Titel:
Notarkosten nach Ausübung eines Vorkaufsrechts - Einbeziehung in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage
Normenketten:
GrEStG § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 2 Nr. 3
BGB § 448 Abs. 2, § 464 Abs. 2, § 505
FGO § 52d, § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 135 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Übernahme der Notargebühren durch die Vorkaufsberechtigte stellt keine „sonstige Leistung“ iSd § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG dar, da sie nicht der Verkäuferin, sondern der Erstkäuferin und damit einem Dritten geschuldet ist. Die unmittelbare Zahlung an den Notar erfolgt ausschließlich zur Erfüllung des Anspruchs der Erstkäuferin gegen die Vorkaufsberechtigte mit schuldbefreiender Wirkung (§ 362 Abs. 2 BGB) und führt nicht zur Übernahme einer Verpflichtung der Verkäuferin. (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei den Notarkosten handelt es sich auch um keine Leistung, die die Vorkaufsberechtigte Dritten für den Verzicht auf das Grundstück gewährt (§ 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG). (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Grunderwerbsteuer, Notarkosten nach Ausübung eines Vorkaufsrechts, sonstige Leistungen
Rechtsmittelinstanz:
BFH München vom -- – II R 28/24
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstellen:
LSK 2024, 37363
DStR 2025, 642
DStRE 2025, 441
BeckRS 2024, 37363
Tenor
1. Der Bescheid über Grunderwerbsteuer vom 31.8.2021 (Steuer-Nr.: …) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.4.2023 wird abgeändert und die Grunderwerbsteuer auf 267.750,00 € festgesetzt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Einbeziehung von Notarkosten in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage nach Ausübung eines Vorkaufsrechts.
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Frau V (im Folgenden: die Verkäuferin) war Eigentümerin des Grundstücks FlSt. … der Gemarkung …, …Straße …, Wohn- und Bürogebäude, Nebengebäude, Hofraum zu … m² in XStadt. Dieses war mit einem Vorkaufsrecht zugunsten der Klägerin im Grundbuch belastet.
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Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 19.2.2021 erwarb die Fa. E GmbH & Co. KG (im Folgenden: die Erstkäuferin) das Grundstück zum Preis von 7.650.000 €. In Ziffer 8.1 des Kaufvertrages vom 19.2.2021 ist festgehalten, dass beide Vertragsteile berechtigt sind, vom schuldrechtlichen Teil des Vertrages zurückzutreten (mit Ausnahme der Kostenregelung in Ziffer 8.1 drittletzter Absatz), wenn der Vorkaufsberechtigte sein Vorkaufsrecht geltend macht. Zudem enthält der Vertrag in Ziffer 8.1, drittletzter Absatz, für die Ausübung des Vorkaufsrechts folgende Bestimmung zur Kostenregelung: „Sämtliche Kosten, die der Vorkaufsberechtigte nicht zu tragen hat und die durch die Rückabwicklung anfallenden Kosten und Steuern trägt der Verkäufer und sind ggf. dem Käufer zu erstatten. […] Der Verkäufer ist jedoch verpflichtet, sobald der Vorkaufsberechtigte das Vorkaufsrecht ausübt und der Kaufvertrag mit dem Vorkaufsberechtigten vollzogen wurde (Zahlung des Kaufpreises), dem (heutigen) Käufer (nicht jedoch dem Vorkaufsberechtigten) EUR 150.000,00 pauschal für die vergeblich aufgewandten Vertragskosten (Architekt, sonstige Berater, interne Kosten) auf Rechnungsstellung zu zahlen. […]“
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Die Kosten für die notarielle Beurkundung des Kaufvertrags vom 19.2.2021 betrugen 39.006,64 €.
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Mit Schreiben vom 22.3.2021 machte die Klägerin hinsichtlich des Grundstücks von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch. Der Kaufvertrag vom 19.2.2021 wurde nach Vertragsschluss zu einem nicht näher genannten Zeitpunkt durch Erklärung des in der Urkunde enthaltenen Rücktrittsrechts rückabgewickelt.
