Inhalt

VGH München, Urteil v. 16.12.2024 – 24 B 23.1800
Titel:

Waffenbesitz- und Waffenerwerbsverbot, Waffen, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, deren Erwerb der Erlaubnis bedarf, Gefahrenprognose, Unzuverlässigkeitsprognose, Gebotenheit i.S.v. § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG und § 41 Abs. 2 WaffG, Verhältnis von § 12 WaffG zu § 41 WaffG, „Reichsbürger“.

Normenketten:
WaffG § 1 Abs. 3
WaffG § 5
WaffG § 12
WaffG § 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 und 2
WaffG § 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
WaffG § 41 Abs. 2 Alt. 1 und 2
WaffG Anlage 2 zu § 2 Abs. 2 bis 4
BZRG § 10 Abs. 1 S. 2
WaffRG § 5 Nr. 5 Buchst. d
Leitsätze:
1. Waffen, deren Erwerb i.S.v. § 41 Abs. 1 Satz 1 (Einleitungssatz) WaffG nicht der Erlaubnis bedarf, sind diejenigen Waffen, die gemäß Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. Nrn. 1 und 2 Unterabschnitt 2 der Anlage 2 zu § 2 Abs. 2 bis 4 WaffG „von der Erlaubnispflicht freigestellt sind“. Ferner erfasst § 41 Abs. 1 Satz 1 (Einleitungssatz) WaffG Waffen in Form der tragbaren Gegenstände i.S.v. § 1 Abs. 2 Nr. 2 WaffG i.V.m. Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG, soweit der Umgang mit ihnen nicht nach Abschnitt 1 der Anlage 2 verboten ist. Auf Tatbestände der Erwerbs-Erlaubnisfreiheit nach dem Waffengesetz, die Waffen betreffen, die nicht im vorstehenden Sinne „von der Erlaubnispflicht freigestellt sind“, ist hingegen nicht § 41 Abs. 1 Satz 1 (Einleitungssatz) WaffG, sondern § 41 Abs. 2 WaffG anwendbar.
2. Eine Gefahr i.S.v. § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WaffG und i.S.v. § 41 Abs. 2 Alt. 1 WaffG ist anzunehmen, wenn ohne Untersagung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Zustand eintreten würde, der eine konkrete Gefahr für die Sicherheit – also die Rechtsgüter, die als öffentliche Sicherheit herkömmlich das Gefahrenabwehrrecht prägen – darstellen würde. Die Gefahr selbst muss nicht schon konkret sein; es muss sich wegen der im Gesetz genannten Gebotenheit der Untersagung aber um eine Gefahr mit höherer Dringlichkeit handeln.
3. Nicht jede Form der Unzuverlässigkeit nach § 5 WaffG berechtigt zur Annahme einer Gefahr i.S.v. § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WaffG und i.S.v. § 41 Abs. 2 Alt. 1 WaffG.
Schlagworte:
Waffenbesitz- und Waffenerwerbsverbot, Waffen, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, deren Erwerb der Erlaubnis bedarf, Gefahrenprognose, Unzuverlässigkeitsprognose, Gebotenheit i.S.v. § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG und § 41 Abs. 2 WaffG, Verhältnis von § 12 WaffG zu § 41 WaffG, „Reichsbürger“.
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 18.04.2023 – RN 4 K 22.1247
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstelle:
BeckRS 2024, 36867

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers hin werden das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 18. April 2023 – RN 4 K 22.1247 – und der Bescheid des Beklagten vom 29. März 2022 aufgehoben.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

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Der Kläger, dem aus beruflichen Gründen 2016 ein Kleiner Waffenschein erteilt worden war, wendet sich gegen die Anordnung eines Waffenerwerbs- und Waffenbesitzverbots für erlaubnisfreie und erlaubnispflichtige Waffen.
