Titel:
Anspruch auf Bestattung am Wunschort
Normenketten:
BestGArt. 1 Abs. 2
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1
Leitsätze:
1. Wird in einem notariellen Testament vorgegeben, dass die Bestattung im Familiengrab stattfinden soll, kann sich die Gemeinde darüber hinwegsetzen, wenn sich der Wille des Erblassers zwischenzeitlich änderte. Zur Feststellung des Erblasserwillens hat die Behörde ihr Ermessen auszuüben. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Recht auf Bestattung im Gemeindegebiet besteht bei Personen, die weder zuletzt Gemeindeeinwohner waren noch im Gemeindegebiet verstorben oder durch Grabnutzungsrechte berechtigte Personen sind, nur ausnahmsweise. Die betreffende Gemeinde hat in diesen Fällen pflichtgemäß Ermessen auszuüben. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anspruch auf Genehmigung einer Bestattung (hier verneint), Verwandtschaftsverhältnis zu Grabnutzungsberechtigten, Begriff der unverheirateten Geschwister, Ermessensfehlerfreie Ermittlung des letzten Willens der Verstorbenen hinsichtlich Bestattungsort, Ausnahmegenehmigung, Bestattung, Ermessen, Familie, Grabnutzungsrecht, Verwandtschaftsverhältnis, Testament, Genehmigung, Gemeindegebiet, Anspruch auf Bestattung, Bestattung am Wunschort
Fundstellen:
ZEV 2025, 343
BeckRS 2024, 37740
LSK 2024, 37740
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten um die Genehmigung der Bestattung von Frau F... auf dem Friedhof des Beklagten.
2
Frau F... ist am ...2023 verstorben. Im notariellen Testament vom ... 2019 setzte sie ihren Neffen, den Kläger zu 1), und dessen beide Geschwister (Frau A.F. und Herrn H.F.) zu gleichen Teilen als Erben ein. Sie bestimmte den Kläger zu 1) zum Testamentsvollstrecker. § 6 des notariellen Testaments lautet: „§ 6 Auflage: Ich wünsche, im Familiengrab der Familie F. in G... per Urnenbestattung aufgenommen zu werden. Die Durchführung einer insoweit standesgemäßen Beerdigung mache ich meinen Erben zu Auflage.“
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Mit Schreiben vom 4. Februar 2021 hat Frau F... die Generalvollmacht vom 27. Januar 2019 ausgestellt auf den Kläger zu 1) widerrufen.
4
Mit Beschluss des Amtsgerichts T...vom ... 2021 wurde Frau S. zur Betreuerin der Frau F... bestellt. Zur Begründung wurde ausgeführt, Frau F... sei aufgrund körperlicher Multimorbidität nicht mehr in der Lage, ihre Angelegenheiten ausreichend zu besorgen. Zwar wäre sie aufgrund ihres Geisteszustands prinzipiell noch in der Lage, einer anderen Person eine Vorsorgevollmacht zu erteilen. Indessen stehe keine Vertrauensperson mehr zur Verfügung, der sie eine entsprechende Vollmacht erteilen könnte. Die Betreuerbestellung erfolgte mit Einverständnis der Frau F... Im Oktober 2021 ließ Frau F... von einem Notar den Entwurf eines neuen Testaments erstellen. In diesem Entwurf sind als Erben Frau A.F. zu 2/3 und Herr H.F. zu 1/3 eingesetzt. Zur Testamentsvollstreckerin wird die Betreuerin von Frau F... benannt. Zur Bestattung macht der Testamentsentwurf keine Angaben. Zum Zeitpunkt des Entwurfs sei Frau F... nach Überzeugung des Notars noch testierfähig gewesen.
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Im August 2022 ließ sich die Betreuerin eine Kostenaufstellung für eine Einäscherung und Urnenbeisetzung von Frau F... in N... erstellen und schloss anschließend im Namen der Verstorbenen einen Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag ab.
