Inhalt

VGH München, Urteil v. 06.12.2024 – 1 N 22.2131
Titel:

Normenkontrollantrag gegen Bebauungsplan

Normenketten:
VwGO § 47
BauGB § 13b, § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
SUP-RL Art. 3
Leitsätze:
1. Die Vorschrift des § 13b BauGB ist mit Art. 3 Abs. 1 und 5 SUP-RL über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (SUP-Richtlinie) nicht vereinbar, weil sie die Überplanung von Außenbereichsflächen auf der Grundlage einer unzulässigen Typisierung ohne Umweltprüfung zulässt. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hinsichtlich der Regelung in § 215 Abs. 1 BauGB dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Es genügt, wenn mit erkennbarem Rügewillen und hinreichender Klarheit ein Sachverhalt dargelegt wird, aus dem die Gemeinde erschließen kann, welcher Verfahrens- oder Formvorgang auf die Einhaltung der Planaufstellungsvorschriften überprüft werden muss. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Mängel, die einzelnen Festsetzungen des Bebauungsplans anhaften, führen dann nicht zu dessen Gesamtnichtigkeit, wenn – erstens – die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen, für sich betrachtet, noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung iSd § 1 Abs. 3 BauGB bewirken können und wenn – zweitens – die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bebauungsplan, Beschleunigtes Verfahren nach § 13b BauGB, Fehlende Umweltprüfung, Teilweise Unwirksamkeit, beschleunigtes Verfahren nach § 13b BauGB, fehlende Umweltprüfung, teilweise Unwirksamkeit, RL 2001/42/EG
Fundstelle:
BeckRS 2024, 36845

Tenor

I. Der Bebauungsplan „I.-weg“, der zuletzt am 24. Februar 2023 mit Rückwirkung zum 17. Dezember 2021 bekannt gemacht wurde, ist im südwestlichen Teilbereich, der die Baufelder A und B betrifft und durch das Planzeichen B 5.3. abgegrenzt wird, unwirksam.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.  

Tatbestand

1
Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan mit integriertem Grünordnungsplan „I.weg“, den die Antragsgegnerin am 30. November 2021 als Satzung beschlossen und zunächst am 17. Dezember 2021 bekanntgemacht hat. Die öffentliche Bekanntmachung wurde am 24. Februar 2023 wiederholt und der Bebauungsplan damit rückwirkend zum 17. Dezember 2021 in Kraft gesetzt.
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Das Plangebiet mit einer Größe von 1,84 ha liegt südwestlich des Stadtzentrums, westlich der Isar und nördlich der A. Straße. Der südwestliche Teil ist noch unbebaut und gehört planungsrechtlich zum Außenbereich; die Bestandsbebauung im östlichen Teil entlang des Isarleitenwegs weist Einzelhäuser mit dazugehörigen Garagen in aufgelockerter Bauweise auf. Die Neubaubereiche im südwestlichen Teil des Plangebiets sollen das Wohnungsangebot in der Stadt durch eine verdichtete Bauweise verbessern. Im Bereich der östlichen Bestandsbebauung ist eine Nachverdichtung möglich und städtebaulich gewünscht. Die festgesetzten privaten Grünflächen sollen der Ergänzung des Grünzuges entlang der früheren Isaruferkante dienen. Zudem soll die tatsächlich bestehende Erschließung über den I.weg, welcher auf öffentlichen und privaten Grundstücksflächen liegt, erstmalig rechtlich gesichert werden. Die Aufstellung des Bebauungsplans erfolgte für die Neubauflächen im beschleunigten Verfahren nach § 13b i.V.m. § 13a BauGB, für die überwiegend bereits bebauten Flächen im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB. Das Plangebiet wird insgesamt als allgemeines Wohngebiet festgesetzt, die nach § 4 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zulässigen Nutzungen sind ausgeschlossen. Im Hinblick auf das Maß der baulichen Nutzung erfolgt eine Aufteilung entsprechend den unterschiedlichen städtebaulichen Zielsetzungen. Die Baufelder A und B sollen den im südwestlichen Teilbereich geplanten Geschosswohnungsbau ermöglichen, mit dem Baufeld C wird die Bestandsbebauung am I.weg überplant.
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Die Antragsteller sind (Mit) Eigentümer von Grundstücken im Plangebiet, die im Baufeld C liegen.
