Inhalt

VG München, Urteil v. 22.07.2024 – M 28 K 23.488
Titel:

Immissionsschutzrecht, Klage gegen Anordnung eines Verkehrsverbots für Dieselfahrzeuge (erfolglos), Luftreinhalteplan, Inzidentprüfung, Verhältnismäßigkeit, zonales Verkehrsverbot, streckenbezogenes Verkehrsverbot, entscheidungserheblicher Zeitpunkt, Prognoseentscheidung

Normenketten:
BImSchG § 40
BImSchG § 47
BImSchG § 48a
BImSchV § 3 Abs. 2 39.
GG Art. 14
Schlagworte:
Immissionsschutzrecht, Klage gegen Anordnung eines Verkehrsverbots für Dieselfahrzeuge (erfolglos), Luftreinhalteplan, Inzidentprüfung, Verhältnismäßigkeit, zonales Verkehrsverbot, streckenbezogenes Verkehrsverbot, entscheidungserheblicher Zeitpunkt, Prognoseentscheidung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 36718

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Tatbestand:  

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen ein zonales Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 4/IV und schlechter.
2
Der Kläger ist Diplom-Ingenieur, in der … 23, … München wohnhaft und Halter eines Land Rover, Defender, welcher die Abgasnorm Euro 4/IV erfüllt.
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Aufgrund des Stadtratsbeschlusses der Beklagten vom 12. Dezember 2022 trat am 11. Januar 2023 die 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplanes der Beklagten (Amtsblatt der Beklagten Nr. 1/2023, S. 13) in Kraft. Der Luftreinhalteplan in der Fassung der 8. Fortschreibung sah zur Einhaltung des Jahresmittelgrenzwertes für Stickstoffdioxid-Immissionen ein mehrstufiges zonales Verkehrsverbot vor (Stufe 1: zonales Fahrverbot für Dieselfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 4/IV und schlechter ab 1. Februar 2023; Stufe 2: Ausweitung auf Fahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 5/V ab 1. Oktober 2023; Stufe 3: Wegfall allgemeiner Ausnahmen für Anwohner- und Lieferverkehr ab 1. April 2024). Gleichzeitig machte die Beklagte die „Allgemeinverfügung über die Ausnahmen von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) i. V. m. § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV (35. Bundesimmissionsschutzverordnung) i. V. m. dem Luftreinhalteplan der Landeshauptstadt München, 8. Fortschreibung, in der Umweltzone München (Diesel-Verkehrsverbote)“ bekannt (Amtsblatt der Beklagten Nr. 1/2023, S. 13; zuletzt geändert am 28. September 2023, bekanntgegeben im Sonderamtsblatt Nr. 2 vom 28. September 2023, S. 554), in der über die Ausnahmetatbestände des § 2 Abs. 3 35. BImSchV i.V.m. Anhang 3 hinaus bestimmte Fahrtzwecke und Fahrzeuge von dem zonalen Dieselfahrverbot ausgenommen wurden. Daneben können bei der Beklagten Einzelfallausnahmen beantragt werden.
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In Umsetzung der in Nr. 7.4 der 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplans vorgesehenen Stufe 1 untersagte die Beklagte als zuständige Straßenverkehrsbehörde ab dem 1. Februar 2023 durch das Aufstellen der Verkehrszeichen 270.1 „Umweltzone“ sowie der Zusatzzeichen „grüne Plakette frei“ und „Diesel (außer Lieferverkehr und Anwohner) erst ab Euro 5/V frei“ das Befahren der Umweltzone mit Dieselfahrzeugen der Schadstoffklasse Euro 4/IV und schlechter. Das zonale Verkehrsverbot umfasst im Wesentlichen das Stadtgebiet Münchens innerhalb des Mittleren Rings (bestehende Umweltzone) einschließlich des Mittleren Rings (erweiterte Umweltzone).
5
Hiergegen hat der Kläger am 3. Februar 2023 Klage erhoben.
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Im Jahr 2022 werde der Grenzwert von 50 µg/m3 an keinem Messpunkt im Gebiet der Beklagten erreicht. Der Grenzwert von 40 µg/m3 werde nur an vier Messstellen lediglich geringfügig und ab dem Jahr 2024 überhaupt nur noch an der Messstelle „Landshuter Allee (LÜB)“ überschritten, sodass die baldige Einhaltung des Grenzwertes absehbar sei. Es sei daher nicht gerechtfertigt, ein zonales Dieselfahrverbot innerhalb des gesamten Mittleren Rings zu verhängen. Der Grenzwert von 40 µg/m3 sei nach den aktuellen Messergebnissen im Jahr 2023 nur noch an der „Landshuter Allee (LÜB)“ überschritten worden. Dies habe dazu geführt, dass die Stufen 2 und 3 der 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplans von der Beklagten ausgesetzt bzw. aufgehoben worden seien. Weiter gebe es mildere Mittel, wie etwa die Anordnung einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h auf dem Mittleren Ring oder die Nutzung eines Verkehrsmanagementsystems. Jedenfalls komme ein streckenbezogenes Fahrverbot im Bereich der Landshuter Allee als milderes Mittel in Betracht, was von der Beklagten nicht erwogen worden sei. Auch könne das Dieselfahrverbot nicht durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gerechtfertigt werden, da es an wissenschaftlichen Belegen für die gesundheitsschädliche Wirkung von Stickstoffdioxid fehle. Umgekehrt werde der Kläger in Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 GG verletzt. So könne er zu Baustellenterminen nicht mehr mit dem Auto anreisen, sodass hierdurch mittelbar Einkommenseinbußen zu befürchten seien. Diese Grundrechtsverletzungen stünden außer Verhältnis zu dem angestrebten Nutzen des Dieselfahrverbotes; dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Dieselfahrverbot aufgrund der zahlreichen Ausnahmen in weniger als der Hälfte der 140.000 betroffenen Dieselfahrzeuge zur Anwendung komme und der Verkehr insgesamt zurückgehe. Der Erlass eines Dieselfahrverboten sei daher insgesamt unangemessen und unverhältnismäßig. Das diesbezügliche Vorbringen des Klägers wurde im Laufe des gerichtlichen Verfahrens mit weiteren Schriftsätzen ergänzt und aktualisiert.
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Der Kläger beantragt,
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die für den gesamten Mittleren Ring angeordneten Durchfahrverbote für DieselFahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 4/IV und schlechter aufzuheben und der Beklagten aufzugeben, die Zusatzzeichen „Diesel (außer Lieferverkehr und Anwohner) erst ab Euro 5/V frei“ bei den am und im Bereich des Mittleren Rings aufgestellten Verkehrszeichen 270.1 „Umweltzone“ zu entfernen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
11
Die Beklagte sei aufgrund der durchgeführten Messungen und der darauf beruhenden Immissionsprognose verpflichtet gewesen, einen Luftreinhalteplan aufzustellen und die darin vorgesehenen Maßnahmen zur Verminderung der festgestellten Luftverunreinigung schnellstmöglich umzusetzen. Im Jahr 2022 seien die Grenzwerte an vier Streckenabschnitten nicht eingehalten worden. Dieses Ergebnis sei auch für 2023 prognostiziert worden. Für 2024 bis 2026 sei zudem eine fortgesetzte Überschreitung des Grenzwertes an der „Landshuter Allee (LÜB)“ zu erwarten und an zwei weiteren Belastungspunkten („Landshuter Allee Nord“ und „Tegernseer Landstraße“) werde für 2024 ein Wert von 40 µg/m3 prognostiziert. Die Überschreitung des Grenzwertes bestehe im Stadtgebiet der Beklagten bereits seit dem Jahr 2010. Darüber hinaus erlösche die Verpflichtung der Beklagten zur Aufstellung des Luftreinhalteplans sowie zur Umsetzung der dort festgelegten Maßnahmen nicht bereits dadurch, dass der Grenzwert im Folgejahr der Aufstellung erreicht wird. Es müsse vielmehr hinzukommen, dass auch in absehbarer Zukunft nicht mehr mit weiteren Grenzwertüberschreitungen zu rechnen ist und daher die von § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG geforderte „dauerhafte Verminderung von Luftverunreinigungen“ sichergestellt wird. Auch stehe § 47 Abs. 4a BImSchG dem angeordneten Dieselfahrverbot nicht entgegen, da die Norm europarechtskonform dahin auszulegen sei, dass sie Verkehrsverbote bei einem Grenzwert von unter 50 µg/m3 dann nicht verbiete, wenn sie das einzige Mittel darstellen, um die Grenzwerte in absehbarer Zeit einzuhalten. Dementsprechend sei die Einführung des Dieselfahrverbots auch erforderlich gewesen, da es ohne dieses bislang nicht gelungen sei, die Stickstoffdioxidbelastung unter den Grenzwert zu senken. Die Entscheidung für ein zonales Dieselfahrverbot beruhe auf einer Reihe von Kriterien, insbesondere aber darauf, weiträumige Verkehrsverlagerungen in den Bereich innerhalb des Mittleren Rings bei gleichzeitiger effektiver Erreichung der Luftreinhalteziele zu vermeiden. Das zonale Dieselfahrverbot sei auch im engeren Sinne verhältnismäßig, da es stufenweise eingeführt werde, Ausnahmetatbestände enthalte und ein streckenbezogenes Fahrverbot zu einer geringeren Schadstoffminderung führe.
