Inhalt

VG München, Beschluss v. 12.06.2024 – M 5 E 24.1464
Titel:

Amtsärztliche Untersuchung, Formelle und inhaltliche Anforderungen an die Untersuchungsanordnung, Keine Angabe zu Art und Umfang der Untersuchung, Bestimmtheit (abgelehnt)

Normenketten:
VwGO § 123 Abs. 1
BayBG Art. 65 Abs. 2
Schlagworte:
Amtsärztliche Untersuchung, Formelle und inhaltliche Anforderungen an die Untersuchungsanordnung, Keine Angabe zu Art und Umfang der Untersuchung, Bestimmtheit (abgelehnt)
Fundstelle:
BeckRS 2024, 37772

Tenor

I. Die Antragstellerin wird vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss eines (noch durchzuführenden) Hauptsacheverfahrens von der Verpflichtung zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung aufgrund der Untersuchungsanordnung des Antragsgegners vom *. Februar 2024 freigestellt.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die 1960 geborene Antragstellerin steht als Lehrerin und zweite Realschulkonrektorin (A 14) an der Staatlichen Realschule A. in den Diensten des Antragsgegners. Sie ist seit … August 2023 dienstunfähig erkrankt.
2
Mit Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom … September 2023 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass er wegen der krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit überprüfen müsse, bis wann die Antragstellerin voraussichtlich ihren Dienst wieder aufnehmen könne. Er habe das zuständige Gesundheitsamt beauftragt, die Antragstellerin zu untersuchen. Das Gesundheitsamt des Landratsamts Y. teilte der Antragstellerin einen Untersuchungstermin für den *. Februar 2024 mit. Die Antragstellerin hat diesen Termin wahrgenommen. Ein Gutachten ist durch das Landratsamt Y. nicht erstellt worden.
3
Mit Schreiben vom *. Februar 2024 beauftragte der Antragsgegner die Medizinischen Untersuchungsstelle der Regierung von Oberbayern (im Folgenden: MUS) die Antragstellerin zu untersuchen.
4
In einem gesonderten Schreiben (ohne Datum, laut Behördenakte am *.2.2024 verfügt) teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass die MUS beauftragt worden sei, eine weitere Untersuchung vorzunehmen. Diesem Schreiben war ein Abdruck des Untersuchungsauftrages vom 6. Februar 2024 des Antragsgegners an die MUS beigefügt. Das Schreiben hat folgenden Inhalt:
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„Zur Überprüfung Ihrer Dienstfähigkeit ist eine weitere amtsärztliche Untersuchung notwendig. Wir haben daher die für Sie zuständige medizinische Untersuchungsstelle beauftragt, Sie zu untersuchen. Von dort werden Sie eine Einladung zu einer Untersuchung erhalten. Wir bitten Sie, sich zur Untersuchung einzufinden. Die Medizinische Untersuchungsstelle wird uns die Untersuchungsbefunde, soweit sie für eine von uns zu treffende Entscheidung erforderlich sind, mitteilen (Art. 67 des Bayer. Beamtengesetzes). Von diesem Untersuchungsergebnis werden Sie eine Ablichtung erhalten. Unser Untersuchungsauftrag vom 15.9.2023 (…) beim Gesundheitsamt Y bleibt weiterhin bestehen.“
6
Die MUS teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom … Februar 2024 mit, dass die Gutachtenanfertigung nur nach Aktenlage erfolge und forderte diese auf, übersandte Formulare (Beurteilungsgrundlage, Fragebogen) sowie Befundberichte behandelnder Ärzte und Abschlussberichte von Krankenhausaufenthalten und schriftliche Befunde technischer Untersuchungen bis … März 2024 zu übersenden. Dem kam die Antragstellerin nicht nach.