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Mit Schreiben vom 21. Oktober 2023 beantragten die Kläger und die übrigen Erben die Genehmigung der Bestattung von Frau F... auf dem Friedhof des Beklagten in der Grabstelle Nr. … Grabnutzungsberechtigte ist die Klägerin zu 2), die Schwägerin der Verstorbenen. Frau F... habe von 1922-1975 in G... gelebt. Erst dann sei sie nach N... zu ihrem Ehemann gezogen, der 2010 verstorben sei. Die Betreuerin von Frau F... könne keine rechtsgültigen Dokumente vorlegen für den „angeblich“ letzten Willen der Verstorbenen, in N... bestattet zu werden. Vielmehr sei auf das Testament von 2019 abzustellen.
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Mit Bescheid vom 23. November 2023 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung wird ausgeführt, es bestehe kein Rechtsanspruch auf Bestattung der verstorbenen Frau F... auf dem Friedhof in G... Sie sei weder zuletzt Gemeindeeinwohnerin des Marktes G... gewesen, noch sei sie im Gemeindegebiet verstorben. Der in § 10 Abs. 5 Satz 1 der Friedhofs- und Bestattungssatzung genannte Personenkreis umfasse nur Ehegatten, Kinder, Eltern und unverheiratete Geschwister des Grabnutzungsberechtigten. Frau F... sei verheiratet gewesen und zähle daher nicht zu diesem Personenkreis. Nach § 10 Abs. 5 Satz 2 der Friedhofs- und Bestattungssatzung liege es im Ermessen des Beklagten, ausnahmsweise die Beisetzung anderer Personen zuzulassen. Hier sei auf den letzten Willen der Verstorbenen abzustellen. Zur Ermittlung dessen seien das notarielle Testament vom 21. Februar 2019, der Testamentsentwurf vom 19. Juli 2021 und der Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag berücksichtigt worden. Der Testamentsentwurf 2021 enthalte keine Auflage zur Bestattung. Zum Zeitpunkt des Entwurfs sei Frau F... nach Überzeugung des Notars noch unbeschränkt testierfähig gewesen. Zu einer notariellen Beglaubigung sei es nicht mehr gekommen, da Frau F... durch die coronabedingte Isolation so sehr abgebaut habe, dass sie danach nicht mehr testierfähig gewesen sei. Auch der Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag sollte sicherstellen, dass sie im Grab ihres verstorbenen Mannes in N... beigesetzt werde. Aufgrund zwischenzeitlich aufgetretener familiärer Differenzen habe sie nicht mehr ins Familiengrab nach G... gewollt. Diese dokumentierten Entscheidungen durch die Verstorbene bezeugten eine Abkehr von ihrem ursprünglichen letzten Willen im Testament von 2019.
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Mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2023 ließen die Kläger dagegen Klage erheben. Der Kläger sei als bestellter Testamentsvollstrecker verpflichtet, die Auflage im Testament von 2019 durchzusetzen. Die Totenfürsorge liege bei den Erben, nicht bei der ehemaligen Betreuerin. Es bestehe ein Bestattungsrecht in G..., da die Verstorbene die Zwillingsschwester des verstorbenen Ehemanns der Grabnutzungsberechtigten (Klägerin zu 2)) gewesen sei und zum Zeitpunkt ihres Todes bereits verwitwet gewesen sei. Sie sei daher als unverheiratete Schwester nach § 10 Abs. 5 Satz 1 der Friedhofs- und Bestattungssatzung anzusehen. Auch alle Vorfahren der Verstorbenen seien in dem Grab bestattet. Sinn der Friedhofssatzung sei es, dass Familien das Recht hätten, gemeinsam beerdigt zu werden. Außerdem sei die Verstorbene im Zeitpunkt des neuen Testamentsentwurfs sowie bei Abschluss des Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrags nicht mehr in der Lage gewesen, die Konsequenzen zu verstehen. Dies sei alles nicht von der Verstorbenen, sondern von der Betreuerin ausgegangen. Es werde bestritten, dass es innerfamiliäre Differenzen gegeben habe.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
Unter Aufhebung des Bescheids vom 23. November 2023 wird der Beklagte verpflichtet, die Bestattung der Frau I.F., geb. am ... 1922 in G..., verstorben am ... 2023 auf dem Friedhof des Beklagten im Familiengrab Abteilung ... Grab ... zu genehmigen.
