Titel:
Wegnahme von Hunden und Katzen aus tierschutzrechtlichen Gründen
Normenketten:
VwGO § 86 Abs. 3, § 124 Abs. 2 Nr. 1
TierSchG § 2
GG Art. 20a
Leitsätze:
1. Der Vorsitzende hat nach § 86 Abs. 3 VwGO zwar die Pflicht, auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken; Rechtsberatung ist ihm aufgrund seiner Neutralitätspflicht aber verboten. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die festgestellte konkrete Gefahr weiterer Verstöße gegen die Pflichten eines Tierhalters aus § 2 TierSchG und der in Art. 20a GG verankerte Tierschutz kann durch bloßen Zeitablauf nicht entfallen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
tierschutzrechtliche Anordnung, Haltungsmaßnahmen, Hunde, Katzen, Fortnahme, Haltungs- und Betreuungsverbot, Veräußerungsanordnung, Unverhältnismäßigkeit, Klageumstellung, Zeitablauf
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 09.08.2023 – M 23 K 21.4198 , M 23 K 21.4584
Fundstelle:
BeckRS 2024, 36866
Tenor
I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 9. August 2023 – M 23 K 21.4584 – wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihre vor dem Verwaltungsgericht erfolglose Klage gegen den Bescheid des Landratsamts Miesbach vom 28. Juli 2021 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 29. Juli 2021 weiter.
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Die Klägerin hielt auf ihrem Anwesen u.a. Hunde und Katzen in größerem Umfang. Die Haltung war seit 2006 behördlich bekannt und mehrfach tierschutzrechtlich beanstandet worden. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 15. Januar 2021 wurden diverse Haltungsmaßnahmen angeordnet.
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Mit Bescheid vom 6. Juli 2021 bestätigte der Beklagte eine mündliche Anordnung vom 30. Juni 2021, wonach die Klägerin dem Landratsamt gegenüber bis 6. Juli 2021 in geeigneter Weise nachzuweisen und glaubhaft zu machen habe, dass sie künftig selbständig dazu in der Lage sei, die artgerechte Versorgung ihrer Hunde und Katzen gemäß § 2 TierSchG dauerhaft zu gewährleisten (Nr. 1.). Im Rahmen der Hundehaltung seien die in dem bestandskräftigen Bescheid vom 15. Januar 2021 enthaltenen Nrn. 1.1, 1.2, 1.6, 1.7, 1.8, 1.10, 1.11, 1.13 und 1.14 sowie bezüglich der Katzenhaltung die in dem Bescheid vom 15. Januar 2021 in Nrn. 2.1, 2.3, 2.4, 2.5, 2.8, 2.9, 2.10 und 2.11 angeordneten Maßnahmen zu erbringen. Darüber hinaus ordnete das Landratsamt weitere tierschutzrechtliche Maßnahmen bezogen auf die Hundehaltung der Klägerin mit einer Fristsetzung bis 6. Juli 2021 an (Nr. 2.).
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Für den Fall, dass dem nicht fristgerecht nachgekommen werde, habe die Klägerin die vorübergehende Fortnahme, pflegliche Unterbringung und tierärztliche Behandlung der Hunde und Katzen, bei denen eine erhebliche Vernachlässigung durch den Amtstierarzt habe festgestellt werden können, und der Tiere, für die keine artgerechte Unterbringung möglich sei, auf eigene Kosten bis auf Weiteres zu dulden und die Tiere an die Bediensteten des Veterinäramtes herauszugeben (Nr. 3.). Sollten Nrn. 1. und 2. nicht bis spätestens 28. Juli 2021 vollständig erfüllt sein, behalte sich das Landratsamt die endgültige Wegnahme und Veräußerung aller Hunde und Katzen vor. Die Kosten für die vorübergehende anderweitige Unterbringung, für den Hin- und Rucktransport, die Ernährung und Pflege sowie für medizinisch indizierte tierärztliche Behandlungs- und Prophylaxemaßnahmen sowie für ein zur Weiterveräußerung notwendiges Gutachten, notwendige Behandlungen und weitere mit der vorübergehenden Fortnahme und anderweitigen Unterbringung verbundene Kosten, die bis zum Zeitpunkt des Nachweises und der Glaubhaftmachung der artgerechten und tierschutzkonformen Haltung oder Veräußerung anfielen, habe die Klägerin zu tragen (vgl. Nr. 5). Unmittelbarer Zwang unter Hinzuziehung von Polizeibeamten wurde angedroht (Nr. 6) und die Nrn. 1 bis 5 des Bescheids für sofort vollziehbar erklärt (Nr. 7). Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen (Seite 1824 ff. und 1910 ff. der Behördenakte).
