Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 16.12.2024 – W 6 S 24.1926
Titel:

Entziehung der Fahrerlaubnis, Medizinal-Cannabis, Rechtsänderung durch Cannabisgesetz, regelmäßiger Cannabiskonsum, rechtswidrige Anordnung eines ärztlichen Gutachtens

Normenketten:
StVG § 3
FeV § 11 Abs. 8
FeV § 13a
Anlage 4 zur FeV Nr. 9.2.1
CanG
Schlagworte:
Entziehung der Fahrerlaubnis, Medizinal-Cannabis, Rechtsänderung durch Cannabisgesetz, regelmäßiger Cannabiskonsum, rechtswidrige Anordnung eines ärztlichen Gutachtens
Fundstelle:
BeckRS 2024, 37733

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der im Verfahren W 6 K 24.1846 erhobenen Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis in Nr. 1 des Bescheides des Landratsamtes K. vom 28. September 2023, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Unterfranken vom 10. Oktober 2024 wird wiederhergestellt.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der ihm gegenüber ausgesprochenen Entziehung der Fahrerlaubnis.
2
1. Der Antragsteller war Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen A79, A179, AM, B, BE, C1, C1E, L und T.
3
Am 19. Februar 2018 führte der Antragsteller ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Cannabis. Bei einer Blutentnahme wurden folgende Werte festgestellt: 19 ng/ml THC, 5,4 ng/ml 11-OH-THC und 113 ng/ml THC-COOH. Im Rahmen der durchgeführten Kontrolle gab der Antragsteller gegenüber den Polizeibeamten an, er konsumiere regelmäßig Cannabis, kenne aber sein Limit, sodass er trotz entsprechenden Konsums nie in seiner Fahrfähigkeit beeinträchtigt sei.
4
Aufgrund der Tat wurde gegenüber dem Antragsteller ein Bußgeldbescheid erlassen und zwei Punkte im Fahreignungsregister eingetragen sowie ein Fahrverbot von einem Monat ausgesprochen.
5
Mit Schreiben vom 4. April 2018 wurde der Antragsteller von der Fahrerlaubnisbehörde am Landratsamt K. (in der Folge: Fahrerlaubnisbehörde) erstmalig zu der Entziehung seiner Fahrerlaubnis angehört.
6
Aufgrund einer Abmeldung des Antragstellers nach F. sowie in der Folge unbekannten Aufenthalts des Antragstellers wurde das Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis zunächst nicht weiter betrieben.
7
Am 17. Juni 2019 wurden im Rahmen einer Personenkontrolle beim Antragsteller ein abgerauchter Joint sowie eine geringe Menge Marihuana (0,3g netto) aufgefunden.
8
Am 3. April 2020 wurde der Antragsteller im Rahmen einer Verkehrskontrolle, bei der der Fahrer des Fahrzeugs unter Alkoholeinfluss stand, als Beifahrer angetroffen und bei ihm 17g Marihuana aufgefunden. Der Antragsteller war zu diesem Zeitpunkt ohne festen Wohnsitz. Bei einer Durchsuchung des von ihm bewohnten Zeltes sowie des elterlichen Anwesens wurden eine Cannabispflanze, eine Kleinstmenge Marihuana, Hanfwurzeln sowie eine Ecstasy-Tablette aufgefunden.
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Aufgrund dessen wurde gegen den Antragsteller seitens des Amtsgerichts Kitzingen am 28. September 2021 (rechtskräftig: 5. November 2021) ein Strafbefehl wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln erlassen.
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Am 28. April 2022 wurde der Antragsteller seitens der Fahrerlaubnisbehörde zur beabsichtigten Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angehört.
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Am 6. Mai 2022 teilte der Antragsteller der Fahrerlaubnisbehörde mit, dass er ärztlich verordnetes Medizinal-Cannabis aufgrund von Rückenbeschwerden einnehme. Das gefundene Ecstasy habe er ausprobieren wollen, dazu sei es aber nie gekommen.
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Er legte ein Attest der Dr. med. … M. vom 13. Mai 2022 vor, wonach der Antragsteller sich bei dieser in schmerztherapeutischer Behandlung befinde, eine Behandlung mit medizinischem Cannabis durchgeführt werde und bei der eingenommenen täglichen Dosis von einer Fahrtauglichkeit auszugehen sei.
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Die Fahrerlaubnisbehörde forderte den Antragsteller in der Folge zur Vorlage weiterer ärztlicher Unterlagen bezüglich der Behandlung mit Medizinal-Cannabis sowie der Grunderkrankungen auf, woraufhin der Antragsteller ein Attest der Dr. med. … M. vom 21. Juli 2022 vorlegte. Danach liegen beim Antragsteller ein lumbaler Bandscheibenvorfall (M 51.2 G ICD-10), Lumbischialgie (M 54.4 G), Myogelose der Rückenstrecker (M 62.88 G), chronischer unbeeinflussbarer Schmerz (R 52.1 G) sowie eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F 45.41 G) vor. Die Beschwerden lägen hauptsächlich auf dem orthopädischen Fachgebiet. Der Antragsteller bekomme seit Oktober 2021 monatlich 30g Cannabis verordnet, was einer täglichen Einnahme von ca. 1g entspreche. Die Einnahmevorschrift betrage bis zu vier Mal 300mg inhalativ. Der Antragsteller zeige sich als sehr zuverlässiger und kooperativer Patient und stelle sich monatlich vor.
14
Mit Schreiben vom 14. September 2022 ordnete die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens zum etwaigen Konsum von Ecstasy sowie der Fahreignung in Bezug auf die Grunderkrankungen und die Behandlung mit Medizinal-Cannabis an.
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Ein Gutachten wurde nicht vorgelegt, allerdings erbrachte der Antragsteller einen negativen Abstinenznachweis (außer für Cannabinoide) für einen Zeitraum von sechs Monaten, woraufhin die Fahrerlaubnisbehörde mit Schreiben vom 27. Februar 2023 erneut die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens ohne die Fragestellung betreffend die Einnahme von Ecstasy anordnete.