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Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,
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die Klage abzuweisen.
14
Der Grenzwert von 40 µg/m3 gelte seit nunmehr 25 Jahren und werde seitdem im Stadtgebiet der Beklagten nicht eingehalten. Zudem empfehle die Weltgesundheitsorganisation eine weitere Reduktion auf 10 µg/m3. Auch die Europäische Kommission habe in ihrem Reformvorschlag für die Luftqualitätsrichtlinie eine Reduktion auf 20 µg/m3 vorgeschlagen. Ohne die von der Beklagten getroffenen Maßnahmen sei nicht zu erwarten, dass die Immissionsbelastung auf ein gesetzlich zulässiges Niveau gesenkt werden könne. Die von der Beklagten aufgestellten Prognosewerte für 2023 seien durch die realen Messergebnisse bestätigt worden. So habe der Quartalswert an der Landshuter Allee (LÜB) im 1. Quartal 2023 bei 45 µg/m3 gelegen. Bei der Verpflichtung zur Einhaltung der in der Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG vorgegebenen Immissionsgrenzwerte handele es sich um eine Erfolgspflicht, die ohne zusätzliche Maßnahmen nicht gewahrt werden könne. Der Staat sei hierzu auch aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zum Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit verpflichtet.
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Mit Beschluss des Ausschusses der Beklagten für Klima- und Umweltschutz vom 26. September 2023 wurde die 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplans dahingehend angepasst, dass die Maßnahmestufe 2 vorübergehend und die Maßnahmestufe 3 endgültig ausgesetzt wurden. Durch Beschluss des Stadtrats vom 24. April 2024 entschloss sich die Beklagte, im Rahmen eines zu evaluierenden Verkehrsversuchs für ein Jahr die Höchstgeschwindigkeit entlang der Landshuter Allee im gesamten Abschnitt mit Wohnbebauung – zwischen Dachauer Straße/Parkharfe Olympiapark und Arnulfstraße/Donnersbergerbrücke – auf 30 km/h zu begrenzen.
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Am 17. Juni 2024 fand ein Erörterungstermin statt, bei dem die Sach- und Rechtslage, insbesondere mit Blick auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. März 2024 (22 A 23.40047 – juris), umfassend mit den Beteiligten erörtert wurde.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe

18
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis mit der Entscheidung im schriftlichen Verfahren erteilt haben, § 101 Abs. 2 VwGO.
19
Die zulässige Klage ist unbegründet.
20
A. Die Klage ist zulässig.
21
I. Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft, da es sich bei dem durch Aufstellung der Verkehrszeichen 270.1 „Umweltzone“ sowie der Zusatzzeichen „grüne Plakette frei“ und „Diesel (außer Lieferverkehr und Anwohner) erst ab Euro 5/V frei“ am 1. Februar 2023 angeordneten Dieselfahrverbot um eine Allgemeinverfügung i.S.d. Art. 35 Satz 2 BayVwVfG handelt.
22
II. Der Kläger ist auch nach § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO klagebefugt.
23
Als Eigentümer und Halter eines Dieselfahrzeugs der Schadstoffklasse Euro 4 erscheint es zumindest möglich, dass das zonale Fahrverbot den Kläger in Art. 14 GG sowie seiner allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt. Da der Kläger außerhalb der Umweltzone wohnhaft ist, unterfällt er auch keinem Ausnahmetatbestand, sodass eine Rechtsverletzung nicht von vornherein ausgeschlossen ist.
24
III. Es besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers, da er die begehrte Aufhebung des Dieselfahrverbotes für Fahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 4 nicht auf andere (einfachere) Weise erreichen kann.
25
Insbesondere ist es ihm nicht möglich, unmittelbar gegen die 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplanes, auf der das streitgegenständliche Verkehrsverbot beruht, vorzugehen.
26
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind Luftreinhaltepläne rechtlich als Handlungspläne konzipiert, die in ihrer Rechtsnatur Verwaltungsvorschriften ähnlich sind und für Private sowie Anlagenbetreiber weder Rechte noch Pflichten begründen (BVerwG, B.v. 29.3.2007 – BVerwG 7 C 9.06 – juris). Diese Pläne verpflichten nicht den Bürger, sondern binden nur verwaltungsintern (vgl. BT-Drs. 14/8450, S. 14). Der Luftreinhalteplan unterliegt danach lediglich einer Inzidentkontrolle in dem gegen die verkehrsbehördliche Anordnung nach § 40 Abs. 1 BImSchG geführten Klageverfahren (VG Berlin, U.v. 12.12.2023 – 11 K 184/19 – juris Rn. 21 m.w.N.).
27
B. Die Klage ist jedoch unbegründet.
28
Die Anordnung des zonalen Verkehrsverbots für Dieselfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 4/IV und schlechter innerhalb der von der Beklagten festgesetzten erweiterten Umweltzone ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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I. Rechtsgrundlage für die Anordnung ist § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i.V.m. § 45 StVO.
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Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan nach § 47 Abs. 1 BImSchG dies vorsieht. Die in dem Luftreinhalteplan vorgesehenen Maßnahmen sind durch Anordnungen des zuständigen Trägers der öffentlichen Verwaltung durchzusetzen, § 47 Abs. 6 BImSchG.
31
Unabhängig davon, ob darin eine Rechtsgrund- oder eine bloße Rechtsfolgenverweisung auf das Straßenverkehrsrecht liegt, folgt aus dieser Vorschrift, dass die öffentliche Verwaltung bei einschlägigen Maßnahmen auf das Instrumentarium des Straßenverkehrsrechts beschränkt ist (BayVGH, B.v. 27.2.2017 – 22 C 16.1427 – juris Rn. 167). Nach § 45 Abs. 4 Halbs. 1 StVO dürfen die in § 45 Abs. 3 StVO genannten Behörden den Verkehr nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Die Kennzeichnung einer in einem Luftreinhalteplan festgesetzten Umweltzone sowie der erforderlichen Verkehrsverbote erfolgt im Wege der Anordnung gemäß § 45 Abs. 1f StVO mittels der Zeichen 270.1 und 270.2 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen (zum Entfallen der Sperrwirkung für eine Kombination mit anderen als dem in Nr. 46 Anlage 2 vorgesehenen Zusatzzeichen vor dem Hintergrund unionsrechtlicher Verpflichtungen vgl. BVerwG, U.v. 27.2.2018 – 7 C 30/17 – juris Rn. 53).
32
II. Die Anordnung ist formell rechtmäßig ergangen.
33
Die Beklagte war als untere Straßenverkehrsbehörde für die Anordnung zuständig, Art. 2 Satz 1 Nr. 2, Art. 4 Abs. 1 Gesetz über die Zuständigkeiten im Verkehrswesen (ZustGVerk) i.d.F. d. Bek. vom 28. Juni 1990 (GVBl. S. 2020; BayRS 9210-1-I/B); zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. März 2019.
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Einer Anhörung vor Erlass der Allgemeinverfügung bedurfte es nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 4 Alt. 1 BayVwVfG nicht.
35
Bedenken bezüglich der inhaltlichen Bestimmtheit, vgl. Art. 37 BayVwVfG, der durch die Beklagte aufgestellten Verkehrszeichen wurden vom Kläger weder vorgetragen noch sind sie aus Sicht der Kammer sonst ersichtlich (vgl. insbesondere zur Zulässigkeit des Zusatzzeichens OVG Hamburg, B.v. 31.5.2019 – 1 Bs 90/19 – juris Rn. 14 ff.).
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III. Die Anordnung ist auch materiell rechtmäßig.
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1. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG liegen vor.
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Die am 11. Januar 2023 in Kraft getretene 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplanes der Beklagten sieht in Nr. 7.4 ab dem 1. Februar 2023 ein zonales Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 4/IV und schlechter vor. Dieses ist von der Straßenverkehrsbehörde der Beklagten umzusetzen, ohne, dass ihr hierbei ein Ermessenspielraum zukommt, vgl. § 40 Abs. 1 Satz 1, § 47 Abs. 6 BImSchG (OVG NW, B.v. 8.12.2023 – 8 B 534/23 – juris Rn. 7; OVG NW, B.v. 25.1.2011 – 8 A 2751/09 – juris Rn. 83).