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Mit Schreiben vom 28. Januar 2022 teilte die Kriminalpolizeiinspektion mit Zentralaufgaben (im Folgenden: Kriminalpolizei) dem Landratsamt K. (im Folgenden: Landratsamt) mit, der Kläger werde der „Reichsbürgerbewegung“ zugerechnet. Es sei bekannt, dass er im Jahr 2015 einen Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit gestellt habe, in dem er angegeben habe, im Königreich Sachsen geboren zu sein; der Staatsangehörigkeitsausweis sei ihm ausgestellt worden. Im März 2016 habe der Kläger bei der Gemeinde seinen Personalausweis zurückgegeben. Im Oktober 2021 habe sein Arbeitgeber der Polizei mitgeteilt, ein anonymes Schreiben erhalten zu haben, in dem der Kläger als „rechtsradikaler Reichsbürger“ bezeichnet werde, der „uns (…) in Angst und Schrecken“ versetze. Er habe zudem vertraulich Unterlagen zugespielt bekommen, die von einem Datenträger (USB-Stick) des Klägers stammten. Zu der daraufhin erfolgten telefonischen polizeilichen Anhörung vermerkt der polizeiliche Bericht u.a., dass der Kläger „sich in Fachbüchern informiert habe, eines heiße ‚Geheimsache Staatsangehörigkeit‘. Dies war aber erst nach der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises. Das Buch behandle das ganze Thema und sei auch offiziell mit Quellen und so weiter belegt (…) Gefragt danach, ob er einen Personalausweis habe, verneinte dies [der Kläger] und erklärte, dass er diesen abgeben musste, weil da falsche Daten draufstehen. Das steht so im Personalausweisgesetz.“
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Vor dem Hintergrund dieser Mitteilung hörte das Landratsamt den Kläger zu einem beabsichtigten Widerruf seines Kleinen Waffenscheins sowie zum Erlass eines beabsichtigten Waffenbesitzverbotes an. Mit Schreiben vom 17. Februar 2022 gab der Kläger seinen Kleinen Waffenschein beim Landratsamt zurück, äußerte sich aber im Übrigen nicht.
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Mit Bescheid vom 29. März 2022 untersagte das Landratsamt dem Kläger den Erwerb und den Besitz von erlaubnisfreien Waffen und erlaubnisfreier Munition sowie den Besitz von Waffen und Munition, deren Erwerb der Erlaubnis bedarf (Nr. 1). Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet (Nr. 2). Der Bescheid wurde hinsichtlich des erlaubnisfreie Waffen betreffenden Verbots sowohl auf § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG als auch § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG, hinsichtlich des erlaubnispflichtige Waffen betreffenden Verbots auf § 41 Abs. 2 WaffG gestützt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen darauf verwiesen, dass der Kläger der „Reichsbürgerszene“ zuzuordnen sei und ihm deshalb die Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und c WaffG fehle.
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Die vom Kläger hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Beim Kläger lägen Umstände vor, die auf eine ideologische Nähe zur „Reichsbürgerbewegung“ schließen ließen. Die dadurch begründeten Zweifel an seiner waffenrechtlichen Zuverlässigkeit habe der Kläger nicht zu entkräften vermocht. Die Anordnungen seien auch ermessensgerecht.
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Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung wendet sich der Kläger gegen das Urteil und beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Bescheid aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen,
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und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die Behördenakte sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist begründet.
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A. Der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Tatbestandsvoraussetzungen für die ausgesprochenen Verbote liegen nicht vor. Die erstinstanzliche Entscheidung und der Bescheid sind deshalb aufzuheben.
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I. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Waffenerwerbs- und der Waffenbesitzverbote ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, weil beide Verbote Dauerverwaltungsakte sind. Maßgebliche Rechtsgrundlage für den Bescheid ist daher § 41 des Waffengesetzes (WaffG) i.d.F. d. Bek. vom 11. Oktober 2002 (BGBl I S. 3970, ber. S. 4592 und 2003 I S. 1957), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Oktober 2024 (BGBl I Nr. 332).
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II. Das Besitz- und Erwerbsverbot für erlaubnisfreie Waffen in Nummer 1 des angegriffenen Bescheids kann weder auf § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG (1.) noch auf § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG gestützt werden (2.). Die Vorschrift soll nachteiligen Folgen von Waffenbesitz vorbeugen. § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG nimmt hierfür vorrangig die Verhütung von Gefahren durch nicht ordnungsgemäßes Verhalten von Waffenbesitzern, § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG die fehlende Vertrauenswürdigkeit im Hinblick auf die erforderlichen persönlichen Voraussetzungen in den Blick (vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 76; Nr. 41.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz (WaffVwV) i.d.F. d. Bek. vom 5.3.2012 (BAnz Beil Nr. 47a); BVerwG, U.v. 22.8.2012 – 6 C 30.11 – juris Rn. 36; BayVGH, B.v. 4.3.2021 – 24 ZB 20.3095 – juris Rn. 10; VG Bremen, B.v. 3.4.2020 – 2 V 2841/19 – juris Rn. 35; Gerlemann in Steindorf, Waffenrecht, 11. Aufl. 2022, § 41 Rn. 5).