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Nachdem der Antragsgegner auf Einwendung des Antragstellerbevollmächtigten mit Schreiben vom … März 2024 hin die streitgegenständliche Untersuchungsanordnung nicht zurückgenommen hatte, hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 21. März 2024 den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
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Ein Anordnungsanspruch sei gegeben. Die in der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an Art und Umfang der Untersuchungsanordnung seien nicht eingehalten. Die Anordnung enthalte keinerlei Ausführungen zu Art und Umfang der beabsichtigten Untersuchung, sodass die Antragstellerin diese nicht nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes überprüfen könne. Auch ein Anordnungsgrund liege vor. Die Untersuchung nach Aktenlage stelle ein Surrogat zur körperlichen Untersuchung dar, sodass für die Gutachtenerstellung nach Aktenlage dieselben Grundsätze wie bei der Anordnung einer körperlichen Untersuchung heranzuziehen seien. Der Fristablauf für die Übersendung der geforderten Befunde stehe unmittelbar bevor.
9
Die Antragstellerpartei hat beantragt,
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Die Antragstellerin wird vorläufig von der Verpflichtung zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung aufgrund der Untersuchungsanordnung des Antragsgegners vom *. Februar 2024 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens über die Feststellung der Verpflichtung der Antragstellerin, die Untersuchungsanordnung zu befolgen, freigestellt.
11
Der Antragsgegner hat beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
13
Die Untersuchungsanordnung sei rechtmäßig. Nähere Informationen zum Gesundheitszustand der Antragstellerin seien nicht bekannt, weshalb in der Untersuchungsanordnung nähere Angaben zur Art und zum Umfang der ärztlichen Untersuchung nicht möglich seien. Der Dienstherr dürfe sich bei Fehlen näherer Erkenntnisse von der Art der Erkrankung auf die Anordnung einer orientierenden allgemeinen amtsärztlichen Untersuchung beschränken.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
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Der Antrag ist zulässig und begründet.
16
1. Der Antrag ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft, weil es sich bei der Anordnung gegenüber einem Beamten, sich gemäß Art. 65 Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) zur Klärung der Dienstfähigkeit ärztlich untersuchen und, falls ein Amtsarzt dies für erforderlich hält, beobachten zu lassen, mangels unmittelbarer Rechtswirkung nach außen nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG), sondern um eine gemischt dienstlich-persönliche Weisung handelt. Die Gewährung vorläufigen Rechtschutzes richtet sich daher nach § 123 VwGO (vgl. BayVGH, B.v. 22.9.2015 – 3 CE 15.1042 – juris Rn. 22).
17
Wegen des Gedankens des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes/GG) ist die Untersuchungsanordnung auch selbständig überprüfbar (so BVerfG, B.v. 14.1.2022 – 2 BvR 1528/21 – NVwZ 2022, 401, juris Rn. 17 ff.; nun auch BayVGH, B.v. 24.3.2022 – 6 CE 21.2753 – IÖD 2022, 152, juris Rn. 10; anders noch BVerwG, B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5/18 – BVerwGE 165, 65, juris Rn. 18 f.). Denn § 44a VwGO ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass die Vorschrift der Zulässigkeit einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Untersuchungsanordnung nicht entgegensteht, weil die angeordnete ärztliche Untersuchung zu Verletzungen materieller Rechtspositionen führen könnte, die nicht mit den durch die abschließende Sachentscheidung berührten materiellen Rechtspositionen identisch sind und die im Rechtsschutzverfahren gegen eine Zurruhesetzungsverfügung nicht vollständig beseitigt werden könnten (BVerfG, B.v. 14.1.2022 – 2 BvR 1528/21 – NVwZ 2022, 401, juris Rn. 24).
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2. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, das heißt ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, das heißt die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Die Antragstellerin hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
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3. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
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Dem steht nicht entgegen, dass die mit Schreiben vom … Februar 2024 gesetzte Frist zur Übermittlung übersandter Formulare (Beurteilungsgrundlage und Fragebogen) und von Befundberichten der behandelnden Ärzte, Abschlussberichten von Krankenhausaufenthalten und Befunden technischer Untersuchungen bis zum … März 2024 bereits verstrichen ist. Denn die Untersuchungsanordnung und die dadurch eingetretene grundsätzliche Befolgungspflicht zulasten der Antragstellerin bestehen unabhängig von der isoliert ausgesprochenen Frist fort (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2013 – 3 CE 11.2345 – juris Rn. 18 – zur Weisung, sich einer stationären Behandlung zu unterziehen). Nur die isolierte Fristbestimmung ist durch Zeitablauf verstrichen. Dem Antragsgegner ist es nicht verwehrt, unter Verweis auf die Mitwirkungspflicht auf Grund der dienstrechtlichen Treuepflichten auf Übermittlung der angeforderten Unterlagen auch nach Fristablauf zu bestehen. Auch kann der Antragsgegner bzw. die MUS aufgrund der streitgegenständlichen Untersuchungsanordnung jederzeit einen Untersuchungstermin ansetzen.
