Titel:
Erfolgloses Eilverfahren wegen Teilabbrucherlaubnis für historische Radrennbahn
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 S. 1. Abs. 5, § 80a Abs. 3 S. 2
BayDSchG Art. 1, Art. 6 Abs. 1, Abs. 2
UmwRG § 2 Abs. 4
BayVwVfG Art. 40
Leitsatz:
Denkmalschutzvereinigungen sind als Umweltschutzvereinigungen anzusehen, denn der Schutz des kulturellen Erbes ist vom Umweltbegriff erfasst. (Rn. 34 – 35) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
anerkannte Umweltvereinigung, Denkmalschutz, Denkmaleigenschaft, Abbrucherlaubnis, wirtschaftliche Zumutbarkeit des Erhalts, Anordnung des Sofortvollzugs, Eilrechtsschutz, aufschiebenden Wirkung, Vollzugsanordnung, Vollzugsinteresse, Gemeinwohl, Baurecht, Abbruchgenehmigung, Ermessen, Umweltbegriff, Umweltvereinigung, Bebauungsplan, Wohngebiet, geschichtliche Bedeutung, sportarchitektur- und technikgeschichtliche Bedeutung, Erhaltungszumutbarkeit
Fundstellen:
ZUR 2024, 306
LSK 2024, 3668
BeckRS 2024, 3668
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
3. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer der Beigeladenen erteilten Abbrucherlaubnis für die historische Radrennbahn „…“. Bei dem Antragsteller handelt es sich nach dessen eigenem Statut in der Fassung vom 11. Januar 2013, zuletzt geändert am 17. Oktober 2022, um ein „Netzwerk von Bürgerinitiativen, Vereinen, sonstigen Organisationen und Einzelpersonen zur landesweiten Förderung des Denkmalschutzes und der bürgerschaftlichen Denkmalpflege in ganz Bayern und nur in Bayern“. Unter „Rechtsform“ heißt es weiter:
„Das … ist ein freiwilliger Zusammenschluss und besitzt keine eigene Rechtsform. Seine Teilnehmer handeln in eigener Verantwortung.“
2
Der Antragsteller ist mit Schreiben vom 17. Februar 2021 des Bayerischen Landesamtes für Umwelt als Umweltvereinigung im Sinne des Umweltrechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) anerkannt worden. Die Beigeladene hat das Grundstück mit der FlNr. … der Gemarkung … im November 2016 käuflich erworben. Nach erfolgter Grundstücksteilung sind davon die Grundstücke mit den FlNrn. …, …, …, … sowie … jeweils der Gemarkung … umfasst.
3
Die historische Radrennbahn „…“, um deren Teilabbruch es vorliegend geht, wurde nach Gründung des Vereins „…“ durch Radsportidealisten im Jahr 1903 als 400 Meter langes Radrennbahnoval nach den Plänen des auf den Bau von derartigen Bahnen spezialisierten L. Architekten R. L. errichtet. Es war die erste derartige Piste in Nordbayern. Die Ausführung lag in den Händen des N. Maurermeisters … Im Jahr 1905 wurde mit einem Kostenaufwand von 15.000,00 DM eine Holztribüne am Ziel der Rennbahn erbaut. Im Jahr 1921 kaufte der Verein das gesamte Gelände für 50.000,00 DM und erweiterte die Stehplätze rund um die Piste. Auch im Innenraum der Radrennbahn konnten nun an großen Renntagen rund 3.000 Zuschauer Platz finden. Im Jahr 1927 wurde ein Tunnel zum Innenraum erbaut und im Jahr 1929 Baderäume, Toiletten und Duschen innerhalb des Tribüneneingangs errichtet. In der Folgezeit wurde bei Umbauarbeiten nicht nur die Deckschicht der Bahn erneuert, sondern diese vollständig ersetzt und auch die Betontragplatte vollständig durch eine neue Betonkonstruktion ersetzt. 1967 begann eine grundlegende Renovierung der Radrennbahn mit Hilfe des Bayerischen Landessportverbandes. Im Zuge dessen wurden die historischen Holztribünen abgebrochen und durch ein 1970/71 errichtetes neues Sportleistungszentrum mit Gaststätte ersetzt. Diese Modernisierung in den 1960er Jahren führte zum Abbruch der Zusatzbauten wie Haupttribüne, Umkleideräume, Anzeigetafeln, Zeitmessanlagen etc.. Die historischen Holztribünen aus den Anfangsjahren wurden vollständig entfernt. Im Jahr 2017 fand das vorerst letzte Rennen auf der Radrennbahn statt. Als spätere Maßnahmen erfolgte u.a. der Einbau von Tennisplätzen in der Mitte des Ovals.