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1. Die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG liegen nicht vor. Es geht vom Kläger hinsichtlich solcher Waffen, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, weder eine zu verhütende Gefahr für die Sicherheit aus (Alt. 1) noch ist die Untersagung zur Kontrolle des Umgangs mit diesen Gegenständen geboten (Alt. 2). Beide Alternativen lassen sich im Einzelfall zwar nicht trennscharf, im Allgemeinen aber insoweit voneinander unterscheiden, als die erste Alternative insbesondere Personen in den Blick nimmt, die erwerbs-erlaubnisfreie Waffen bei der Begehung von Gewalttaten missbräuchlich verwenden könnten (vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 76), die zweite solche Gefahren, die mit einem (nur) regelwidrigen Umgang i.S.d. § 1 Abs. 3 WaffG verbunden sind; in diesem Fall werden häufig auch die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG vorliegen.
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a) Waffen, deren Erwerb i.S.v. § 41 Abs. 1 Satz 1 (Einleitungssatz) WaffG nicht der Erlaubnis bedarf, sind – vom Sonderfall der Harpunengeräte nach Abschnitt 3 Unterabschnitt 1 der Anlage 2 zu § 2 Abs. 2 bis 4 WaffG abgesehen – diejenigen Waffen, die gemäß Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. Nrn. 1 und 2 Unterabschnitt 2 der Anlage 2 „von der Erlaubnispflicht freigestellt sind“. Dies ergibt sich aus Satz 1 Halbs. 1 des Abschnitts 2 Unterabschnitt 1 der Anlage 2, demzufolge an sich eine Erlaubnispflicht für jeden Erwerb (als insoweit für die hier maßgebliche Variante des dort genannten Umgangs i.S.d. § 1 Abs. 3 WaffG) eines Gegenstands besteht, der als Schusswaffe (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 WaffG) oder ihr durch Gesetz gleichgestellter Gegenstand (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 WaffG) oder wesentlicher Teil von Schusswaffen u.ä. in Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nrn. 1 bis 4.3 der Anlage 1 genannt ist. Ferner erfasst § 41 Abs. 1 Satz 1 (Einleitungssatz) WaffG Waffen in Form der tragbaren Gegenstände i.S.v. § 1 Abs. 2 Nr. 2 WaffG i.V.m. Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 der Anlage 1, soweit der Umgang mit ihnen nicht ohnehin nach Abschnitt 1 der Anlage 2 verboten ist. Denn mit Ausnahme des verbotenen Umgangs (§ 2 Abs. 3 WaffG) unterliegen tragbare Gegenstände im Umkehrschluss zu § 2 Abs. 2 WaffG i.V.m. Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 der Anlage 2 (dort sind tragbare Gegenstände nicht genannt) keiner Erwerbs-Erlaubnispflicht.
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Auf Tatbestände der Erwerbs-Erlaubnisfreiheit nach dem Waffengesetz, die Waffen betreffen, die nicht im vorstehenden Sinne „von der Erlaubnispflicht freigestellt“ und deshalb nicht in den Nrn. 1, 2, 2a und 2b Unterabschnitt 2 der Anlage 2 genannt sind, ist hingegen nicht § 41 Abs. 1 Satz 1 (Einleitungssatz) WaffG, sondern § 41 Abs. 2 WaffG anwendbar. Das betrifft insbesondere die von § 12 Abs. 1 und Abs. 2 WaffG normierten Situationen (vgl. Nr. 41.2 Satz 1 Halbs. 2 WaffVwV; HessVGH, U.v. 12.10.2017 – 4 A 626/17 – juris Rn. 59; VG Bremen, B.v. 3.4.2020 – 2 V 2841/19 – juris Rn. 37; Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 41 Rn. 9; s. a. Rn. 31; anders noch im Rahmen eines Eilverfahrens BayVGH, B.v. 8.5.2023 – 24 CS 23.785 – juris Rn. 28).
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Dafür, die Anwendungsbereiche von § 41 Abs. 1 und Abs. 2 WaffG durch eine abstrakt-waffenspezifische Differenzierung (ist die Waffe, deren Besitz verboten werden soll, in den Nrn. 1, 2 des Unterabschnitts 2 der Anlage 2 genannt oder nicht) und nicht durch eine jeweils konkret-umgangsspezifische Betrachtung voneinander abzugrenzen, spricht der Wortlaut des § 41 WaffG, der auf Waffen und Munition gerichtet ist und auch die Überschrift des Abschnitts 2 der Anlage 2, die die Kategorie der erlaubnispflichtigen Waffen einführt (vgl. auch Nr. 2.2 WaffVwV). Für dieses Verständnis spricht ebenfalls Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 Nr. 1 der Anlage 2, der den erlaubnisfreien Erwerb und Besitz für bestimmte Arten von Waffen und Munition festlegt und nicht auf konkrete Umgangssituationen abstellt. Außerdem verbleibt nur bei diesem Verständnis für § 41 Abs. 2 WaffG ein eigenständiger Anwendungsbereich, namentlich hinsichtlich der Untersagung des vorübergehenden Besitzes von Waffen zum Schießen auf einer Schießstätte i.S.v. § 12 Abs. 1 Nr. 5 WaffG, da der dort normierte vorübergehende Erwerb nahtlos in Besitz übergeht (einer von einem Verbot nach § 41 WaffG von vorherein nicht erfassten Schießerlaubnis bedarf es in Abweichung von § 10 Abs. 5 WaffG wegen § 12 Abs. 4 WaffG nicht).