16
Ein Gutachten wurde nicht vorgelegt und der Antragsteller mit Schreiben vom 15. Juni 2023 zur Entziehung der Fahrerlaubnis angehört.
17
Mit Schreiben vom 26. Juni 2023 nahm der Antragsteller hierzu Stellung und führte aus, dass der „ganze Prozess“ nichtig sei. Ihm sei keine Fahruntauglichkeit nachgewiesen worden. Es gebe Studien, dass der alleinige Konsum von Cannabis keinerlei Einfluss auf das Fahrverhalten habe. Er habe sich nicht geweigert das Gutachten vorzulegen, sondern habe keine Mittel, das „nichtige“ Gutachten zu bezahlen.
18
Am 21. September 2023 wurde die Fahrt unter Cannabiseinfluss vom 19. Februar 2018 aus dem Fahreignungsregister getilgt.
19
Mit Bescheid vom 28. September 2023 – zugestellt am 4. Oktober 2023 – wurde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen (Nr. 1 des Bescheides) und er wurde verpflichtet, seinen Führerschein unverzüglich beim Landratsamt K. abzuliefern oder im Falle des Verlustes eine Versicherung an Eides statt über den Verbleib abzugeben (Nr. 2). Für den Fall, dass der Antragsteller der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins oder einer Versicherung an Eides statt nicht innerhalb von fünf Tagen nachkommt, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1, 2 und 3 des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 4). Dem Antragsteller wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt (Nr. 5) und für den Bescheid eine Gebühr in Höhe von 150,00 EUR sowie Auslagen in Höhe von 3,45 EUR erhoben (Nr. 6).
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Auf die Begründung des Bescheides wird verwiesen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis habe auf Grundlage von § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV, § 11 Abs. 8 FeV zu erfolgen, da der Antragsteller ein zu Recht gefordertes Fahreignungsgutachten nicht vorgelegt habe.
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Am 27. Oktober 2023 erhob der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid mit der Begründung, dass ihm keine Fahruntauglichkeit nachgewiesen worden sei.
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Am 8. November 2023 gab der Antragsteller seinen Führerschein bei der Fahrerlaubnisbehörde ab.
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Die Fahrerlaubnisbehörde half dem Widerspruch des Antragstellers nicht ab und gab diesen mit Schreiben vom 28. Dezember 2023 an die Regierung von Unterfranken als Widerspruchsbehörde (in der Folge: Widerspruchsbehörde) ab.
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Mit Schreiben vom 4. März 2024 teilte die Widerspruchsbehörde der Fahrerlaubnisbehörde mit, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht auf § 11 Abs. 8 FeV gestützt werden könne, da die Gutachtensanordnung aus mehreren Gründen fehlerhaft sei. Zudem sei die anstehende Rechtsänderung im Hinblick auf Cannabis zu berücksichtigen. Die Fehler könnten nicht durch einen Widerspruchsbescheid geheilt werden, sondern es sei eine neue Beibringungsanordnung notwendig.
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Am 28. März 2024 wurde dem Antragsteller sein Führerschein wieder ausgehändigt.
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Mit Schreiben vom 6. September 2024 ordnete die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens zur Klärung von Eignungszweifeln bis zum 23. November 2024 an, welches zu folgenden Fragen Stellung nehmen sollte:
„1. Erfüllt [der Antragsteller] aufgrund der diagnostizierten eignungsrelevanten (Nr. 3 Anlage 4 FeV) Erkrankungen (Bandscheibenvorfall, Lumboischialgie, Myogelos der Rückenstrecker, chronischer unbeeinflussbarer Schmerz, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren), die Anforderungen zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppe 1 und 2 (FE-Klassen A79, A179, AM, B, BE, C1, C1E, L, T)?
1. Liegt eine ausreichende Compliance (u.a. Krankheitseinsicht, regelmäßige/überwachte Medikamenteneinnahme, Hinweise auf ggf. selbstinduzierte Unter- oder Überdosierung, kein Beigebrauch anderer psychoaktiver Substanzen, usw.) vor?
2. Sind Beschränkungen und/oder Auflagen erforderlich, um den Anforderungen an das Führen eines Kraftfahrzeuges (je Fahrerlaubnisklassengruppe) weiterhin gerecht zu werden, ggf. technische Hilfsmittel? Ist bzw. sind (eine) fachlich einzelfallbegründete Auflage(n) nach Anlage 4 (z.B. ärztliche Kontrollen Nachuntersuchung) erforderlich? In welchem zeitlichen Abstand und wie lange? Was soll regelmäßig kontrolliert und attestiert werden? Sind die Ergebnisse der Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen; wenn ja, warum?
3. Ist eine fachlich einzelfallbegründete (je Fahrerlaubnisklasse) Nachuntersuchung i.S. einer erneuten (Nach-)Begutachtung erforderlich? In welchem zeitlichen Abstand?