4
Die Fläche der ehemaligen Radrennbahn liegt vollständig im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. … vom 19. Januar 1972, der „Wohnen“ festsetzt, wenngleich im streitgegenständlichen Bereich ohne Baufenster. Die Beigeladene beabsichtigt, auf den streitgegenständlichen Grundstücken Wohnbauvorhaben umzusetzen. Zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung hat die Antragsgegnerin vor Anerkennung der Radrennbahn als Baudenkmal ein Bauleitplanverfahren eingeleitet und beabsichtigt, mit Aufstellung des Bebauungsplans Nr. … die Errichtung von Wohnhäusern zu ermöglichen.
5
Auf Grund einer Petition wurde die Radrennbahn im Frühjahr 2022 auf ihre Denkmaleigenschaft hin überprüft. Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege erkannte die Denkmaleigenschaft mit schriftlicher Begründung an das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst vom 14. Juni 2022 an und konkretisierte dies mit weiterem Schreiben vom 26. September 2022. Eine Eintragung in die Liste der bayerischen Baudenkmäler ist bislang nicht erfolgt.
6
Mit Schreiben vom 27. Juni 2022 teilte das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst auf die Eingabe von Frau … vom 18. Oktober 2021 betreffend den Erhalt der Radrennbahn „…“ der Präsidentin des Bayerischen Landtags folgendes mit: Trotz der zu verzeichnenden Verluste an historischen Anlageteilen erfülle die mittlerweile zur ältesten erhaltenen Zementbahn in Europa gewordene Rennbahn auf Grund ihrer Architektur, orts- und technikgeschichtlichen Bedeutung die Kriterien gemäß Art. 1 BayDSchG (geschichtliche Bedeutung). Sie weise somit Denkmaleigenschaft auf. Das Landesamt für Denkmalpflege weise auf den bereits sehr weit fortgeschrittenen Verfahrensstand hin, insbesondere die Durchführung eines Wettbewerbs mit Beteiligung der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt … und auf das eingeleitete Bebauungsplanaufstellungsverfahren sowie die Vertrauensschutzaspekte der Investoren, die in der Abwägungsentscheidung der Stadt … zu berücksichtigen seien.
7
Mit weiterem Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst an die Präsidentin des Bayerischen Landtags vom 7. September 2022 wurde mitgeteilt, dass im Rahmen des Verfahrens eine Reduzierung der Bebauung auf den Bereich innerhalb der Betonpiste aus Gründen des Baumschutzes durch die Stadt bereits geprüft worden sei. Die Folge wäre auch ein großflächigerer Erhalt der Radfahrbahn. Die Prüfung sei zu dem Ergebnis gekommen, dass das Projekt bei einer derartigen Reduzierung der Baufläche planerisch, wirtschaftlich und technisch nicht mehr darstellbar wäre. Eine geringfügigere Bebauung wäre auch in Anbetracht des Wohnraummangels und der Standortgunst nicht angemessen. Ferner könnten wichtige Potentiale einer nachhaltigen Stadtentwicklung wie die Unterbringung einer Kindertagesstätte, ein dringend nötiger Ausbau der Grün- und Spielflächen sowie das Herstellen neuer Wegeverbindungen nicht nutzbar gemacht werden. Eine reduzierte Bebauung stünde zudem in Widerspruch zum sparsamen Umgang mit der Ressource Boden. Das innovative Entwässerungskonzept (Versickerung im Innenrund der Tiefgarage) wäre nicht umsetzbar. Des Weiteren wären auch bei einer verkleinerten Bauweise Eingriffe in die Traversen nicht zu vermeiden, um das Gebiet zugänglich zu machen. Im Abwägungsprozess sei durch die Stadt zu berücksichtigen, dass die Anlage keinerlei Nutzungsperspektive habe und ein Erhalt dem Eigentümer nicht zuzumuten wäre. Eine Übernahme der Radrennbahn durch die Stadt sei ebenfalls auszuschließen. Stattdessen werde eine Konkretisierung der denkmalfachlichen Belange, um an den Radsportstandort „…“ in … zu erinnern und diese Erinnerung mit der Überplanung der Fläche in Einklang zu bringen, verfolgt. Der Ansatz zum Erhalt eines Teilstückes der Bahn werde von der Stadt uneingeschränkt unterstützt.
8
Mit Formblatt „Antrag für eine denkmalrechtliche Erlaubnis nach Art. 6 BayDSchG“ vom 19. Oktober 2022 beantragte die Beigeladene für den „Teilabbruch der Sportanlage ‚Radrennbahn‘“ die Erteilung einer denkmalrechtlichen Erlaubnis.
9
Ohne Datum erließ die Antragsgegnerin folgenden Bescheid (...):
„1. Für das oben genannte Vorhaben wird die denkmalrechtliche Erlaubnis mit nachfolgend genannten Auflagen erteilt.