39
2. Die Bindungswirkung besteht im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auch fort.
40
Sie würde für die Straßenverkehrsbehörde nur dann entfallen, wenn sich die Festlegung des Luftreinhalteplanes selbst als rechtswidrig erweist. Andernfalls entstünde eine Rechtsschutzlücke, denn der Luftreinhalteplan kann von den Betroffenen nicht unmittelbar angegriffen werden. Daher ist, um den nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, die Rechtmäßigkeit der Vorgaben aus dem Luftreinhalteplan inzident zu überprüfen, soweit sie durch das Klagevorbringen in Frage gestellt wird (VG Hamburg, U.v. 12.5.2023 – 5 K 3422/18 – juris Rn. 135 mit Verweis auf BVerwG, B.v. 11.7.2012 – 3 B 78.11 – juris Ls. und Rn. 10; VG Berlin, U.v. 12.12.2023 – 11 K 184/19 – juris Rn. 32; OVG NW, B.v. 8.12.2023 – 8 B 534/23 – juris Rn. 9; OVG NW, B.v. 25.1.2011 – 8 A 2751/09 – juris Rn. 19 ff.).
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Die 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplanes und das darin enthaltene Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 4/IV und schlechter ist rechtmäßig, da die Beklagte aufgrund der zur Verfügung stehenden Messdaten zur Luftreinhalteplanung verpflichtet war (a), sie diese bei Anwendung der in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Rechtmäßigkeitsanforderungen (b) auf eine taugliche Immissionsprognose gestützt hat (c), die getroffenen Festlegungen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren (d) und sich auch im Übrigen als rechtmäßig erweisen (e).
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a) Da der in der Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegte Immissionsgrenzwert überschritten wurde, war die Beklagte zur Aufstellung bzw. Fortschreibung des Luftreinhalteplans verpflichtet, § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG.
43
Der nach § 48a Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 3 Abs. 2 der Neununddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen – 39. BImSchV) i.d.F. d. Bek. vom 2. August 2010; zuletzt geändert durch Art. 112 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) festgelegte Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid in Höhe von 40 µg/m3 wurde – insoweit zwischen den Parteien unstreitig – seit dem Jahr 2010 an der „LÜB Landshuter Allee“ durchgehend und im Jahr 2022 im Stadtgebiet der Beklagten an vier Messstellen (Landshuter Allee 99/101: 44 µg/m3, Landshuter Allee (LÜB): 49 µg/m3, Tegernseer Landstraße 150: 43 µg/m3 und Trappentreu straße 4: 41 µg/m3) überschritten (vgl. hierzu 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplanes der Beklagten, S. 11, 19 sowie https://stadt.muenchen.de/infos/immissionsmessungen-muenchen, zuletzt abgerufen am 22.7.2024).
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Es wurde weder vorgetragen noch sind sonst Zweifel dahingehend veranlasst, dass die Ermittlung und Bewertung der Messungen und die daraus abgeleitete Grenzwertüberschreitung nicht den Vorgaben der 39. BImSchV entsprächen.
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b) Werden die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten, hat die zuständige Behörde gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt und den Anforderungen der Rechtsverordnung entspricht. Diese Maßnahmen müssen nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten. Die letztgenannte Regelung normiert in Übereinstimmung mit Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 der RL 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 S. 1; nachfolgend RL 2008/50/EG) eine zeitliche Vorgabe für die Erreichung des in § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 BImSchG festgelegten Ziels der Einhaltung der Grenzwerte. Hieran muss sich die Entscheidung der Behörde ausrichten; die Zielvorgabe ist zugleich rechtlicher Maßstab für die angesichts der Gestaltungsspielräume der Behörde eingeschränkte gerichtliche Kontrolle. Das Gebot, die Überschreitung der Immissionsgrenzwerte möglichst schnell zu beenden, fordert eine Bewertung der zur Emissionsminderung geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen gerade im Hinblick auf eine zeitnahe Verwirklichung der Luftqualitätsziele (BVerwG, B.v. 18.9.2024 – 22 A 23.440047 – juris Rn. 8).
46
Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit – und insbesondere für die darin enthaltene Immissionsprognose – ist auf den Zeitpunkt der Aufstellung der 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplans der Beklagten abzustellen. Gründe, die ausnahmsweise für einen abweichenden Beurteilungszeitpunkt sprechen würden, sind vorliegend nicht ersichtlich.
47
Zwar ist für die Beurteilung einer Anfechtungsklage gegen einen Dauerverwaltungsakt, wie das in den streitgegenständlichen Verkehrszeichen verkörperte Verkehrsverbot, die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der tatsachengerichtlichen Verhandlung bzw. Entscheidung maßgeblich (BVerwG, U.v. 23.9.2010 – 3 C 37.09 – juris Rn. 21). Die materiell-rechtlichen Besonderheiten bei der Aufstellung eines Luftreinhalteplans gebieten jedoch einen abweichenden Beurteilungszeitpunkt, denn eine rechtmäßige Luftreinhalteplanung setzt voraus, dass sie auf einer ordnungsgemäßen Prognose der Entwicklung der Immissionswerte beruht. Maßgeblich ist daher der bei Aufstellung des Plans vorhandene tatsächliche und wissenschaftliche Erkenntnisstand (BVerwG, U.v. 28.5.2021 – 7 C 8/20 – juris Rn. 27 m.w.N.; VG Berlin, U.v. 12.12.2023 – 11 K 184/19 – juris Rn. 33; VG Hamburg, U.v. 12.5.2023 – 5 K 3422/18 – juris Rn. 180).
48
Hinsichtlich der Prüfungsdichte ist zu berücksichtigen, dass es bei planerischen Entscheidungen, die nicht allein auf der Erfassung eines gegenwärtigen Zustands, sondern auch auf einer Einschätzung in der Zukunft liegender Tatsachen beruhen, in der Natur der Sache liegt, dass die Richtigkeit der Prognose gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. Die zukünftige Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse entzieht sich naturgemäß einer exakten Tatsachenfeststellung. Die mithin keiner Richtigkeitsgewähr unterliegenden Prognosen sind gerichtlich nur eingeschränkt daraufhin überprüfbar, ob sie methodisch einwandfrei erarbeitet worden sind, nicht auf unrealistischen Annahmen beruhen und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist (BVerwG, B. v. 28.11.2013 – 9 B 14.13 – juris Rn. 7). Aus der unionsrechtlich determinierten Ergebnisverpflichtung folgen keine höheren Anforderungen an die gerichtliche Überprüfbarkeit von Prognosen im Bereich der Luftreinhalteplanung (BVerwG, U.v. 27.2.2020 – 7 C 3/19 – juris Rn. 43).
49
c) Bei der Anwendung dieser Maßstäbe ergibt sich, dass die in dem Luftreinhalteplan getroffene Prognoseentscheidung tragfähig war (aa) und sie sich auch nicht aufgrund nachträglich eingetretener Umstände als defizitär erweist (bb).
50
aa) Der 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplanes der Beklagten lag der Bericht „NO₂-Immissionen im Stadtgebiet von München; NO₂-Immissionsprognosen 2022-2026 mit IMMISem/luft; Bericht Nr. M143599/04“ des Sachverständigenbüros Müller-BBM vom 31. Januar 2022 zugrunde.
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Die Prognose ging davon aus, dass an den vier identifizierten „Hot Spots“ (Landshuter Allee Nord, Landshuter Allee LÜB, Tegernseer Landstraße und Leuchtenbergring) ohne weitere Maßnahmen der Beklagten im Jahr 2022 Stickstoff-Immissionswerte im Jahresmittel von 43 bis 48 µg/m3 auftreten würden (vgl. Tabelle 13 der 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplanes, S. 35). Für 2023 wurden an den „Hot Spots“ Werte zwischen 41 und 46 µg/m3 und an der Landshuter Allee (LÜB) auch in den Jahren 2024 bis 2025 eine Überschreitung des Stickstoffdioxidgrenzwerts von 40 µg/m3 prognostiziert. Aufgrund der durchgeführten Modellrechnungen kamen zwei Maßnahmevarianten in Betracht, die geeignet waren, die Einhaltung des Stickstoffdioxidgrenzwertes künftig sicherzustellen (vgl. 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplans der Beklagten, S. 35):
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„- ein streckenbezogenes, dauerhaftes Diesel-Fahrverbot auf dem kompletten Mittleren Ring für Diesel-Kfz einschließlich Schadstoffklasse Euro 5/V, in Kombination mit einer Busspur in Fahrtrichtung Süden auf der Auffahrt auf den Mittleren Ring zwischen Nymphenburger Straße und Hirschberg straße, (Maßnahmenvariante 8-2e-I_Bus)
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- ein zonales Diesel-Fahrverbot in der bestehenden Umweltzone zuzüglich des Mittleren Rings für Diesel-Kfz einschließlich Schadstoffklasse Euro 5/V mit max. 20% Ausnahmegenehmigungen, in Kombination mit einer Busspur in Fahrtrichtung Süden auf der Auffahrt auf den Mittleren Ring zwischen Nymphenburger Straße und Hirschberg straße (Maßnahmenvariante 8-3c-II_20_Bus).“
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Anhaltspunkte dafür, dass die von der Beklagten zu Grunde gelegte Prognose nicht die hieran zu stellenden methodischen Anforderungen erfüllt, hat der Kläger weder substantiiert vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich.