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b) Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WaffG kann die Waffenbehörde jemandem den Besitz und den Erwerb der genannten Waffen untersagen, soweit es zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit geboten ist.
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aa) (1) Eine Gefahr in diesem Sinn ist anzunehmen, wenn ohne Untersagung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Zustand eintreten würde, der eine konkrete Gefahr für die Sicherheit – also die Rechtsgüter, die als öffentliche Sicherheit herkömmlich das Gefahrenabwehrrecht prägen (vgl. BVerwG, U.v. 22.8.2012 – 6 C 30.11 – juris Rn. 31; BayVGH, B.v. 4.3.2021 – 24 ZB 20.3095 – juris Rn. 10) – darstellen würde. Die Gefahr selbst muss deshalb nicht schon konkret sein, weil das Gesetz andernfalls nicht von Verhütung sprechen würde (vgl. zum Begriff der Verhütung in § 1 Abs. 5 BPolG Graulich in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 Rn. 19; vgl. auch Gornig in Huber/Voßkuhle, GG, 8. Aufl. 2024, Art. 13 Rn. 158). Allerdings muss wegen der vom Wortlaut verlangten Gebotenheit der Untersagung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts die anzunehmende Gefahr eine mit höherer Dringlichkeit sein (BVerwG, U.v. 22.8.2012 – 6 C 30.11 – juris Rn. 33). Letztlich bewirkt bei diesem Verständnis das Tatbestandsmerkmal der Gebotenheit eine gewisse Erhöhung der notwendigen Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts; die Prüfung der Gebotenheit ist insoweit integraler Bestandteil der Gefahrenprognose. Auf diese Weise wird auch der nicht unerheblichen Eingriffsintensität eines Verbots nach § 41 Abs. 1 Satz 1 WaffG Rechnung getragen, das den Betroffenen in seiner Handlungsfreiheit im Vergleich zu jedem anderen Erwachsenen (vgl. § 2 Abs. 1 WaffG) oder bestimmten Kindern und Jugendlichen (vgl. § 3 WaffG) beschränkt (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 6 C 36.15 – juris Rn. 20).
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(2) Bei der Vornahme der Gefahrenprognose ist erstens zu beachten, dass – obwohl Besitz oder Erwerbswillen nur bei § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Tatbestandsmerkmal ist (vgl. Rn. 29 f.) – sie auf tatsächlicher Ebene vielfach nicht ohne die Feststellung zumindest einer gewissen Affinität des Betroffenen zu solchen Waffen oder eines Bezugs zu einschlägigen Milieus getroffen werden können wird.
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Zweitens ist zu beachten, dass eine Gefahrenprognose i.S.v. § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WaffG nicht mit einer Unzuverlässigkeitsprognose i.S.v. § 5 WaffG identisch ist, auch wenn sie zum gleichen Ergebnis führen kann. Es gibt keinen unbedingten Gleichlauf zwischen einer etwaigen Unzuverlässigkeit nach § 5 WaffG (und einem hierauf gestützten Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis nach § 45 Abs. 2 WaffG) einerseits sowie einer Untersagung nach § 41 Abs. 1 WaffG andererseits (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 10.1.2020 – 11 ME 365/19 – juris Rn. 12 f. für § 41 Abs. 2 WaffG; Gerlemann in Steindorf, Waffenrecht, 11. Aufl. 2022, § 41 Rn. 5: Zuverlässigkeitskriterien als Anhaltspunkt). Nicht jede Form der Unzuverlässigkeit berechtigt zur Annahme einer Gefahr im vorstehenden Sinn. Es ist gesondert zu würdigen, ob im konkreten Fall einschlägiges Verhalten, das für die Bejahung der Unzuverlässigkeit i.S.v. § 5 WaffG genügt, zudem auch eine Bejahung der Gefahr i.S.v. § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WaffG tragen kann. Das verkennt das Verwaltungsgericht, wenn es ohne jede differenzierte Befassung mit den Tatbestandsmerkmalen der Norm aus der begründeten waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit offenbar auf die Rechtmäßigkeit einer Untersagung § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG schließt (UA, S. 9).