4. Sind aufgrund der Dauermedikation mit Medizinal-Cannabis Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen unter das erforderliche Maß zu erwarten, die noch im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zu prüfen sind?“
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Der Antragsteller sei Cannabispatient. Eine Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis setze aus fahreignungsrechtlicher Sicht voraus, dass die Einnahme von Cannabis indiziert und ärztlich verordnet sei, das Medizinal-Cannabis zuverlässig nach der ärztlichen Verordnung eingenommen werde, keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit festzustellen seien, die Grunderkrankung bzw. die vorliegende Symptomatik keine verkehrsmedizinisch relevante Ausprägung aufweise, die eine sichere Verkehrsteilnahme beeinträchtige und nicht zu erwarten sei, dass der Betroffene in Situationen, in denen seine Fahrsicherheit durch Auswirkungen der Erkrankung oder der Medikation beeinträchtigt sei, am Straßenverkehr teilnehmen werde. Es sei daher zunächst zu prüfen, ob die vorliegenden Erkrankungen selbst eignungsrelevant seien. Die Erkrankungen seien zwar nicht ausdrücklich in der Anlage 4 zur FeV aufgeführt, durch die chronischen Schmerzen und Muskelverhärtung könnten sich ggf. jedoch Kraft- und Bewegungseinschränkungen ergeben. Außerdem machten die Erkrankungen seit Oktober 2021 eine dauerhafte Schmerztherapie erforderlich. Bewegungsbehinderungen seien in Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV als fahreignungsrelevant aufgeführt. Zudem komme der medizinischen Beurteilung der Behandlungscompliance wesentliche Bedeutung zu. Wichtig sei dabei, dass das Medizinal-Cannabis ausschließlich entsprechend der ärztlichen Verordnung eingenommen werde und z.B. kein Beikonsum von Konsum-Cannabis erfolge. Im Rahmen des Auswahlermessens sei die Begutachtung durch einen Arzt einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung beizubringen (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV), da diese besonders für die Bewertung der Auswirkungen von Erkrankungen auf die Fahreignung qualifiziert seien und über große Erfahrung und regelmäßige Praxis bei dieser Bewertung verfügten. Dies gelte insbesondere für eine Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis. Im Übrigen verfügten Begutachtungsstellen selbst über Fachärzte verschiedener Fachrichtungen, sodass sie in der Regel in der Lage seien, einen geeignet qualifizierten Arzt für die Begutachtung zur Verfügung zu stellen. Die bei diesen Stellen erstellten Gutachten wiesen nach Erfahrung der Fahrerlaubnisbehörde eine hohe Qualität auf und seien regelmäßig verwertbar.
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Die Anordnung enthielt den Hinweis, dass im Falle einer Nichtvorlage des Gutachtens auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden könne.
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Am 16. September 2024 teilte der Antragsteller der Fahrerlaubnisbehörde per E-Mail mit, dass er keine weiteren Verfahren oder Niederschriften anerkenne. Er sei zu keiner Zeit fahruntauglich gewesen und es bestünden bis zum heutigen Tag keine Fahreignungszweifel. Er bitte, den Widerspruch an die nächste Instanz weiterzuleiten.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2024 – zugestellt am 15. Oktober 2024 – wies die Widerspruchsbehörde den Widerspruch des Antragstellers zurück (Nr. 1 des Widerspruchsbescheides). Dem Antragsteller wurden die Kosten des Widerspruchsverfahrens auferlegt (Nr. 2) und eine Gebühr in Höhe von 150,00 EUR für den Bescheid festgesetzt und Auslagen in Höhe von 3,45 EUR erhoben (Nr. 3).
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Auf die Begründung des Widerspruchsbescheides wird verwiesen. Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis sei § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV. Der Antragsteller habe sich geweigert, ein zu Recht gefordertes ärztliches Gutachten beizubringen. Auch nach der Rechtsänderung durch das Cannabisgesetz (CanG) dürfe Cannabis zu medizinischen Zwecken nur im Rahmen des Betriebs einer Apotheke gegen Vorlage einer Verschreibung an Endverbraucher abgeben werden. Bis zur Änderung durch das CanG zum 1. April 2024 habe regelmäßiger Cannabiskonsum nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV a.F. unabhängig von einer Verkehrsteilnahme zum Verlust der Fahreignung geführt. Bei ärztlich verordnetem Cannabis sei dies nicht der Fall gewesen, soweit sich der Betroffene auf das sog. Arzneimittel- bzw. Medikamentenprivileg habe berufen können. Bei einer Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis beurteilten sich die Eignungsmängel aber weiterhin nach Nr. 9.4, 9.6.1 und 9.6.2 der Anlage 4 zur FeV. Es handele sich dabei um ein psychoaktiv wirkendes Arzneimittel, dessen missbräuchliche Einnahme ebenso zum Verlust der Fahreignung führe, wie eine Vergiftung und eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen unter das erforderliche Maß. Im Falle des Beigebrauchs von illegalem Cannabis oder anderen psychoaktiven Substanzen bestehe ebenfalls keine Fahreignung. Beim Antragsteller bestünden Zweifel an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Er habe mitgeteilt, die Einnahme des Cannabis erfolge durch Verdampfen und Joints. Ferner habe er eine problematische Einstellung dahingehend gezeigt, dass er der Auffassung sei, dass Cannabis keinerlei Auswirkungen auf die Fahreignung habe.
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Mit Schreiben vom 25. November 2024 ordnete die Fahrerlaubnisbehörde die sofortige Vollziehung der Nr. 1 des Bescheides vom 28. September 2023 (erneut) an. Zur Begründung wird ausgeführt, dass bei einem weiteren vorläufigen Belassen der Fahrerlaubnis andere Verkehrsteilnehmer ständig gefährdet werden könnten, da die Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen in erheblichem Maße zumindest zweifelhaft erscheine. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei auch unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Antragstellers zwingend erforderlich. Es bestehe ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit, vor Kraftfahrern geschützt zu werden, die ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen seien.
