Inhalt

VGH München, Beschluss v. 13.12.2024 – 10 ZB 23.528
Titel:

Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Verlustfeststellung

Normenketten:
FreizügG/EU § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 2 S. 1, S. 5, S. 6, S. 7
VwGO § 121 Nr. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 S. 4
Leitsatz:
Eine isolierte Aufhebung eines Änderungsbescheids zur Umsetzung des Urteils, mit dem die in einem Ausgangsbescheid enthaltene Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 7 Abs. 2 S. 1 und 5–7 FreizügG/EU) infolge einer Verlustfeststellung (§ 6 Abs. 1 FreizügG/EU) von fünf auf drei Jahre verkürzt wurde, kann dem Kläger keinerlei rechtlichen Vorteil bringen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Verlustfeststellung, Regelungsgehalt einer Fristverkürzung, mit der die Behörde einer verwaltungsgerichtlichen Verpflichtung nachkommt, Befristung, Einreise- und Aufenthaltsverbot, Verlustfeststellung, Änderungsbescheid, Ausgangsbescheid, Einreisesperre
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 14.02.2023 – Au 1 K 23.34
Fundstelle:
BeckRS 2024, 36826

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

1
Der Kläger, ein kroatischer Staatsangehöriger, verfolgt mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung seine in erster Instanz erfolglose Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 5. Dezember 2022, mit dem die Befristung des gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 FreizügG/EU verfügten Einreise- und Aufenthaltsverbots von fünf auf drei Jahre verkürzt wurde, weiter.
2
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Mit dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 17. April 2023 werden die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
3
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16; B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33). Dies ist hier nicht der Fall.
4
Im angefochtenen Urteil vom 14. Februar 2023 hat das Verwaltungsgericht die Anfechtungsklage des Klägers bereits als unstatthaft und damit unzulässig angesehen. Er begehre allein die Aufhebung des Änderungsbescheids der Beklagten vom 5. Dezember 2022 zur Umsetzung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 25. Oktober 2022 (Verfahren Au 1 K 22.1138). Im Änderungsbescheid wurde die im Ausgangsbescheid vom 6. Mai 2022 enthaltene Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 7 Abs. 2 Sätze 1 und 5 bis 7 FreizügG/EU) infolge einer Verlustfeststellung (§ 6 Abs. 1 FreizügG/EU) von fünf auf drei Jahre verkürzt. Eine isolierte Aufhebung des Änderungsbescheids könne dem Kläger keinerlei rechtlichen Vorteil bringen. Im Übrigen wäre die Klage auch unbegründet gewesen, weil dem Kläger kein Anspruch auf eine weitere Herabsetzung der Frist der Wirkungen der Verlustfeststellung zustehe; insofern werde auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Urteil vom 25. Oktober 2022 verwiesen.
5
Der Kläger wendet hiergegen im Wesentlichen ein, der Bescheid vom 5. Dezember 2022 habe eine Rechtsmittelbelehrungenthalten. Natürlich könne er gegen diesen vorgehen; er sei schließlich nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg erlassen worden. Die Situation des Klägers habe sich verbessert; die Entlassung aus dem Maßregelvollzug stehe unmittelbar bevor, seine Therapie sei erfolgreich verlaufen. Nach der Verurteilung durch das Landgericht Ansbach habe sich der Kläger bewährt. Bei seinem Arbeitgeber sei seine Tätigkeit geschätzt worden. Er sei zudem EU-Bürger. Aufgrund der positiven Entwicklung sei auch eine Einreisesperre von drei Jahren unverhältnismäßig lang.
6
Damit werden keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts aufgezeigt.
7
Mit Erlass des Änderungsbescheids der Beklagten vom 5. Dezember 2022 kam die Beklagte ausweislich der Bescheidsgründe allein ihrer Verpflichtung gegenüber dem Kläger aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. Oktober 2022 nach. Der Urteilsausspruch wiederum beruht auf der damaligen verwaltungsgerichtlichen Würdigung der Sach- und Rechtslage zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 25. Oktober 2022 (UA S. 7). Im angefochtenen Urteil vom 14. Februar 2023 hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, die vom Kläger beantragte Aufhebung des Änderungsbescheids könne ihm keinen rechtlichen Vorteil verschaffen. Unabhängig davon bindet das rechtskräftige Urteil vom 5. Dezember 2022 auch den Kläger (§ 121 Nr. 1 VwGO); er kann daher nicht beanspruchen, dass aufgrund des Sach- und Rechtslage zum genannten Zeitpunkt eine noch kürzere Frist festgelegt wird.
8
Dem Änderungsbescheid liegt dagegen ersichtlich keine erneute Sachprüfung der Beklagten zur Frage, inwieweit zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 5. Dezember 2022 eine weitergehende Verkürzung der Frist gerechtfertigt sein könnte, zugrunde. Im Übrigen hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt und es ist auch sonst nicht ersichtlich, inwieweit ein Wiederaufgreifen des Verfahrens (Art. 51 BayVwVfG) hinsichtlich der Befristungsentscheidung bereits kurz nach Urteilserlass rechtlich geboten gewesen sein könnte. Im Urteil vom 25. Oktober 2022 (UA S. 12) hatte das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass eine weitere Verkürzung auf Antrag des Klägers bei freiwilliger Ausreise und über einen längeren Zeitraum nachgewiesene Drogenabstinenz nicht ausgeschlossen sei. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 8 FreizügG/EU hat die zuständige Ausländerbehörde einen nach angemessener Frist oder nach drei Jahren gestellten Antrag auf Aufhebung oder auf Verkürzung der festgesetzten Frist innerhalb von sechs Monaten zu bescheiden.
9
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
10
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.
11
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).