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Der fehlende Gleichlauf zwischen § 5 WaffG und § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WaffG ist zum einen Folge der unterschiedlichen Bezugspunkte der Prognosen – erlaubnispflichtige Waffen hier, erlaubnisfreie Waffen dort (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2024 – 24 CS 23.1872 – juris Rn. 15). Zum anderen zeigt schon die amtliche Überschrift der Norm („für den Einzelfall“), dass Waffenbesitzverbote nicht als typische Nebenanordnung einer (meist auf Unzuverlässigkeit gestützten) Widerrufsentscheidung konzipiert sind. Schließlich ist auch nur bei diesem Verständnis die Differenzierung innerhalb des § 41 Abs. 1 Satz 1 zwischen dem Gefahrentatbestand (Nr. 1) und dem Unzuverlässigkeitstatbestand (Nr. 2) verständlich, der die Unzuverlässigkeit nur im Zusammenspiel mit Besitz oder Erwerbswillen für eine Untersagung genügen lässt.
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(3) Vor diesem Hintergrund ist eine Gefahr mit höherer Dringlichkeit namentlich dann anzunehmen, wenn der Betroffene durch gefahrgeneigtes Verhalten aufgefallen ist, er beispielsweise eine Straftat begangen hat, aus der auf eine rohe oder gewalttätige Gesinnung geschlossen werden kann oder die zumindest nicht selten unter Mitführen oder Anwendung von insbesondere erlaubnisfreien Waffen verwirklicht wird (vgl. BVerwG, U.v. 22.8.2012 – 6 C 30.11 – juris Rn. 34 i.V.m. Rn. 31; s.a. Nr. 41.3 WaffVwV).
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bb) Im vorliegenden Fall geht vom Kläger keine Gefahr im vorstehenden Sinn aus. Es kann nicht angenommen werden, dass er mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit einschlägige Rechtsgüter durch den Einsatz an sich erlaubnisfreier Waffen schädigen, er also insbesondere durch missbräuchliche Verwendung erlaubnisfreier Waffen Dritte verletzen wird. Allein der Umstand, dass der Kläger wegen seiner „reichsbürgertypischen“ Äußerungen für erlaubnispflichtige Waffen unzuverlässig nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG ist – insoweit bestehen auch unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrags im Berufungsverfahren gegen die Einschätzung des Verwaltungsgerichts keine Bedenken –, genügt, wie dargelegt, nicht ohne Weiteres, um eine entsprechende Gefahr im § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WaffG anzunehmen. Die schlichte Zuordnung des Klägers zum sehr heterogenen Phänomenbereich der „Reichsbürger“ (vgl. Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration, Verfassungsschutzinformationen Bayern 1. Halbjahr 2024, S. 40) genügt hierfür nicht (vgl. a. BayVGH, B.v. 30.1.2024 – 24 CS 23.1872 – juris Rn. 14). Es liegen keine tatsächlichen Erkenntnisse vor, dass etwa eine einschlägige rohe Gesinnung trotz aller Unterschiede und Ausprägungen des Phänomenbereichs ein gemeinsames Charakteristikum von „Reichsbürgern“ ist (vgl. a. BayVGH, B.v. 8.5.2023 – 24 CS 23.785 – juris Rn. 28; BVerwG, U.v. 2.12.2021 – 2 A 7/21 – juris Rn. 33). Ein individuelles (Vor-)Verhalten des Klägers, das eine entsprechende Gefahrenprognose rechtfertigen könnte, ist nicht bekannt. Er hat weder eine Straftat begangen, aus der auf eine rohe oder gewalttätige Gesinnung oder eine Schwäche zu schließen ist, sich zu Gewalttaten hinreißen zu lassen, noch hat der Kläger eine Straftat mit Hilfe oder unter Mitführen von Waffen oder eine Straftat begangen, die nicht selten unter Mitführen oder Anwendung von Waffen verwirklicht wird. Eine mit dem Kläger „nicht hinnehmbare Gefahrensituation“ (BVerwG, U.v. 22.8.2012 – 6 C 30.11 – juris Rn. 33 zu § 42 Abs. 2 WaffG, aber, wegen Rn. 31, übertragbar auch für § 42 Abs. 1 WaffG) ist deshalb nicht anzunehmen.