2. Von dieser Erlaubnis darf erst dann Gebrauch gemacht werden, wenn
a) der städtebauliche Vertrag zum Bebauungsplan Nr. … wirksam unterschrieben ist und
b) Bauanträge über die im Bebauungsplanentwurf bezeichneten Gebiete WA 1.6 eingereicht worden sind und
c) jedenfalls die Vorhaben in den acht Baufeldern im Osten der im Bebauungsplan mit WA 1.1 bis WA 1.4 bezeichneten Wohngebiete sowie im WA 1.5 den Festsetzungen des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans nicht widersprechen. Dies wird dem Antragsteller mit einfachem Schreiben mitgeteilt.
3. Die Auflagen sind Bestandteil der Erlaubnis.
4. Dieser Bescheid ergeht kostenfrei.“
10
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die „…“ eine stadtgeschichtliche, vor allem sportarchitektur- und technikgeschichtliche Bedeutung habe. Ihr Erhalt liege im Interesse der Allgemeinheit. In Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und denen des Eigentümers mit dem Interesse am Erhalt des Denkmals werde dem Abbruchantrag dennoch stattgegeben. Dem Eigentümer sei die Erhaltung der denkmalgeschützten Radrennbahn nicht zuzumuten. Eine Versagung der Erlaubnis wäre unverhältnismäßig. Die Anlage sei in einem baulich schlechten Zustand und könne selbst nach einer kostenträchtigen Sanierung nicht mehr wirtschaftlich vernünftig genutzt werden. Dies werde gutachterlich belegt. Im Verfahren sei nach Abschluss der frühzeitigen Bürgerbeteiligung durch Befassung des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst durch das BLfD die Denkmaleigenschaft der Bahn erkannt worden. Die Erlaubnis werde aufschiebend bedingt erteilt, um das Baudenkmal zumindest bis zur Umsetzung der Wohnbebauung zu erhalten. Mit den Auflagen werde sichergestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis erfüllt würden. Es folgen Ausführungen zur Geschichte der Radrennbahn, zur Erkennung der Denkmaleigenschaft durch das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege und zur aktuellen Zustandsbewertung und Nutzung. Sodann wird folgendes „Resümee“ gezogen: Die Anlage der Radrennbahn habe eine hohe stadt-, technik- und sportgeschichtliche Bedeutung. Der beantragte Abbruch der Radrennbahn werde zum Verlust des Baudenkmals führen. Das zu erhaltende Teilstück von ca. 30 Metern werde keine Denkmaleigenschaft mehr besitzen. Die Anlage sei in einem sehr schlechten Zustand. Für die Anlage wären Sanierungskosten von ca. 11,4 Mio. Euro notwendig, die der Verein nicht stemmen könne. Alle historischen Nebenanlagen, wie Umkleideräume für Sportler, Anzeigetafeln, Zuschauertribünen etc. existierten nicht mehr. Eine sanierte Anlage entspreche nicht den olympischen Richtlinien für Radrennsport und könne deshalb nicht für nationale oder internationale Wettkämpfe verwendet werden. Außerdem wäre sie mangels Witterungsschutz nur eingeschränkt nutzbar. Sogenannte Steherrennen, für die die Anlage in … berühmt gewesen sei, fänden mangels Interesse nur noch selten statt.
11
Unter dem Verfahrensvermerk auf Seite 12 des Bescheids befindet sich das Datum 23. Mai 2023 und der Vermerk „Bauordnungsbehörde“ (mit namentlicher Unterschrift versehen). Auf Seite 1 des Bescheids (Bl. 186 der Behördenakte …*) befindet sich folgender handschriftlicher Vermerk: „Pers. abgeholt durch: …, erhalten am: 24.5.2023, Unterschrift: …“.
12
Mit bei Gericht am 16. Oktober 2023 eingegangenem Schriftsatz ließ der Antragsteller unter dem Aktenzeichen AN 9 K 23.2112 Klage erheben gegen den Bescheid, welcher dem Vorhabenträger am 24. Mai 2023 ausgehändigt wurde. Dem Antragsteller sei der Bescheid erst am 5. Oktober 2023 im Wege einer zuvor beantragten Akteneinsicht übermittelt worden. Der am 19. Oktober 2023 eingegangene Eilantrag unter dem Aktenzeichen AN 9 S 23.2136 gemäß § 80 Abs. 5 VwGO analog auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage wurde in der Folgezeit übereinstimmend für erledigt erklärt.
13
Mit Schreiben vom 26. Oktober 2023 an den im behördlichen Verfahren bestellten Bevollmächtigten der Beigeladenen ordnete die Antragsgegnerin nach Antrag der Beigeladenen vom 24. Oktober 2023 die sofortige Vollziehung des Abbruchbescheids an. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das Schreiben Bezug genommen (Bl. 92 ff. der Behördenakte).
