Titel:
Berichtigung des Eheregisters (verbleibende Zweifel an der Identität)
Normenketten:
ZPO § 286
PStG § 47
Leitsätze:
1. Ein abgeschlossener Registereintrag darf nur auf Anordnung des Gerichts berichtigt werden. Voraussetzung ist die Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit der beantragten Eintragung. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. An den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen. Es ist voller Beweis erforderlich. Nach § 286 ZPO ist die Entscheidung ohne Bindung an Beweisregeln und nur dem Gewissen des Richters unterworfen zu treffen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Gesetz setzt gleichwohl eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraus. Der Senat darf keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit bei der Prüfung verlangen, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist. Vielmehr darf und muss sich der Richter in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berichtigung, Eheregister, Beweiswürdigung, armenisch, Armenien, Geburtsurkunde
Vorinstanz:
AG Weiden, Beschluss vom 27.02.2024 – UR III 4/20
Fundstelle:
BeckRS 2024, 36759
Tenor
Auf die Beschwerde der Standesamtsaufsicht wird der Beschluss des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. vom 27.02.2024 aufgehoben und der Antrag auf Berichtigung des Eheregisters bei dem Standesamt ... , Registernummer E... /1999, zurückgewiesen.
Von der Erhebung von Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
1
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Berichtigung des Eheregisters bei dem Standesamt ... , Registernummer E... /1999, hinsichtlich des Namens der Ehefrau.
2
Der Antragsteller und weitere Beteiligte zu 1) schloss am ….1999 beim Standesamt ... mit einer Frau die Ehe, die bei der Eheschließung unter den Personalien …, geboren am … in …, Republik Armenien auftrat. Die Frau legte bei der Anmeldung der Eheschließung einen armenischen Reisepass mit Übersetzung, eine armenische Geburtsurkunde mit Übersetzung, eine Ehefähigkeitsbescheinigung der Armenischen Botschaft in B., eine Ledigkeitsbescheinigung des armenischen Standesamts mit Apostille und deutscher Übersetzung und eine Aufenthaltsbescheinigung der Meldebehörde, alle ausgestellt auf die genannten Personalien, vor. Die Anmeldung der Eheschließung wurde dem Oberlandesgericht Nürnberg zur Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses übersandt. Das Oberlandesgericht erteilte am 26.10.1999 die Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses. Die Eheschließung wurde am ….1999 beim Standesamt ... unter der Eheregisternummer E... /1999 hinsichtlich der Ehefrau wie folgt beurkundet:
Familienname vor der Ehe: …
Vorname(n) vor der Ehe: …
… Ort, Tag der Geburt: …, Republik Armenien,
Familienname in der Ehe: …
Geburtsname in der Ehe: …
Geburtseintrag: … St. Amt …
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Dem Standesamt liegen bereits seit dem Jahr 2010 Kenntnisse vor, nach denen die genannten Personalien falsch sind. Im Jahr 2012 wurde die Ehefrau wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG zu einer Geldstrafe verurteilt. Sie hatte die genannten Personalien bei ihrem Antrag auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis angegeben, jedoch später eingestanden, dass diese falsch waren. Ihr Mann habe, so die Ehefrau bei ihrer Beschuldigtenvernehmung vom 01.08.2011, bei der Heirat nicht gewusst, wie sie wirklich heiße.
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Das Amtsgericht Bielefeld hat mit Schreiben vom 09.07.2019 mitgeteilt, dass ein Scheidungsverfahren der Eheleute anhängig sei. Aufgrund von Unstimmigkeiten betreffend die Namensführung wurde beim Standesamt um Übermittlung eines aktuellen Eheregisterauszugs gebeten. Der Antragsteller hat hierzu erklärt, dass aufgrund der unterschiedlichen Daten seiner (Ex-)Frau bei der Eheschließung und in ihrem jetzigen Reisepass und der neuen Geburtsurkunde eine Scheidung derzeit nicht möglich sei.
