Titel:
Erfolgloser Normenkontrolleilantrag
Normenkette:
VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6
Leitsätze:
1. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind, jedenfalls bei Bebauungsplänen, zunächst die Erfolgsaussichten des in der Sache anhängigen Normenkontrollantrages, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Grundsätzlich stellt der bloße Vollzug eines Bebauungsplans keinen schweren Nachteil iSd § 47 Abs. 6 VwGO dar. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung eines Bebauungsplans, mangelnde Dringlichkeit, Normenkontrolle, Eilverfahren, Prüfungsmaßstab, Erfolgsaussichten der Hauptsache, offene Erfolgsaussichten, Folgenabwägung, schwerer Nachteil, Vollzug des Bebauungsplans, Verschwendung von Steuergeldern
Fundstelle:
BeckRS 2024, 36836
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
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Die Antragsteller erstreben die vorläufige Außervollzugsetzung der 1. Änderung (SO Wertstoffhof H. ….) des Bebauungsplans „SO Kläranlage“. Sie sind Eigentümer eines nordöstlich an das Plangebiet angrenzenden Grundstücks, das mit einem Wohnhaus bebaut ist. Das Plangebiet umfasst ein ca. 1.500 Quadratmeter großes Gelände, das bisher den nordöstlichen Teil des bestehenden Bebauungsplans „SO Kläranlage“ bildete, als „Sondergebiet Kläranlage Erweiterungsfläche“ ausgewiesen war und nun ein Sondergebiet Wertstoffhof festsetzt, auf dem u.a. ein Personal-/Bürocontainer und weitere Container aufgestellt werden sollen. Die Antragsteller sind insbesondere der Auffassung, die Aufstellung eines Personalcontainers beeinträchtige ihre Wohnqualität. Der Bebauungsplan sei auch aufgrund der zu erwartenden Lärm- und Geruchsimmissionen rücksichtslos. Vorbelastungen lägen nicht vor, denn eine bestehende Tankstelle, Lackiererei und Straße beeinträchtigten die Antragsteller nicht, weil sie sich auf der anderen Seite eines Siedlungssplitters befänden und kaum wahrnehmbar seien. Die vorhandene Wohnbebauung sei als faktisches allgemeines Wohngebiet besonders schutzbedürftig, weshalb der dem Bebauungsplan zugrundeliegende schalltechnische Bericht vom 21. Februar 2023 unzutreffend Lärmwerte für ein Misch- bzw. Dorfgebiet annehme. Eine vorläufige Regelung sei geboten, da ansonsten für eine Wertstoffhofruine Steuergelder verschwendet würden.
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Die Antragsteller haben beantragt,
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den Bebauungsplan „Kläranlage“ (1. Änderung, SO Wertstoffhof) bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag außer Vollzug zu setzen.
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Die Antragsgegnerin hat beantragt,
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den Antrag zu verwerfen.
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Sie trägt vor, die Antragsteller hätten kein Rechtsschutzbedürfnis, da sie keinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das genehmigungsfrei gestellte Vorhaben eingereicht hätten.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 19. September 2024 erwiderten die Antragsteller, sie hätten nun Anträge auf bauaufsichtliches Einschreiten beim Verwaltungsgericht Regensburg gestellt (RN 6 E 24.2127 und RN 6 K 24.2129).
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Behördenakten verwiesen.
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Der Antrag hat keinen Erfolg.
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Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind, jedenfalls bei Bebauungsplänen, zunächst die Erfolgsaussichten des in der Sache anhängigen Normenkontrollantrages, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 – juris Rn. 12; B.v. 16.9.2015 – 4 VR 2.15 – juris Rn. 4). Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug des Bebauungsplans bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn dessen (weiterer) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (BVerwG B.v. 30.4.2019 – 4 VR 3/19 – juris Rn. 4).
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Hieran gemessen ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht dringend geboten.
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Die Erfolgsaussichten des vorliegenden Normenkontrollantrags sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt offen. Zwar hat sich der Einwand der Antragsgegnerin, es bestehe kein Rechtsbedürfnis der Antragsteller, schon deshalb erledigt, weil diese mittlerweile Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht gestellt haben. Der Senat kann aber im Rahmen des summarischen Verfahrens aufgrund der Akten und des streitigen Vortrags der Parteien nicht absehen, ob hinsichtlich der immissionsschutzrechtlichen Auswirkungen für das Grundstück der Antragsteller Immissionsrichtwerte eines Mischgebietes wie in dem dem Bebauungsplan zugrundeliegenden Schallgutachten vom 21. Februar 2023 oder aber die eines allgemeinen Wohngebietes heranzuziehen sind. Die sonach vorzunehmende Folgenabwägung ergibt hier, dass keine schweren Nachteile durch den Vollzug des Bebauungsplans zu befürchten sind, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung dringend gebieten. Grundsätzlich stellt der bloße Vollzug eines Bebauungsplans, wie hier, keinen schweren Nachteil im Sinn des § 47 Abs. 6 VwGO dar (vgl. BayVGH, B.v. 21.4.2015 – 9 NE 15.377 – juris Rn. 26; B.v. 15.2.2021 – 1 NE 20.1813 – juris Rn. 19).
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Die von den Antragstellern geltend gemachte, erhebliche Verschwendung von Steuergeldern ist nach den Festsetzungen und der Begründung des Bebauungsplans nicht zu erwarten. Dem geotechnischen Bericht vom 30. November 2022, auf den die Begründung des Bebauungsplans verweist, ist zu entnehmen, dass der Hof des Wertstoffhofes lediglich geschottert werden soll. Außerdem sollen leicht transportierbare, auch bei Hochwasser schnell zu entfernende Container aufgestellt werden (vgl. mit Schriftsatz vom 26. August 2024 vorgelegtes Räumungskonzept). Lediglich der Büro-/Personalcontainer soll bei Hochwasser vor Ort verbleiben, aber auftriebs- und flutungssicher ausgeführt werden (Festsetzungen unter Hochwasserauflagen/Hinweise). Angesichts dieser Planung ist das Entstehen einer teuren und u.U. nur mit erheblichem Aufwand zu entfernenden „Wertstoffhofruine“ nicht zu befürchten. Sonstige schwere Nachteile werden von den Antragstellern nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung von Nr. 1.5, 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013 (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022). Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).