14
Mit bei Gericht am 26. Oktober 2023 eingegangenem Schriftsatz stellte der Antragsteller einen Eilantrag im vorliegenden Verfahren und begründete diesen im Wesentlichen wie folgt: Der Antragsgegnerin sei aus formalen Gründen die Anordnung des Sofortvollzugs verwehrt, da sie im gerichtlichen Verfahren AN 9 S 23.2136 die Auffassung vertreten habe, dass eine aufschiebende Wirkung der Klage nicht bestehe. An dieser Rechtsauffassung müsse sich die Antragsgegnerin festhalten lassen und sei nicht berechtigt, gleichzeitig mit dem Bestreiten der aufschiebenden Wirkung im Gerichtsverfahren einen Antrag auf Sofortvollzug zugunsten des Vorhabenträgers zu erlassen. Außerdem bestehe kein besonderes Vollzugsinteresse im Sinne von § 80a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Als Ausnahmeregelung zur gesetzlich angeordneten aufschiebenden Wirkung einer Klage müssten besondere Ausnahmegründe in Form eines besonderen öffentlichen Interesses am Sofortvollzug vorliegen, welche das Interesse der Beteiligten überwiege (unter Hinweis auf: Sodann/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 80a, Rn. 28). Hinsichtlich dieses besonderen öffentlichen Interesses „müssen also besondere Gründe dafür sprechen, dass der angefochtene Verwaltungsakt schon jetzt und nicht erst nach Bestandsoder Rechtskraft vollzogen wird; maßgeblich sind also die Kriterien der Dringlichkeit und Eilbedürftigkeit (Eyermann/Schmitt, VwGO, 12. Aufl., § 80a, Rn. 35). Auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs kommt es dabei erst in zweiter Linie an“ (VG Augsburg, B.v. 13.8.2010 – AU 4 S 10.846 – juris Rn. 55). Eine besondere Eilbedürftigkeit habe die Antragsgegnerin jedoch nicht dargelegt. Eine solche sei auch auf Grundlage des von ihr geschilderten Sachverhalts nicht ersichtlich. Es sei auch nicht ersichtlich, inwieweit das Interesse am sofortigen Abriss der Radrennbahn ein öffentliches Interesse darstelle. Die Verwirklichung des noch nicht rechtskräftigen Bebauungsplans in Form von Wohnbebauung, Kindertageseinrichtungen und Spielplätzen sei allein vom Bauleitplan abhängig und vermöge kein öffentliches Interesse bezogen auf den Abriss der Radrennbahn zu vermitteln. Es stehe ohnehin unter dem Vorbehalt des Beschlusses des Bebauungsplans und der Erteilung etwaiger Baugenehmigungen. Diesbezüglich sei darauf hingewiesen, dass die Unterlagen zum Bauleitplanverfahren zahlreiche CEF-Maßnahmen vorsähen. Dies bedeute, dass der Bauleitplan erst dann umgesetzt und Baugenehmigungen erst dann ausgenutzt werden dürften, wenn diese Maßnahmen vollumfänglich umgesetzt und ihre Wirksamkeit bestätigt worden seien. Damit liege aus Sicht des Antragstellers bereits kein öffentliches Interesse am Abriss des Baudenkmals vor. Insoweit verbleibe es lediglich beim allgemeinen Interesse des Vorhabenträgers, von seiner Genehmigung Gebrauch machen zu dürfen. Gegenüber diesem bloßen privaten Interesse überwiege das öffentliche Interesse des Antragstellers daran, dass ohne Verletzung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten die im öffentlichen Interesse liegenden Denkmalschutzbelange angemessen berücksichtigt und etwaige Verstöße in einem gerichtlichen Verfahren überprüft würden. Die Antragsgegnerin habe auch sachfremde Erwägungen in ihre Interessenabwägung aufgenommen. Denn der Antragsteller begehre mit seiner Klage allein die weitere Verhinderung des Abrisses der Radrennbahn. Insoweit seien auch im Rahmen der Interessenabwägung zum Sofortvollzug etwaige Investitionsinteressen des Vorhabenträgers nicht berücksichtigungsfähig. Dieser habe die Antragsgegnerin ja ohnehin schon in ihrer Entscheidung über die Abrissgenehmigung selbst zugunsten des Abrisses herangezogen. Es sei weder ersichtlich noch vorgetragen, dass beim Vorhabenträger außer dem Abwarten an der Ausnutzung seiner Genehmigung irgendwelche besonderen Interessen betroffen wären. Insoweit fehle es bereits an einem besonderen Interesse am Sofortvollzug, welches das Interesse des Gesetzgebers an der aufschiebenden Wirkung des Rechtbehelfs gegen die denkmalschutzrechtliche Abrisserlaubnis überwinden könnte.