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Innerhalb der insoweit eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle erachtet die Kammer den Bericht vom 31. Januar 2022 bzw. die darin enthaltenen Prognosen als methodisch einwandfrei erarbeitet. Sie beruhen nicht auf unrealistischen Annahmen und das Prognoseergebnis ist einleuchtend begründet. Anhand von der Beklagten zur Verfügung gestellter Verkehrsdaten werden auf Grundlage des Handbuchs für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs (HBEFA) mit Hilfe des Rechenprogramms IMMISem/luft die Luftschadstoffimmissionen berechnet. Die Berechnung erfolgt dabei anhand der „Bundesflotte“ und nimmt zudem die Folgejahre in den Blick, was so auch eine Einschätzung, welche Maßnahmen zur erforderlichen „dauerhaften“ Verminderung von Luftverunreinigungen festgelegt bzw. festzulegen sind, ermöglicht (vgl. insoweit auch zu dem methodisch weitestgehend identischen Folgebericht von Müller-BBM vom 15. März 2024 BayVGH, U.v. 21. März 2024 – 22 A 23.40047 – juris Rn. 50 mit Verweis auf BVerwG, U.v. 28.5.2021 – 7 C 4.20 – juris Rn. 21).
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bb) Es sind bis zur Entscheidung der Kammer auch keine nachträglichen Umstände eingetreten, welche die der 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplanes der Beklagten zugrundeliegende Prognose defizitär erscheinen ließen.
57
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist für die Beurteilung des Bestehens einer (Fort-)Planungspflicht bzw. eines Anspruchs bspw. von Umweltverbänden auf Fortschreibung des Luftreinhalteplans der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich (vgl. BVerwG, U.v. 28.5.2021 – 7 C 8.20 – juris Rn. 27). Danach kann es in dem Zeitraum zwischen der Beschlussfassung über den Plan und dem für die Beurteilung des (Fort- oder erneuten) Bestehens einer Planungspflicht maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz zu prognoserelevanten Veränderungen kommen oder können sich prognoserelevante neue Erkenntnisse ergeben. Diese können gleichermaßen die Prognosebasis wie die einer Prognose zugrunde liegenden Erfahrungssätze, Prämissen, fachwissenschaftlichen Einschätzungen, Methoden und dergleichen betreffen. Bezugspunkt für die Beurteilung der Relevanz nachträglicher Veränderungen und Erkenntnisse bleiben dabei stets die vom Plangeber angestellten Prognosen, die das Gericht wegen des dem Plangeber insoweit zukommenden Spielraums auch dann nicht durch eigene ersetzen darf, wenn sich eine behördliche Prognose als defizitär erweist (vgl. BVerwG, U.v. 29. Januar 1991 – 4 C 51.89 – BVerwGE 87, 332, 355; OVG NW, U.v. 12. September 2019 – 8 A 4775/18 – juris Rn. 452).
58
Ob diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall der inzidenten Prüfung des Luftreinhalteplanes übertragbar ist (so wohl VG Hamburg, U.v. 12.5.2023 – 5 K 3422/18 – juris Rn. 183), mit der Folge, dass die straßenverkehrsrechtliche Bindungswirkung dann entfiele, wenn der Plangeber eine den Kriterien der Kontrolle fachplanerischer Entscheidungen genügende Prognose entweder nicht mehr gestellt hat oder seine Prognose dahingeht, die Grenzwerte dauerhaft ohne die straßenverkehrsrechtliche Maßnahme einzuhalten (VG Hamburg a.a.O. Rn. 185), bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bestand aufgrund der aktualisierten Messwerte für das Jahr 2023 und dem aktualisierten Prognosebericht von Müller-BBM (8. Fortschreibung Luftreinhalteplan der Landeshauptstadt München – Auswirkungen von Dieselfahrverboten in München auf die NO2-Immissionen – Maßnahmenkonzept der Landeshauptstadt München vom Januar 2024, Bericht Nr. M169882/05 Version 3 BSG/PLA) vom 15. März 2024 nach wie vor die Erfolgsverpflichtung der Beklagten, Maßnahmen zu ergreifen, um den Grenzwert von 40 µg/m3 dauerhaft einzuhalten und den Zeitraum der – langjährigen – Überschreitung der einzuhaltenden Immissionsgrenzwerte so kurz wie möglich zu halten, vgl. § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 3 BImSchG.
59
Denn zum einen wurde an der Landshuter Allee (LÜB) auch im Jahr 2023 im Jahresmittelwert noch eine Stickstoffdioxidbelastung von 45 µg/m3 gemessen und wurde ferner an einem neuen Messpunkt (Moosacher Straße – ein Ort mutmaßlichen Ausweichverkehrs des zonalen Fahrverbots) eine weitere relevante Überschreitung festgestellt (42 µg/m3). Zum anderen prognostiziert der aktualisierte Bericht vom 15. März 2024 selbst für den Ist-Zustand (Dieselfahrverbot Stufe 1 inklusive bestehender allgemeiner Ausnahmen) an den Messstellen Landshuter Allee (LÜB) und Moosacher Straße jedenfalls für das Jahr 2024 auch weiterhin eine Überschreitung des Stickstoffdioxidgrenzwertes (vgl. Bericht Müller-BBM vom 15.3.2024, S. 35 f., Tabellen 48 und 49; vgl. hierzu auch: BayVGH, U.v. 21. März 2024 – 22 A 23.40047 – juris Rn. 45, 52 ff.).
60
d) Das vom Kläger angegriffene zonale Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 4/IV ist auch verhältnismäßig.
61
Beruht die Luftreinhalteplanung auf einer ordnungsgemäßen Prognose, kommt es für die Rechtmäßigkeit der Luftreinhalteplanung weiter entscheidend darauf an, ob die Behörde ihren Spielraum bei der Abwägung am Maßstab der Ergebnisverpflichtung des § 47 Abs. 1 Satz 1 und 3 BImSchG und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes rechtmäßig ausgeübt hat (BVerwG, B.v. 18.9.2024 – 22 A 23.40047 – juris Rn. 9).
62
Das Verkehrsverbot stellt sich weder vor dem Hintergrund der sogenannten „Geringfügigkeitsrechtsprechung“ des Bundesverwaltungsgerichts (aa) noch mit Blick auf die seitens des Klägers geltend gemachten Belange (bb) als unverhältnismäßig im engeren Sinne dar.
63
aa) Entgegen der Auffassung des Klägers ist das in der 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplans vorgesehene Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 4/IV nicht bereits deshalb unverhältnismäßig, weil auch ohne diese Maßnahme mit der baldigen Einhaltung der Stickstoffdioxidgrenzwerte zu rechnen sei.
64
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 21. März 2024 (a.a.O., juris Rn. 65 f.) hierzu Folgendes ausgeführt:
65
„Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beansprucht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Geltung nicht nur hinsichtlich der Frage, wie ein Verkehrsverbot auszugestalten ist, sondern auch bei der vorgelagerten Frage, ob ein Verkehrsverbot anzuordnen ist. Auch wenn ein ganzjähriges Verkehrsverbot die einzige geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der Stickstoffdioxidgrenzwerte ist, erübrigt sich damit nicht bereits die Verhältnismäßigkeitsprüfung, ob ein solches Verbot zu verhängen ist (vgl. BVerwG, U.v. 28.5.2021 – 7 C 4.20 – juris Rn. 32 m.V.a. U.v. 27.2.2020 – 7 C 3.19 – juris Rn. 34). Bei einer Überschreitung des Grenzwertes um nur noch 1 µg/m3 im Folgejahr nach Inkrafttreten des Luftreinhalteplanes und gleichzeitig prognostizierter (deutlicher) Unterschreitung des Grenzwertes im übernächsten Jahr ist die Anordnung von Verkehrsverboten regelmäßig nicht geboten. Die Belastungen, die mit (zonalen oder streckenbezogenen) Verkehrsverboten insbesondere für die Eigentümer, Halter und Fahrer von Dieselfahrzeugen verbunden sind, stehen in einem solchen Fall in keinem angemessenen Verhältnis zu den mit derart geringfügigen und zeitlich begrenzten Grenzwertüberschreitungen verbundenen möglichen Gesundheitsgefahren. Bewegt sich die Überschreitung des Grenzwerts in einem Bereich von nur 1 µg/m3 und ist mit einem kontinuierlichen Rückgang der Belastung sowie der alsbaldigen Einhaltung bzw. deutlichen Unterschreitung des Grenzwerts sicher zu rechnen, ist ein Verkehrsverbot daher regelmäßig auch dann nicht geboten, wenn es die einzige geeignete Maßnahme ist, um das Ziel zu einem früheren Zeitpunkt zu erreichen (BVerwG, U.v. 28.5.2021 – 7 C 2.20 – juris Rn. 32 m.V.a. U.v. 27.2.2020 – 7 C 3.19 – juris Rn. 37 f.).