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c) Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WaffG vorliegen könnten und die Untersagung zur Kontrolle des Umgangs (vgl. § 1 Abs. 3 WaffG) mit erlaubnisfreien Waffen geboten ist. Anhaltspunkte, dass der Kläger einen regelwidrigen Umgang mit solchen Waffen an den Tag legen wird, sie etwa Nichtberechtigten überlassen (vgl. § 34 WaffG) oder nach § 36 WaffG erforderliche Vorkehrungen außer Acht lassen würde (in diese Richtung Gerlemann in Steindorf, Waffenrecht, 11. Aufl. 2022, § 41 Rn. 5; zur Vorgängernorm vgl. BVerwG, U.v. 6.12.1978 – I C 94.76 – juris 15 f.), bestehen nicht.
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2. Das erlaubnisfreie Waffen betreffende Besitz- und Erwerbsverbot nach Nummer 1 des angegriffenen Bescheids kann auch nicht auf § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG gestützt werden. Es kann offenbleiben, ob mit Blick auf den jüngst durch Gesetz vom 25. Oktober 2024 (BGBl I Nr. 332) eingefügten Satz 2 des § 41 Abs. 1 WaffG die für den Kläger wegen seiner „reichsbürgertypischen“ Äußerungen bestehende Unzuverlässigkeit hinsichtlich erlaubnispflichtiger Waffen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG auch die in § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG verlangte Unzuverlässigkeit für den Erwerb oder Besitz gerade von erlaubnisfreien Waffen („solcher Waffen“) begründen kann (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 8.5.2023 – 24 CS 23.785 – juris Rn. 28). Denn jedenfalls besteht kein Grund zur Annahme, dass der Kläger Besitzer solcher Waffen ist oder einen hierauf gerichteten Erwerbswillen hat.
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a) Ein Erwerbswille ist gegeben, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, der Betroffene wolle künftig in den Besitz solcher Waffen oder Munition gelangen (vgl. VGH BW, U.v. 12.5.2021 – 6 S 2193/19 – juris Rn. 117; OVG Hamburg, U.v. 11.1.2011 – 3 Bf 197/09 – juris Rn. 36 f.; VG Sigmaringen, U.v. 20.7.2022 – 6 K 965/21 – juris Rn. 46) und habe hierzu auch Gelegenheit (vgl. für eine Haftsituation OVG Hamburg, U.v. 11.1.2011 – 3 Bf 197/09 – juris Rn. 39). Ausreichend ist, wenn eine durch Tatsachen gerechtfertigte Erwartung – im Sinn einer allgemeinen Besorgnis – besteht, die betroffene Person werde im maßgeblichen Zeitraum voraussichtlich fortbestehender Unzuverlässigkeit oder fehlender Eignung in den Besitz von Waffen oder Munition gelangen wollen (vgl. OVG Hamburg, U.v. 11.1.2011 – 3 Bf 197/09 – juris Rn. 37; VG Sigmaringen, U.v. 7.2.2017 – 2 K 2923/16 – juris Rn. 33, 37). Mit Blick auf den durch das Waffengesetz erstrebten Rechtsgüterschutz („Je-desto-Formel“) sind die Anforderungen an solche konkreten Anhaltspunkte nicht hoch (vgl. allgemein BayVGH, B.v. 24.4.2023 – 24 CS 23.412 – juris Rn. 15). Nicht notwendig ist hingegen, dass die betreffende Person einen Erwerbswillen geäußert hat oder ein solcher Wille trotz ausdrücklicher Verneinung nachweislich besteht. Der Erwerb muss auch nicht aktuell gewollt oder jedenfalls in absehbarer Zeit zu erwarten sein.