15
Der Antragsteller macht umfangreiche Ausführungen zur Zulässigkeit der in der Hauptsache erhobenen Anfechtungsklage in Form einer sog. Verbandsklage.
16
Die Klage in der Hauptsache sei auch im Sinne von § 2 Abs. 4 UmwRG begründet.
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Denn die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1, 2 BayDSchG lägen nicht vor. Die Antragsgegnerin sei ermessensfehlerhaft zu der Überzeugung gelangt, dass eine Erlaubnis zum Abriss der historischen Radrennbahn erteilt werden dürfe. Sie habe zentrale Belange und erforderliche Stellungnahmen unberücksichtigt gelassen.
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Bei der historischen Randrennbahn handle es sich unstreitig um ein Baudenkmal, d.h. eine von Menschen geschaffene bauliche Anlage aus vergangener Zeit, deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen, wissenschaftlichen oder volkskundlichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit liege (vgl. Art. 1 Abs. 1, 2 BayDSchG). Insoweit liege nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs auch die Erhaltung des Baudenkmals im Interesse der Allgemeinheit (BayVGH, U.v. 27.9.2007 – 1 B 00.2474 – juris Rn. 42). Der Abrisserlaubnis stehe insbesondere Art. 6 Abs. 2 BayDSchG entgegen, denn die Antragsgegnerin hätte bei ordnungsgemäßer Ausübung des ihr zustehenden Ermessens zu der Auffassung gelangen müssen, dass die von der Beigeladenen am 19. Oktober 2022 beantragte Abrissgenehmigung aufgrund gewichtiger und sogar überwiegender Gründe des Denkmalschutzes hätte versagt werden müssen. Wie der Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 18. Oktober 2010 (1 B 06.63) dargelegt habe, ergäben sich „gewichtige Gründe des Denkmalschutzes“ nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG bereits aus der Denkmaleigenschaft des Baudenkmals als solche, ohne dass es an dieser Stelle bereits auf die Bedeutung des Baudenkmals ankomme (a.a.O. juris Rn. 35 f). Die Untere Denkmalschutzbehörde habe damit grundsätzlich im Rahmen einer Abrissgenehmigung für ein Baudenkmal eine Ermessensentscheidung zu treffen. Auf die Bedeutung und „Wertigkeit“ des im Einzelfall in Rede stehenden Baudenkmals komme es dann erst im Rahmen dieser Ermessensentscheidung an. Die behördliche Ermessensentscheidung erstrecke sich als Abwägungsentscheidung entsprechend dem Zweck des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG im Wesentlichen auf die nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentümerinteressen des Antragstellers auf der einen Seite und die gewichtigen Gründe des Denkmalschutzes als Interesse der Allgemeinheit (öffentliches Interesse) auf der anderen Seite. Berücksichtigt werden könnten in gewissem Umfang auch weitere öffentliche Interessen anderer Art, wenn diese Belange im Einzelfall das Interesse an der unveränderten Erhaltung des Denkmals überwögen und nicht auch mit anderen Mitteln erreicht werden könnten. Eine Ermessensentscheidung sei als Abwägungsentscheidung dann fehlerhaft, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfinde, wenn Belange in die Abwägung nicht eingestellt würden, die nach Lage der Dinge eingestellt werden müssten, wenn die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Entscheidung berührten öffentlichen Belange in einer Weise vorgenommen werde, der zur objektiven Gewichtung einzelner Belange außer Verhältnis stehe (unter Hinweis auf BayVGH, U.v. 25.10.2016 – 9 N 13.558 – juris Rn. 38). Voraussetzung einer sachgerechten Ermessensentscheidung sei damit zunächst, dass die Behörde im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht (Art. 24 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG) die abwägungserheblichen Tatsachen ermittle. Sie habe daran anknüpfend in ihre Ermessenentscheidung die widerstreitenden Interessen mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in ihrer Entscheidung einzustellen. An beidem fehle es vorliegend. Die von der Antragsgegnerin im Abrissbescheid vorgenommene Ermessensentscheidung sei ermessensfehlerhaft, weil sie von unzutreffenden, in Wahrheit nicht gegebenen Umständen ausgegangen sei und die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage unvollständig und falsch gedeutet habe (unter Hinweis auf Schenke/ Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO 24. Auflage 2018 § 114 Rn. 12). Die Antragsgegnerin habe bereits die entscheidungserheblichen Belange nicht bzw. nicht ausreichend ermittelt, sodass eine sachgerechte Ermessensentscheidung nicht habe erfolgen können. Sie habe darüber hinaus die widerstreitenden Belange nicht mit dem ihnen objektiv zukommenden Gewicht in die Ermessensentscheidung eingestellt. Die erteilte Abrissgenehmigung sei daher rechtswidrig und verstoße gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften zum Schutze des Umweltbelangs „kulturelles Erbe“, die für die Entscheidung von Bedeutung seien. Es würden dabei auch Belange berührt, die zu den Zielen gehörten, die der Antragsteller nach seiner Satzung fördere.