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4. Die Antragstellerin hat zudem einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die streitgegenständliche Untersuchungsanordnung erweist sich bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung als rechtswidrig, sodass die Antragstellerin von der Verpflichtung zu ihrer Befolgung freizustellen war.
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a) Ein Beamter hat nach Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG die Dienstpflicht, sich ärztlich untersuchen zu lassen, wenn Zweifel hinsichtlich seiner Dienstunfähigkeit bestehen (vgl. BVerwG, B.v. 28.5.1984 – 2 B 205.82 – Buchholz 237.5 § 51 LBG Hessen Nr. 1, juris Rn. 3). Diese Zweifel des Dienstherrn an der Dienstunfähigkeit des Beamten müssen sich auf konkrete Umstände stützen, die eine derartige Untersuchung rechtfertigen und dürfen nicht „aus der Luft gegriffen“ sein (BayVGH, B.v. 14.1.2014 – 6 CE 13.2352 – juris Rn. 10; VG München, B.v. 31.7.2018 – M 5 E 18.2781 – juris Rn. 23). Die Anordnung muss sich folglich auf solche Umstände beziehen, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, der betroffene Beamte sei dienstunfähig oder jedenfalls nur begrenzt dienstfähig (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 17/10 – ZBR 2013, 128, juris Rn. 19).
23
Die Anordnung einer ärztlichen Untersuchung gemäß Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG muss nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit inhaltlichen und formellen Anforderungen genügen (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C-17/10 – ZBR 2013, 128, juris Rn. 20; U.v. 30.5.2013 – 2 C-68/11 – BVerwGE 146, 347, juris Rn. 18 ff.; B.v. 10.4.2014 – 2 B 80/13 – NVwZ 2014, 892, juris Rn. 8). Sie hat zur Voraussetzung, dass aufgrund hinreichend gewichtiger tatsächlicher Umstände zweifelhaft ist, ob der Beamte wegen seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, die Dienstpflichten seines abstrakt-funktionellen Amtes zu erfüllen (BVerwG, U.v. 30.5.2013 – 2 C 68/11 – BVerwGE 146, 347, juris Rn. 19). Die Behörde muss die tatsächlichen Umstände, auf die sie die Zweifel an der Dienstfähigkeit stützt, sowie Art und Umfang der beabsichtigten Untersuchungsmaßnahmen in der Anordnung angeben (BVerwG, U.v. 30.5.2013 – 2 C 68/11 – BVerwGE 146, 347, juris Rn. 20; U.v. 26.4.2012 – 2 C 17/10 – ZBR 2013, 128, juris Rn. 19). Der Beamte muss anhand der darin gegebenen Begründung entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das in der Anordnung Verlautbarte die Zweifel an seiner Dienstfähigkeit zu rechtfertigen vermag (BVerwG, U.v. 23.10.1980 – 2 A 4.78 – ZBR 1981, 220, juris Rn. 27; U.v. 26.4.2012 – 2 C 17/10 – ZBR 2013, 128, juris Rn. 19 ff.; B.v. 10.4.2014 – 2 B 80/13 – NVwZ 2014, 892, juris Rn. 10). Gleichermaßen muss es für den Beamten überprüfbar sein, ob die beabsichtigten Untersuchungsmaßnahmen verhältnismäßig sind, so dass diese nicht frei dem Amtsarzt überlassen werden dürfen. Dementsprechend muss sich der Dienstherr bereits im Vorfeld des Erlasses einer Untersuchungsanordnung nach entsprechender sachkundiger ärztlicher Beratung zumindest in den Grundzügen darüber klarwerden, in welcher Hinsicht Zweifel am körperlichen Zustand oder der Gesundheit des Beamten bestehen und welche ärztlichen Untersuchungen zur endgültigen Klärung geboten sind (BVerwG, U.v. 30.5.2013 – 2 C 68.11 – NVwZ 2013, 1619/1621, juris Rn. 23). Entspricht die Anordnung nicht diesen Anforderungen, können Mängel nicht nachträglich durch Nachschieben von Gründen geheilt werden (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 17/10 – ZBR 2013, 128, juris Rn. 21).