66
Die Voraussetzungen, die das Bundesverwaltungsgericht für das Absehen von Verkehrsverboten trotz Grenzwertüberschreitung formuliert, liegen jedenfalls betreffend die Messstelle Landshuter Allee LÜB nicht vor. Wenn man mit der Beklagten als Zeitpunkt des Inkrafttretens des Luftreinehalteplans den 11. Januar 2023 (s.o.) heranzieht, liegt keine Grenzwertüberschreitung von nur noch 1 µg/m3 im Folgejahr (2024) vor, sondern – selbst bei „fiktivem“, so nicht mehr realisierbarem Maßnahmenbeginn am 1. Januar 2024 (s.o.) – eine zwischen 42 µg/m3 (bei 90% Ausnahmen) und 41 µg/m3 (bei 65% Ausnahmen). Auch für das übernächste Jahr 2025 wird keine deutliche Unterschreitung, sondern eine Einhaltung, d.h. 40 µg/m3 (bei 90% Ausnahmen), maximal aber eine „geringfügige“ Unterschreitung von 1 µg/m3, d.h. ein Wert in Höhe von 39 µg/m3 (bei 65% Ausnahmen) und damit keine deutliche Unterschreitung prognostiziert. […]“
67
Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an.
68
Sowohl unter Zugrundelegung der bei Fortschreibung des Luftreinhalteplans der Beklagten im Januar 2023 verfügbaren Daten als auch unter Berücksichtigung der aktualisierten Prognose im Bericht der Müller-BBM vom 15. März 2024 sind die Voraussetzungen der „Geringfügigkeitsrechtsprechung“ des Bundesverwaltungsgerichts nicht erfüllt.
69
bb) Das Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge der Schadstoffklage 4/IV ist auch im Übrigen verhältnismäßig.
70
Diesbezüglich macht sich die Kammer die Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in der Entscheidung vom 21. März 2024 (a.a.O., juris Rn. 68 ff.) zu eigen:
71
„Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verlangt Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der RL 2008/50/EG, ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge mit schlechterer Abgasnorm als Euro 6/VI als Maßnahme zu ergreifen, wenn es sich als die einzig geeignete Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte erweist (BVerwG, U.v. 27.2.2018 – 7 C 30.17 – juris LS. 1 betreffend zonale Fahrverbote und BVerwG, U.v. 27.2.2018 – 7 C 26.16 – juris LS. 1 betreffend streckenbezogene Fahrverbote). Kommt die Luftreinhalteplanung diesen Verpflichtungen nach der RL 2008/50/EG nicht nach, obliegt es den angerufenen nationalen Gerichten, gegenüber der nationalen Behörde jede erforderliche Maßnahme zu erlassen, damit diese den nach der RL 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den dort vorgesehenen Bedingungen erstellt (BVerwG, U.v. 27.2.2018 – 7 C 30.17 – juris Rn. 35 f. m.V.a. EuGH, U.v. 19.11.2014 – C-404/13 [Client Earth] – juris Rn. 58). § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG überlässt es zwar grundsätzlich dem planerischen Gestaltungsspielraum der Behörde, welche Maßnahmen sie festlegt, erlegt ihr jedoch eine Erfolgsverpflichtung – die dauerhafte Verminderung der Luftverunreinigungen – auf. Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen zudem geeignet sein, den Zeitraum einer Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten (OVG Hamburg, U.v. 29.11.2019 – 1 E 23/18 – juris Rn. 104).
72
Neben seiner Ableitung aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Wesen der Grundrechte selbst sieht das einfache Recht in § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG für die Luftreinhalteplanung ausdrücklich vor, dass Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festzulegen sind. Eine staatliche Maßnahme darf auch dann, wenn sie zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist, nicht außer Verhältnis zum Zweck bzw. zum Ziel der Maßnahme stehen. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme und den durch diese herbeigeführten Belastungen und setzt den Belastungen hierdurch eine Grenze (vgl. BVerwG, U.v. 27.2.2018 – 7 C 30.17 – juris Rn. 38 f. m.w.N.). Bei höheren Grenzwertüberschreitungen hängt die Verhältnismäßigkeit von Verkehrsverboten von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere davon ab, wie lang die prognostizierte Dauer der Überschreitung ist und mit welchem Maß an Sicherheit die Einhaltung des Grenzwerts erwartet werden kann. Je kürzer einerseits die Überschreitung andauert und je sicherer die baldige Einhaltung des Grenzwerts zu erwarten ist und je größer andererseits die Auswirkungen eines Verkehrsverbots für die betroffenen Verkehrsteilnehmer und Anwohner von Ausweichstrecken sind, umso eher sind auch höhere Überschreitungen hinnehmbar. Aus § 47 Abs. 4a Satz 1 BImSchG, wonach Dieselverkehrsverbote in der Regel nur in Gebieten in Betracht kommen, in denen der Wert von 50 µg/m3 im Jahresmittel überschritten worden ist, ergeben sich über die allgemeinen Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hinaus keine weiteren Einschränkungen (BVerwG, U.v. 28.5.2021 – 7 C 2.20 – juris Rn. 32 m.V.a. U.v. 27.2.2020 – 7 C 3.19 – juris Rn. 37 f.).
73
Speziell für die (Alternativen-)Prüfung zwischen einem streckenbezogenen oder zonalen Fahrverbot ist im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes insbesondere zu berücksichtigen, dass ein zonales Fahrverbot im Grundsatz die eingriffsintensivere Maßnahme ist und dass beide Fahrverbote insbesondere Anwohner, aber auch (v.a. „regelmäßige“) Anlieger in Relation zu sonstigen Betroffenen (etwa dem „Durchfahrtsverkehr“) erheblich intensiver beeinträchtigen.
74
Die nähere Ausgestaltung des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots muss angemessen und für die vom Verbot Betroffenen zumutbar sein. Dies erfordert von der Beklagten eine Abwägung zwischen den mit der Überschreitung der geltenden NO₂-Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit mit den Belastungen und Einschränkungen, die mit einem Verkehrsverbot insbesondere für die betroffenen Fahrzeugeigentümer, Fahrzeughalter und Fahrzeugnutzer – und darüber hinaus auch für die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft – verbunden sind. Während streckenbezogene Fahrverbote nur einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen, gelten zonale für ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes zusammenhängendes Verkehrsnetz. Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrtziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen und ihre Fahrzeuge nicht auf den von dem Verbot erfassten Straßen(abschnitten) abstellen können. Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Dies gilt auch für von einem streckenbezogenen Verkehrsverbot betroffene Anlieger und Anwohner. Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück „bis unmittelbar vor die Haustür“ gehört in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt (vgl. Durner/Papier in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2022, § 41 Rn. 64 ff. m.w.N.). Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden. Hiervon unterscheidet sich die Situation für die betroffenen Autofahrer, Fahrzeughalter und Anwohner bei einem – wie vorliegend – größerem zonalen Fahrverbot. Ein solches Verbot führt für die Bewohner dieser Zone nicht nur dazu, dass sie mit ihren unter das Verbot fallenden Fahrzeugen in einen großflächigen Bereich nicht mehr hereinfahren dürfen, sondern es bewirkt darüber hinaus, dass sie die Fahrzeuge dort auch nicht im öffentlichen Verkehrsraum abstellen können. Im Ergebnis werden die Anwohner einer solchen Zone vielfach veranlasst sein, das betroffene Fahrzeug zu verkaufen. Aber auch für Autofahrer, die nicht in der Zone wohnen, stellt sich ein zonales Verbot als ein erheblicher Eingriff jedenfalls in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Zwar gilt auch insoweit, dass die Rechtsordnung keinen Anspruch kennt, wonach ein einmal die Zulassungskriterien erfüllendes Kraftfahrzeug zeitlich und räumlich unbegrenzt weiter auf öffentlichen Straßen benutzt werden darf. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist indes stets zu beachten und verbietet es, derartig weitreichende Verkehrsverbote ohne Berücksichtigung der damit für die Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen auszusprechen (vgl. dazu grundlegend BVerwG, U.v. 27.2.2018 – 7 C 26.16 – juris Rn. 38; U.v. 27.2.2018 – 7 C 30.17 – juris Rn. 41).