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2. Am 15. November 2024 ließ der Antragsteller im Verfahren W 6 K 24.1846 Klage erheben. Am 29. November 2024 ließ er im vorliegenden Verfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 1 des Bescheids des Landratsamts K. vom 28. September 2023 wird wiederhergestellt bzw. angeordnet.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Der Antrag sei begründet, da dem Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung ein höheres Gewicht zukomme als dem öffentlichen Vollzugsinteresse. Die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens aufgrund chronischer Schmerzen und des Cannabispatientenstatus des Antragstellers sei vorliegend nicht rechtmäßig. Es sei zu beachten, dass die Krankheiten des Antragstellers nicht ausdrücklich in Anlage 4 zur FeV aufgeführt seien. Daher habe sich die Fahrerlaubnisbehörde zunächst Kenntnisse zu verschaffen, die ausreichende Anhaltspunkte für ein Fehlen der Fahreignung begründen könnten. Bei einer Schmerzdiagnose von Bewegungsbehinderung zu sprechen, entbehre jeder wissenschaftlichen Grundalge. Zumindest aber teile die Fahrerlaubnisbehörde dies lediglich ohne nähere Begründung mit. Es werde nicht mitgeteilt, warum es nicht möglich gewesen sei, die genaue Ausprägung zunächst durch weniger einschneidende Maßnahmen als ein ärztliches Gutachten festzustellen. Aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen des Antragstellers ergäben sich keine Fahreignungszweifel aufgrund des Schmerzleidens. Da die Einnahme von Medizinalcannabis für sich genommen und gerade im Hinblick auf den Wegfall des „Ultima-Ratio“ Prinzips keine Gutachtensanordnung mehr begründen könne, wenn nicht konkrete Umstände im Einzelfall eine nicht ordnungsgemäße Einnahme oder Verschreibung begründeten, stelle sich auch eine Kombination aus beiden Gründen als problematisch dar. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 FeV müssten konkrete Tatsachen die Annahme begründen, die eine missbräuchliche Einnahme des Medikaments, welches nach neuer Rechtslage kein Betäubungsmittel mehr darstelle, belegen können. Hierzu werde nichts Tragfähiges vorgetragen. Vor allem aber setze sich die Fahrerlaubnisbehörde nicht mit den Ausführungen in den ärztlichen Attesten auseinander, wonach der Antragsteller ein zuverlässiger Patient und hinreichend aufgeklärt worden sei. Auch seien keine verwertbaren Erkenntnisse vorhanden, aus denen sich Straßenverkehrsdelikte oder ähnliches im Zusammenhang mit der Cannabismedikation ergäben. Die Behörde stütze sich, da die Verschreibung des Medikamentes eine Anordnung eines ärztlichen Gutachtens nicht rechtfertigen könne, auf die Grunderkrankungen als fahreignungsrelevanten Umstand. Dies sei ein Zirkelschluss, denn für die Anordnung aufgrund der Grunderkrankung reichten die Umstände des Einzelfalls nicht aus. Vom Gesetzgeber sei nicht gewollt, dass ein Cannabispatient, ganz gleich bei welcher Grunderkrankung, ohne Ausnahme ein ärztliches Gutachten vorlegen müsse. Die neue Anordnung des ärztlichen Gutachtens vermöge im Übrigen die alte Anordnung nicht zu ersetzen. Für die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides sei allein die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Anordnung eines ärztlichen Gutachtens maßgeblich.
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Das Landratsamt K. beantragt für den Antragsgegner:
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Der Antrag wird abgelehnt.
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Zur Begründung wird auf die Begründung des Ausgangs- und des Widerspruchsbescheides Bezug genommen und ergänzend im Wesentlichen ausgeführt: Der Antrag sei nicht begründet. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiege das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei zu Recht erfolgt. Der Antragsteller habe vor Erlass der neuen Gutachtensaufforderung die Möglichkeit gehabt, ärztliche Unterlagen vorzulegen. Dem sei er nicht nachgekommen, weshalb unter anderem weder die konkrete aktuelle Ausprägung der Erkrankung noch die zuverlässige Einnahme des Medizinal-Cannabis gemäß der Dosierungs- und Anwendungsvorgaben bekannt gewesen seien. Auch nach der ab 1. April 2024 geltenden Rechtslage sei bei einer Verordnung von Medizinal-Cannabis zu überprüfen, ob das Arzneimittelprivileg erfüllt sei. Hieran hätten Zweifel bestanden, auch vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller angegeben habe, Medizinal-Cannabis auch als Joint zu rauchen. Das Landratsamt sei damit berechtigt gewesen, zur Klärung ein ärztliches Gutachten anzuordnen. Die neue Gutachtensaufforderung sei formell und materiell rechtmäßig. Das Landratsamt sei als Ausgangsbehörde „im Auftrag“ der Widerspruchsbehörde tätig geworden und habe eine weitere Sachaufklärung vorgenommen. Da das Widerspruchsverfahren mit dem Ausgangsverfahren eine Einheit bilde, sei die Widerspruchsbehörde berechtigt, weitere Aufklärungsmaßnahmen durchzuführen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 25. November 2024 sei ebenfalls rechtmäßig erfolgt.
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3. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte (einschließlich des Verfahrens W 6 K 24.1846) sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
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Der Antrag hat Erfolg.
40
Bei verständiger Würdigung (§ 122 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 88 VwGO) ist der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 1 des Bescheids des Landratsamts Ki. vom 28. September 2023 wiederherzustellen bzw. anzuordnen, dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner im Verfahren W 6 K 24.1846 erhobenen Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis in Nr. 1 des Bescheides des Landratsamtes K. vom 28. September 2023, in der Gestalt, die diese durch den Widerspruchsbescheid der Regierung von Unterfranken vom 10. Oktober 2024 erfahren hat, begehrt.
41
Der so verstandene Antrag ist zulässig und begründet. Statthaft ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO, da die aufschiebende Wirkung der im Verfahren W 6 K 24.1846 gegen die Nr. 1 des Bescheides erhobenen Klage entfällt, weil der Antragsgegner insoweit in Nr. 1 des Bescheides vom 25. November 2024 die sofortige Vollziehung angeordnet hat (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO).
42
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht prüft, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung der Antragstellerin auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
43
Gemessen hieran hat der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Fahrerlaubnisentziehung in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides Erfolg, da diese sich bei summarischer Prüfung als rechtswidrig erweist und den Antragsteller in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog) und die erhobene Klage damit insoweit voraussichtlich erfolgreich sein wird.