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Im Einzelfall kann die Anordnung einer (amts-) ärztlichen Untersuchung allerdings ohne nähere Angaben zu den gesundheitsbedingten Zweifeln an der Dienstfähigkeit des Beamten sowie zu Art und Umfang der Untersuchung rechtmäßig sein, wenn der Dienstherr nach den ihm vorliegenden Erkenntnissen überhaupt nicht dazu in der Lage ist, die wegen einer länger andauernden Dienstunfähigkeit des Beamten entstandenen Zweifel an dessen Dienstfähigkeit näher zu konkretisieren und auf dieser Grundlage wiederum Art und Umfang der (amts-) ärztlichen Untersuchung in ihren Grundzügen vorzubestimmen, weil der betreffende Beamte trotz vorhergehender Aufforderung der erforderlichen Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung nicht bzw. zumindest nicht in hinreichendem Maße nachgekommen ist (BayVGH, B.v. 18.2.2016 – 3 CE 15.2768 – juris Rn. 28; VG München, B.v. 11.8.2017 – M 5 E 17.2578 – juris Rn. 34 ff.; OVG NW, B.v. 12.12.2017 – 1 B 1470/17 – NVwZ-RR 2018, 57, juris Rn. 20 ff.). Eine solche Mitwirkungspflicht folgt aus der dienstlichen Treuepflicht des Beamten. So kann es im Rahmen der allgemeinen Gehorsamspflicht gerechtfertigt und dem Beamten zuzumuten sein, an der für die Durchführung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebes erforderlichen Klärung seines Gesundheitszustandes mitzuwirken (BVerwG, U.v. 23.10.1980 – 2 A 4.78 – DVBl 1981, 50, juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 18.2.2016 – 3 CE 15.2768 – juris Rn. 28). Eine Dienstpflicht des Beamten zu konkreter Gesundheitsauskunft besteht jedoch wohl nicht (BVerwG, B.v. 16.5.2018 – 2 VR 3.18 – Buchholz 232.0 § 44 BBG 2009 Nr. 13, juris Rn. 7; OVG Berlin-Bbg, B.v. 28.12.2016 – OVG 10 S 35.16 – NVwZ-RR 2017, 300, juris Rn. 4). Unter diesen Umständen kann auch die Anordnung einer allgemeinen amtsärztlichen Untersuchung den formellen Anforderungen genügen (VG München, B.v. 11.8.2017 – M 5 E 17.2578 – juris Rn. 34 ff.; OVG NW, B.v. 12.12.2017 – 1 B 1470/17 – juris Rn. 20 ff.; BVerwG, B.v. 16.5.2018 – 2 VR 3.18 – Buchholz 232.0 § 44 BBG 2009 Nr. 13, juris Rn. 7).
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b) Die streitgegenständliche Untersuchungsanordnung vom … Februar 2024 genügt den vorstehenden Anforderungen nicht. Denn die Untersuchungsanordnung lässt Art und Umfang der Untersuchung auch nicht in Grundzügen erkennen.