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Der Beklagte beantragt,
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Der Ablehnungsbescheid des Beklagten sei rechtmäßig. Die Verstorbene zähle nicht zu den in § 4 Abs. 1 Nrn. 1-3 i. V. m. § 10 Abs. 5 der Friedhofs- und Bestattungssatzung genannten Angehörigen. Zwar stamme die Verstorbene aus G..., lebte jedoch seit der Zeit ihrer Eheschließung nicht mehr im Gemeindegebiet der Beklagten, sondern mit ihrem vorverstorbenen Ehemann in N... wo dieser auch auf dem örtlichen Friedhof beigesetzt sei. Wohl auch deshalb habe die Verstorbene im August 2022 über ihre Betreuerin den Abschluss eines BestattungsvorsorgeTreuhandvertrags veranlasst, um sicherzustellen, dass sie eines Tages im Grab ihres verstorbenen Ehemannes in N... beigesetzt werde. Soweit die Verstorbene in ihrem Testament von 2019 die spätere Bestattung in dem Familiengrab der Familie F. in G... wünschte, komme diesem Umstand durch den Abschluss des Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrages vom August 2022 keine Relevanz mehr zu. Den Klägern stehe kein Rechtsanspruch auf Bestattung der Verstorbenen auf dem Friedhof des Beklagten zu.
12
Die Verstorbene ist eingeäschert, aber noch nicht bestattet. Die Urne wird vom Bestatter seither aufbewahrt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird vollumfänglich auf den Inhalt der Gerichtsakte, sowie auf die beigezogene Behördenakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Genehmigung der Bestattung der Frau I.F. auf dem Friedhof der Beklagten im Familiengrab Abteilung ... Grab ... (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Ein Bestattungsanspruch ergibt sich nicht aus § 4 Abs. 1 der Friedhofs- und Bestattungssatzung der Beklagten. Die Verstorbene war weder zuletzt Gemeindeeinwohnerin noch ist sie im Gemeindegebiet verstorben noch ist sie eine durch Grabnutzungsrechte berechtigte Person. Die Berechtigung ergibt sich weder aus einem entsprechenden Verwandtschaftsverhältnis (1.) noch haben die Kläger einen Anspruch auf ausnahmsweiser Zulassung durch den Beklagten (2.).
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1. Die Verstorbene ist keine durch Grabnutzungsrecht berechtigte Person gem. § 4 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 10 Abs. 5 Satz 1 Friedhofs- und Gebührensatzung. Sie ist weder selbst Grabnutzungsberechtigte noch besteht ein entsprechendes Verwandtschaftsverhältnis zu einem Grabnutzungsberechtigten.
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Nach § 10 Abs. 5 Satz 1 der Friedhofs- und Bestattungssatzung hat der Grabnutzungsberechtigte das Recht auch Mitglieder seiner Familie (Ehegatte, Kinder, Eltern und unverheiratete Geschwister) im erworbenen Grab bestatten zu lassen. Die Grabnutzungsberechtigte des in Rede stehenden Familiengrabes ist die Schwägerin der Verstorbenen.