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Sie stellten am 29. September 2022 einen Normenkontrollantrag und beantragen zuletzt,
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den Bebauungsplan „I.weg“ vom 28. April 2020 in der Fassung vom 30. November 2021, bekannt gemacht am 22. Februar 2023, hinsichtlich des geplanten Geschosswohnungsbaus (Baufelder A und B) für unwirksam zu erklären.
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Sie seien als Eigentümer von Grundstücken innerhalb des Plangebiets antragsbefugt. Die im südwestlichen Teilbereich geplante Bebauung in verdichteter Bauweise mit zulässiger Wandhöhe von 9,0 m und Kubaturen, die Rauminhalte für Hauptgebäude bis etwa 5.500 m³ vorsähen, habe wegen Beschattung und Belüftungseinflüssen auf die östliche Bestandsbebauung massiven Beeinträchtigungscharakter. Weiter sei durch die Schaffung mehrerer Mehrfamilienhäuser eine Zunahme des Verkehrslärms zu gewärtigen. Die Entwässerung des südwestlichen Bereichs über das Gefälle in östliche Richtung mit angrenzender Hanglage sei nicht gesichert. § 13b BauGB scheide als Rechtsgrundlage für den Bebauungsplan aus, weil er zum maßgeblichen Zeitpunkt des ersten Aufstellungsbeschlusses am 14. März 2017 nicht existent gewesen sei und mit Erweiterungsbeschluss vom 30. Januar 2018 an der Wahl des Verfahrens nach § 13a BauGB festgehalten worden sei. Ein Aufstellungsbeschluss gemäß § 13b i.V.m. § 13a BauGB sei zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Zudem würden die Anwendungsvoraussetzungen des § 13b BauGB nicht vorliegen. Mit dem Bebauungsplan würden auch Innenbereichsflächen überplant, die Kombination der gewählten Verfahren sei unzulässig. § 13b BauGB sehe das beschleunigte Verfahren ausschließlich für die „Wohnnutzung“ vor, dem entspreche der Planentwurf nicht. Das Bundesverwaltungsgericht habe mit Urteil vom 18. Juli 2023 (4 CN 3.22) entschieden, dass die Freiflächen im Bebauungsplan nicht im beschleunigten Verfahren nach § 13b Satz 1 BauGB hätten überplant werden dürfen. § 13b BauGB kollidiere in seiner Ausgestaltung mit vorrangigem Unionsrecht. Es sei mit dem Schriftsatz vom 29. September 2022 gerügt worden, dass die Antragsgegnerin davon abgesehen habe, eine Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB durchzuführen und einen Umweltbericht nach § 2a BauGB zu erstellen. Weiter sei die Auslegefrist für den geänderten Planentwurf unter Verstoß gegen § 4a Abs. 3 Satz 3 BauGB unangemessen verkürzt worden, der erheblich geänderte Planentwurf habe der erneuten Auslegung nach § 3 Abs. 2 BauGB bedurft.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Kombination von § 13a Abs. 1 BauGB und § 13b BauGB bei zwei unterschiedlichen Teilbereichen desselben Bebauungsplans sei zulässig. Auch seien die formellen Anforderungen zur Durchführung des beschleunigten Verfahrens erfüllt, der Aufstellungsbeschluss stelle bereits keinen konstitutiven Bestandteil des Bauleitplanverfahrens dar. Mit der Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets, bei dem die Nutzungen nach § 4 Abs. 3 BauNVO ausgeschlossen seien, würden Wohnnutzungen im Sinn von § 13b Satz 1 BauGB festgesetzt. Die erneute öffentliche Auslegung nach § 4a Abs. 3 BauGB sei nicht zu beanstanden, die auf zwei Wochen verkürzte Frist sei angemessen gewesen. Es habe keine Änderungen gegeben, die nicht besonders gekennzeichnet gewesen seien. Ein Ermittlungs- und Abwägungsdefizit bezüglich des zu erwartenden Verkehrslärms liege nicht vor. Die Verkehrslärmprognose berücksichtige den Zusatzverkehr aus dem Plangebiet, der hieraus resultierende Lärmkonflikt werde durch die Festsetzungen zum passiven Lärmschutz gelöst. Für das Neubaugebiet sei eine Entwässerung im Mischsystem vorgesehen, das Regenwasser werde ordnungsgemäß abgeleitet. Soweit zuletzt die Unwirksamkeit nur für den südwestlichen Teilbereich (Baufelder A und B) geltend gemacht worden sei, sei der Bebauungsplan teilbar, sie verfolge für die Teilbereiche unterschiedliche Planungsziele. Sie habe mittlerweile für den südwestlichen Teilbereich die Erstellung eines Umweltberichts in Auftrag gegeben, es solle für diesen Bereich ein eigener Bebauungsplan im Regelverfahren aufgestellt werden.