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aa) Der Anlass der Untersuchung ist der Anordnung vom *. Februar 2024 wohl noch hinreichend zu entnehmen. Denn in dem Untersuchungsauftrag an die MUS, welcher der Untersuchungsanordnung beigefügt war, sind tatsächliche Umstände benannt, die die Zweifel an der Dienstfähigkeit begründen, damit der Beamte prüfen kann, ob diese Umstände Zweifel an der Dienstfähigkeit zu rechtfertigen vermögen (BVerwG, U.v. 23.10.1980 – 2 A 4.78 – ZBR 1981, 220, juris Rn. 27; U.v. 26.4.2012 – 2 C 17/10 – ZBR 2013, 128, juris Rn. 19 ff.; B.v. 10.4.2014 – 2 B 80/13 – NVwZ 2014, 892, juris Rn. 10). Diese sind wohl noch ausreichend angegeben, indem auf die bestehende Erkrankung seit 28. August 2023 hingewiesen wird. Der Antragsgegner trägt mit der Untersuchungsanordnung dem Umstand Rechnung, dass die Antragstellerin seit 28. August 2023 dienstunfähig erkrankt ist. Eine mehr als fünfmonatige Krankschreibung rechtfertigt es, eine amtsärztliche Untersuchung anzuordnen, da letztlich nur der Amtsarzt beurteilen kann, ob die Antragstellerin den Anforderungen des Amts im abstrakt-funktionellem Sinn gewachsen ist. Denn dieser kennt im Gegensatz zum Privatarzt die Anforderungen an das konkrete Amt und kann damit beurteilen, ob die Antragstellerin dienstfähig ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.2.2015 – 3 CE 15.172 – juris Rn. 19).
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bb) Jedenfalls aber genügen die Ausführungen in der Untersuchungsanordnung nicht dem weiteren Erfordernis, dem Arzt Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung näher eingrenzend vorzugeben. Die Untersuchungsanordnung vom *. Februar 2024 ist zu unbestimmt, da sie keinerlei Ausführungen zu Art und Umfang der Untersuchung enthält. Aus der Untersuchungsanordnung geht nicht hervor, welche Art der ärztlichen Untersuchung angeordnet worden ist, noch von welchem Arzt diese Untersuchung vorgenommen werden soll. Dementsprechend stellt die Anordnung es ins Ermessen der MUS, welche Untersuchungen im Einzelnen durch Ärzte welcher Fachrichtung durchgeführt werden sollen. Dass der MUS „freie Hand“ gegeben werden sollte, zeigt, dass im Untersuchungsauftrag an die MUS vom *. Februar 2024 im Fragenkatalog auf „Stellungnahmen anderer Ärzte“ verwiesen wird, die zur Begutachtung herangezogen werden können. Damit sind nicht einmal psychiatrische fachärztliche Untersuchungen ausgeschlossen, denen eine besondere Eingriffsqualität zukommt (vgl. OVG NW, B.v. 12.12.2017 – 1 B 1470/17 – NVwZ-RR 2018, 57, juris Rn. 29 ff.).
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Der Untersuchungsanordnung kann nicht entnommen werden, dass sich der Dienstherr bereits im Vorfeld des Erlasses der Untersuchungsanordnung nach entsprechender sachkundiger ärztlicher Beratung zumindest in Grundzügen darüber klargeworden ist, in welcher Hinsicht Zweifel am körperlichen Zustand oder der Gesundheit der Antragstellerin bestehen und welche ärztlichen Untersuchungen zur endgültigen Klärung geboten sind (BVerwG, U.v. 30.5.2013 – 2 C 68.11 – NVwZ 2013, 1619/1621, juris Rn. 23). Die Erkenntnisse, die der Dienstherr in einem solchen Prozess gewonnen hat, hat er dem betroffenen Beamten in nachvollziehbarer Weise in der Untersuchungsanordnung darzulegen (vgl. BayVGH, B.v. 18.2.2016 – 3 CE 15.2768 – juris Rn. 23; B.v. 28.3.2022 – 3 CE 22.508 – BayVBl 2022, 453, juris Rn. 23). Denn nur dadurch wird der Beamte in die Lage versetzt, sich für oder gegen die Durchführung der angeordneten Untersuchung zu entscheiden. Da dies vorliegend nicht erfolgt ist, war für die Antragstellerin die voraussichtliche Reichweite des zu erwartenden Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) und in das allgemeine Persönlichkeitsrecht Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) auch nicht „in den Grundzügen“ überschaubar.