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Am 7. Juli, 9. Juli und 12. Juli 2021 fanden jeweils ganztätige Vor-Ort-Kontrollen durch das Veterinäramt unter Beteiligung des Amtstierarztes sowie unter Amtshilfe der Polizei statt, bei denen insgesamt 42 Hunde und 75 Katzen auf der Grundlage des Bescheids vom 6. Juli 2021 fortgenommen und anderweitig untergebracht wurden.
6
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 28. Juli 2021 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 29. Juli 2021 untersagte der Beklagte der Klägerin das Halten und Betreuen von Hunden und Katzen (Nr. 1), ordnete die Auflösung des insoweit noch vorhandenen Tierbestands innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung des Bescheids an (Nr. 2) und drohte für den Fall der nicht fristgerechten Bestandsauflösung die Wegnahme der Tiere durch unmittelbaren Zwang an (Nr. 6). Die Modalitäten der Bestandsauflösung wurden näher bestimmt (Nrn. 3 bis 5) und diese Vorgaben jeweils mit Zwangsgeldern bewehrt (Nrn. 7 bis 9). Ferner traf der Beklagte Anordnungen betreffend die Veräußerung bereits auf der Grundlage eines vorangegangenen Bescheids weggenommener Tiere (Nrn. 11 bis 13) und ordnete die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 bis 5, 11 und 12 an (Nrn. 14).
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Am 18. August 2021 erhob die Klägerin Klage (M 23 K 21.4584) mit dem Antrag:
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Die Anordnung des Beklagten vom 28. Juli 2021 unter Einbeziehung der Änderungsverfügung des Beklagten vom 29. Juli 2021 wird aufgehoben.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom 28. Juli 2021 i.d.F. vom 29. Juli 2021 (M 23 K 21.4584) zur gemeinsamen Entscheidung mit der Klage gegen den Bescheid vom 6. Juli 2021 (M 23 K 21.4198) verbunden und die Klagen mit Urteil vom 9. August, zugestellt am 2. Januar 2024, abgewiesen.
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Hinsichtlich der Klage im Verfahren M 23 K 21. 4584 hat es ausgeführt, die Klage gegen den Bescheid vom 28. Juli 2021 i.d.F. vom 29. Juli 2021 habe keinen Erfolg, da sie teilweise bereits unzulässig, und soweit zulässig, unbegründet sei. Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 28. Juli 2021 i.d.F. vom 29. Juli 2021 sei nur bezüglich des darin in Nummer 1. als Dauerverwaltungsakt ausgesprochenen Haltungs- und Betreuungsverbots statthaft, im Übrigen sei sie unzulässig geworden, da bezüglich der Nrn. 2, 3, 4 und 5 (Auflösungsanordnung, Abgabeverpflichtung bzw. -modalitäten), der Zwangsmittelandrohungen (Nrn. 7 und 8) und der Veräußerungsanordnung (Nr. 11) in tatsächlicher Hinsicht Erledigung eingetreten sei. Insoweit sei der Tierbestand bereits fortgenommen bzw. abgegeben worden, eine tatsächliche oder rechtliche Beschwer bestehe damit nicht mehr fort. Die Anordnung der Duldung der Veräußerung habe sich ebenso durch die vollständige Veräußerung der Tiere erledigt. Durch die Veräußerung (bzw. unentgeltliche Übertragung) und Übereignung der Tiere seien die Folgen des Vollzugs nicht mehr unmittelbar reversibel. Die Klägerin habe infolgedessen das Eigentum und der Beklagte die Verfügungsbefugnis an den Tieren verloren. Darüber hinaus fehle der Klägerin diesbezüglich auch das Rechtsschutzbedürfnis, denn sie könne nach dem oben Gesagten ihre Rechtsposition durch eine Aufhebung des vollzogenen Verwaltungsakts nicht mehr verbessern. Eine solche Auslegung schneide der Klägerin als Adressatin der Anordnung der