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Für den Antragsteller sei bereits im Rahmen des Abrissbescheides schwer nachvollziehbar, welche Aspekte die Antragsgegnerin und mit welchem Stellenwert in ihre Ermessensentscheidung mit einbezogen habe. Ausgehend von den Ausführungen auf Seite 2 f. („Sachverhalt und Gründe“) sowie dem Resümee auf Seite 10 habe die Antragsgegnerin tragend auf einer angeblichen Unzumutbarkeit der Sanierung abgestellt, auf eine behauptete fehlende wirtschaftliche Nutzung der Anlage und auf die von der Antragsgegnerin selbst gewünschte Nachnutzung der Abrissfläche zur Wohnbebauung als öffentlichen Belang. Dem gegenüber habe die Antragsgegnerin für den Erhalt der Radrennbahn lediglich ganz allgemein die „stadtgeschichtliche, vor allem sportarchitektur- und technikgeschichtliche Bedeutung“ erwähnt. Eine konkrete Abwägung der Gewichtung könne der Antragsteller für den Erhalt sprechenden Gründe bereits nicht erkennen. Sie ergäben sich auch nicht aus der Verfahrensakte.
20
Hinsichtlich der finanziellen Aufwendungen der Beigeladenen für das Bauleitplanverfahren könne nicht erkannt werden, inwieweit diese für die Anordnung des Sofortvollzugs relevant seien. Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass durch das Abwarten einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren im Verhältnis der bereits bisher von der Beigeladenen aufgewendeten rund 29 Mio. Euro derart hohe Verzögerungskosten entstehen würden, dass diese Kosten die Anordnung eines Sofortvollzugs rechtfertigen würden, dem auf der anderen Seite der komplette Verlust des Baudenkmals im öffentlichen Interesse gegenüberstehe.
21
Der Antragsteller beantragt vorliegend,
die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 16. Oktober 2023 (AN 9 K 23.2112) gegen den Abrissbescheid der Antragsgegnerin (...)
22
Die Antragsgegnerin beantragt,
23
Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass es nicht richtig sei, dass sie ohne belastbare Kosten einer Sanierung über den Abrissantrag der Beigeladenen entschieden habe. Vielmehr habe der Unteren Denkmalschutzbehörde seit Mitte 2022 eine substantiierte Kostenschätzung vorgelegen. Die Antragsgegnerin nimmt insoweit Bezug auf drei Unterlagen, welche die Beigeladene eingereicht habe (Anlage …). Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 28. November 2023 Bezug genommen.
24
Die Beigeladene beantragt,
25
Wegen der Einzelheiten der Begründung wird insbesondere auf den Schriftsatz vom 15. Dezember 2023 Bezug genommen.
26
Mit Bescheiden vom 14. Februar 2024 erteilte die Antragsgegnerin gegenüber der Beigeladenen mehrere Baugenehmigungen für die Errichtung von Wohnanlagen im Bereich des streitgegenständlichen Baudenkmals.
27
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
28
Der zulässige Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hat in der Sache keinen Erfolg und ist daher abzulehnen.
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1. Der Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig.
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1.1 Insbesondere ist der Antrag statthaft, da der am Oktober 2023 erhobenen Anfechtungsklage des Antragstellers gegen die der Beigeladenen erteilten Abbrucherlaubnis zwar grundsätzlich gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung zukommt, da im Falle einer Abbrucherlaubnis gemäß Art. 6 BayDSchG keine bauaufsichtliche Zulassung im Sinne von § 212a BauGB vorliegt, die Antragsgegnerin jedoch die sofortige Vollziehbarkeit der Abbrucherlaubnis gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO mit Schreiben vom 26. Oktober 2023 angeordnet hat.
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1.2 Der Antragsteller ist antragsbefugt im Sinne von § 2 Abs. 1 Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG). Danach kann eine gemäß § 3 UmwRG anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung 1. geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht, 2. geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassen berührt zu sein, und 3. im Falle eines Verfahrens nach a) § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b UmwRG zur Beteiligung berechtigt war; b) § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 zur Beteiligung berechtigt war und sie sich hierbei in der Sache gemäß den geltenden Rechtsvorschriften geäußert hat oder ihr entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist.