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Es liegt auch kein Einzelfall vor, der es rechtfertigen würde, von den Angaben von Art und Umfang der Untersuchung abzusehen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass in Einzelfällen eine Untersuchungsanordnung auch ohne nähere Angaben zu den gesundheitsbedingten Zweifeln an der Dienstfähigkeit des Beamten sowie zu Art und Umfang der Untersuchung rechtmäßig sein kann, wenn der Dienstherr nach den ihm vorliegenden Erkenntnissen überhaupt nicht dazu in der Lage ist, die wegen einer länger andauernden Dienstunfähigkeit des Beamten entstandenen Zweifel an dessen Dienstfähigkeit näher zu konkretisieren und auf dieser Grundlage wiederum Art und Umfang der (amts-) ärztlichen Untersuchung in ihren Grundzügen vorzubestimmen, weil der betreffende Beamte trotz vorhergehender Aufforderung der erforderlichen Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung nicht bzw. zumindest nicht in hinreichendem Maße nachgekommen ist (BayVGH, B.v. 11.10.2023 – 3 CE 23.1406 – juris Rn. 6 ff.; B.v. 18.2.2016 – 3 CE 15.2768 – juris Rn. 28; VG München, B.v. 11.8.2017 – M 5 E 17.2578 – juris Rn. 34 ff.; OVG NW, B.v. 12.12.2017 – 1 B 1470/17 – NVwZ-RR 2018, 57, juris Rn. 20 ff.).
30
Dies kann vorliegend nicht angenommen werden, da sich aus den Akten nicht ergibt, dass der Dienstherr die Beamtin anlässlich der aktuellen Kranschreibungen zur Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung aufgefordert hätte und diese jegliche Mitwirkung unterlassen hätte. Vielmehr ist den Akten zu entnehmen, dass vor der Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung ein Mitarbeitergespräch nicht geführt worden ist. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass der Beamte nicht verpflichtet ist, dem Dienstherrn Auskünfte über eine Krankheit zu erteilen (vgl. Ziff. 1.3.4 VV-BeamtR; hierzu auch: BVerwG, B.v. 16.5.2018 – 2 VR 3.18 – Buchholz 232.0 § 44 BBG 2009 Nr. 13, juris Rn. 7; OVG Berlin-Bbg, B.v. 28.12.2016 – OVG 10 S 35.16 – NVwZ-RR 2017, 300, juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 11.10.2023 – 3 CE 23.1406 – juris Rn. 7). Eine fehlende Mitwirkung der Beamtin kann ihr daher auch nicht zum Nachteil gereichen.
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Auch die Tatsache, dass die vorliegenden Bescheinigungen der Arbeitsunfähigkeit der Beamtin den Grund der gesundheitlichen Beeinträchtigung nicht benennen, führt nicht dazu, dass der Dienstherr von der Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entbunden wäre. Zwar trifft es zu, dass entsprechend dem Rechtsgrundsatz „ultra posse nemo tenetur“ auch dem Antragsgegner nichts ihm Unmögliches abverlangt werden darf. Hieraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass der Antragsgegner eine inhaltlich uneingeschränkte Untersuchung in Auftrag geben kann. Denn dies würde gegen die rechtsstaatliche, auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragende Forderung nach hinreichender Bestimmtheit hoheitlicher Eingriffsmaßnahmen verstoßen. Auch in einer Situation, in der der Dienstherr noch keine (hinreichende) Kenntnis des den Krankschreibungen zugrundeliegenden Krankheitsbildes hat, sind nach alledem nur solche Maßnahmen zulässig, die den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahren. In Betracht zu ziehen sind daher zunächst Ermittlungsmaßnahmen, die die spätere Untersuchungsanordnung vorbereiten und erst ermöglichen, eine Aufforderung an den Beamten, sich unter Vorlage aussagekräftiger ärztlicher Unterlagen bei einem Amtsarzt zu einem Gespräch vorzustellen oder eine (körperliche Untersuchungen ggf. schon einschließende) orientierende Erstuntersuchung bei einem Amtsarzt oder auch Facharzt, wenn dem Dienstherrn aufgrund der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bereits die Fachrichtung bekannt sein sollte, der das Krankheitsbild zuzuordnen ist (zu alldem bereits OVG NW, B.v. 12.12.2017 – 1 B 1470/17 – NVwZ-RR 2018, 57, juris Rn. 32 ff.). Dieser Bewertung steht auch nicht entgegen, dass die MUS tatsächlich „nur“ eine Begutachtung nach Aktenlage vornehmen wollte. Denn die Untersuchungsanordnung selbst lässt, da sie inhaltlich uneingeschränkt formuliert ist, auch körperliche Untersuchungen aller Art zu.