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Das Standesamt ... und der Antragsteller beantragen auf der Grundlage des im Jahr 2011 vorgelegten Reisepasses, der auf Echtheit überprüft wurde, und einer Geburtsurkunde, das Eheregister E... /1999 wie folgt zu berichtigen
Familienname vor der Ehe: …
Vorname(n) vor der Ehe: …
Ort, Tag der Geburt: …, Republik Armenien,
Familienname in der Ehe: …
Geburtsname in der Ehe: …
Geburtseintrag: … Standesamt des Bezirks … der Stadt …“
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Das Amtsgericht hat dem Antrag mit Beschluss vom 27.02.2024 stattgegeben. Voraussetzung für die beantragte Berichtigung sei, dass der bestehende Eintrag falsch und die beantragte Eintragung richtig sei. Für die Überzeugung des Richters reiche ein brauchbarer Grad an Gewissheit.
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Der Antragsteller habe am 08.11.2019 dem Standesamt im Original eine beglaubigte Übersetzung einer am … ausgestellten armenischen Geburtsurkunde vorgelegt, in der die Personalien wie im Berichtigungsantrag für die Ehefrau angegeben seien. Die Ehefrau habe bei der Rechtshilfeanhörung am 08.09.2021 und bei der Anhörung am 27.04.2023 jeweils im Original einen am 24.07.2014 ausgestellten armenischen Reisepass, ausgestellt auf die gleichen Personalien, vorgelegt. Zuletzt habe die Ehefrau im Anhörungstermin vom 27.04.2023 eine neu ausgestellte armenische Geburtsurkunde, die sich inhaltlich mit der beglaubigten Übersetzung der am … ausgestellten Geburtsurkunde decke. Mangels eines nachvollziehbaren Motivs und der – mit dem bereits erwähnten Geständnis – in Kauf genommenen Strafverfolgung halte es das Gericht für praktisch ausgeschlossen, dass die Ehefrau erneut falsche Angaben gemacht hat.
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Gegen diesen ihr am 01.03.2024 zugestellten Beschluss wendet sich die Standesamtsaufsicht mit ihrer Beschwerde vom 27.03.2024. Sie moniert, es sei nicht nachgewiesen, dass es sich bei den neuen Personalien um die wahre Identität der Ehefrau handle. Die Möglichkeiten der Amtsermittlung seien nicht ausgeschöpft worden, weil – entgegen der Anregung der Standesamtsaufsicht – nicht durch einen Korrespondenzanwalt der Deutschen Botschaft ... nachgeprüft worden sei. Nach Hinweis des Senats hat die Standesamtsaufsicht ergänzend darauf hingewiesen, dass die Absicht einer neuen Eheschließung des Antragstellers nicht vorgetragen sei. Es fehle eine entsprechende Äußerung des Antragstellers und/oder seiner Lebensgefährtin. Ein ergänzender Zusatz bei den neuen Personalien der Ehefrau „Identität nicht nachgewiesen“ sei bei einer Eintragung ins Eheregister nicht vorgesehen und zudem technisch nicht umsetzbar. Die Übernahme der Kosten einer Identitätsüberprüfung scheide bereits aus haushaltsrechtlichen Gründen aus.
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Das Standesamt der Stadt ... hat sich der Beschwerde angeschlossen.
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Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
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Der Antragsteller hat sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Er versuche seit 2018, die Scheidung seiner Ehe zu erreichen. An der neuen Identität seiner Ehefrau bestünden keine vernünftig begründbaren Zweifel. Die Kosten einer Überprüfung durch einen Korrespondenzanwalt könne er nicht, allenfalls in Höhe von 100 € tragen. Nach Hinweis des Senats hat er hilfsweise beantragt, die neuen Personalien mit dem Zusatz zu versehen, dass dem Eintrag Eigenangaben zugrundeliegen.
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Der Senat hat den Beteiligten zwei rechtliche Hinweise erteilt, auf die Bezug genommen wird.
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Die gemäß §§ 58, 59 Abs. 3, § 63 FamFG, § 51 Abs. 1 PStG zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. ist begründet.