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1.2.1 Der Anwendungsbereich des UmwRG ist eröffnet. Denn bei der streitgegenständlichen Abbrucherlaubnis gemäß Art. 6 Abs. 2 BayDSchG handelt es sich um einen Fall des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG, wonach Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte, durch die andere als in den Nummern 1 bis 2b genannte Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union zugelassen werden. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 UmwRG ist auch ausgehend von seinem Wortlaut ein Auffangtatbestand und daher weit auszulegen (vgl. Eyermann, 16. Aufl. 2022, UmwRG § 1 – beck-online Rn. 19).
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1.2.2 Der Antragsteller ist eine gemäß § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung. Ausweislich des Schreibens des Bayerischen Landesamtes für Umwelt vom 17. Februar 2021 liegt eine Anerkennung in formeller Hinsicht vor. Unabhängig von der Frage, ob eine solche Anerkennung konstitutiv ist, liegen die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Anerkennung im Sinne von § 3 UmwRG nach Auffassung der Kammer vor.
34
Die erkennende Kammer schließt sich insofern der wohl herrschenden Meinung an und bezieht sich in erster Linie auf das überzeugende und nachvollziehbare Rechtsgutachten „Anerkennung von Denkmalschutzvereinigungen als Umwelt- und Naturschutzvereinigungen gemäß § 3 UmwRG“ von … und … im Auftrag des Umweltbundesamtes (Juni 2022), wonach Denkmalschutzvereinigungen als Umweltschutzvereinigungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UmwRG anzusehen sind.
35
Denn: „Denkmalschutz ist Teil des Umweltschutzes im Sinne eines weit zu verstehenden Umweltbegriffs. Aus den unionsrechtlichen Vorgaben sowie den entsprechend auszulegenden nationalen Vorschriften folgt, dass auch der ‚Schutz des kulturellen Erbes‘ vom Umweltbegriff erfasst ist. Ein Bezug zur ‚natürlichen Umwelt‘ ist nicht erforderlich.
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Dass Denkmalschutzvereinigungen nur einen Teilaspekt des Umweltschutzes fördern, steht der Anerkennung als Umweltvereinigung im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UmwRG nicht entgegen. Das kulturelle Erbe steht gleichberechtigt neben den anderen Faktoren. Damit haben auch reine Denkmalschutzorganisationen, soweit alle weiteren Anerkennungsvoraussetzungen erfüllt werden, einen Anspruch auf Anerkennung als Umweltvereinigung. (…)“ (Klinger/Ernst, a.a.O., Zusammenfassung)
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2. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung erweist sich jedoch nach Auffassung der erkennenden Kammer als unbegründet, da die in der Hauptsache erhobene Anfechtungskage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
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In den Fällen, in denen die Behörde wie vorliegend auf Antrag des Begünstigten gemäß §§ 80a Abs. 1 Nr. 1, 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes angeordnet hat und die Anfechtungsklage daher keine aufschiebende Wirkung (mehr) entfaltet, kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung auf Antrag des Dritten, durch den Verwaltungsakt Belasteten, ganz oder teilweise wiederherstellen, §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO.
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Dabei trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein, wird regelmäßig nur die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben, ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (BayVGH, B.v. 22.2.2019 – 8 AS 19.40003, BeckRS 2019, 3433 Rn. 12, beck-online)
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§ 80a Abs. 3 VwGO selbst normiert keine Entscheidungskriterien für das zur Entscheidung verpflichtete Gericht (Schoch/Schneider/Schoch, 44. EL März 2023, VwGO § 80a – Beck-Online Rn. 59). Der Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab im Rahmen eines mehrpoligen Verhältnisses (zum angefochtenen Bescheid) ist daher umstritten. „Denn in dieser Situation stehen sich konkrete Rechtspositionen Privater gegenüber, die grundsätzlich gleichrangig sind. Die Frage, wer hier bis zur Hauptsacheentscheidung das Risiko der Herbeiführung vollendeter Tatsachen tragen muss, bestimmt sich nach dem materiellen Recht, also der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (vgl. Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz und Risikoverteilung im VerwR, 1988, S. 1003ff.). Art. 19 IV GG lässt sich nicht entnehmen, dass hier eine der beiden Rechtspositionen bevorzugt wäre oder dass für ihre sofortige Ausnutzung zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse vorliegen müsse.“ (BVerfG, B.v. 1.10.2008 – 1 BvR 2466/08, NVwZ 2009, 240 – beck-online)
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Allerdings ist vorliegend die Besonderheit zu berücksichtigen, dass der Antragsteller gerade keine „konkrete Rechtspositionen Privater“ geltend macht, sondern satzungsgemäß der „Förderung der Ziele des Umweltschutzes“, worunter die Belange des Denkmalschutzes zu zählen sind (s.o.), also letztlich öffentlichen Interessen verpflichtet ist. Dies stellt gerade die innere Rechtfertigung für die besonderen prozessualen Rechte von Umweltverbänden im Rahmen des UmwRG dar. Ob daraus folgt, dass im Rahmen einer etwa vom Gericht vorzunehmenden, aber gegenüber der Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache nachrangigen Interessenabwägung ein demnach öffentliches Interesse am Erhalt des Denkmals und damit an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ein etwaiges privates Interesse der Beigeladenen an der sofort vollziehbaren Umsetzung der Abbrucherlaubnis überwöge, kann jedoch im vorliegend zur Entscheidung stehenden Verfahren dahinstehen. Denn vorliegend erweist sich die Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des mit der Hauptsache angefochtenen Bescheids als rechtmäßig (2.1). Und auch die (summarische) Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache als wesentliches Element der gerichtlichen Interessenabwägung im Rahmen der Entscheidung gemäß § 80a Abs. 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO fällt zugunsten der Antragsgegnerin aus, so dass es auf eine etwa darüberhinausgehende Interessenabwägung nicht mehr ankommt (2.2).
