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG seien ebenfalls nicht gegeben. Es werde nicht verkannt, dass es im Falle der Rückkehr zu Problemen hinsichtlich der Wiedereingliederung in das normale Leben kommen und in Einzelfällen auch schwierig sein könne, das Existenzminimum zu sichern. Im Allgemeinen lägen aber keine existenziellen Gefährdungen vor, die nach ihrer Intensität und Schwere einer relevanten Rechtsgutbeeinträchtigung gleichkämen. Zwar litten insbesondere Roma unter großen sozialen Problemen und Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt sei weit verbreitet, die staatlichen Behörden und internationalen Organisation hätten jedoch einige Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der Roma ergriffen. Es lägen auch keine Erkenntnisse vor, dass alleinstehende Frauen grundsätzlich einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt seien. Insgesamt sei zwar ein niedriger Lebensstandard zu sehen, dies treffe aber große Teile der Bevölkerung gleichermaßen. Darüber hinaus gebe es zahlreiche NGOs und andere Organisation, die sich um Belange von Frauen kümmerten. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände der Antragstellerin sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich.
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Hiergegen erhob die Antragstellerin am … … 2024 beim Bayerischen Verwaltungsgericht … Klage (...) und beantragte gleichzeitig,
der Antragsgegnerin aufzugeben, die Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 Asylgesetz (AsylG) einstweilen zurückzunehmen und der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass ein Asylfolgeverfahren durchgeführt wird, hilfsweise, dass das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG geprüft wird, hilfsweise, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
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Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines Asylfolgeverfahren vorlägen, da die Gründe, aus denen sie jetzt einen Asylantrag gestellt habe, im ersten Asylverfahren noch nicht vorgelegen hätten. Zum einen sei sie sich ihrer Homosexualität damals noch nicht bewusst gewesen. Die häusliche Gewalt, die ihr durch ihren Vater widerfahre, werde durch ihr Comingout deutlich verschlimmert. Ihr Vater wolle, dass sie einen Mann heirate und für ihre Familie sei es normal, im Alter von ungefähr 16 Jahren zu heiraten. In Bosnien würde ihr die Zwangsheirat drohen. Das Bundesamt berücksichtige nicht, dass sich die verschiedenen Gründe, aus denen sie Diskriminierung erfahre, gegenseitig verstärkten. Roma erführen in Bosnien systematische Diskriminierung in allen Lebensbereichen. Es gebe keine Möglichkeit, in die Schule zu gehen und eine Ausbildung zu machen oder Arbeit zu finden. Roma hätten keinen Zugang zu Sozialleistungen und nur sehr eingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung. Die Polizei und der Staat würden ihnen keinen Schutz bieten. Als lesbische Frau habe sie außerdem keine Möglichkeit, innerhalb der Volksgruppe der Roma zu überleben, da sie in ihrer Familie extreme Diskriminierung und Gewalt erfahre. Die einzige Möglichkeit, die sie hätte, wäre eine erzwungene Heirat mit einem Mann in Kauf zu nehmen, was sie als lesbische Frau aber nicht könne und wolle. Außerdem stelle sie für ihre in ganz Bosnien verbreitete Familie eine Schande dar. Ihr Vater sei nach Bosnien zurückgekehrt und habe ihr bereits angedroht, dass er sie umbringen würde oder veranlassen würde, dass sie ein Verwandter töte.
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Die Antragsgegnerin stellte bisher keinen Antrag.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren ... sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
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I. Der Antrag nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist insoweit zulässig, als die Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids in der Hauptsache mit einer Verpflichtungsklage anzugreifen ist, so dass auch der Eilrechtsschutz nach § 123 VwGO statthaft ist (vgl. VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375 – juris Rn. 17 f.; B.v. 14.12.2017 – M 2 E 17.49490; VG Dresden, B.v. 11.9.2017 – 13 L 1004/17.A – juris). Der Antrag ist jedoch unbegründet:
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1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Der zu sichernde Anspruch (Anordnungsanspruch) und dessen Gefährdung (Anordnungsgrund) sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen.