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Ein abgeschlossener Registereintrag darf in den Fällen des § 47 PStG von dem Standesamt berichtigt werden. Im Übrigen darf die Berichtigung nur auf Anordnung des Gerichts erfolgen, § 48 Abs. 1 Satz 1 PStG. Voraussetzung ist die Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit der beantragten Eintragung. An den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH FamRZ 2017, 1337; Senat StAZ 2015, 84; KG FamRZ 2021, 357). Es ist voller Beweis erforderlich. Nach § 286 ZPO hat der Senat ohne Bindung an Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Jedoch setzt das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraus. Der Senat darf keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit bei der Prüfung verlangen, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist. Vielmehr darf und muss sich der Richter in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH FamRZ 1993, 668 Rn. 16).
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An der beantragten Eintragung ins Eheregister und hier insbesondere an der neuen Identität der Ehefrau bestehen aus Sicht des Senats weiterhin Zweifel.
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Der Senat hat sich erst vor kurzem (MDR 2024, 172) in einem anderen Zusammenhang mit der Beweiswirkung ausländischer öffentlicher Urkunden, insbesondere ausländischer Reisepässe befasst und hierzu ausgeführt (Hervorhebung nunmehr eingefügt):
„Werden dem Standesamt ausländische öffentliche Urkunden vorgelegt und bestehen begründete Zweifel an der Echtheit dieser Urkunden, so soll ihre Anerkennung von einer Legalisation durch die zuständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland abhängig gemacht werden. Die Legalisation durch die deutsche Auslandsvertretung bestätigt die Echtheit der Unterschrift, die Eigenschaft, in welcher der Unterzeichner der Urkunde gehandelt hat, und gegebenenfalls die Echtheit des Siegels, mit dem die Urkunde versehen ist (§ 13 Konsulargesetz). Sie bestätigt also, worauf das Amtsgericht zutreffend hinweist, nicht die inhaltliche Richtigkeit der beurkundeten Tatsache. Nach A 5.1.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz (PStG-VwV) kann in Staaten, in denen das Legalisationsverfahren wegen des unzuverlässigen Urkundenwesens eingestellt worden ist – zu ihnen zählt nach der vom Auswärtigen Amt veröffentlichten Liste (https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/konsularinfo/-/2566294) auch das Land Ghana –, die zuständige deutsche Auslandsvertretung um Überprüfung der Urkunde im Amtshilfeverfahren gebeten werden. Echte Nationalpässe aus diesen Staaten können jedoch auch ohne Legalisation als beweiskräftige Dokumente anerkannt werden, soweit nicht besondere Zweifel an der Verlässlichkeit bestehen (Bornhofen, in: Gaaz/Bornhofen/Lammers, PStG, 6. Aufl., § 9 Rn. 38). „Es besteht kein Zweifel, dass nationale Reisepässe als öffentliche, internationale Anerkennung genießende staatliche Urkunden nach internationaler Übung (auch) eine Identifikationsfunktion haben. Ein derartiger Pass ermöglicht den (widerlegbaren) Nachweis, dass sein Inhaber die in ihm genannte, beschriebene und abgebildete Person ist und die im Pass enthaltenen Angaben mit den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Inhabers übereinstimmen“ (BVerwG NVwZ 2004, 1250 Rn. 25). Die Identität einer Person, ihre Staatsangehörigkeit und grundsätzlich auch ihr Name werden nach einhelliger Auffassung vorrangig durch die Vorlage eines Nationalpasses nachgewiesen (OLG Hamm StAZ 2018, 123 m.w.Nachw.). Dies entspricht einerseits dem völkerrechtlichen Grundsatz der Passhoheit der einzelnen Staaten und trägt andererseits dem Umstand Rechnung, dass der Einzelne praktisch keine andere Möglichkeit hat, seine persönliche Identität urkundlich effektiv nachzuweisen. Selbst bei einem gut funktionierenden Personenstandswesen sind nämlich die insoweit vorgenommenen Beurkundungen nicht geeignet, die Identität des Betroffenen mit der Person zu beweisen, dessen Personenstandsfälle beurkundet worden sind (OLG Hamm a.a.O.).
Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 PStG (in Kraft seit 07.04.2021) können sonstige unrichtige oder unvollständige Eintragung berichtigt werden, wenn der richtige oder vollständige Sachverhalt festgestellt werden kann durch Dokumente des Heimatstaates, die zum Grenzübertritt berechtigen, soweit dadurch ein erläuternder Zusatz zur Identität oder zur Namensführung im Personenstandsregister gestrichen werden soll. Laut der Gesetzesbegründung (Regierungsentwurf BT-Drs. 19/24226 S. 84) bezieht sich dies vorrangig auf Dokumente von Herkunftsstaaten, die zum Grenzübertritt von Ausländern über die Grenzen des Herkunftsstaates berechtigen (Heimreisedokumente). Die Ausstellung von Heimreisedokumenten biete Gewähr dafür, dass die Identität der Dokumenteninhaber geprüft und bestätigt sei.
Der Senat geht mit dem OLG München (StAZ 2021, 342 juris Rn. 8) und dem Ausgangsgericht davon aus, dass diese Vorschrift auch auf Reisepässe anzuwenden ist. Diese ermöglichen nämlich regelmäßig auch die Einreise in den Ausstellerstaat. Dem Senat ist nicht bekannt und es wäre auch nicht recht verständlich, warum bei einem Reisepass die Annahme der Gesetzesbegründung, diese biete Gewähr dafür, dass die Identität der Dokumenteninhaber geprüft und bestätigt sei, weniger zutreffen soll als bei einem reinen Heimreisedokument. Das OLG München schränkt die Nutzung des Reisepasses jedoch auf die Fälle ein, in denen „seine Echtheit und inhaltliche Richtigkeit nachgewiesen ist“. Dies wird der Entscheidung des Gesetzgebers, der von einer Gewähr der Identitätsprüfung durch den Heimatstaat ausgeht, aber nicht gerecht. Vielmehr ist mit dem Ausgangsgericht aus Sicht des Senats der umgekehrte, von einzelnen Gerichten bereits vor der gesetzlichen Neuregelung vertretene Ansatz richtig: Die Beweiswirkung eines vorgelegten echten Nationalpasses wird nicht bereits durch die allgemeine Beurteilung der deutschen Auslandsvertretung in Frage gestellt, dass in dem Heimatland des Beteiligten kein sicheres Urkundenwesen besteht und demzufolge eine Legalisation von Urkunden dieses Staates nicht mehr vorgenommen wird. Die Erforderlichkeit einer inhaltlichen Überprüfung des Nationalpasses vor Ort kann sich deshalb nur aus besonderen Ansatzpunkten ergeben, die die Verlässlichkeit der Angaben in dem Nationalpass konkret in Frage stellen (OLG Hamm StAZ 2018, 123; diesem folgend auch Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, 4. Aufl., Rz. II-121; OLG Düsseldorf StAZ 2020, 375 juris Rn. 20; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 09.01.2014, Az. 3 W 90/13, juris Rn. 17; so auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 04.10.2022, juris Rn. 13; KG, Beschluss vom 03.03.2023, Az. 1 W 378/22 juris Rn. 23; a.A. OLG Bamberg, Beschluss vom 24.03.2021, Az. 4 W 2/21), beispielsweise bei widersprüchlichen Urkunden (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.10.2023, Az. 19 W 3/23).“
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Zur (neuen) Identität der Ehefrau liegen nunmehr folgende Dokumente vor:
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beglaubigte Übersetzung einer am … ausgestellten armenischen Geburtsurkunde,
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armenischer Reisepass vom 24.07.2014, im Original vorgelegt beim Amtsgericht,
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beglaubigte Übersetzung einer am 27.04.2023 ausgestellten armenischen Geburtsurkunde,
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beglaubigte Übersetzung eines Zeugnisses über Mittelschulbildung vom 27. Juni 1987 mit den Personalien der Ehefrau.