18
Selbst wenn man auf den vorherigen Grabnutzungsberechtigten – den Zwillingsbruder der Verstorbenen – abstellen würde, ergebe sich kein Recht zur Bestattung nach § 10 Abs. 5 Satz 1 Friedhofs- und Bestattungssatzung, da die Verstorbene gerade nicht unverheiratet war. Nach Angaben der Kläger hatte die Verstorbene bereits im Jahre 1975 geheiratet und war seit 2010 verwitwet. Zweck der Norm ist es, unverheirateten Geschwistern eine Bestattung bei ihrer Familie, insbesondere ihren Eltern als engsten Verwandten, zu ermöglichen. Durch eine Heirat gründen zwei Personen jedoch eine neue Familie, so dass in der Regel gerade kein Bedürfnis mehr dafür besteht, eine Bestattung bei der Ursprungsfamilie als engste Verwandte vorzunehmen. Nichts Anderes gilt, wenn einer der Ehegatten vorverstirbt.
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2. Es besteht auch kein Anspruch auf ausnahmsweise Zulassung der Bestattung der Verstorbenen durch den Beklagten gem. § 10 Abs. 5 Satz 2 Friedhofs- und Bestattungssatzung.
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Hinsichtlich der Ausnahmegenehmigung für die Bestattung anderer Personen ist dem Beklagten Ermessen eingeräumt. Der Beklagte hat sein Ermessen ausgeübt, Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
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Der Beklagte hat dafür auf den letzten Willen der Verstorbenen zum Zeitpunkt ihres Ablebens abgestellt. Dies ist sachgerecht, da auch Art. 1 Abs. 2 BestG vorsieht, dass für Art, Ort und Durchführung der Bestattung der Wille des Verstorbenen maßgeblich ist. Grundsätzlich werden hier an den Nachweis des maßgeblichen Willens keine erhöhten Anforderungen gestellt. Insbesondere muss der Wille des Verstorbenen nicht in einer bestimmten Form zum Ausdruck gebracht werden, auch die Einhaltung der Form einer letztwilligen Verfügung ist nicht erforderlich. Vielmehr genügen Tatsachen und Umstände, aus denen mit hinreichender Sicherheit auf den Willen des Verstorbenen geschlossen werden kann (vgl. Drescher/Tatschner, Friedhofs- und Bestattungsrecht in Bayern, Stand: April 2024, B 6 Rn. 30; Barthel, Bestattungsgesetz Bayern, 2017, Art. 1 Nr. 6; BGH, U.v. 26.02.1992 – XII ZR 58/91).
22
Der Beklagte hat zur Ermittlung des Willens der Verstorbenen im Zeitpunkt ihres Ablebens auf das Testament von 2019, den Testamentsentwurf von 2021, den Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag von 2022 sowie auf Unterlagen und Schilderungen der Betreuerin abgestellt. Daraufhin kam der Beklagte zu dem Ergebnis, dass die Verstorbene zwar 2019 noch in G... bestattet werden wollte und den Kläger zu 1) zum Testamentsvollstrecker ernannt hat. In der Folge hat sie aber 2021 die Generalvollmacht des Klägers widerrufen und ihn im Testamentsentwurf von 2021 auch nicht mehr als Erben vorgesehen. Sie hat ihre Betreuerin beauftragt, einen Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag abzuschließen, dem ein Kostenvoranschlag eines Bestatters aus W... für eine Bestattung in N... zugrunde liegt. Daher hat der Beklagte den letzten Willen der Verstorbenen dahingehend ausgelegt, dass sie zuletzt in N... bei ihrem verstorbenen Ehemann und nicht in G... im Familiengrab ihrer Herkunftsfamilie bestattet werden wollte. Diese Erwägungen erscheinen dem erkennenden Gericht sachgerecht. Ein Ermessensfehlgebrauch ist nicht erkennbar.
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Etwas Anderes kann sich auch nicht aus der unter § 6 des notariellen Testaments vom 21. Februar 2019 genannten Auflage ergeben. Insbesondere kann eine solche Auflage im Testament keinen Anspruch begründen. Eine testamentarische Verfügung kann gemeindlichem Satzungsrecht nicht vorgehen.
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Nach alledem war die Klage abzuweisen.
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Die Kostenfolge beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.