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Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden.
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Die Antragsteller hatten gleichzeitig mit dem Normenkontrollantrag einen Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO gestellt, über den der Senat mit Beschluss vom 20. Dezember 2022 entschieden hat (1 NE 22.2132); auf den Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen.
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Ergänzend wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Normaufstellungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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Der zulässige Normenkontrollantrag hat Erfolg. Der Bebauungsplan ist in dem im Tenor festgestellten Umfang unwirksam.
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1. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Die Antragsteller müssen hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Recht verletzt werden. Eine die Antragsbefugnis begründende subjektive Rechtsposition ist vor allem das im Plangebiet befindliche Grundeigentum, dessen Inhalt und Schranken durch die planerischen Festsetzungen eines Bebauungsplans unmittelbar und rechtssatzmäßig bestimmt und ausgestaltet werden (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2011 – 4 CN 1.10 – BVerwGE 140, 41). Die Antragsbefugnis ist grundsätzlich zu bejahen, wenn sich ein Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks gegen eine bauplanerische Festsetzung wendet, die unmittelbar sein Grundstück betrifft (vgl. BVerwG, B.v. 8.2.2024 – 4 BN 28.23 – juris Rn. 4; U.v. 10.3.1998 – 4 CN 6.97 – NVwZ 1998, 732). Ein Grundeigentümer, der sich gegen Festsetzungen für andere Grundstücke im Plangebiet zur Wehr setzt, kann seine Antragsbefugnis aus einer möglichen Verletzung des Abwägungsgebots herleiten, da das Abwägungsgebot drittschützenden Charakter hat. In die Abwägung sind allerdings nur schutzwürdige Belange einzustellen, die durch die Planung berührt werden (vgl. BVerwG, B.v. 13.11.2012 – 4 BN 23.12 – juris Rn. 4).
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Nach diesen Maßgaben sind die Antragsteller antragsbefugt. Sie wehren sich zwar anders als noch im Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht gegen Festsetzungen für ihre eigenen Grundstücke, sie können aber im Hinblick auf den weiterhin angefochtenen südwestlichen Teilbereich geltend machen, dass ihre privaten Belange möglicherweise bei der Abwägung fehlerhaft berücksichtigt worden sind (vgl. BVerwG, B.v. 14.9.2015 – 4 BN 4.15 – ZfBR 2016, 154). Die Prüfung, ob eine Verletzung in eigenen Rechten möglich erscheint, ist nicht unter Auswertung des gesamten Prozessstoffs vorzunehmen und darf nicht in einem Umfang und einer Intensität erfolgen, die einer Begründetheitsprüfung gleichkommt. Bei den berührten Belangen, die die Antragsteller vortragen, ist jedenfalls die Verkehrszunahme durch den geplanten Geschosswohnungsbau zu berücksichtigen. Eine planbedingte Zunahme des Verkehrslärms auch unterhalb der Grenzwerte gehört grundsätzlich zum Abwägungsmaterial und kann damit die Antragsbefugnis der Betroffenen begründen. Anderes gilt, wenn der Lärmzuwachs nur geringfügig ist, d. h. über die Bagatellgrenze nicht hinausgeht, oder sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück auswirkt (vgl. BVerwG, B.v. 10.7.2020 – 4 BN 50.19 – BauR 2020, 1767). Nach der Untersuchung zu den auf das Plangebiet einwirkenden Verkehrsgeräuschimmissionen (Stand 29. Juli 2020), werden im Prognose-Planfall 2030 durch das geplante Wohngebiet zusätzlich ca. 226 KfZ-Fahrten pro Werktag generiert. Damit dürfte bereits die Bagatellgrenze überschritten sein (zur Nichtüberschreitung der Bagatellgrenze bei 200 zusätzlichen Fahrzeugbewegungen pro Tag vgl. BayVGH, B.v. 25.7.2022 – 1 NE 22.1358 – juris Rn. 18; B.v. 6.8.2019 – 15 NE 19.635 – juris Rn. 14), zudem sind die Grundstücke im Mittel- und Südteil des Plangebiets, in dem die Grundstücke der Antragsteller liegen, durch die angrenzenden bzw. in unmittelbarer Nähe bestehenden öffentlichen Straßen und Parkplätze bereits erheblich vorbelastet. Dies hat im Südteil des Plangebiets zu Lärmschutzauflagen geführt, die bei einer Neubebauung auch für den Bestandsbereich im Baufeld C gelten. Die ermittelten Tag- und Nachtwerte zu den einzelnen Gebäuden sowie die geplante Innenerschließung des Neubaugebiets gebieten keine Differenzierung der Antragsteller für die Frage der Antragsbefugnis.