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Zudem hat die Ehefrau, was für ihre Glaubwürdigkeit spricht, ihre neue Identität selbst angegeben und im genannten Strafverfahren ein Geständnis abgelegt.
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Es bestehen aber auch erhebliche Umstände, die Zweifel an der neuen Identität hervorrufen und die Verlässlichkeit der Angaben in dem Nationalpass konkret in Frage stellen:
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Zum, ersten hat die Ehefrau schon einmal mit Hilfe eines echten Reisepasses falsche Angaben zu ihrer Identität gemacht; sie kannte also Möglichkeiten, solche Dokumente zu beschaffen.
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Zum zweiten hat die Ehefrau aber auch nach der Bekanntgabe ihrer falschen. Identität noch zumindest widersprüchliche Angaben zur Erlangung dieser Papiere gemacht.
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In ihrer Beschuldigtenvernehmung vom 01.08.2011 führte sie nämlich aus:
„Ich hatte die Geburtsurkunde einer Bekannten auf den Namen …. Diese Geburtsurkunde habe ich in Fr. bei der Asylbehörde vorgelegt. Von Fr. wurde ich nach Bayern geschickt.
Dort habe ich dann meinen jetzigen Mann kennengelernt.
hat mir dann einen Pass aus Armenien zugeschickt. Eigentlich wollte auch einen Asylantrag stellen.
Ich habe … 2.000 DM für den Pass bezahlt. Das war ein echter Pass. … hat zwei Pässe auf ihren Namen ausstellen lassen. …
Meine Freundin …, die noch in Armenien war, …“
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Beim Amtsgericht Bielefeld äußerte sie am 08.09.2021 hingegen:
„Ich bin im Jahr 1997 nach Deutschland eingereist mit einem Schengenvisum. Meine kleine Tochter war auch dabei. Bei dieser Einreise habe ich den Pass mit der Passnummer ... Blatt 9 unten der Akte, vorgezeigt. Ich habe dann ein Mädchen in der Asylbewerberunterkunft kennengelernt. Sie kam aus meinem Land. Sie wollte wegreisen. Sie hat zu mir gesagt, ich soll ihre Geburtsurkunde nehmen und unter ihrem Namen auftreten, damit ich nicht zurückgeschickt werden [kann].“
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Die Person, die in der Asylbewerberunterkunft war und wegreisen wollte, dürfte kaum die Person gewesen sein,-die selbst einen Antrag stellen „wollte“ und in Armenien war.
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Angesichts dieses Widerspruchs noch nach Bekanntgabe der falschen Identität bleibt die Glaubhaftigkeit der Angaben der Ehefrau zu ihrer (jetzt neuen) Identität fraglich.
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Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass in dem Anwaltsschreiben vom 18.09.2008 angegeben wird, die Mandantin habe auf Anraten der Schlepper die […] Personalien […] angegeben. Ein spontaner Entschluss in der Asylbewerberunterkunft dürfte dies also nicht gewesen sein.
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Dem Senat stehen keine weiteren Ermittlungsmöglichkeiten mehr zur Verfügung.
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Die deutschen Auslandsvertretungen können nach der website des Auswärtigen Amtes in einigen Ländern – je nach den lokalen Gegebenheiten – im Rahmen der Amtshilfe für deutsche Behörden oder Rechtshilfe für die Gerichte – gutachtlich überprüfen, ob eine Urkunde formal echt ist und ob der bescheinigte Sachverhalt zutrifft und hierdurch den Inlandsbehörden Entscheidungshilfen geben. Armenien zählt allerdings nicht zu diesen Ländern. Armenien zählt vielmehr zu den Vertragsstaaten des Haager Übereinkommens zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation vom 5. Oktober 1961. In diesen Ländern wird die Legalisation durch die „Haager Apostille“ ersetzt. Eine solche Apostille ist auf der neu vorgelegten Geburtsurkunde nicht zu erkennen. Sie würde allerdings auch nur dokumentieren, dass die Urkunde von der zuständigen Behörde Armeniens erteilt worden ist. Geht man davon aus, dass die Betroffene sich theoretisch erneut einer weiteren Person bedient hat, die sich einen zweiten Pass ausstellen ließ, so könnte diese Person der Betroffenen auch ein Schulzeugnis und eine Geburtsurkunde mit Apostille zur Verfügung stellen. Auch der Abgleich mit dem Wählerverzeichnis dürfte dann wenig Erkenntnisse bringen (die betreffende Person gibt es).
