Inhalt

VGH München, Beschluss v. 10.12.2024 – 7 C 24.1806
Titel:

Rechtsfolge bei Verletzung der Mitwirkungspflicht gem. § 18 Abs. 1 S. 1 ÄApprO

Normenketten:
ÄApprO § 18 Abs. 1
VwGO § 166 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Eine faktische Verhinderung durch einen Krankenhausaufenthalt allein reicht nach § 18 Abs. 1 S. 2 ÄApprO nicht als wichtiger Grund für einen Prüfungsrücktritt. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach § 18 Abs. 1 S. 1 ÄApprO muss ein entsprechender Rücktritt so konkret begründet und nachgewiesen werden, dass das Prüfungsamt prüfen kann, ob der Krankenhausaufenthalt während der Prüfung zwingend oder eine Verlegung zumutbar war (BeckRS 2024, 17915). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wird die Mitteilungspflicht im Rahmen des Prüfungsrechtsverhältnisses verletzt, bleibt die Note "ungenügend", selbst wenn objektiv ein wichtiger Grund für die Säumnis vorlag (BeckRS 2024, 17915). (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Prozesskostenhilfe, Rücktritt von der zweiten Wiederholungsprüfung des schriftlichen Teils des Ersten, Abschnitts der Ärztlichen, Prüfung, Krankenhausaufenthalt während der Prüfungstage und Anforderungen an die Begründungspflicht für den daran geknüpften Rücktritt, Mitwirkungspflicht, wichtiger Grund, Krankenhausaufenthalt, Prüfungsrücktritt
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 18.09.2024 – M 27 K 23.3206
Fundstelle:
BeckRS 2024, 36873