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b) Solche Tatsachen sind vorliegend von der Waffenbehörde weder ermittelt (vgl. zur Pflicht der Sachverhaltsaufklärung nach Maßgabe des Art. 24 BayVwVfG mit den Beweismitteln nach Art. 26 BayVwVfG BayVGH, B.v. 5.11.2024 – 24 CS 24.948 – juris Rn. 35 ff.) noch sind sie anderweitig ersichtlich. Alleine der Umstand, dass der Kläger in der Vergangenheit über einen Kleinen Waffenschein verfügte, ist keine Tatsache, die ohne Weiteres auch die Annahme eines Erwerbswillens für erlaubnisfreie Waffen oder Munition für die Gegenwart rechtfertigt, zumal der Kläger die Waffe aus (wohl inzwischen nicht mehr maßgeblichen) beruflichen Gründen benötigt hatte und den Kleinen Waffenschein – wenngleich auch erst anlässlich der Anhörung – freiwillig zurückgeben hat. Eine anderweitige gesteigerte Affinität zu Waffen oder eine ausgeprägte Konfliktbereitschaft, die möglicherweise Anhaltspunkte für eine bestehende Erwerbserwartung darstellen könnten (vgl. hierzu OVG Hamburg, U.v. 11.1.2011 – 3 Bf 197/09 – juris Rn. 38; VG Sigmaringen, U.v. 20.7.2022 – 6 K 965/21 – juris Rn. 46), ist nicht erkennbar. Auch ist nicht bekannt, dass der Kläger einer waffenaffinen Gruppierung angehört oder zumindest nahesteht (vgl. für die Zugehörigkeit zu einem Rockerclub VGH BW, U.v. 12.5.2021 – 6 S 2193/19 – juris Rn. 118). Seine Nähe zur „Reichsbürgerbewegung“ genügt hierfür wegen deren Heterogenität nicht ohne Weiteres. Es liegen keine tatsächlichen Erkenntnisse vor, die die Annahme rechtfertigen, „Reichsbürger“ hätten generell einen Erwerbswillen für erlaubnisfreie Waffen (vgl. auch Rn. 26 für die Gefahrenprognose). Andere Umstände des Einzelfalls sind vorliegend nicht erkennbar und wurden vom Beklagten auch nicht geltend gemacht.
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III. Das Besitzverbot der Nummer 1 des angegriffenen Bescheids hinsichtlich erlaubnispflichtiger Waffen ist ebenfalls rechtswidrig. Es kann nicht auf § 41 Abs. 2 WaffG gestützt werden. Die Vorschrift soll beispielsweise noch vor Erlass einer Aufhebungsentscheidung oder jedenfalls vor Ablauf einer „Rückgabe-Frist“ nach § 46 Abs. 2 WaffG (i.V.m. § 46 Abs. 4 Nr. 1 WaffG) eine umgehende Sicherstellung von Waffen, deren Erwerb nicht erlaubnisfrei ist, ermöglichen (vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 77; Nr. 41.1 WaffVwV; BVerwG, U.v. 22.8.2012 – 6 C 30.11 – juris Rn. 36) oder einem Informationsverlust in einem etwaig späteren Erlaubnisverfahren durch Dokumentation vorbeugen, wenn einschlägige Erkenntnisse vorliegen, aber eine waffenrechtliche Erlaubnis weder beantragt wurde noch vorliegt oder hierauf verzichtet wurde (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 6 C 36.15 – juris Rn. 11 ff./16, s. aber nunmehr § 10 Abs. 1 Satz 2 BZRG und § 5 Nr. 5 Buchst. d WaffRG). Der praktische Hauptanwendungsfall dürfte aber darin liegen, zu verhindern, dass Betroffene die Privilegierungen nach § 12 WaffG hinsichtlich erlaubnispflichtiger Waffen in Anspruch nehmen können (vgl. Rn. 18).
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1. § 41 Abs. 2 Alt. 1 WaffG verlangt – wie § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WaffG – eine Gefahrenprognose (vgl. Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 41 Rn. 10). Maßgeblich ist auch hier, ob der Betreffende mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit durch einen missbräuchlichen Umgang – nun aber mit erlaubnispflichtigen Waffen – Dritte verletzen wird (vgl. Rn. 20 ff.). Auch hier besteht, anders als das Verwaltungsgericht ohne nähere Begründung annimmt (UA, S. 10), kein unbedingter Gleichlauf zwischen Unzuverlässigkeit und Gefährlichkeit, obwohl bei § 41 Abs. 2 Alt. 1 WaffG – im Unterschied zu § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WaffG – die Prognose auf die gleichen Waffen gerichtet ist wie im Rahmen der Unzuverlässigkeitsprognose nach § 5 WaffG (vgl. SächsOVG, B.v. 20.3.2015 – 3 A 268/14 – juris Rn. 7 f.; VG Sigmaringen, U.v. 7.2.2017 – 2 K 2923/16 – juris Rn. 39). Das ergibt sich zum einen, wie schon bei § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WaffG, aus dem Erfordernis der Gebotenheit (vgl. Rn. 21). Zum anderen folgt das aus dem Umstand, dass § 41 Abs. 2 WaffG von vornherein nur Relevanz hat, wenn es an den allgemeinen Voraussetzungen für Waffenerlaubnisse (§§ 4 ff. WaffG) fehlt, der Gesetzgeber aber nur von einem Verbot im Einzelfall ausgeht. Nichts anderes ergibt sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 22. August 2012 – 6 C 30.11 – (juris Rn. 35). Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung ein Waffenverbot nach § 41 Abs. 2 WaffG (auch) deshalb als „geboten“ erachtet, „weil der Kläger bereits nicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis erfüllt“. Aus dem Kontext der Entscheidung lässt sich aber nicht entnehmen, dass es sich bei der zitierten Stelle um eine generelle norminterpretierende Aussage handelt. Vielmehr bildet sie das Subsumtionsergebnis für den konkret zu entscheidenden Sachverhalt. Dort handelte es sich beim Kläger um einen mehrfach wegen Raubes verurteilten Straftäter, der wiederholt Prostituierte mit Totschlägern und Elektroschockern bedroht hatte, so dass fraglos gleichermaßen von Unzuverlässigkeit wie von Gefährlichkeit auszugehen war (vgl. hierzu auch VG Sigmaringen, U.v. 7.2.2017 – 2 K 2923/16 – juris Rn. 39). Entsprechend allgemeiner heißt es auch in einer jüngeren Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. November 2016 – 6 C 36.15 – (juris Rn. 19) nur, dass die zuständige Behörde „in der Regel zu prüfen haben (wird), ob auch ein Waffenbesitzverbot in Betracht kommt“, wenn „mangels waffenrechtlicher Zuverlässigkeit oder Eignung die Voraussetzungen für einen Widerruf der Erlaubnis nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG vor(liegen)“.