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2. Unabhängig vom Bestehen eines Anordnungsgrundes hat die Antragstellerin jedenfalls keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Das Gericht nimmt insoweit vollumfänglich auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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Ergänzend wird zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 AufenthG Folgendes ausgeführt:
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Das Gericht verkennt nicht, dass die Lebensbedingungen aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage in Bosnien und Herzegowina insbesondere für Roma schwierig sind. Die Grundversorgung ist jedoch sichergestellt und es besteht grundsätzlich die Möglichkeit der Sozialhilfe. Insbesondere lässt sich aus der schlechten wirtschaftlichen Lage nicht ohne Weiteres für jeden Asylantragsteller eine extreme existenzielle Gefahrenlage ableiten. Der Staat und NGOs sind sich der schlechten Lage der Roma bewusst und durch den Druck von EU und OSZE befassen sich die Behörden aller Ebenen mit Problemen, die Roma betreffen: Arbeitslosigkeit, Bildung, Lebensumstände, Krankenversicherung etc. Aus dem Staatsbudget werden jährlich Beträge für die Verwirklichung von Aktionsplänen zugunsten der Roma-Bevölkerung in Bosnien und Herzegowina bereitgestellt. Bosnien und Herzegowina hat sich verpflichtet, mit der Erstellung von neuen Aktionsplänen für den Zeitraum 2021 bis 2025 größere Anstrengungen und Mittel in die Lösung der genannten Probleme zu investieren (vgl. z.B. VG München, B.v. 19.12.2023 – M 15 S 23.32594 – UA Rn. 15; VG Aachen, B.v. 27.1.2022 – 1 L 29/22.A – juris Rn. 19 ff. m.w.N.).
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Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände der Antragstellerin ist davon auszugehen, dass diese bei einer Rückkehr selbst ohne die Unterstützung des Familienverbands in der Lage sein wird, ihre elementaren Bedürfnisse zu befriedigen. Die Antragstellerin ist jung, gesund und arbeitsfähig und kann als bosnische Staatsangehörige ergänzend gegebenenfalls Sozialleistungen und andere Hilfen sowie Leistungen aus Rückkehr- und Reintegrationsprogrammen in Anspruch nehmen (vgl. a. VG Aachen, B.v. 27.1.2022 – 1 L 29/22.A – juris Rn. 23). Diese werden unabhängig von der sexuellen Orientierung des Bedürftigen geleistet.
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II. Im Hinblick auf die Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids, die in der Hauptsache mit einer Anfechtungsklage anzugreifen wäre (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris Rn. 15 ff.), ist allein der Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO, also die Anordnung der kraft Gesetzes (vgl. § 75 Abs. 1 AsylG) ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung der Klage, statthaft (vgl. a. ausführlich dazu VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375 – juris Rn. 11 ff.). Dieser – hier hilfsweise gestellte – Antrag ist jedoch ebenfalls unbegründet. Denn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen hier nicht (vgl. Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 i.V.m. § 71 und § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG):
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1. Stellt ein Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag, so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG erfüllt sind (§ 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Der vorliegende Eilantrag könnte deshalb nur dann Erfolg haben, wenn die Antragstellerin glaubhaft gemacht hätte, dass die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Verfahrens, das zur Anerkennung als Asylberechtigte oder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzes führen wird, überwiegend wahrscheinlich gegeben sind. Dabei legt das Gericht den eingeschränkten Prüfungsmaßstab zu Grunde, der im Fall einer nach § 71 Abs. 4 i.V.m. §§ 34 ff. AsylG grundsätzlich zu erlassenden, hier aber wegen § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG nicht erforderlichen neuen Abschiebungsandrohung anzuwenden wäre. Gemäß § 71 Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Abschiebung nur bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme ausgesetzt werden. Ernstliche Zweifel liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166, 194). Dabei bleiben Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (§ 71 Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG).
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2. Derartige ernstliche Zweifel bestehen hier nicht. Die Antragsgegnerin hat zu Recht die erneute Durchführung eines Asylverfahrens abgelehnt, da die Antragstellerin die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens i.S.v. § 71 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht glaubhaft machen konnte.