75
Darüber hinaus ist für streckenbezogene wie auch für zonale Fahrverbote zu prüfen, für welche Gruppen, wie beispielsweise Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen, und für welche Einzelpersonen zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen von einem Verkehrsverbot zu gewähren sind. Ausnahmen können hierbei im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV bewilligt werden. Namentlich § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV lässt nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Verordnungsgebers auch individualnützige Ausnahmen im Einzelfall oder für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Anlieger oder Handwerker, zu (vgl. BR-Drs. 819/07 S. 9 f.). Auch Ausnahmeregelungen in Gestalt der Einräumung von Übergangsfristen für die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen namentlich der Abgasnorm Euro 5 mit geeigneter Abgasreinigungstechnik können ein Baustein zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit des in Betracht zu ziehenden Verkehrsverbots darstellen (vgl. dazu grundlegend BVerwG, U.v. 27.2.2018 – 7 C 26.16 – juris Rn. 42; U.v. 27.2.2018 – 7 C 30.17 – juris Rn. 45).
76
Aus dieser Rechtsprechung folgt, dass bestimmte zunächst „denkbare“ und auch im Bericht Müller-BBM vom 15. März 2024 in den Prognoseszenarien dargestellten Maßnahmen von vorneherein als untauglich ausscheiden, weil sie nicht geeignet i.S.v. § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG, nicht erforderlich nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG und / oder nicht angemessen (verhältnismäßig i.e.S.) sind. Diese Szenarien bzw. die darin beschriebenen Maßnahmen sind keine taugliche Grundlage für eine weitere Fortschreibung des Luftreinhalteplans München. Im Einzelnen […]:
77
Maßnahmen, die einen Ausnahmenanteil von nur 20% vorsehen (Teile der Szenariengruppen II und V sowie Szenariengruppen VI und VIII insgesamt)
78
Maßnahmen, die einen Ausnahmeanteil vom jeweiligen Fahrverbot (streckenbezogen oder zonal, Euro 4/IV und/oder Euro 5/V) von lediglich 20% unterstellen, sind untauglich, da sie zum derzeitigen Sachstand ungeeignet und auch unangemessen (unverhältnismäßig i.e.S.) sind.
79
Laut Ausführungen der Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung wäre zum Erreichen eines solch geringen Ausnahmeanteils die Aufhebung der allgemeinen Ausnahmen für Anwohner und Anlieger notwendig; denn letztere führen – zusammen mit einem nicht näher bestimmbaren Anteil an Verstößen gegen das jeweilige Fahrverbot – zu einem tatsächlichen Ausnahmevolumen zwischen 65% bis 90% vom Fahrverbot (s.o., Stadtratssitzungsvorlage für 26.7.2023).
80
Ein derart niedriger Ausnahmeanteil bzw. eine Befolgung des Dieselfahrverbots durch 80% der betroffenen Fahrzeugführer (im Folgenden „Befolgungsanteil“) lässt sich nach Überzeugung des Senats in der Praxis insbesondere angesichts der dafür notwendigen Vollziehungsmaßnahmen (selbst wenn diese effektiver als derzeit ausgestaltet würden) nicht erreichen. Exemplarisch kann dies insbesondere aus den von der Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Verfahrenszahlen der kommunalen Verkehrsüberwachung abgeleitet werden, wonach betreffend das zonale Dieselfahrverbot Stufe 1 von März bis Oktober 2023 ca. 9.000 Verwarnungen ausgesprochen und 343 Bußgeldverfahren eingeleitet wurden; angesichts eines (laut Bericht Müller-BBM vom 15. März 2024) durchschnittlichen täglichen Verkehrsaufkommens von mindestens 107.400 Kfz allein am Messpunkt Landshuter Allee LÜB (als „kleinem Ausschnitt“ des zonalen Fahrverbots) spricht dies für eine relativ geringe Kontrolldichte und damit für einen fehlenden „Befolgungsdruck“. Eine Maßnahme, welche in der Praxis nicht hinreichend effektiv umgesetzt werden kann, ist aber – auch angesichts des europarechtlichen Gebots praktischer Wirksamkeit und Effektivität des Umwelt- und Gesundheitsschutzes (vgl. dazu BVerwG, U.v. 28.5.2021 – 7 C 4.20 – juris Rn. 21 m.w.N.) – zugleich nicht geeignet i.S.v. § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG.
81
Eine solche Maßnahme wäre aber auch nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG rechtlich nicht umsetzbar (vgl. dazu BVerwG, U.v. 27.2.2018 – 7 C 30.17 – juris Rn. 20), weil sie im konkreten Fall unangemessen (unverhältnismäßig i.e.S.) ist.
82
Denn die für Anwohner und (v.a. regelmäßige) Anlieger mit einem (v.a. zonalen, aber auch streckenbezogenen) Fahrverbot verbundenen Einschränkungen stellen einen intensiven Eingriff in deren Rechte nicht zuletzt aus Art. 2 Abs. 1 GG dar – gerade im Bereich innerhalb oder auf dem Mittleren Ring, der die Münchner Innenstadt umschließt. Eine fehlende allgemeine Ausnahme vom (bestehenden) zonalen Fahrverbot würde angesichts dessen großen Geltungsbereichs dazu führen, dass viele tausend Anwohner und Anlieger faktisch großflächig aus der Münchner Innenstadt „ausgesperrt wären“ (s.o., die Beklagte selbst geht von geschätzt 18.200 Pkw bei Maßnahmenstufe 3 aus). Aber auch ein streckenbezogenes Fahrverbot hätte – angesichts der für seine Effektivität notwendigen Dimensionierung – eine zwar nicht so gravierende, aber immer noch erheblich nachteilige Wirkung für die unmittelbar von ihm betroffenen Anlieger und Anwohner. Demgegenüber sind „sonstige“ Fahrende – gerade im Bereich des Mittleren Rings also der „Durchfahrtsverkehr“ – deutlich weniger betroffen. Sie müssen zwar mehr oder weniger große – in München schon angesichts der bestehenden Umweltzone zur Verfügung gestellte – Umwege in Kauf nehmen; die Erreichbarkeit ihres Ziels wird aber – anders als bei Anwohnern und Anliegern – durch das Fahrverbot im Grundsatz nicht komplett verhindert. Derartige Einschränkungen für den „Durchgangsverkehr“ gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen. Wägt man diese (Grundrechts-)Eingriffe gegeneinander ab, so sind die Rechte und Interessen der Anlieger angesichts des ungleich intensiveren Eingriffscharakter deutlich höher zu gewichten und damit vorrangig gegenüber den Rechten und Interessen des „Durchgangsverkehrs“.
83
Diese Überlegungen beanspruchen dabei nicht nur für (Anwohner-/Anlieger-)Dieselkraftfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 5/V, sondern auch für solche der Schadstoffklasse Euro 4/IV (noch) Geltung. Zwar nimmt der Anteil der Dieselkraftfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 4/IV (und schlechter) stetig ab (vgl. Tabelle 22, S. 16 im Bericht Müller-BBM vom 15.3.2024). Ebenso steht diesen Fahrzeughaltern infolge der schon lange zurückliegenden Einführung der Schadstoffklasse Euro 4/IV (1.1./1.10.2006) grundsätzlich ein allenfalls reduzierter Vertrauensschutz dahingehend zu, dass sie ihr Kraftfahrzeug auch künftig noch uneingeschränkt nutzen können (vgl. dazu BVerwG, U.v. 27.2.2018 – 7 C 30.17 – juris Rn. 42). Absolut betrachtet wird aber zumindest die kommenden zwei bis drei Jahre noch eine erhebliche Anzahl an Anwohnern/Anliegern mit Dieselkraftfahrzeugen der Schadstoffklasse Euro 4/IV betroffen sein. Zudem nimmt der Anteil gleichermaßen bei Anwohnern/Anliegern und „Durchfahrenden“ ab. In dem Maße, in welchen die Anwohner/Anlieger infolge der sinkenden Fahrzeuganzahl und der länger zurückliegenden Erstzulassung weniger schutzwürdig sind, gilt dies gleichermaßen auch für die „Durchreisenden“.