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Im Ergebnis ist damit für die Rechtmäßigkeit einer Untersagung nach § 41 Abs. 2 Alt. 1 WaffG auf der Ebene des Gefahrentatbestands – wie bei § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WaffG – ein Sachverhalt zu verlangen, der durch Affinität zu erlaubnispflichtigen Waffen und gefahrgeneigtes Verhalten („rohe Gesinnung“) des Betroffenen geprägt ist (vgl. in diese Richtung VG Freiburg, U.v. 2.7.2019 – 3 K 5562/18 – juris Rn. 51).
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b) Eine solche Situation ist vorliegend nicht gegeben. Der Kläger hat, soweit ersichtlich, in der Vergangenheit weder erlaubnispflichtige Waffen besessen oder beantragt und mit ihnen auch keinen anderweitigen Umgang, beispielsweise auf dem Schießstand, gehabt. Er verfügte bis zur – anlässlich der Anhörung – freiwillig erfolgten Rückgabe lediglich über einen Kleinen Waffenschein i.S.v. § 10 Abs. 5 WaffG, der es ihm gestattete, erlaubnisfrei erwerb- und besitzbare Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen zu führen, also insbesondere außerhalb der eigenen Wohnung die tatsächliche Gewalt i.S.v. Abschnitt 2 Nr. 4 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG über sie auszuüben. Diesem bedurfte der Kläger für seine berufliche Tätigkeit im Rahmen eines Wachgewerbes, die, soweit ersichtlich, nicht mehr ausgeübt wird. Missbräuchliche Verwendung oder andere Auffälligkeiten sind nicht bekannt geworden. Auch die schlichte Nähe zur „Reichsbürgerbewegung“, die zumal im Kern offenbar schon einige Jahre zurückliegt, lässt nicht erkennen, dass der Kläger in den Besitz von erlaubnispflichtigen Waffen kommen könnte oder auch nur wollte. Es gibt keine Anzeichen für eine gewalttätige Gesinnung des Klägers, einschlägige Straftaten oder für einen Kontakt zu einschlägigem Milieu.
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2. Die Untersagung ist auch nicht i.S.d. § 41 Abs. 2 Alt. 2 WaffG zur Kontrolle des Umgangs mit erlaubnispflichtigen Waffen geboten. Auch ein Verbot nach § 41 Abs. 2 Alt. 2 WaffG ist aus den gleichen Gründen wie bei § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WaffG nicht regelhaft im Falle einer Unzuverlässigkeit nach § 5 WaffG möglich, sondern bedingt einen Sachverhalt, der durch eine gewisse Affinität zu erlaubnispflichtigen Waffen und prognostizierbaren regelwidrigem Umgang des Betroffenen geprägt ist. Hieran fehlt es schon deshalb, weil nicht ansatzweise erkennbar ist, dass der Kläger am erlaubnisfreien Erwerb erlaubnispflichtiger Waffen Interesse hat. Eine rein vorsorgliche Untersagung gestattet die Norm nicht.
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B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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C. Die Revision ist zuzulassen. Die vorliegend entscheidungserhebliche und über den Einzelfall hinausgreifende Frage, ob eine Untersagung nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder nach § 41 Abs. 2 WaffG bereits dann geboten und auch im Übrigen vom Tatbestand erfasst ist, wenn der Betreffende die Voraussetzungen für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis nach §§ 5 und 6 WaffG nicht erfüllt, ist von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.