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Ein Urkundenüberprüfungsverfahren, wie es von der Beschwerde angeregt wird, dürfte in Armenien nach den Angaben auf der website des Auswärtigen Amtes nicht zur Verfügung stehen.
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Die Deutsche Botschaft hat allerdings der Standesamtsaufsicht ... mit E-Mail vom 14.02.2022 mitgeteilt, dass ein Korrespondenzanwalt der Botschaft zur Identitätsprüfung eingeschaltet werden kann. Was diese Identitätsprüfung durch einen Korrespondenzanwalt der deutschen Botschaft angeht, so liegt nach dem Termin beim Amtsgericht die handschriftlich angegebene (leider nicht leicht leserliche) letzte Anschrift der Betroffenen nunmehr vor und könnte durch einen Lichtbildabgleich vor Ort überprüft werden (vgl. E-Mail der Dt. Botschaft ... vom 14.02.2022, Bl. 116 d.A.). Das Ergebnis einer solchen kostenpflichtigen Überprüfung könnte auch im Wege des Freibeweises im vorliegenden Verfahren verwertet werden. Der Antragsteller kann eine solche Überprüfung aber nicht finanzieren. Auch das Standesamt verfügt über keinen entsprechenden Titel.
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Das Gericht hat keine Möglichkeit eine solche Überprüfung von sich aus anzuordnen. Über Art und Umfang seiner Ermittlungen entscheidet das Tatsachengericht im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, nach pflichtgemäßem Ermessen. Hiernach hat es auch zu entscheiden, inwieweit eine förmliche Beweisaufnahme gemäß § 30 Abs. 1 FamFG erforderlich ist. Das förmliche Beweisverfahren verdient den Vorzug vor formlosen Ermittlungen, wenn es auf die Erweisbarkeit bestimmter Einzeltatsachen ankommt. Das gilt insbesondere dann, wenn das Recht eines Beteiligten, an der Wahrheitsfindung mitzuwirken, ansonsten nicht hinreichend gesichert ist (OLG München, Beschluss vom 14. August 2007 – 31 Wx 16/07 –, Rn, 14, juris; allgemeine Meinung). Der hier genannte Korrespondenzanwalt ist weder Sachverständiger noch Zeuge. Er würde vielmehr im Auftrag des Gerichts ähnlich einem – von der Botschaft ausgewählten – Privatdetektiv entgeltlich im Ausland tätig. Nach Überzeugung des Senats käme eine solche Tätigkeit im Auftrag des Gerichts schon nur mit Zustimmung des jeweiligen Staates in Betracht. Die entgeltliche Beauftragung von Privatleuten mit gerichtlichen Ermittlungen widerspricht aber auch dem geltenden Kostenrecht. Das Gericht hat keine Möglichkeit, einer von ihm nicht ausgewählten Person das von ihr geforderte Honorar zu erstatten.
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Der Senat hat deshalb erwogen, dem Berichtigungsantrag stattzugeben, die neuen Personalien aber mit einem erläuternden Zusatz nach § 35 PStV zu versehen, wie dies hilfsweise auch von dem Antragsteller beantragt wird.