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Es ist auch zulässig, dass die Antragsteller lediglich die Teilunwirksamkeit des Bebauungsplans begehren. Ob der Bebauungsplan insoweit teilbar ist, ist eine Frage des materiellen Rechts, das Normenkontrollgericht ist an die Beschränkung des Antrags auf bestimmte Teile der Rechtsvorschrift – hier auf einen örtlichen Bereich des Bebauungsplans – nicht gebunden (vgl. BVerwG, B.v. 20.8.1991 – 4 NB 3.91 – NVwZ 1992, 567; BayVGH, B.v. 4.8.2017 – 15 N 15.1713 – NVwZ-RR 2017, 953).
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2. Der Normenkontrollantrag ist begründet. Dabei legt das Gericht den gestellten Antrag dahingehend aus (§ 88 VwGO), dass er sich auf den am 24. Februar 2023 erneut bekannt gemachten und mit Rückwirkung zum 17. Dezember 2021 in Kraft gesetzten Bebauungsplan bezieht. Die Antragsgegnerin hat den vorliegenden Bekanntmachungsfehler (vgl. die Ausführungen in dem Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren 1 NE 22.2132 Rn. 36) im ergänzenden Verfahren gemäß § 214 Abs. 4 BauGB geheilt. Sie weist in der erneuten Bekanntmachung des Bebauungsplanes im Tölzer Kurier vom 24. Februar 2023 darauf hin, dass die der Planung zugrundeliegende DIN-Vorschrift 4109 – 1:2018 – 01 (vgl. textliche Festsetzung C 6.1) im Stadtbauamt ausliegt und dort eingesehen werden kann. Der Hinweis in der ortsüblichen Bekanntmachung des Bebauungsplans ist in gleicher Weise wie der Hinweis in der Bebauungsplanurkunde geeignet, die Planbetroffenen über die Möglichkeit und den Ort der Einsicht in die technische Vorschrift zu informieren (vgl. BVerwG, U.v. 25.6.2020 – 4 CN 5.18 – BVerwGE 169, 29). Damit ist die Bekanntmachung des Bebauungsplans nicht mehr zu beanstanden.
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Die Aufstellung des Bebauungsplans für die südwestlich im Plangebiet gelegenen Neubauflächen konnte jedoch nicht im beschleunigten Verfahren nach § 13b i.V.m. § 13a BauGB erfolgen (2.1.), der Mangel der unterlassenen Umweltprüfung wurde von den Antragstellern rechtzeitig gerügt (2.2.) und die Unwirksamkeit des Bebauungsplans kann auf den angefochtenen Teilbereich beschränkt werden (2.3.).