44
Der Antragsgegner konnte vorliegend nicht nach § 11 Abs. 8 FeV aufgrund der Nichtvorlage des (zuletzt) mit Schreiben vom 6. September 2024 geforderten ärztlichen Gutachtens auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen, da die Anordnung gemessen an der zum Zeitpunkt ihres Erlasses gültigen Sach- und Rechtslage nicht anlassbezogen und damit nicht rechtmäßig ergangen ist.
Im Einzelnen:
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1. Die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 1 des Bescheides des Landratsamtes K. vom 25. November 2024 liegen vor.
46
Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei sind an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Erforderlich ist gleichwohl eine auf den konkreten Einzelfall abstellende, nicht lediglich formelhafte Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 80 Rn. 85 m.w.N.). Maßgebend ist, dass der Antragsgegner mit seiner Begründung in hinreichender Weise zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Anordnung des Sofortvollzugs wegen der besonderen Situation im Einzelfall für unverzichtbar hält. Ausreichend ist jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalles eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind. Je nach Fallgestaltung können die Gründe für die sofortige Vollziehung auch ganz oder teilweise mit den Gründen für den Erlass des Verwaltungsaktes identisch sein und sich hierdurch das Begründungserfordernis reduzieren.
47
Es ist zu beachten, dass sich die Behörde im Bereich des Sicherheitsrechts, zu dem auch das Fahrerlaubnisrecht gehört, zur Rechtfertigung der sofortigen Vollziehung darauf beschränken kann, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt. Der Umstand, dass im streitgegenständlichen Bescheid angesprochene Gesichtspunkte auch in einer Vielzahl anderer Verfahren zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit verwendet werden können, führt deshalb nicht zu einem Verstoß gegen § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (st.Rspr., vgl. z.B. BayVGH, B.v. 10.10.2024 – 11 CS 24.1366 – n.v. Rn. 11; B.v. 4.7.2019 – 11 CS 19.1041 – Rn. 16, juris, m.w.N.).
48
Gemessen hieran hat der Antragsgegner in der Anordnung der sofortigen Vollziehung hinreichend dargelegt, warum beim Antragsteller aus seiner Sicht erhebliche Zweifel an der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges bestehen bzw. dieser insoweit ungeeignet ist. Das besondere öffentliche Interesse, die Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr sofort zu unterbinden und die Bestandskraft des Bescheids nicht abzuwarten, wird mit der Nichteignung bzw. den erheblichen Eignungszweifeln und der damit einhergehenden Gefährdung des Straßenverkehrs begründet. Dieses öffentliche Interesse wurde mit den persönlichen Interessen des Antragstellers abgewogen, was den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt.
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Dem rein formellen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist damit genügt. Ob die angegebenen Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen, ist eine Frage des materiellen Rechts (vgl. VG Würzburg, B.v. 31.5.2023 – W 6 S 23.588 – juris Rn. 37 m.w.N.).
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2. Eine summarische Prüfung, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO geboten, aber auch ausreichend ist, ergibt, dass die Klage in der Hauptsache gegen die Nr. 1 des Bescheides des Landratsamtes K. vom 28. September 2023, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Oktober 2024, voraussichtlich Erfolg haben wird.
51
Diese erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog).
52
Gegenstand der Anfechtungsklage im Verfahren W 6 K 24.1846 und damit auch des vorliegenden Verfahrens ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der ursprüngliche Verwaltungsakt – die Entziehung der Fahrerlaubnis in Nr. 1 des Bescheides des Landratsamtes K. vom 28. September 2023 – in der Gestalt, die dieser durch den Widerspruchsbescheid der Regierung von Unterfranken vom 10. Oktober 2024 gefunden hat. Das Widerspruchsverfahren stellt kein gesondertes Verwaltungsverfahren dar, sondern bildet mit den Ausgangsverfahren eine Einheit. Der Widerspruchsbehörde kommt dabei eine umfassende Kontrollbefugnis zu. Sie hat grundsätzlich die gleiche Entscheidungsbefugnis wie die Ausgangsbehörde und ist zur Änderung, Aufhebung und Ersetzung des Ausgangsbescheides, einschließlich seiner Begründung und Ermessenserwägungen befugt. Dementsprechend ist der gerichtlichen Prüfung der ursprüngliche Verwaltungsakt mit dem Inhalt und der Begründung zugrunde zu legen, die er durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat (vgl. zu alldem ausführlich: BVerwG, U.v. 15.6.2016 – 8 C 5.15 – juris Rn. 22 m.w.N.).
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung ist dementsprechend die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier der Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Widerspruchsbescheides (stRspr.; zuletzt etwa: BVerwG, U.v. 7.4.2022 – 3 C 9.21 – juris Rn. 13; U.v. 11.4.2019 – 3 C 14/17 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 7.9.2023 – 11 CS 23.1298 – juris Rn. 12).
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Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides ist § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV). Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen begründen, finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung. Bedenken an der Eignung sind nur zu klären, wenn konkrete Tatsachen bekannt geworden sind, die nachvollziehbar den Verdacht rechtfertigen, bei dem/der Betroffenen könne Ungeeignetheit oder eingeschränkte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vorliegen. Nicht jeder auf die entfernt liegende Möglichkeit eines Eignungsmangels hindeutende Umstand kann hinreichender Grund für Anforderung eines Gutachtens sein, insbesondere ist eine Gutachtensanordnung ohne belegte Tatsachen aufgrund des bloßen Verdachts rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2018 – 11 CS 17.1940 – juris Rn. 19; ThürOVG, B.v. 27.10.2021 – 2 EO 64/21 – juris Rn. 22; VG Würzburg, B.v. 22.1.2024 – W 6 S 24.21 – juris Rn. 53).