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Die notarielle Urkunde „Abwicklung eines von aufgrund einer Vorkaufsrechtsausübung zustande gekommenen Kaufvertrages“ zwischen der Verkäuferin und der Klägerin vom 4.5.2021 enthält in Ziffer 4 die Bestimmung, dass der Kaufpreis unverändert 7.650.000 € betrage und bereits bezahlt sei. In Ziffer 6 der Urkunde ist festgehalten, dass die im Zusammenhang mit der Beurkundung der Vorurkunde angefallenen Notarkosten in Höhe von 39.006,64 € der Einfachheit halber direkt von der Klägerin an den Notar für Rechnung der Firma E GmbH & Co. KG überwiesen wurden.
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Mit Bescheid vom 31.8.2021 setzte das Finanzamt (FA) für den Erwerb des Grundstücks Grunderwerbsteuer in Höhe von 269.115 € fest. In die Bemessungsgrundlage bezog es neben dem Kaufpreis von 7.650.000 € auch die zuzüglich übernommenen Notarkosten von 39.006 € ein.
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Mit Einspruch vom 2.9.2021 wandte sich die Klägerin gegen die Einbeziehung der Notarkosten in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 20.6.2023 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.
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Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, es handele sich bei den streitgegenständlichen Notarkosten nicht um eine sonstige Leistung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG). Mit Ausübung des Vorkaufsrechts sei der Vorkaufsberechtigte kraft Gesetzes verpflichtet, die Vertragskosten – und damit die Notarkosten – zu tragen. Diese erhöhten aber nicht die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer.
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Die Klägerin beantragt,
- 1.
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Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 31.8.2021 (StNr. …) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.4.2023 wird abgeändert und die Grunderwerbsteuer auf 267.750,00 € festgesetzt.
- 2.
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Hilfsweise: Die Revision wird zugelassen.
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Die Übernahme der Notarkosten ergebe sich aus dem notariellen Kaufvertrag vom 4.5.2021. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Übernahme sei nicht eindeutig zu erkennen. Die Notarkosten seien daher nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Bemessungsgrundlage zur Grunderwerbsteuer anzusetzen.
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Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen jeweils vom 7.10.2024 einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 90 Abs. 2 FGO zugestimmt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Grunderwerbsteuerakte des FA sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
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1. Das FA hat zu Unrecht die von der Klägerin auf Rechnung des Erstkäufers unmittelbar an den Notar erstatteten Beurkundungsgebühren in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer miteinbezogen. Die Klägerin hat durch die Erstattung der Notargebühren von 39.006,64 € auf Rechnung des Erstkäufers keine sonstige Leistung gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG für den Erwerb des Grundstücks erbracht.
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a) Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist nach § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung. Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben (Bundesfinanzhof (BFH), Urt. v. 8.3.2017 II R 38/14, BStBl II 2017, 1005). Bei einem Kauf gehören nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG auch die vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen zur Gegenleistung. Unter einer sonstigen Leistung versteht man alle Verpflichtungen des Käufers, die zwar nicht unmittelbar Kaufpreis für das Grundstück im zivilrechtlichen Sinne, aber gleichwohl Entgelt für den Erwerb des Grundstücks sind (BFH, Urt. v. 10.5.2017 II R 16/14, BStBl. II 2017, 964; BFH, Urt. v. 6.12.2017 II R 55/15, BStBl. II 2018, 406) . Die Übernahme der Verpflichtung setzt voraus, dass es sich um eine Verpflichtung des Verkäufers handelt und sich der Käufer verpflichtet, diese zu tragen. Eine vom Käufer übernommene sonstige Leistung kann auch dann vorliegen, wenn diese nicht dem Veräußerer selbst zufließt (BFH, Urt. v. 3.8.1988 II R 210/85, BStBl II 1988, 900). Leistungen des Erwerbers an Dritte, ohne dass eine Verpflichtung gegenüber dem Veräußerer vorliegt, gehören dagegen nur unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG zur Gegenleistung (Loose, in: Viskorf, GrEStG, 21. Auflage 2024, § 9 Rz. 571).
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Vor Ausübung des Vorkaufrechts hat grundsätzlich zunächst der Erstkäufer die Kosten für den Abschluss und die Durchführung des Erstvertrages gem. § 448 Abs. 2 BGB zu tragen. Hierzu gehören auch die Notargebühren für den Abschluss des Kaufvertrages vom 19. Februar 2021. Die Vertragsparteien können jedoch durch Vereinbarung von der gesetzlichen Kostenverteilung abweichen, was nach dem Kaufvertrag vom 29.2.2021 aber nicht der Fall ist.