84
Zusammenfassend lässt sich insoweit festhalten: Weitere Maßnahmen anlässlich der Grenzwertüberschreitung an der Messstelle Landshuter Allee LÜB zulasten der Anlieger und Anwohner der (um den Mittleren Ring erweiterten) Umweltzone in Form einer Aufhebung der allgemeinen Ausnahmen sind derzeit unverhältnismäßig bzw. können allenfalls dann verhältnismäßig werden, wenn – was vorliegend nicht der Fall ist (s.u.) – mildere, aber gleich effektive Mittel nicht mehr zur Verfügung stehen. […]
85
Maßnahmen basieren auf Prognosen, welche bei streckenbezogenem Fahrverbot mit einem Ausnahmeanteil von 65% rechnen (Teile der Szenariengruppen V, VII, IX)
86
Nach Ansicht des Senats käme die Beklagte ihrer Ergebnisverpflichtung aus § 47 Abs. 1 BImSchG auch nicht nach, wenn sie ein streckenbezogenes Fahrverbot anordnet (für die Schadstoffklassen Euro 4/IV und 5/V; vgl. aber zu Untauglichkeit eines streckenbezogenen Fahrverbots für Euro 4/IV noch unten), welches auf einer Prognose basiert, die mit lediglich 65% Ausnahmen von einem solchen Fahrverbot rechnet. Denn selbst eine „Befolgungsquote“ von 35% erscheint (jedenfalls) bei einem streckenbezogenen Fahrverbot in der praktischen Umsetzung realistisch betrachtet nicht erreichbar.
87
Die bisherigen Prognosen im (der ursprünglichen 8. Fortschreibung zugrunde liegenden) Bericht Müller-BBM vom 31. Januar 2022, aber auch in der Auswertung der Verkehrsuntersuchung vom 25. April 2023 (s.u.) gehen – bei bis dato allein gegenständlichen zonalen Fahrverboten – von einem tatsächlichen Ausnahmevolumen zwischen 65% bis 90% aus. Bei zonalen Fahrverboten besteht aber im Vergleich zu streckenbezogenen die Möglichkeit eines effektiveren Vollzugs. Denn bei einem streckenbezogenen Fahrverbot können Kontrollen (als Grundlage eines Vollzugs auch unter „generalpräventiven Gesichtspunkten“) letztendlich nur im fließenden Verkehr, sprich nur unmittelbar während der Nutzung des betroffenen Straßenabschnitts, erfolgen und erfordern wohl eine Überprüfung der Fahrzeugpapiere vor Ort. Diese Kontrollen sind zudem durch die dafür zuständige Landespolizei und nicht durch die Beklagte selbst durchzuführen. Auch wenn davon auszugehen ist, dass die Landespolizei ihrer Aufgabe, bestehende Verkehrsverbote zu vollziehen, in ausreichendem Maße nachkommt, hat die Beklagte dies so jedenfalls „nicht in der Hand“. Sie kann insbesondere Kontrollen nicht (generalpräventiv) intensivieren, wenn sie feststellt, dass die angenommene „Befolgungsquote“ nicht erreicht wird. Eine derartige Beschränkung des Vollzugs besteht dagegen bei zonalen Fahrverboten nicht. Denn hier können neben Kontrollen im fließenden auch Kontrollen im ruhenden Verkehr vorgenommen werden, welche aufgrund mehrerer Aspekte einen deutlich effektiveren Vollzug ermöglichen. Zum einen dürften Kontrollen im ruhenden Verkehr praktisch deutlich einfacher zu bewerkstelligen sein als Kontrollen im fließenden Verkehr – insbesondere an der Landshuter Allee, einer (pro Fahrtrichtung) mehrstreifigen Straße mit einem durchschnittlichen täglichen Verkehrsaufkommen von über 100.000 Kraftfahrzeugen. Zum anderen ist für Kontrollen im ruhenden Verkehr (auch) die kommunale Parkraumüberwachung der Beklagten zuständig; die Beklagte kann insoweit also die Kontrolldichte selbst steuern.
88
Eine Übertragung des für zonale Fahrverbote ohnehin als „Untergrenze“ angenommenen Ausnahmevolumens in Höhe von 65% auf streckenbezogene Fahrverbote scheidet nach Auffassung des Senats daher aus.
89
Fortgeltung des bestehenden zonalen Fahrverbots für Dieselkraftfahrzeuge Schadstoffklasse Euro 4/IV und (hinzutretendes) streckenbezogenes oder zonales Fahrverbot für Dieselkraftfahrzeuge Schadstoffklasse Euro 5/V mit allgemeinen Ausnahmen
90
Aus dem generellen Ausschluss von Prognosen mit einem angenommenen Ausnahmevolumen von 20% und dem Ausschluss von Prognosen mit einem angenommenen Ausnahmevolumen von 65% bei streckenbezogenen Fahrverboten folgt im Ergebnis zugleich, dass das derzeit geltende zonale Fahrverbot für Dieselkraftfahrzeuge der Schadstoffklasse 4/IV weiterhin Bestand haben muss und insbesondere nicht durch ein streckenbezogenes Fahrverbot für Dieselkraftfahrzeuge (auch) der Schadstoffklasse 4/IV ersetzt werden kann. [Hervorhebung nur hier] Denn das einzig verbleibende Szenario, ein Teil der Szenariengruppe V, prognostiziert bei einem (rein) streckenbezogenen Fahrverbot für Dieselkraftfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 4/IV und Euro 5/V (anstatt des bestehenden zonalen Fahrverbots) und einem Ausnahmevolumen von 90% für 2024 (selbst bei einem fiktiven Maßnahmenstart zum 1.1.2024) eine Grenzwertüberschreitung (41 µg/m3) und für 2025 eine exakte Grenzwerteinhaltung (40 µg/m3); eine schnellstmögliche und sichere Einhaltung der Grenzwerte wäre damit, berücksichtigt man die dazu vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Anforderungen, nicht gewährleistet.
91
Zusammengefasst folgt daraus, dass das derzeit geltende zonale Fahrverbot für Dieselkraftfahrzeuge der Schadstoffklasse 4/IV inklusive der allgemeinen Ausnahmen für Anwohner und Anlieger weiterhin bestehen bleiben [Hervorhebung nur hier] und der Luftreinhalteplan anlässlich der Überschreitung am Messpunkt Landshuter Allee LÜB um eine Maßnahme ergänzt werden muss, die ein streckenbezogenes oder zonales Fahrverbot auch für Dieselkraftfahrzeuge der Schadstoffklasse 5/V und allgemeine Ausnahmen davon für Anwohner und Anlieger vorsieht.“
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Dieser Einschätzung schließt sich die Kammer mit Blick auf das hier streitgegenständliche zonale Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 4/IV und schlechter vollumfänglich an.
93
Der im Erörterungstermin erhobene Vorwurf der Klagepartei, die Kammer stütze sich lediglich auf ein obiter dictum des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und der im nachfolgenden Schriftsatz der Klägerseite vom 26. Juni 2024 erhobene Vorwurf, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Urteil „eine umfassende und den widerstreitenden Interessen gerecht werdende Verhältnismäßigkeitsprüfung unterlassen“, er habe sich vielmehr „mit der Frage der Verhältnismäßigkeit des derzeit geltenden zonalen Dieselfahrverbots […] unter der Randnummer 88 des Urteils auf gerade einmal zwei Sätzen und damit in keiner Weise angemessen und ausreichend auseinandergesetzt“, sind unberechtigt. Bei sachgerechter Würdigung der oben insgesamt in Bezug genommenen Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in ihrem Gesamtzusammenhang kann vielmehr allein der Schluss gezogen werden, dass der Senat – auch und gerade – das vom Kläger angegriffene zonale Fahrverbot für die Dieselfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 4/IV nicht nur als rechtmäßig und bis auf weiteres unerlässlich in seinem Fortbestand, sondern unter ausführlicher Würdigung auch zahlreicher Argumente der Klägerseite des vorliegenden Verfahrens als verhältnismäßig im engeren Sinne ansieht.