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Die Fahrerlaubnisbehörde hat damit die Möglichkeit, zur Aufklärung der Fahreignung eines Fahrerlaubnisinhabers die Beibringung eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Der Schluss auf die Nichteignung nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV ist aber nur zulässig, wenn der Betroffene bei der Anordnung auf diese Rechtsfolge gemäß § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV hingewiesen worden und die Anordnung, ein Gutachten beizubringen, auch sonst rechtmäßig ist. Die Gutachtensanordnung muss unter Berücksichtigung der Vorgaben von § 11 Abs. 6 FeV insbesondere anlassbezogen, verhältnismäßig und hinreichend bestimmt sein (st.Rspr; vgl. etwa: BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 9.3.2021 – 11 CS 20.2793 – juris Rn. 11). Die Fahrerlaubnisbehörde muss in der Gutachtensanordnung in verständlicher Form die Gründe darlegen, die zu Zweifeln an der Kraftfahreignung geführt haben, was durch substantiierte Darlegung ihrer Eignungszweifel unter Angabe der Tatschen, auf denen diese beruhen, zu erfolgen hat (BVerwG, B.v. 5.2.2015 – 3 B 16/14 – juris Rn. 8). Steht die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen fest, hat die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens zu unterbleiben (§ 11 Abs. 7 FeV; BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 11 ZB 21.163 – juris Rn. 15).
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Gemessen hieran lagen zum insoweit maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Erlasses der Gutachtensanordnung (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – juris Rn. 14) die Voraussetzungen für die Anordnung der Beibringung eines ärztlichen Gutachtens nicht vor und der Antragsgegner konnte aufgrund der Nichtbeibringung nicht nach § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen.
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Es kann dabei dahinstehen, ob die Ausgangsbehörde im laufenden Widerspruchsverfahren überhaupt noch zur Anordnung eines entsprechenden Gutachtens befugt war und ob die Widerspruchsbehörde ohne Aufhebung des Ausgangsbescheides das Landratsamt zum Erlass einer neuen Gutachtensanordnung anhalten durfte, obwohl sie selbst ausweislich ihres Schreibens vom 4. März 2024 (zutreffend) davon ausging, dass auf Grundlage der Anordnung vom 27. Februar 2023 nicht nach § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden durfte, da sich die Anordnung vom 6. September 2024 aus anderen Gründen als voraussichtlich rechtswidrig erweist.
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Maßgeblich ist, da – wie oben näher ausgeführt – Gegenstand des vorliegenden Verfahrens die Entziehung der Fahrerlaubnis in der Gestalt ist, die sie durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, die zuletzt erfolgte Anordnung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens von 6. September 2024. Der Antragsteller hat mit seiner E-Mail vom 16. September 2024 diesbezüglich auch zum Ausdruck gebracht, dass er nicht bereit ist, das Gutachten beizubringen, sodass ungeachtet des Umstands, dass die Frist zur Beibringung zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides noch nicht abgelaufen war, von einer Weigerung zur Beibringung ausgegangen werden durfte. Hierauf hat die Widerspruchsbehörde den Widerspruchsbescheid erkennbar gestützt, sodass es nicht auf die Rechtmäßigkeit der dem Ausgangsbescheid zu Grunde liegenden Beibringungsanordnung vom 27. Februar 2023 ankommt.
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Der Antragsgegner begründet die Anordnung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens – ohne Nennung einer konkreten Rechtsgrundlage – mit der beim Antragsteller vorliegenden Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis und den der Verschreibung zu Grunde liegenden Erkrankungen.
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Hierbei bezieht sich der Antragsgegner auf die zur Fahreignungsrelevanz einer Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis ergangene überzeugende ständige Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, welcher die Kammer bislang gefolgt ist. Danach führte eine solche Behandlung im Sinne von Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV nicht zum Verlust der Fahreignung, wenn die Einnahme von Cannabis indiziert und ärztlich verordnet ist, das Medizinalcannabis zuverlässig nur nach der ärztlichen Verordnung eingenommen wird, keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit festzustellen sind, die Grunderkrankung bzw. die vorliegende Symptomatik keine verkehrsmedizinisch relevante Ausprägung aufweist, die eine sichere Verkehrsteilnahme beeinträchtigt, und nicht zu erwarten ist, dass der Betroffene in Situationen, in denen seine Fahrsicherheit durch Auswirkungen der Erkrankung oder der Medikation beeinträchtigt ist, am Straßenverkehr teilnehmen wird (vgl. etwa BayVGH, B.v. 16.5.2022 – 11 ZB 21.1964 – juris Rn. 15 m.w.N.).
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Es ist für das vorliegende Verfahren jedoch zu beachten, dass diese Rechtsprechung zu der Rechtslage vor Erlass des Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz – CanG) vom 27. März 2024, Kraft seit 1. April 2024 (BGBl. I, Nr. 109) ergangen ist und im Zusammenhang mit dieser Rechtslage zu verstehen ist.
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Nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV a.F. entfiel zu diesem Zeitpunkt die Fahreignung bei regelmäßigem Cannabiskonsum, ohne dass es auf ein etwaiges Trennungsvermögen zwischen Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeuges ankam. Regelmäßiger Cannabiskonsum in diesem Sinne lag bei täglicher oder nahezu täglicher Einnahme von Cannabis vor (BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3/13 – juris Rn. 18; U.v. 26.2.2009 – 3 C 1.08 – juris Rn. 15 ff.; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 2 StVG Rn. 55 m.w.N. zur Rspr.).
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Eine Person, der dauerhaft medizinisches Cannabis zu Behandlungszwecken verschrieben wurde, war bzw. ist nach dieser Definition grundsätzlich als regelmäßiger Cannabiskonsument anzusehen. Insoweit erfuhren diese Personen aber unter den oben näher dargelegten Voraussetzungen eine Privilegierung dahingehend, als dass ihr regelmäßiger Konsum eben nicht im Sinne von Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV a.F. zum Entfall der Fahrerlaubnis führte, sondern allenfalls unter den Voraussetzungen der Nrn. 9.4. und 9.6 der Anlage 4 zur FeV. Damit ging eine Besserstellung des sich nach damaliger Rechtslage rechtstreu verhaltenden Medizinal-Cannabis-Konsumenten im Vergleich zu einem (illegalen) Konsumenten einher.