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Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts kommt der Kauf zwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem Verpflichteten nach § 464 Abs. 2 BGB unter den Bestimmungen zustande, welche der Verpflichtete mit dem Dritten vereinbart hat. Nach Ausübung des Vorkaufsrechts sind nach h. M. Abschluss- und etwaige Durchführungskosten durch den Vorkaufsberechtigten zu tragen (BGH LM Nr. 2 zu § 505 BGB; BGH, Urt. v. 15.10.1981 III ZR 86/80, NJW 1982, 2068; BGH NJW 1983, 2024 (2025); Daum, in: Beck-Online.Großkommentar, Stand: 1.7.2024, § 464 BGB Rn. 24). Dies gilt auch soweit die Kosten durch den Erstkäufer bereits an den Notar gezahlt wurden. In diesem Fall ist der Vorkaufsberechtigte verpflichtet, dem Erstkäufer die von diesem bezahlten Notarkosten nach der Rückgriffskondiktion gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB zu ersetzen, weil sich der Vorkaufsberechtigte mit Ausübung des Vorkaufsrechts den schon beurkundeten Kaufvertrag zu Nutze gemacht hat und so die Bereicherung durch eine eigene Handlung herbeigeführt hat. Durch die Ausübung des Vorkaufsrechts fällt der Kaufvertrag auch nicht nachträglich oder rückwirkend weg. Der Kaufvertrag bleibt vielmehr weiterhin bestehen, so dass auch der rechtliche Grund für die Zahlung nicht weggefallen ist (Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 11. April 2012 16 U 226/10, RNotZ 2012, 443).
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b) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall sind die Notarkosten aus dem Erstkaufvertrag vom 19.2.2021 keine sonstige Leistung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und damit nicht Bestandteil der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer. Die Klägerin hat mit der Übernahme der Notargebühren keine Verpflichtung der Verkäuferin übernommen, sondern einen Anspruch der Erstkäuferin gegen sich selbst erfüllt.
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Die Übernahme der Notargebühren schuldet die Klägerin nicht der Verkäuferin, sondern der Erstkäuferin und damit einem Dritten. Mit der Zahlung an den Notar hat die Klägerin auch keine an sich der Verkäuferin obliegende Verpflichtung übernommen. Die Verkäuferin war weder beim Kauf durch die Erstkäuferin, noch beim Erwerb durch die Klägerin durch Ausübung des Vorkaufsrechts, Schuldnerin der Notarkosten. Die Notarkosten sind daher auch bei der Erstkäuferin nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen. Bei der unmittelbaren Zahlung der Klägerin an den Notar handelte es sich um die Leistung an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung des Anspruchs der Erstkäuferin gegen die Klägerin mit schuldbefreiender Wirkung (§ 362 Abs. 2 BGB). Die Klägerin hat sich auch nicht in der notariellen Urkunde vom 4.5.2021 gegenüber der Verkäuferin zur Übernahme der Notargebühren verpflichtet. Die Bestimmung in Ziffer 6 ist lediglich deklaratorischer Natur, ohne dass damit eine Verpflichtung der Klägerin gegenüber der Verkäuferin begründet werden sollte. Etwas Anderes kann auch nicht durch die im Erstkaufvertrag vom 19.2.2021 vorgesehene Bestimmung zur Kostentragung im Falle der Ausübung des Vorkaufsrechts gelten. Nach dem klaren Wortlaut des Kaufvertrages sind nur diejenigen Kosten durch die Verkäuferin zu tragen, die nicht durch die Vorkaufsberechtigte zu tragen und zu erstatten sind. Es entspricht nicht der Interessenlage der Parteien, dass die Verkäuferin gleichrangig neben der Vorkaufsberechtigten für die Notarkosten haften sollte.
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Bei den Notarkosten handelt es sich auch um keine Leistung, die die Klägerin Dritten für den Verzicht auf das Grundstück gewährt hat (§ 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG).
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c) Der Gesamtbetrag der Gegenleistung ist daher zur Berechnung der Grunderwerbsteuer um
39.006 € zu reduzieren und der Bescheid vom 17.6.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.4.2023 auf eine Steuerfestsetzung von 267.750 € abzuändern.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
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4. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).