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Soweit der Kläger im Übrigen behauptet, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe in seiner in Bezug genommenen Entscheidung „allein auf Grund eines falschen Verständnisses von dem für die Wirksamkeit der Maßnahmen zu berücksichtigenden Ausnahmevolumen und der generellen Annahme, bei einem streckenbezogenen Fahrverbot bestünde im Vergleich zu einem zonalen Fahrverbot die Möglichkeit eines weniger effektiven Vollzugs, ein streckenbezogenes Fahrverbot als milderes, gleich wirksames Mittel gegenüber dem derzeit geltenden zonalen Dieselfahrverbot ausgeschlossen“ (Schriftsatz vom 26.6.2024, Seite 5), überzeugt dies die Kammer nicht: Denn der Senat begründet seine Auffassung zur zu berücksichtigenden – in der Tat relativ hohen – Ausnahmequote anhand der von der Beklagten vorgelegten Prognosedaten schlüssig gerade mit den auch von der Klägerseite für sich in Anspruch genommenen Verhältnismäßigkeitserwägungen, dass nämlich eine deutlich geringere Ausnahmequote, sei es bei zonalen oder auch nur streckenbezogenen Fahrverboten (bei insoweit effizienter Dimensionierung), realistisch nur auf – unverhältnismäßige – Kosten der allgemein ausnahmeberechtigten Anwohner und Anlieger zu erzielen wäre. Ferner setzt sich die Klägerseite bei ihrer Forderung nach einem allein streckenbezogenen Fahrverbot mit dem insoweit – gegenüber dem zonalen Fahrverbot – zwangsläufigeren Aspekt des Verlagerungsverkehrs in keiner Weise auseinander (die Grenzwertüberschreitung an der Moosacher Straße illustriert diese Problematik exemplarisch). Schließlich bleibt daran zu erinnern, dass je länger – wie vorliegend – eine Grenzwertüberschreitung trotz mehrfach zur Reduzierung ergriffener, aber nicht ausreichend effektiver Maßnahmen andauert, desto strengere Maßstäbe an die Effektivitätsprognose und das Reduktionspotential ergänzender Maßnahmen zu stellen sind, der gebotene Maßstab also gerade nicht – wie es die Klägerseite in ihren Schriftsätzen i.d.R. als ausreichend erachtet – die prognostisch lediglich exakte Grenzwerteinhaltung oder knappe Unterschreitung sein kann (vgl. BayVGH, U.v. 21.3.2024 – 22 A 23.40047 – juris Rn. 92 m.w.N.).
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e) Ergänzend ist mit Blick auf das übrige Vorbringen des Klägers im hiesigen Verfahren lediglich noch Folgendes anzumerken:
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aa) Durch den klägerischen Vortrag wird der Stickstoffdioxidgrenzwert von 40 µg/m3 nicht substantiiert in Frage gestellt. Der Vortrag der Klagepartei beschränkt sich darauf zu bestreiten, dass darüber liegende Stickstoffdioxidkonzentrationen zu Gesundheitsbeeinträchtigungen führen und zu behaupten, es lägen keine fundierten wissenschaftlichen Belege dafür vor, dass eine tatsächliche Kausalität zwischen möglichen Gesundheitsbeeinträchtigungen und einer langfristigen NO²-Exposition über einem Wert von 40 µg/m³ bestehe, ohne jedoch belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse hierfür in auch nur annähernd ausreichender Weise zu zitieren, auszuwerten und darzulegen oder die Methodik der angeführten Studien substantiiert in Zweifel zu ziehen. Hinzu kommt, dass der Grenzwert normativ in Art. 23 Abs. 1 i.V.m. Anhang XI der Luftqualitätsrichtlinie verankert und die Vorgabe daher von den Mitgliedstaaten zwingend umzusetzen ist. Insoweit ist ergänzend anzumerken, dass der bis zum 1. Januar 2030 zu erreichende Stickstoffdioxidgrenzwert im Jahresmittel in der Neufassung der Richtlinie (EU) 2024/2881 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2024 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L, 2024/2881, 20.11.2024) sogar auf 20 µg/m3 reduziert wurde, sodass weder aus wissenschaftlicher noch aus normativer Perspektive davon ausgegangen werden kann, dass Stickstoffdioxidbelastung und Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht in einem Kausalitätsverhältnis stünden. Zudem ist es den Mitgliedstaaten aufgrund der sogenannten Vorwirkung von Richtlinien untersagt, Maßnahmen zu ergreifen oder zu unterlassen, die geeignet sind, die Zielsetzungen der jeweiligen Richtlinie ernstlich in Frage zu stellen (vgl. hierzu etwa Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand Juli 2024, Art. 288 AEUV Rn. 118).
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bb) Entgegen der Auffassung der Klagepartei stellt die Einrichtung von Tempo 30 Zonen kein gleich geeignetes milderes Mittel dar.
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Wie bereits dargelegt wurde, ist die Beklagte aufgrund der methodisch nicht zu beanstandenden Einschätzung von … zu dem Ergebnis gekommen, dass die schnellstmögliche und dauerhafte Einhaltung der Stickstoffdioxidgrenzwerte nur durch Verkehrsverbote erreicht werden kann (vgl. 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplans, S. 33 f.). Vor dem Hintergrund, dass bereits in der 5. Fortschreibung des Luftreinehalteplans Tempolimits mit strenger Überwachung an der Landshuter Allee festgelegt wurden, diese sich aber nicht als geeignet erwiesen, die Stickstoffdioxidgrenzwerte sicher und zeitnah einzuhalten (vgl. Anlage 8 zur 8. Fortschreibung des Luftreinhalteplans, S. 193), stellte diese Maßnahme mit Blick auf die Verpflichtung der Beklagten aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG kein gleich geeignetes, milderes Mittel dar. Der Kläger zitiert für seine Behauptung einer insoweit alternativen Maßnahme zum zonalen Fahrverbot auch lediglich eine allgemeine Publikation, ohne sich insoweit mit den konkreten Verhältnissen im Gebiet der Beklagten und den dazu angestellten umfassenden Untersuchungen und Prognoseszenarien auseinanderzusetzen.
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Hieran ändert auch der Beschluss der Beklagten vom 24. April 2024, nach dem im Rahmen eines zu evaluierenden Verkehrsversuchs entlang der Landshuter Allee im gesamten Abschnitt mit Wohnbebauung – zwischen Dachauer Straße/Parkharfe Olympiapark und Arnulfstraße/Donnersbergerbrücke – eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h angeordnet werden soll, nichts. Denn ungeachtet der Frage, ob die Beklagte hierdurch der im Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. März 2024 (a.a.O.) tenorierten Verpflichtung hinreichend nachkommen könnte, wird die Geschwindigkeitsbegrenzung zusätzlich zu dem bestehenden zonalen Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 4/IV und schlechter angeordnet und nicht – wie von den Klägern angedacht – anstatt des Verkehrsverbots.
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cc) Die Anordnung des Verkehrsverbots scheidet auch nicht deshalb als verhältnismäßige Maßnahme aus, weil Verkehrsverbote gemäß § 47 Abs. 4a BImSchG in der Regel erst ab einem Jahresmittelwert von 50 µg/m3 in Betracht kommen.
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Das Bundesverwaltungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BVerwG, U.v. 27.2.2020 – 7 C 3/19 – juris Rn. 60 ff.) davon aus, dass die Bestimmung, dass Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge in der Regel nur bei Werten über 50 μg/m³ in Betracht kommen, unionsrechtskonform dahingehend auszulegen ist, dass damit eine tatsächliche Vermutung ausgedrückt werden soll, wonach bei solchen Immissionswerten eine Unterschreitung des Grenzwertes aufgrund der ergriffenen Maßnahmen auch ohne Verkehrsverbote zeitnah zu erwarten ist. Soweit dies entgegen dieser Annahme nicht der Fall sein sollte und Verkehrsverbote sich als einziges Mittel darstellen, um die Überschreitung des Grenzwertes so kurz wie möglich zu halten, kann demgegenüber nicht von einem Regelfall im Sinne des § 47 Abs. 4a BImSchG ausgegangen werden, so dass die Vorschrift auch unterhalb von Werten von 50 μg/m³ Verkehrsverboten im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht entgegengehalten werden kann.
102
Wie bereits dargelegt wurde, ist dies hier der Fall. Trotz des schon seit 1. Januar 2010 verbindlich geltenden Stickstoffdioxid-Jahresmittelgrenzwerts (vgl. dazu etwa BVerwG, U.v. 27.2.2018 – 7 C 26.16 – juris Rn. 14) ist es jedenfalls betreffend den Messpunkt Landshuter Allee LÜB bisher nicht gelungen, im Luftreinhalteplan ausreichend wirksame Maßnahmen zur effektiven Schadstoffreduzierung, die die Einhaltung des Grenzwertes sicherstellen, vorzusehen, sodass sich Verkehrsverbote als einzig verbleibendes Mittel darstellen. Entgegen der Behauptung der Klägerseite hat sich auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner in Bezug genommenen Entscheidung – ausreichend und zutreffend – mit dieser Frage auseinandergesetzt (vgl. BayVGH, U.v. 21.3.2024 – 22 A 23.40047 – juris Rn. 69 a.E.).
103
C. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Da die Beigeladenen jeweils eigene Klageabweisungsanträge gestellt und sich somit einem entsprechenden Kostenrisiko, vgl. § 154 Abs. 3 VwGO, ausgesetzt haben, entspricht es der Billigkeit, dem Kläger auch die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, § 162 Abs. 3 VwGO.
104
D. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
105
E. Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Entgegen der Anregung der Klagepartei in dem durchgeführten Erörterungstermin war auch die Sprungrevision nach § 134 VwGO nicht zuzulassen. Weder hat die Beklagte der Einlegung der Sprungrevision schriftlich zugestimmt, § 134 Abs. 1 Satz 1 VwGO noch liegen Zulassungsgründe i.S.d. § 134 Abs. 2 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 VwGO vor.