Duldung der Veräußerung der fortgenommenen Tiere auch keine Rechtsschutzmöglichkeiten ab (Art. 19 Abs. 4 GG), da insoweit – vor Vollzug der Veräußerung – die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Eilrechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO bestanden habe. Im Übrigen sei weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung v. 9. August 2023) eine u.U. mögliche Umstellung der Hauptsache auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog erfolgt. Ob eine solche Klage zulässig (und begründet) gewesen wäre, bedürfe daher schon keiner Entscheidung. Soweit die Klage gegen das in Nr. 1. des Bescheids vom 28./29. Juli 2021 angeordnete Haltungs- und Betreuungsverbot zulässig sei, sei sie unbegründet. Für die Kammer stehe fest, dass aufgrund der völlig untragbaren und mehr als besorgniserregenden Haltungsbedingungen und der daraus erwachsenden Vernachlässigung der auf dem landwirtschaftlichen Anwesen gehaltenen Hunden und Katzen, die teilweise bereits zum Tod einzelner Tiere geführt hätten, den Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen sowie Leiden und erhebliche Schäden zugeführt worden seien. Insoweit sei ohne jeden Zweifel schon aufgrund der wiederholten und sich über Jahre erstreckenden tierschutzrechtlichen Beanstandungen von einer negativen Zukunftsprognose für die Klägerin als Halterin auszugehen, da weder eine realistische Besserung der Haltungsbedingungen substantiiert bzw. belegbar vorgetragen worden seien, noch gerichtlicherseits auch nur vage Anhaltspunkte hierfür bestünden. Auch unter Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen (Art. 20 Abs. 3 GG) sowie Ermessenserwägungen (§ 114 VwGO) begegne die Anordnung keinen rechtlichen Bedenken. Zunächst sei ohnehin nur ein auf Hunde und Katzen beschränktes Betreuungs- und Haltungsverbot ausgesprochen worden. Die Rinder- und Geflügelhaltung sei nicht einbezogen worden. Eine Berufung auf Art. 12 Abs. 1 GG wegen eines etwaigen Handels mit Hunden und Katzen scheide mangels einer Erlaubnis gemäß § 11 TierSchG und infolge der eklatanten Tierschutzverstöße aus. Der klägerische Vortrag, der Klägerin sei eine (einzige) Katze bzw. ein (einziger) Hund zuzugestehen, verfange infolge der besonders groben Tierschutzverstöße und mit Blick auf ein in der Zukunft mögliches gesondertes Wiedergestattungsverfahren für die Haltung einzelner Tiere nach § 16a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 Halbs. 2 TierSchG nicht.
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Am 29. Januar 2024 hat der Klägerbevollmächtigte hiergegen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt und den Antrag mit Schriftsatz vom 4. März 2024 im Verfahren 23 ZB 24.198 (M 23 K 21.4584) begründet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Gerichts- und Behördenakten in dem Verfahren M 23 K 21.4584 und 23 ZB 24.198 sowie in dem Verfahren M 23 K 21.4198 und 23 ZB 24.197 verwiesen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO allein geltend gemachten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), auf den sich die Prüfung durch den Senat beschränkt, führt nicht zur Zulassung der Berufung.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426.17 – juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9).
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Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (vgl. BayVGH, B.v. 17.8.2023 – 22 ZB 23.1009 – juris Rn. 3; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 62 f.).