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2.1. Wie der Senat in seinem Beschluss vom 20. Dezember 2022 im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausgeführt hat, wurde das Verfahren für den südwestlichen Teilbereich auf der Grundlage von § 13b BauGB in der Fassung vom 3. November 2017 geführt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2023 (4 CN 3.22 – BVerwGE 179, 348) festgestellt, dass die Vorschrift des § 13b BauGB, deren Geltungsdauer mehrmals verlängert wurde, unionsrechtswidrig ist. Sie ist mit Art. 3 Abs. 1 und 5 der RL 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (SUP-Richtlinie) nicht vereinbar, weil sie die Überplanung von Außenbereichsflächen auf der Grundlage einer unzulässigen Typisierung ohne Umweltprüfung zulässt. Die in § 13b BauGB genannten quantitativen (Grundflächenbegrenzung) und qualitativen (Beschränkung auf Wohnnutzung sowie Anschluss der überplanten, im Außenbereich gelegenen Fläche an im Zusammenhang bebaute Ortsteile) Voraussetzungen sind nicht geeignet, auszuschließen, dass bei den so umschriebenen Plänen erhebliche Umweltauswirkungen von vorneherein nicht eintreten werden. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an (vgl. auch OVG Rh-Pf, U.v. 13.12.2023 – 8 C 10354/22.OVG – BauR 2024, 878). Der Bebauungsplan durfte daher nicht ohne Umweltprüfung (§ 2 Abs. 4 BauGB) und Umweltbericht (§ 2a Satz 2 Nr. 2 BauGB) erlassen werden. Auf die Frage, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13b Satz 1 BauGB bzw. weitere Verfahrensmängel vorliegen, kommt es nicht mehr entscheidungserheblich an; im Übrigen verweist der Senat hier auf seine Ausführungen in dem Beschluss vom 20. Dezember 2022.
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2.2. Die Wahl des beschleunigten Verfahrens gemäß § 13b Satz 1 i.V.m. § 13a Abs. 2 Nr. 1, § 13 Abs. 3 Satz 1 BauGB statt des gebotenen Regelverfahrens hat dazu geführt, dass es die Antragsgegnerin unterlassen hat, eine Umweltprüfung im Sinn von § 2 Abs. 4 BauGB durchzuführen und nach § 2a Satz 2 Nr. 2 BauGB einen Umweltbericht zu erstellen, der als Teil der Begründung (§ 2a Satz 3 BauGB) nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB mit dem Entwurf öffentlich auszulegen und nach § 9 Abs. 8 BauGB der Begründung beizufügen ist (vgl. BVerwG, U.v.18.7.2023 a.a.O.). Diesen nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB beachtlichen Verfahrensfehler haben die Antragsteller auch innerhalb der Jahresfrist gerügt (§ 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB). So wurde in dem Schriftsatz vom 29. September 2022 ausgeführt (zu einer rechtzeitigen Rüge mit einem Schriftsatz im Normenkontrollverfahren vgl. BVerwG, B.v. 21.8.2018 – 4 BN 44.17 – BauR 2018, 1982), dass mit der Wahl des beschleunigten Verfahrens eine Umweltprüfung im Sinn des § 2 Abs. 4 BauGB unterlassen und kein Umweltbericht erstellt worden sei. Auch wenn dies vor allem bei der Wahl des beschleunigten Verfahrens nach § 13a BauGB für den Bestandsbereich ausgeführt worden ist, ergibt sich der notwendige Bezug auch für die Anwendung des Verfahrens nach § 13b BauGB, indem dort gerügt wurde, dass die Anwendungsvoraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorliegen. Die erforderliche Anstoßfunktion der Rüge ist mit der beanstandeten Wahl des beschleunigten Verfahrens gegeben (vgl. BVerwG, B.v. 7.5.2020 – 4 BN 13.20 – juris Rn. 10). Der Gemeinde soll durch die Darlegung die Prüfung ermöglicht werden, ob Anlass besteht, in eine Fehlerbehebung einzutreten. Das schließt eine nur pauschale Rüge aus. Andererseits dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden, es genügt, wenn mit erkennbarem Rügewillen und hinreichender Klarheit ein Sachverhalt dargelegt wird, aus dem die Gemeinde erschließen kann, welcher Verfahrens- oder Formvorgang auf die Einhaltung der Planaufstellungsvorschriften überprüft werden muss (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 21.3.2019 – OVG 2 A 8.16 – juris Rn. 40 bestätigt durch BVerwG, U.v. 27.8.2020 – 4 CN 4.19 – BVerwGE 169, 219). Es ist daher unerheblich, dass die Antragsteller bei ihrem Vortrag, dass die Anwendungsvoraussetzungen für § 13b BauGB nicht vorliegen, zunächst darauf abgestellt haben, dass die Kombination von § 13a und § 13b BauGB in einem Aufstellungsverfahren nicht möglich sei und daraus Folgefehler entstanden seien (Überplanung von Innenbereichsflächen, keine Feststellung zu den tatsächlichen und theoretisch möglichen Grundflächen) sowie der Planentwurf den Restriktionsvorgaben des beschränkenden Tatbestandsmerkmals „Wohnbebauungen“ im Sinn des § 13b BauGB nicht genüge, und der letztlich durchgreifende Einwand, dass § 13b BauGB in seiner Ausgestaltung mit Unionsrecht kollidiere, erst nach Ablauf der Rügefrist vorgetragen wurde. Die Antragsgegnerin geht in ihrem Schriftsatz vom 26. September 2024 im Übrigen selbst davon aus, dass die Wahl des beschleunigten Verfahrens nach § 13b BauGB für den südwestlichen Planbereich zu dessen Unwirksamkeit geführt habe.