Tenor

I. Die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 18. September 2024 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren (Az.: M 27 K 23.3206) zu Recht abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Nach summarischer Prüfung ist auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht von offenen Erfolgsaussichten auszugehen. Zur Begründung nimmt der Senat auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts Bezug und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ergibt sich Folgendes:
2
Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann Prozesskostenhilfe nur bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint; dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Klage richtet sich gegen den Bescheid des Prüfungsamts zur Durchführung der Prüfungen nach der Approbationsordnung für Ärzte im Auftrag der Regierung von Oberbayern an der Ludwig-Maximilians-Universität (im Folgenden: Prüfungsamt) vom 30. Mai 2023, mit dem der Rücktritt des Klägers von der zweiten Wiederholungsprüfung des schriftlichen Teils des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung nicht genehmigt und das endgültige Nichtbestehen des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung gegenüber dem Kläger festgestellt wurde. Das Verwaltungsgericht hat die erforderlichen Erfolgsaussichten der hiergegen erhobenen Klage zutreffend mit der Begründung verneint, dass sie voraussichtlich unbegründet ist, weil es an der Darlegung der Erforderlichkeit des stationären Krankenhausaufenthalts gerade an den Prüfungstagen und deshalb an einem wichtigen Grund für den Prüfungsrücktritt fehlt.
3
Soweit der Kläger im Beschwerdeverfahren vorträgt, sein stationärer Krankenhausaufenthalt während des Prüfungszeitraums begründe für sich genommen einen wichtigen Grund für einen Rücktritt von der Prüfung, vermag er nicht durchzudringen. Unter einen wichtigen Grund i.S.v. § 18 Abs. 1 Satz 2 der Approbationsordnung für Ärzte vom 27. Juni 2002 – ÄApprO – (i.d. seit dem 27.6.2002 geltenden Fassung, BGBl I S. 2405) fallen alle Gesichtspunkte, die dagegensprechen, dass die Prüfung oder der Prüfungsabschnitt rechtlich – mit allen daran geknüpften Rechtsfolgen – gewertet wird (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.1982 – 7 C 119.81 – juris Rn. 10). Eine lediglich faktische Verhinderung infolge eines Krankenhausaufenthalts führt deshalb nach der Rechtsprechung noch nicht dazu, dass der Prüfungsteil gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 ÄApprO als nicht unternommen gilt. Diese Rechtsfolge wird nur dann ausgelöst, wenn es einen wichtigen Grund für die faktische Verhinderung gab (vgl. BayVGH, U.v. 4.12.2023 – 7 B 22.2267 – juris Rn. 17; vgl. insoweit auch BVerwG, B.v. 25.6.2024 – 6 B 7.24 – juris Rn. 17), mithin ein wichtiger Grund dafür vorlag, dass der stationäre Krankenhausaufenthalt gerade an den Prüfungstagen stattzufinden hatte.
4
Etwas Anderes kann entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus den Hinweisen des Prüfungsamts zum Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung mit Stand Juli 2022 abgeleitet werden, insbesondere nicht aus dem dortigen vom Kläger zitierten Satz: „Wer am Prüfungstag stationär in einem Krankenhaus behandelt wird, muss unverzüglich eine entsprechende Bescheinigung des Krankenhauses vorlegen.“ Die Hinweise des Prüfungsamts zum Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung geben nur allgemeine Informationen, was im Fall eines Rücktritts zu beachten ist, regeln aber nicht, wann ein wichtiger Grund für einen Rücktritt gegeben ist. Dementsprechend heißt es in den Hinweisen, dass das Rücktrittsgesuch vom Prüfungsamt nur genehmigt wird, wenn objektiv wichtige Gründe vorliegen. Der vom Kläger genannte Satz zeigt deshalb nur auf, dass im Fall einer stationären Behandlung am Prüfungstag eine entsprechende Bescheinigung des Krankenhauses vorzulegen ist, ohne damit, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend abstellt, eine stationäre Behandlung am Prüfungstag stets als wichtigen Grund anzuerkennen. Vor diesem Hintergrund beschränkt sich die Mitwirkungspflicht des Klägers nicht nur, wie er meint, auf die Vorlage einer Bescheinigung über den stationären Aufenthalt im Krankenhaus. Gemäß seiner Mitwirkungspflicht aus § 18 Abs. 1 Satz 1 ÄApprO hat er die Gründe für seinen Rücktritt durch hinreichend konkrete Angaben so zu benennen und nachzuweisen, dass das Prüfungsamt in die Lage versetzt wird, zu beurteilen, ob ein wichtiger Grund i.S.v. § 18 Abs. 1 Satz 3 ÄApprO vorliegt (vgl. BVerwG, B.v. 25.6.2024 – 6 B 7.24 – juris Rn. 15; BayVGH, U.v. 4.12.2023 – 7 B 23.1263 – juris Rn. 15), also ob der ärztliche Eingriff im Krankenhaus gerade während des Prüfungszeitraums erforderlich bzw. eine Verlegung auf einen Zeitpunkt davor oder danach zumutbar war. Entgegen dem Vortrag des Klägers ist es auch nicht so, dass er darauf nicht aufmerksam gemacht wurde. Mit E-Mail vom 28. März 2023 wurde der Kläger vom Prüfungsamt aufgefordert, bis 14. April 2023 entsprechende ärztliche Atteste vorzulegen, aus denen sich die medizinische Notwendigkeit der stationären Behandlung im Krankenhaus am Prüfungstag ergibt. Im Übrigen hat das Prüfungsamt auch mit Schreiben vom 23. August 2022, mit dem sein zweiter Rücktritt genehmigt wurde, gegenüber dem Kläger konkret verfügt, zukünftig im Fall eines krankheitsbedingten Rücktritts neben dem unverzüglichen schriftlichen Rücktrittsgesuch ein amtsärztliches Attest des zuständigen Gesundheitsamts einzureichen.
5
Dass sich der Kläger bei Erklärung seines Rücktritts einen Tag vor der Prüfung nicht bewusst war, gegenüber dem Prüfungsamt die Erforderlichkeit des stationären Krankenhausaufenthalts (gerade) an den Prüfungstagen darlegen zu müssen, ändert nichts an der Notwendigkeit dieser Voraussetzung für einen Rücktritt aus wichtigem Grund. Im Übrigen hätte es nahegelegen, dass der Kläger mit dem Prüfungsamt rechtzeitig vorab klärt, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen der stationäre Krankenhausaufenthalt als wichtiger Grund für die Nichtteilnahme an der Prüfung angesehen werden kann. Das gilt umso mehr, als es sich bei der Prüfung um die letzte Wiederholungsmöglichkeit handelte.
6
Soweit der Kläger erstmals im Klageverfahren mit Schriftsatz vom 18. März 2024 geltend macht, der Eingriff und die Behandlung der für ihn schmerzhaften Erkrankung hätten keinen Aufschub geduldet, ist diese Erklärung viel zu pauschal, um damit die Unzumutbarkeit der Verlegung des Operationstermins auf einen Zeitraum außerhalb der Prüfung beurteilen zu können. Im Übrigen folgt aus dem Arztbrief vom 16. März 2023, dass sich der Kläger bei Krankenhausaufnahme in gutem Allgemeinzustand befunden hat. Der erstmalige Vortrag in der Beschwerdebegründung vom 5. Dezember 2024, nach Mitteilung des Dermatologen hätte bei unterlassener Behandlung das Risiko einer Entartung des gutartigen Tumors bestanden, weshalb der Kläger ein schutzwürdiges Interesse daran gehabt habe, den Eingriff so bald wie möglich durchführen zu lassen, ist ebenso zu unsubstantiiert. Es wird auch damit nicht hinreichend klar, warum die 4. Teilexzision nicht vor den Prüfungstagen oder jedenfalls kurz nach der – im Übrigen an lediglich zwei Tagen stattfindenden – Prüfung möglich bzw. unzumutbar war. Wie vom Verwaltungsgericht nachvollziehbar ausgeführt, spricht zudem der Arztbrief vom 16. März 2023 für eine gewisse zeitliche Flexibilität, nachdem die vorangegangenen drei Teilexzisionen in den Jahren 2020, 2021 und 2022 erfolgten und die fünfte in ca. sechs Monaten nach Ausstellung der Bescheinigung empfohlen wird. Darüber hinaus fehlt es offensichtlich an der i.S.v. § 18 Abs. 1 Satz 1 ÄApprO unverzüglichen Geltendmachung dieser erstmals mit Schriftsatz vom 18. März 2024 bzw. mit Beschwerdebegründung vom 5. Dezember 2024 angeführten Aspekte und der unverzüglichen Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung gegenüber dem Prüfungsamt. Dabei trifft den Kläger ein erhebliches Verschulden gegen sich selbst, spätestens als er mit E-Mail des Prüfungsamts vom 28. März 2023 konkret dazu mit Frist zum 14. April 2023 aufgefordert wurde. Eine Verletzung der Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung hat im Übrigen regelmäßig zur Folge, dass es für den Prüfungsabschnitt oder Prüfungsteil auch dann bei der Note „ungenügend“ bleibt, wenn objektiv ein wichtiger Grund für die Säumnis vorgelegen hätte (vgl. BVerwG, B.v. 25.6.2024 – 6 B 7.24 – juris Rn. 15 m.w.N.).
7
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als im Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz fallen im Beschwerdeverfahren Gerichtskosten an, wobei allerdings Kosten nicht erstattet werden (§ 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO). Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
8
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).