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Solche ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils legt die Klägerin nicht dar. Das Vorbringen der Klägerseite ist vielmehr unsubstantiiert und in sich widersprüchlich. Die Zulassungsbegründung ist nicht nur kurz, oberflächlich und unsubstantiiert, sondern bezieht sich zudem ersichtlich auf die dem Zulassungsverfahren 23 ZB 24.197 zugrundeliegende Entscheidung im Verfahren M 23 K 21.4198 und auf die diesem Urteil zugrundeliegenden tierschutzrechtlichen Anordnungen vom 6. Juli 2021 sowie die Fortnahmen vom 7. Juli 2021, 9. Juli 2021 und 12. Juli 2021 bzw. pauschal auf die „Bescheide“ bzw. „Anordnungen“ des Beklagten. Damit genügt sie aber von vornherein nicht der nach § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO geforderte Darlegung des Zulassungsgrundes gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO in Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil. Es ist auch nicht Aufgabe des Berufungsgerichts, von sich aus Zulassungsgründe zu suchen und damit dem Antrag zum Erfolg zu verhelfen.
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1.1 Dies gilt insbesondere, soweit die Klägerseite rügt, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, die „Verwaltungsakte“ hätten sich infolge der Fortnahme und der mittlerweile erfolgten Veräußerung der Tiere erledigt und hierzu pauschal auf den Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 3. August 2022 – 6 B 42/22 – juris Rn. 3 verweist, ohne sich mit der diesbezüglichen Begründung des Verwaltungsgerichts (s.o.) substantiiert auseinanderzusetzen und im Einzelnen darzulegen, dass der vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht entschiedene Fall mit dem vorliegenden identisch oder auch nur im Wesentlichen vergleichbar wäre. Diese schlichte, unspezifizierte Behauptung der Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung genügt bereits nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO an die Darlegung der Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die nach § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO geforderte Darlegung des Zulassungsgrundes gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erfordert vielmehr eine konkret fallbezogene und hinreichend substantiierte Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung; es muss konkret dargelegt werden, dass und weshalb das Verwaltungsgericht entscheidungstragende Rechts- und / oder Tatsachenfragen unrichtig entschieden hat. Der Rechtsmittelführer muss daher darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit falsch ist. „Darlegen“ bedeutet insoweit „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“. Erforderlich ist folglich eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird; der Rechtsmittelführer muss im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen die Annahmen des Verwaltungsgerichts ernstlichen Zweifeln begegnen (st.Rspr., vgl. BayVGH, B.v. 17.8.2023 – 22 ZB 23.1009 – juris Rn. 11 m.w.N.).
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Dem pauschalen Vorbringen der Zulassungsbegründung vom 4. März 2024 im Verfahren 23 ZB 24.197 ist – auch unter Berücksichtigung des klägerischen Schriftsatzes vom 4. April 2024 – bereits nicht zu entnehmen, welcher Bescheid und welche der darin getroffenen Anordnungen sich entgegen den Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht erledigt haben soll. Das Verwaltungsgericht ist entgegen der klägerischen Rüge auch nicht von einer vollständigen Erledigung der Bescheide ausgegangen, sondern hat im Einzelnen einerseits zwischen dem Bescheid vom 6. Juli 2021 und vom 28. Juli 2021 i.d.F. vom 29. Juli 2021 sowie andererseits zwischen den darin verfügten Anordnungen (Ziffern 1. – 9. bzw. Ziffern 1. – 16.) differenziert.