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2.3. Die Unwirksamkeit des Bebauungsplans kann auf diesen Teilbereich beschränkt werden.
23
Mängel, die einzelnen Festsetzungen des Bebauungsplans anhaften, führen dann nicht zu dessen Gesamtnichtigkeit, wenn – erstens – die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen, für sich betrachtet, noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB bewirken können und wenn – zweitens – die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte. Die Feststellung der Teilnichtigkeit setzt zunächst objektiv eine Teilbarkeit voraus. Weiter ist zu prüfen, ob bei der geltend gemachten Rechtsverletzung, die sich auf einen räumlichen Teil des Plangebiets oder auf bestimmte Festsetzungen im Bebauungsplan beschränkt, die Feststellung der Nichtigkeit gerade dieses Teils dem (hypothetischen) Willen der Gemeinde am besten entspricht (vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2008 – 4 B 5.08 – juris Rn. 8 f.; B.v. 6.11.2007 – 4 BN 44.07 – juris Rn. 3). Ein Bebauungsplan, in dem die Gemeinde unterschiedliche Baugebiete festgesetzt hat, ist an den Gebietsgrenzen teilbar, wenn das jeweilige Baugebiet mit den weiteren für dieses Gebiet geltenden Festsetzungen für sich betrachtet eine sinnvolle städtebauliche Ordnung bewirken kann und mit der gebotenen Sicherheit anzunehmen ist, dass die Gemeinde auch einen Bebauungsplan für nur eines der Baugebiete beschlossen hätte (vgl. BVerwG, U.v. 9.4.2008 – 4 CN 1.07 – BVerwGE 131, 100).
24
Nach diesen Maßgaben führt die Wahl des beschleunigten Verfahrens nach § 13b BauGB nur zur Unwirksamkeit des südwestlichen Teils des Bebauungsplans (Baufelder A und B). Der Bebauungsplan ist insoweit teilbar, was sich auch bereits bei der Wahl der Verfahrensart für die unterschiedlichen Teilbereiche wiedergespiegelt hat. So wurde zum einen eine Bestandsbebauung überplant (Verfahrenswahl nach § 13a BauGB) und zum anderen eine Freifläche im Außenbereich (Verfahrenswahl nach § 13b BauGB). In den Teilbereichen werden auch unterschiedliche städtebauliche Zielsetzungen verfolgt. Zwar werden beide Bereiche als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen, in dem südwestlichen Teil soll aber ein Wohngebiet in verdichteter Bauweise (Geschosswohnungen) mit eigener Identität entstehen, während im Bereich der östlichen Bestandsbebauung mit seiner aufgelockerten Bauweise nur eine maßvolle Nachverdichtung möglich ist und qualitative Maßnahmen (Grünzug, Erschließung) im Vordergrund stehen. Die Unwirksamkeit nur des fehlerbehafteten Teils des Bebauungsplans entspricht zudem dem mutmaßlichen Willen der Gemeinde. So hat auch die Antragsgegnerin auf die unterschiedlichen Planungskonzepte für die Teilbereiche verwiesen und ausgeführt, dass die Teilbereiche lediglich aus verfahrensökonomischen Gründen verbunden worden seien. Der Bebauungsplan für den südwestlichen Teilbereich werde nach Fehlerbehebung als eigenständiger Bebauungsplan („I.weg Südwest“) aufgestellt.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO muss die Antragsgegnerin die Ziffer I der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in derselben Weise veröffentlichen wie die angefochtene Satzung (§ 10 Abs. 3 BauGB).