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Diese Systematik kann auf die nunmehr geltende und auch zum Zeitpunkt des Erlasses der maßgeblichen Beibringungsanordnung sowie des Widerspruchsbescheides gültigen Rechtslage in einem Fall, in dem die Behandlung mit Medizinal-Cannabis im Raum steht, nicht ohne weiteres übertragen werden. Denn nach der Änderung der FeV und der Anlage 4 zur FeV durch das CanG entfällt die Fahreignung im Zusammenhang mit dem Konsum von Cannabis nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV n.F. im Falle von Cannabismissbrauch, welcher nach der Definition des Verordnungsgebers dann vorliegt, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein Cannabiskonsum mit nicht fernliegender verkehrssicherheitsrelevanter Wirkung nicht hinreichend sicher getrennt werden können oder bei einer Cannabisabhängigkeit (Nr. 9.2.3).
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Der regelmäßige Konsum von Cannabis führt daher nach geltender Rechtslage nicht mehr ohne weiteres zum Entfallen der Fahreignung. Vielmehr kommt es – ähnlich wie beim Alkoholkonsum – darauf an, ob der Konsum von Cannabis und das Führen eines Kraftfahrzeuges hinreichend sicher voneinander getrennt werden können. Es entsprach dabei dem ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen, die fahreignungsrechtlichen Regelungen bei einer Cannabisproblematik denen bei einer Alkoholproblematik weitestgehend anzugleichen (vgl. BT-Drucks. 20/10426 vom 21.2.2024, S. 150). Dies vorangestellt, ist es fraglich, ob im Bereich von Cannabis die Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV überhaupt noch einen eigenständigen Anwendungsbereich hat, oder ob der Konsum von Cannabis nicht vielmehr in Nr. 9.2 abschließend geregelt ist, wofür vor allem die bereits angeführten gesetzgeberischen Wertungen sprechen. Ob daneben, etwa für den Fall, dass – wie hier nicht – mehrfache relevante Trennungsverstöße i.S.d. Nr. 9.1 gegeben wären, dem Medikamentenprivileg der Nr. 9.6 Bedeutung zukommt, kann hier offen bleiben. Denn auch wenn Medizinal-Cannabis nach wie vor im arzneimittelrechtlichen Sinn als Arzneimittel einzustufen sein mag, so zeigt sich in einem Vergleich mit Nr. 9.2, welche Medizinal-Cannabis schon vom Wortlaut her mitumfasst, dass ein auch regelmäßiger Konsum für die Bewertung der Fahreignung irrelevant ist, sofern nicht Missbrauch oder Abhängigkeit gegeben sind. Würde man bei Konsumenten von Medizinal-Cannabis unabhängig von einer Verkehrsteilnahme bei regelmäßigem übermäßigen Konsum von einer Nichteignung ausgehen, so wären diese schlechter gestellt als Konsumenten von (anderem) Cannabis, die (außerhalb des Straßenverkehrs) in beliebiger Menge konsumieren können, ohne dass dies vom Gesetzgeber als verkehrssicherheitsrelevant eingestuft wird.
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Übertragen auf den vorliegenden Fall wäre es nach geltender Rechtslage aus fahreignungsrechtlicher Sicht irrelevant, wenn der Antragsteller seine Erkrankungen ohne jegliche ärztliche Verschreibung mittels Cannabis egal welcher Konsumform (Joint, Verdampfer o.Ä.) oder -menge selbst „therapiert“, so lange er in der Lage ist, den Konsum und das Führen eines Kraftfahrzeugs zu trennen und keine Abhängigkeit besteht. Ihn nun aufgrund der Verschreibung von Medizinal-Cannabis insoweit schlechter zu stellen bzw. strengere Anforderungen an seine Fahreignung zu stellen, erscheint weder sachgerecht noch mit dem o.g. gesetzgeberischen Ziel vereinbar (vgl. so schon: VG Würzburg, B.v. 24.9.2024 – W 6 S 24.1468 – n.v. S. 20 ff.). Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, als eine unterschiedliche Wirkungsweise von medizinischem und sonstigem Konsumcannabis nicht nachgewiesen ist (vgl. Graw/Brenner-Hartmann/Haffner/Musshof, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung – Kommentar, 3. Auflage 2018, Nr. 8.3 zu Nr. 3.14.2 der Begutachtungsleitlinien, S. 320).
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Cannabis kommt im Vergleich zu anderen fahreignungsrelevanten Substanzen wie Betäubungsmitteln oder Alkohol insofern eine Sonderstellung zu, als dass es nach nunmehr geltender Rechtslage sowohl als legales Genussmittel, als auch als Arzneimittel verwendet werden kann, was ebenfalls dafür spricht die Fahreignungsrelevanz allein an Nr. 9.2. der Anlage 4 zur FeV a.F. zu messen.
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§ 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Versorgung mit Cannabis zu medizinischen und medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken (Medizinal-Cannabisgesetz – MedCanG), wonach Cannabis zu medizinischen Zwecken Endverbraucherinnen und Endverbraucher nur im Rahmen des Betriebs einer Apotheke gegen Vorlage der Verschreibung abgegeben werden darf, steht Vorstehendem nicht entgegen. Hiermit wird keine Aussage über die fahreignungsrechtliche Einordnung von Medizinal-Cannabis getroffen. Die Regelung ist vielmehr vor dem Hintergrund des in § 2 Abs. 1 des Gesetzes zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG) geregelten umfassenden Verbotes Cannabis abzugeben oder weiterzugeben (Nr. 7), zum unmittelbaren Verbrauch zu überlassen (Nr. 8), sonst in den Verkehr zu bringen (Nr. 10), sich zu verschaffen (Nr. 11) und zu erwerben (Nr. 12) als legale Form der Abgabe und Entgegennahme von Cannabis zu verstehen.