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Soweit das Zulassungsvorbringen pauschal das Sächsische Oberverwaltungsgericht zitiert, wonach sich die dortige auf § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG gestützte Anordnung nicht erledigt habe, da sie weiterhin Grundlage für den beabsichtigten Erlass eines Kostenbescheids bleibe, legt die Zulassungsbegründung nicht dar, welche der verfahrensgegenständlichen Anordnungen im Bescheid vom 28. Juli 2021 i.d.F. vom 29. Juli 2021 entgegen der angefochtenen Entscheidung sich nach der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung nicht erledigt haben soll. Mit dem schlichten Verweis auf eine angeblich von dem Oberverwaltungsgericht abweichende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts zeigt die Klägerin nicht auf, dass die dortigen Tatsachengrundlagen mit dem vorliegenden Fall vergleichbar und übertragbar seien. Eine Auseinandersetzung mit den tragenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung fehlt. Die zitierte Entscheidung wird weder in Bezug zu den Ausführungen in dem angefochtenen Urteil gesetzt noch wird herausgearbeitet, weshalb und in welcher Hinsicht die in Bezug genommene Entscheidung überzeugender sein soll.
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1.2 Im Übrigen rügt der Begründungsschriftsatz vom 4. März 2024 im Verfahren 23 ZB 24.198, das Verwaltungsgericht sei rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gekommen, dass die Fortnahme der Tiere der Klägerin verhältnismäßig gewesen sei und zitiert insoweit aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 9. August 2023 im Verfahren M 23 K 21.4198, das den Bescheid vom 6. Juli 2021 sowie die Fortnahme vom 7. Juli 2021, 9. Juli 2021 und 12. Juli 2021 zum Gegenstand hat (vgl. UA S. 28 Rn. 62), nicht jedoch die verfahrensgegenständliche Entscheidung M 23 K 21.4584 zum Bescheid vom 28. Juli 2021 i.d.F. vom 29. Juli 2021. Die Fortnahme der Tiere der Klägerin am 7. Juli 2021, 9. Juli 2021 und 12. Juli 2021 erfolgte allerdings nicht auf der Grundlage des hier streitgegenständlichen, zeitlich nachgelagerten Bescheides vom 28. Juli 2021 i.d.F. vom 29. Juli 2021, sondern auf der Grundlage des vorhergehenden Bescheids vom 6. Juli 2021 und ist nicht Gegenstand des vorliegenden Berufungszulassungsverfahrens. Darüber hinaus zeigt die Klägerin auch nicht auf, dass ihre Ausführungen zur Unverhältnismäßigkeit der Fortnahme der Tiere im vorliegenden Fall entscheidungserheblich sind. Das Zulassungsvorbringen ist daher nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils darzulegen, das die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 28. Juli 2021 i.d.F. vom 29. Juli 2021 geprüft hat. Mit dem vorliegend streitgegenständlichen Haltungs- und Betreuungsverbot für Hunde und Katzen (Ziffer 1 des Bescheides vom 28./29. Juli 2021) setzt sich der Schriftsatz vom 4. März 2024 im vorliegenden Verfahren 23 ZB 24.198 mit keinem Wort auseinander.
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1.3 Fehl geht auch der Einwand der Klägerin, das Verwaltungsgericht hätte sie in der mündlichen Verhandlung auf die Möglichkeit der Klageumstellung der erhobenen Anfechtungsklage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage hinweisen müssen.
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Das Verwaltungsgericht ist nicht (nach § 86 Abs. 3 VwGO) verpflichtet, die anwaltlich vertretene Klägerin ausdrücklich dahingehend zu beraten, ihre Klage umzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2019 – 11 ZB 18.1068 – juris Rn. 14). Der Vorsitzende hat zwar die Pflicht, auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken. Rechtsberatung ist ihm aufgrund seiner Neutralitätspflicht aber verboten (BVerwG, B.v. 27.6.2007 – 4 B 25.07 – juris Rn. 7). Die in § 86 Abs. 3 VwGO normierte Pflicht beinhaltet – richtig verstanden – keine Beratungs-, sondern eine Formulierungshilfe (BayVGH, B.v. 4.3.2019 – 11 ZB 18.1068 – juris Rn. 14). Eine derartige – wie von der Klägerin geforderte erweiterte – Hinweispflicht stünde auch im Widerspruch zur Dispositionsmaxime der Parteien und in Konflikt mit dem Fairnessgebot gegenüber den weiteren am Prozess beteiligten Parteien. Denn sie würde dazu führen, dass eine unzulässige Klage vom Gericht zulässig gemacht wird (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2019 – 11 ZB 18.1068 – juris Rn. 14; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 91).