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Die erläuternden Zusätze zur Identität oder zur Namensführung dienen allein dazu, die Beweiskraft eines Eintrags einzuschränken (BGH FamRZ 2021, 831 Rn. 23; FamRZ 2019, 614 Rn. 20). Der Bundesgerichtshof führt hierzu aus: „Nach der Rechtsprechung des Senats kann die Beurkundung eines feststehenden Personenstandsfalls auch dann geboten sein, wenn einzelne Personenstandsmerkmale sich nicht nachweisen bzw. aufklären lassen. Lässt sich der Sachverhalt trotz Ausschöpfung aller zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten nicht aufklären, sieht § 35 PStV für bestimmte Fälle die Möglichkeit vor, einen Zusatz aufzunehmen, der das Fehlen des Merkmals erläutert. Außer dem in § 35 Abs. 1 Satz 1 PStV aufgeführten Fehlen geeigneter Nachweise zu Angaben über die Eltern des Kindes wird davon etwa auch der das Kind betreffende Zusatz „Namensführung nicht nachgewiesen“ erfasst, wenn Identität oder Namensführung der den Namen erteilenden Eltern nicht geklärt ist. Die Regelung in § 35 Abs. 1 PStV ist Ausdruck des sogenannten Annäherungsgrundsatzes, nach dem die erwiesenen Tatsachen eingetragen werden, während hinsichtlich der nicht belegten eintragungspflichtigen Tatsachen die Eigenangaben zu übernehmen und mit einem Zusatz zu versehen sind, der die Beweiskraft des Eintrags entsprechend einschränkt.“ Der Empfänger der Urkunde soll durch die Einschränkung des Eintrags erkennen können, dass die Angaben zur Person nicht auf gesicherten Erkenntnissen beruhen und die Personenstandsurkunde hinsichtlich dieser Angaben nicht an der hohen Beweiskraft personenstandsrechtlicher Beurkundungen teilhat (BR-Drs. 713/08 Seite 98).
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Mit der Eintragung eines Zusatzes bzw. einer Einschränkung nach § 35 PStV würde deshalb – entgegen den Bedenken der Standesamtsaufsicht – kein von dem (ursprünglich) gestellten Antrag abweichendes Aliud eingetragen, sondern dem gestellten Antrag würde – hinsichtlich der Beweiskraft der Eintragung eingeschränkt – teilweise stattgegeben. Das würde dem Sach-Antragserfordernis nach BGH FamRZ 1990, 150 Rn. 10 gerecht.
35
Richtig ist allerdings, dass die Personenstandsverordnung solche die Beweiskraft einschränkenden Angaben nur für Eintragungen von Geburts- und Sterbefällen vorsieht. Dass sich ein entsprechendes Eilbedürfnis im Ausnahmefall auch bei Eintragungen im Eheregister ergeben kann, hat der Verordnungsgeber offenbar nicht gesehen. Grundsätzlich hat der Standesbeamte durch einen Zusatz nach § 35 PStV („Identität nicht nachgewiesen“) die Möglichkeit eine Eintragung auch ohne abschließende Klärung der Identität abzuschließen. Auch bei einem solchen Eintrag wäre zumindest der falsche Name entfernt. Hier käme allenfalls eine analoge Anwendung in Betracht (die programmtechnische Umsetzung vermag die gerichtliche Entscheidung nicht zu beeinflussen). Die Voraussetzungen einer solchen Analogie wäre aber allenfalls dann anzunehmen, wenn ein dringendes Bedürfnis für die beantragte Berichtigung bestünde.
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Ein solches Bedürfnis könnte sich aus der gewünschten Wiedererlangung der Eheschließungsfreiheit ergeben, die von der Rechtsordnung geschützt wird: Auch im Berichtigungsverfahren muss diesem Umstand Rechnung getragen werden. Dem Antragsteller hat aber schon nicht vorgetragen, dass sein Scheidungsverfahren ohne Berichtigung des Eintrags im Eheregister nicht fortgeführt werden kann und er tatsächlich entschlossen ist, eine neue Ehe einzugehen. Beides wäre aus Sicht des Senats Voraussetzung für eine analoge Anwendung von § 35 PStV. Ohne diese Voraussetzungen bleibt es dabei, dass der Senat die Überzeugung von der Richtigkeit der neu einzutragenden Tatsachen gewinnen muss, was angesichts der aufgezeigten Umstände nicht möglich ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Die Entscheidung ist daher mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht anfechtbar.