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Im konkreten Fall des Antragstellers lag somit kein Anlass für die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens wegen der von ihm vorgebrachten Cannabisbehandlung vor. Zwar dürfte der Antragsteller aufgrund seiner eigenen Angaben und der vorgelegten ärztlichen Unterlagen als regelmäßiger Konsument von Cannabis im Sinne von Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV a.F. anzusehen sein. Dies allein führt aber nicht (mehr) zum Wegfall der Fahreignung, weshalb es letztlich nach vorstehenden Ausführungen auch nicht auf die Frage ankommt, ob der Antragsteller das Medizinal-Cannabis verschreibungsgemäß oder mittels Joints einnimmt. Da es aufgrund der Aktenlage auch keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass die psychophysische Leistungsfähigkeit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen aufgrund seiner Cannabismedikation unter das erforderliche Maß gemindert ist, richten sich etwaige Eignungszweifel vorliegend allein nach § 13a FeV i.V.m. Nr. 9.2. der Anlage 4 zur FeV n.F.
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Ein ärztliches Gutachten kann nach § 13a Nr. 1 FeV angeordnet werden, wenn Tatsachen die Annahme von Cannabisabhängigkeit begründen. Entsprechende Tatsachen werden aber in der maßgeblichen Beibringungsanordnung nicht dargelegt. Wiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss sind ebenfalls nicht ersichtlich, zumal diese die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung und keines ärztlichen Gutachtens rechtfertigen würden (§ 13a Nr. 2 Buchst. b FeV).
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Ungeachtet dessen, dass auch im Falle einer nur teilweise rechtswidrigen Fragestellung grundsätzlich die gesamte Beibringungsanordnung rechtswidrig ist (vgl. BayVGH, B.v. 25.3.2020 – 11 CS 20.203 – juris Rn. 10; OVG NW, B.v. 8.6.2022 – 16 B 1237/21 – juris Rn. 19; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 11 FeV Rn. 42c), ist die Beibringungsanordnung hinsichtlich der beim Antragsteller vorliegenden Grunderkrankungen ebenfalls nicht anlassbezogen und verhältnismäßig.
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Wie der Antragsgegner im Grundsatz zutreffend darlegt, sind die beim Antragsteller diagnostizierten Erkrankungen nicht in Anlage 4 zur FeV aufgeführt, was aber für sich genommen nicht dazu führt, dass ihnen bereits deshalb grundsätzlich die Fahreignungsrelevanz abgesprochen werden müsste. Soweit der Antragsgegner diese dann unter Bewegungsbehinderungen im Sinne von Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV fasst, fehlt es an tatsächlichen Anhaltspunkten, welche diese Annahme rechtfertigen. Zwar muss die Fahreignungsrelevanz einer Erkrankung für den Erlass einer Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens nicht schon feststehen, um diese zu rechtfertigen. Gleichwohl sind – wie oben näher ausgeführt – tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich, die auf einen Eignungsmangel schließen lassen.
73
Solche sind aufgrund der Aktenlage nicht ersichtlich. Insbesondere finden sich in den vorgelegten ärztlichen Unterlagen keinerlei Anhaltspunkte, dass der Antragsteller aufgrund seiner Erkrankungen tatsächlich in seiner Beweglichkeit eingeschränkt wäre. Zudem geht der Antragsgegner in der Fragestellung zu 1) davon aus, dass beim Antragsteller „diagnostizierte eignungsrelevante“ Erkrankungen vorliegen. Dabei wird verkannt bzw. jedenfalls nicht deutlich, dass bei Bewegungsbehinderungen, selbst wenn diese hier vorliegen sollten, nach Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV grundsätzlich die Fahreignung gegeben ist. Insoweit kann dann aber nicht von einer diagnostizierten eignungsrelevanten Erkrankung gesprochen werden. Auch vor diesem Hintergrund stellt sich die konkrete Fragestellung damit nicht als anlassbezogen dar.
74
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller zudem keine Gelegenheit gegeben, zunächst von sich aus ärztliche Atteste konkret zu einer etwaigen Bewegungsbeeinträchtigung aufgrund seiner Erkrankungen vorzulegen, weshalb die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens insoweit auch vor diesem Hintergrund nicht verhältnismäßig erscheint. Der Antragsteller wurde konkret nur zur Vorlage aktueller Atteste hinsichtlich seiner Cannabismedikation und dem Verlauf der Erkrankungen aufgefordert.
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Da sich die Gutachtensanordnung mithin als rechtswidrig erweist, konnte der Antragsgegner nicht nach § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen und ihm die Fahrerlaubnis entziehen.
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Die Fahrerlaubnisentziehung in Nr. 1 des Bescheides des Landratsamtes K. vom 28. September 2023, in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Unterfranken vom 10. Oktober 2024 ist damit voraussichtlich rechtswidrig, weshalb das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt und die aufschiebende Wirkung seiner Klage wiederherzustellen war.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Maßgeblich sind die Fahrerlaubnisklassen B und C1E, welche die übrigen Klassen mitumfassen (vgl. § 6 Abs. 3 FeV). Für diese ist nach Nr. 46.3 (Klasse B) und 46.5 (C1E) jeweils der Auffangstreitwert in Höhe von 5.000,00 EUR anzusetzen. Diese Werte waren nach Nr. 1.1.1 des Streitwertkatalogs auf 10.000,00 EUR zu addieren und dieser Wert wiederum im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren und der Streitwert mithin auf 5.000,00 EUR festzusetzen. Die Fahrerlaubnis der Klasse A mit den Schlüsselzahlen 79 und 179 wirkt sich nicht streitwerterhöhend aus (vgl. BayVGH, B.v. 26.8.2024 – 11 ZB 24.856 – juris Rn. 22).