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Das Verwaltungsgericht durfte (und musste) vielmehr davon ausgehen, dass der anwaltlich vertretenen Klägerin bekannt ist, dass sich nicht jeder Fall einer durch Verwaltungsakt auferlegten Handlungspflicht mit deren Erfüllung erledigt und in dieser Hinsicht vieles streitig ist (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 43 Rn. 216 ff.) und im Rahmen des Klageverfahrens zu prüfen ist, ob tatsächlich Erledigung eingetreten ist. Gleiches gilt für die Frage, welche Handlungsoptionen für sie im Falle einer Hauptsacheerledigung bestehen. So wenig ein Gericht grundsätzlich dazu verpflichtet ist, die Beteiligten vor Ergehen der Entscheidung auf die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinzuweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, B.v. 21.6.2017 – 4 B 48.16 – juris Rn. 5; B.v. 26.2.2013 – 4 B 53.12 – juris Rn. 4; BVerfG, B.v. 5.11.1986 – 1 BvR 706/85 – BVerfGE 74, 1 <5>), so wenig darf es eine die Neutralitätspflicht verletzende rechtliche Beratung leisten (vgl. BVerwG, B.v. 27.6.2007 – 4 B 25.07 – juris Rn. 7). Es darf daher nicht für einen Beteiligten Partei ergreifen und ihm den Weg zum effektivsten Rechtsschutz weisen. Wie ein Beteiligter einen Prozess führt, ist letztlich seine Sache (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2019 – 11 ZB 18.1068 – juris Rn. 14).
24
1.4 Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin das Zulassungsvorbringen im Rahmen des Verfahrens 23 ZB 24.197 gegen das angefochtene Urteil vom 9. August 2023 (M 23 K 21.4198), das den Bescheid des Beklagten vom 6. Juli 2021 zum Gegenstand hat, im vorliegenden Verfahren 23 ZB 24.198 gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 9. August 2023 hinsichtlich des Bescheids des Beklagten vom 28. Juli 2021 i.d.F. vom 29. Juli 2021 (M 23 K 21.4584) berücksichtigen wollte, würde dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung führen.
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a) Zunächst ist auch hier darauf zu verweisen, dass mit dem schlichten Verweis auf eine angeblich von dem Oberverwaltungsgericht abweichende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts die Klägerin bereits dem Darlegungsgebot des § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht genügt (s.o.). Dem Postulat eines auf den Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts aufbauenden Vorbringens bzw. einer Verknüpfung zwischen den seitens des Klägers vorgetragenen Rechtsstandpunkten und der Argumentation des Verwaltungsgerichts (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2017 – 22 CS 17.2261 – juris Rn. 31; B.v. 31.10.2007 – 11 CS 07.1811 – juris Rn. 12) wird damit nicht entsprochen. Ebenso wenig genügt die Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen im Rahmen des Berufungszulassungsantrags (vgl. Zulassungsschrift v. 4.3.24 S. 4) dem Gebot der Darlegung im Sinn von § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2020 – 15 ZB 19.1505 – juris Rn. 10 m.w.N.).
26
b) Soweit die Klägerin (nunmehr) beantragt, „im Wege der Klageänderung festzustellen, dass die Nrn. 2, 3, 4 und 5 (Auflösungsanordnung, Abgabeverpflichtung bzw. Modalitäten), der Zwangsmittelandrohung (Nrn. 7 und 8) und der Veräußerungsanordnung (Nr. 11 des Bescheids) der Verfügung des Landratsamts Miesbach vom 28. Juli 2021 rechtswidrig gewesen sind und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt wird“ (Zulassungsschrift vom 4.3.2024 im Verfahren 24 ZB 24.197 S. 3), und ihre Klage nunmehr im Rahmen des Berufungszulassungsverfahrens in eine Feststellungsklage umändern möchte, kann sie damit ebenfalls nicht durchdringen. Eine Klageänderung ist im Berufungszulassungsverfahren nicht möglich, sie setzt vielmehr eine Zulässigkeit der Berufung und damit deren Zulassung voraus (vgl. Happ in Eyermann VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 36, § 125 Rn. 2).