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Es kann auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die hier verfügte Untersuchungsanordnung dem Sinn und Zweck einer orientierenden Erstuntersuchung im vorstehenden Sinne entsprechen soll (anders wohl BayVGH, B.v. 11.10.2023 – 3 CE 23.1406 – juris Rn. 8, jedoch bei expliziter Anordnung einer allgemeinärztlichen Untersuchung und fehlender Mitwirkung des Beamten an der Aufklärung). Denn dies erschließt sich angesichts des Fehlens jeglicher eingrenzender Vorgaben zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung nicht (vgl. OVG NW, B.v. 12.12.2017 – 1 B 1470/17 – NVwZ-RR 2018, 57, juris Rn. 43). Von einer Untersuchungsanordnung wie der vorliegenden könnte potentiell jede Untersuchungsart und jeder Untersuchungsumfang umfasst sein. Im Übrigen war im konkreten Fall nicht zwingend (nur) eine allgemeinärztliche Untersuchung denkbar. Da die Dienstunfähigkeitsbescheinigungen von einem Facharzt für Neurologie ausgestellt sind, wäre auch eine Untersuchung auf diesem Fachgebiet denkbar. Um dieser Unklarheit vorzubeugen und den Beamten in die Position zu versetzen, die voraussichtliche Reichweite des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die körperliche Unversehrtheit einschätzen zu können, hat der Dienstherr dem Beamten die wesentlichen Erkenntnisse seines Entscheidungsprozesses, der zur Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung führte, offenzulegen. Sieht der Dienstherr den Zweck einer Untersuchung darin, ein umfassendes Krankheitsbild zu ermitteln, hat der Dienstherr dies dem Beamten in nachvollziehbarer Weise darzulegen (vgl. BayVGH, B.v. 18.2.2016 – 3 CE 15.2768 – juris Rn. 23; B.v. 28.3.2022 – 3 CE 22.508 – BayVBl 2022, 453, juris Rn. 23). Dies hat er jedoch gerade nicht getan.
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Selbst wenn von einer orientierenden Erstuntersuchung auszugehen wäre, hätte der Dienstherr den Umfang der zu erwartenden Untersuchung anzugeben. Sinn und Zweck des Erfordernisses der Angabe von Art und Umfang der auf den Beamten zukommenden ärztlichen Untersuchungen ist es, dem zur Untersuchung Verpflichteten die Reichweite und vor allem die Grenzen der angeordneten Untersuchungen vor Augen zu führen. Das ist keine „Förmelei“, sondern eine notwendige Beschreibung zur Bewertung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG. Ein solcher Eingriff läge auch bei einer orientierenden Erstuntersuchung vor. Das Gericht misst insbesondere dem Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 1 GG ein hohes Gewicht zu. Eine Angabe von Art und Umfang der Untersuchung ist dem Dienstherrn selbst bei einer Vielzahl von Fällen ohne weiteres zuzumuten. Denn der Dienstherr kann in einem standardisierten Schreiben (Merkblatt) die dabei üblicherweise vorzunehmenden Untersuchungen konkret benennen. Die Benennung in Betracht kommender oder möglicher Untersuchungen, insbesondere hinsichtlich der Grenzen, ist Sache des die Untersuchung anordnenden Dienstherrn und nicht des (Amts-)Arztes. Diese Vorgaben gelten erst recht im vorliegenden Fall, in dem die Art der Untersuchung schon gar nicht bestimmt ist.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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6. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG), wobei im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nur die Hälfte des Wertes eines Hauptsacheverfahrens festzusetzen ist.