Titel:
Fehlende Sachentscheidung bei fehlerhafter Ablehnung der Einleitung eines Abänderungsverfahrens in Kindschaftssachen.
Normenkette:
FamFG § 38 Abs. 1 S. 1, § 69 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. Lehnt auf entsprechende Anregung eines Elternteils das Familiengericht trotz entsprechender Anhaltspunkte für einen möglichen Abänderungsbedarf die Einleitung eines Abänderungsverfahrens in einem Umgangsverfahren ab, fehlt es an einer Sachentscheidung in der Hauptsache. (Rn. 6 und 10)
2. Das Verfahren kann in einem solchen Fall gem. § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG an das Familiengericht von Amts wegen zurückverwiesen werden. (Rn. 9)
Schlagworte:
Kindschaftsverfahren, Umgang, Abänderungsverfahren, fehlerhafte Ablehnung, fehlende Sachentscheidung, Beschwerde, Zurückverweisung
Vorinstanz:
AG Haßfurt, Beschluss vom 14.10.2024 – 1 F 282/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 37453
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht Haßfurt vom 14.10.2024 aufgehoben. Das Verfahren wird an das Amtsgericht -FamiliengerichtHaßfurt zurückverwiesen.
2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Im Übrigen wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Amtsgericht übertragen.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,00 Euro festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
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Antragsteller und Antragsgegnerin sind die Eltern der am …2016 geborenen K. Sie leben seit Juni 2019 getrennt. Der Umgang wurde mit gerichtlich gebilligter Umgangsvereinbarung vom 12.08.2020 im Verfahren 1 F 258/20 hinsichtlich des Regelumgangs und mit gerichtlich gebilligtem Teilvergleich vom 18.11.2021 im Verfahren 1 F 180/21 hinsichtlich des Ferienumgangs geregelt. Der weitergehende Antrag des Antragstellers auf Abänderung der seinerzeitigen Umgangsvereinbarung, mit dem er die Einrichtung eines Wechselmodells begehrte, wurde mit Beschluss vom 02.12.2021 zurückgewiesen. In dem Beschwerdeverfahren 2 UF 194/21 vereinbarten die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 07.03.2022 u. a., dass es bei den Regelungen vom 12.08.2020 und vom 18.11.2021 verbleibt.
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Mit Anwaltsschriftsatz vom 26.09.2024 beantragte der Antragsteller die Abänderung der Vereinbarungen.
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Mit Beschluss vom 14.10.2024 hat das Amtsgericht ohne Beteiligung der Antragsgegnerin, des Kindes und des Jugendamtes, das es in nicht näher dargelegter Weise kontaktiert hatte, entschieden, dass es der Anregung zur Anleitung eines Umgangsverfahrens mit dem Ziel der Abänderung der Umgangsvereinbarung keine Folge leistet. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sehe keinen Anlass, der Anregung des Antragstellers Folge zu leisten, da die Voraussetzungen des § 1696 Abs. 1 BGB nicht gegeben seien. Es fehle an triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen. Solche habe der Antragsteller weder dargetan noch seien diese im Wege der Amtsaufklärung zutage getreten. Die von ihm dargelegten Gründe lägen im eigenen Interesse und nicht im Interesse des Kindes.
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Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
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Der Antragsteller hat gegen den seinem Verfahrensbevollmächtigten am 21.10.2024 zugestellten Beschluss mit am 21.11.2024 beim Amtsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz vom selben Tag Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 20.12.2024 begründet. Auf den Schriftsatz wird Bezug genommen.
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1. Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß §§ 58 ff. FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Bei der Entscheidung des Amtsgerichts, die Einleitung eines Verfahrens abzulehnen, handelt es sich im vorliegenden Fall um eine beschwerdefähige Entscheidung. Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG liegt eine solche regelmäßig zwar nur dann vor, wenn und soweit durch die Entscheidung der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt wird, was mangels einer Sachentscheidung hier nicht der Fall ist. Wird jedoch durch die Verweigerung von Amts wegen zu treffender Maßnahmen in subjektive Rechte des Einlegenden eingegriffen, kommt eine Beschwerde gegen die ablehnende Entscheidung in Betracht.
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Durch die Ablehnung der Einleitung eines Umgangsverfahrens hier in Form eines Abänderungsverfahrens ist der Beschwerdeführer in einem behaupteten subjektiven Recht, nämlich in seinem Recht aus § 1684 BGB betroffen. Hieraus ergibt sich die gemäß § 59 FamFG erforderliche Beschwerdebefugnis (vgl. OLG Frankfurt a. M., Beschluss v. 30.12.2021, Az. 6 UF 237/21; OLG Koblenz, Beschluss v. 14.11.2016, Az. 7 UF 611/16; Sternal/Schäder, FamFG, 21. Aufl., § 166 Rn. 9 m.w.N.).
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Der Senat entscheidet ohne Durchführung eines Termins und Anhörung der Beteiligten, da hiervon keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten sind. Eine Anhörungspflicht gemäß §§ 159, 160 FamFG besteht aufgrund der Ablehnung der Einleitung eines Verfahrens nicht.
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2. Die Beschwerde hat – zumindest vorläufig – Erfolg. Sie führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Erstgericht gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG. Das erstinstanzliche Verfahren ist nicht durch eine Sachentscheidung beendet worden, weshalb das Verfahren, ohne dass es eines Antrages der Beteiligten bedarf, zurückzuverweisen ist.
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Das Amtsgericht hätte im Rahmen des einzuleitenden Hauptsacheverfahrens die Voraussetzungen für eine Abänderung der Umgangsregelungen prüfen müssen. Zwar stellt der Antrag des Vaters in rechtlicher Hinsicht lediglich eine sogenannte Anregung statt. Ob ein Änderungsverfahren eingeleitet wird, entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Es kann die Einleitung ablehnen, wenn keine Anhaltspunkte für eine Änderung, insbesondere keine neuen Umstände ersichtlich sind, oder bei rechtsmissbräuchlichen Anträgen, die nur als „Störfeuer“ gegen die Teilfamilie des Sorgeberechtigten dienen (Staudinger/Coester (2023) BGB § 1696, Rn. 153). Vorliegend kommt dies aber ohne nähere Sachprüfung insbesondere im Hinblick auf den Zeitablauf seit der Regelung des Umgangs und den Sachvortrag des Antragstellers nicht in Betracht. Insbesondere hat er unter Darstellung verschiedener Vorfälle vorgebracht, dass die Antragsgegnerin gegen ihre Verpflichtung unter Ziffer 3 der Vereinbarung vom 07.03.2022 im Verfahren 2 UF 194/21, in der sie sich verpflichtet hatte, den Vater bei Betreuungsbedarf des gemeinsamen Kindes außerhalb seiner Umgangszeiten nach Absprache mit diesem vorrangig heranzuziehen, verstoßen habe.
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Ohne nähere Sachprüfung und Auseinandersetzung mit den Positionen hierzu kann die Ablehnung der Einleitung eines Verfahrens auch nicht damit begründet werden, die vom Antragsteller vorgebrachten Gründe lägen im eigenen Interesse und nicht im Interesse des Kindeswohls. So hat der Antragsteller u. a. vorgebracht, das Kind werde in einen Loyalitätskonflikt gebracht, da es dem Vater nicht erzählen dürfe, dass es oft bei den Großeltern sei.
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Das Amtsgericht erhält Gelegenheit, in der Sache selbst instanzbeendigend zu entscheiden. Dabei wird es auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
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Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 70 Abs. 2 FamFG).