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c) Ebenfalls nicht durchdringen kann die Klägerin mit ihrem Vorhalt, das mit Bescheid vom 28. Juli 2021 in der Fassung vom 29. Juli 2021 ihr gegenüber verfügte Haltungs- und Betreuungsverbot für Hunde und Katzen sei abweichend von den Ausführungen des Verwaltungsgerichts unverhältnismäßig. Die Zulassungsbegründung im Verfahren 23 ZB 24.197 zu dieser pauschalen Behauptung ist vage, oberflächlich und nicht substantiiert. Danach sei es zwar zutreffend, dass die Zustände „aus dem Ruder liefen“, allerdings nur, weil die Ausgangsbehörde derart lange Zeit untätig gewesen sei (Zulassungsbegründung v. 3.4.2024 im Verfahren 23 ZB 24.197 S. 4). Demzufolge hätte man ihr sowohl mehr Zeit bei der Beseitigung tierschutzrelevanter Zustände einräumen müssen, wie auch vorrangig mildere Mittel (auch kumulativ) auferlegen können.
28
Das Verwaltungsgericht hat hierzu zutreffend darauf abgestellt, dass keinesfalls etwa durch „jahrelanges Nichttätigwerden“ ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei (UA S. 23 Rn. 51 ff.). Hiergegen ist nichts zu erinnern. Die Klägerin verkennt in diesem Zusammenhang, dass die festgestellte konkrete Gefahr weiterer Verstöße gegen die Pflichten eines Tierhalters aus § 2 TierSchG und den in Art. 20a GG verankerten Tierschutz durch bloßen Zeitablauf nicht entfallen kann. Wenn eine Störungslage bereits eingetreten ist (wenn also Schmerzen, Leiden oder Schäden eines Tieres oder sonst ein gegen § 2 TierSchG verstoßender Zustand bereits vorliegen und fortdauern) oder ein solcher Zustand unmittelbar droht, hat die zuständige Behörde die vom Gesetz vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen. Maßgeblich ist allein, ob die Gefahr zum Zeitpunkt des behördlichen Einschreitens noch besteht, was nach dem oben Ausgeführten vorliegend eindeutig der Fall war. Die Anordnung eines Tierhaltungs- und Betreuungsverbots für Katzen und Hunde ist insoweit auch nicht unverhältnismäßig.
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Dass das Landratsamt nach zahlreichen (erfolglosen) Versuchen, durch mildere tierschutzrechtliche Anordnungen tierschutzkonforme Zustände herzustellen, „erst“ am 28. Juli 2021 ein beschränktes Haltungs- und Betreuungsverbot gegenüber der Klägerin erlassen hat, führt daher weder zur Rechtswidrigkeit bzw. Unverhältnismäßigkeit der Anordnung noch zu Fehlern der Ermessensausübung im Bescheid; Hinweise für widersprüchliches oder willkürliches Behördenhandeln sind nicht erkennbar (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2023 – 10 CS 23.1571 – juris Rn. 6). Gemäß § 16a Satz 2 Nr. 3 Halbs. 2 TierSchG ist demjenigen, dem ein Tierhaltungsverbot auferlegt worden ist, auf Antrag das Halten oder Betreuen von Tieren wieder zu gestatten, wenn der Grund für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen entfallen ist. Es bedarf insofern keines Ausspruchs des Beklagten in dem streitbefangenen Bescheid. Die Wiedergestattung ist ein eigenes Verfahren (vgl. BayVGH, B.v. 25.6.2020 – 23 ZB 19.891, BeckRS 2020, 14621 Rn. 26; Lorz/Metzger, TierSchG, 7. Aufl. 2019, § 16a Rn. 36 f.).
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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3. Die unangefochtene Streitwertfestsetzung folgt der Vorinstanz, § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).