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Auch insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den angegriffenen Bescheid sowie auf die obigen Ausführungen verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend auf Folgendes hingewiesen:
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2.1 Als Angehörige der Volksgruppe der Roma unterliegt die Antragstellerin in Bosnien und Herzegowina, einem sicheren Herkunftsstaat (vgl. § 29a, Anlage II AsylG), keiner Gruppenverfolgung durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure. Trotz immer noch vorkommender staatlicher Diskriminierungen erreichen diese nicht die erforderliche Verfolgungsdichte, die ausreichen würde, um eine Gruppenverfolgung der Roma als zahlenmäßig stärkste Minderheit in Bosnien und Herzegowina annehmen zu können. Ebenso verhält es sich mit etwaigen ethnisch motivierten Übergriffen nichtstaatlicher Akteure auf Angehörige der Volksgruppe der Roma (vgl. z.B. VG München, B.v. 19.12.2023 – M 15 S 23.32594 – UA Rn. 15; VG Aachen, B.v. 27.1.2022 – 1 L 29/22.A – juris Rn. 13 ff. m.w.N.).
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2.2 Auch aufgrund der geltend gemachten Homosexualität hat die Antragstellerin in Bosnien und Herzegowina keine Verfolgungsmaßnahmen im Sinne von § 3 AsylG oder einen ernsthaften Schaden im Sinne von § 4 AsylG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten. Homosexuelle Handlungen sind in Bosnien und Herzegowina nicht strafbar (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Länderinformation der Staatendokumentation: Bosnien und Herzegowina v. 11.8.2022, S. 36). Auch wenn es in diesem Land wiederholt zu Hassreden, Diskriminierung und zum Teil auch Gewalt gegen LGBTI-Personen kommt (vgl. BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Bosnien und Herzegowina v. 11.8.2022, S. 35), sind Betroffene von staatlicher Seite nicht schutzlos gestellt. Von einer Unwilligkeit oder Unfähigkeit der bosnischen Behörden, ihre Staatsangehörigen vor strafbaren Handlungen zu schützen, ist nach der aktuellen Auskunftslage nicht auszugehen. Sollten die offiziellen Stellen nicht tätig werden, stünden zudem halb- bis nichtstaatliche Organisationen mit Rechtsbeistand zur Verfügung (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Länderinformation der Staatendokumentation: Bosnien und Herzegowina v. 11.8.2022, S. 11). Es kann daher nicht angenommen werden, dass Homosexuellen eine landesweite Gruppenverfolgung oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. a. VG Regensburg, U.v. 7.1.2015 – RO 6 K 14.30810 – juris Rn. 17 ff.).
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Das Gericht verkennt nicht, dass die Antragstellerin aufgrund der gleichzeitigen Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma und ihrer Homosexualität in einer besonders schwierigen Lage ist. Dies ändert aber nichts daran, dass die für § 3 AsylG erforderliche Verfolgungsintensität bzw. die für § 4 AsylG erforderliche konkrete Gefahr eines ernsthaften Schadens in Bosnien und Herzegowina als einem sicheren Herkunftsstaat nicht anzunehmen ist. Soweit die Antragstellerin insoweit insbesondere drohende Übergriffe bzw. eine Zwangsverheiratung seitens ihrer Familie oder anderer Personen geltend macht, ist sie ebenfalls auf die Sicherheitsbehörden in Bosnien und Herzegowina zu verweisen. Zudem hätte die volljährige Antragstellerin bei einer Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina auch die Möglichkeit, sich in einem anderen Landesteil niederzulassen, ohne ihre Verwandten hiervon zu informieren. Eine Übersiedelung in andere Teile des Landes unterliegt keinen rechtlichen Einschränkungen (vgl. Bericht des Auswärtigen Amts im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG vom 25.7.2023, S. 14). Die Antragstellerin kann jedenfalls durch Verlegung ihres Wohnsitzes in urbane Zentren in Bosnien und Herzegowina, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist, eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwenden. Insoweit besteht eine inländische Fluchtalternative nach § 3e AsylG (i.V.m. § 4 Abs. 3 AsylG).
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Der (gerichtskostenfreie, § 83b AsylG) Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.