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2.1 Die Antragsgegnerin hat das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit ausreichend begründet, §§ 80a Abs. 1 Nr. 1, 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO.
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Vorliegend hat die Antragsgegnerin nach entsprechender Antragstellung durch die Beigeladene gemäß § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO die sofortige Vollziehung des unter dem gerichtlichen Aktenzeichen AN 9 K 23.2112 angefochtenen Bescheids vom 21. Oktober 2023 mit „Verfügung“ vom 26. Oktober 2023 angeordnet.
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§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verlangt für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit eine besondere Begründung, von der nur bei Notstandsmaßnahmen abgesehen werden darf (§ 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO). Dabei handelt es sich um eine formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Vollziehungsanordnung, dessen Hauptfunktion es ist, dass sich die Behörde der besonderen Ausnahmesituation bewusst wird, wenn sie die sofortige Vollziehbarkeit anordnet. Darüber hinaus dient das Begründungserfordernis auch dem Rechtsschutz des Betroffenen, der ausgehend von der Begründung die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs besser abschätzen können soll.
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§ 80 Abs. 3 S. 1 VwGO betrifft allerdings nur die formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung, so dass es auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung nicht ankommen kann. Es reicht jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass und weshalb die Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet. Die Begründung muss kenntlich machen, dass sich die Behörde bewusst ist, von einem rechtlichen Ausnahmefall Gebrauch zu machen. Daher ist es unzureichend, die sofortige Vollziehbarkeit formelhaft allein mit dem Vorliegen eines öffentlichen Interesses am Vollzug zu begründen. Denn damit wird lediglich der Gesetzeswortlaut wiederholt, was nach dem zum Sinn des Begründungszwangs Ausgeführten dem Begründungsgebot nicht genügen kann. Es müssen also die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen (Eyermann, 16. Aufl. 2022, VwGO § 80 – beck-online Rn. 54, 55).
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Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die Anordnung des Sofortvollzugs auf Antrag der Beigeladenen im Rahmen von § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO erfolgt ist, wonach auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet werden kann. In derartigen Dreieckskonstellationen ist demnach auch das Interesse des Begünstigten – wie auch das des Belasteten – von der Behörde in ihre Abwägungsentscheidung einzubeziehen und damit auch in der Begründung abzubilden. Allerdings begründet das vorliegend vom Antragsteller vertretene öffentliche Interesse am Erhalt des Denkmals auch im Rahmen der Prüfung des formalen Begründungserfordernisses ein besonderes Spannungsverhältnis gegenüber dem „normalen“ mehrpoligen Verhältnisses, bei dem vorrangig private, also grundsätzlich gleichrangige Interessen widerstreiten. Denn bei grundsätzlich gleichwertigen (privaten) Vollzugs- und Suspensivinteressen liegt es nahe, dass die Behörde den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache bei ihrer Entscheidung über die Anordnung der Vollziehbarkeit ein zentrales Gewicht im Rahmen der Interessenabwägung beimessen muss und dies in der Begründung zum Ausdruck bringt. Da bei einem bereits eingelegten Rechtsbehelf und einem sodann gestellten Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung der Behörde bereits hinreichend Vortrag des Dritten vorliegt, spricht hier insoweit grundsätzlich nichts dagegen, der Behörde anhand des Beteiligtenvorbringens zuzubilligen, die eigene Entscheidung erneut auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen und die Vollziehungsanordnung auf dieser Grundlage zu begründen (Eyermann, a.a.O., § 80a – beck-online Rn. 6). Dieser im „normalen“ mehrpoligen Verhältnis anzuwendende Grundsatz lässt sich auf das vorliegende mehrpolige Verhältnis jedoch nicht ohne Weiteres übertragen. Allerdings hat sich die Antragsgegnerin nicht auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Abbrucherlaubnis beschränkt, sondern die besonderen – auch öffentlichen – Interessen, die aus ihrer Sicht für die sofortige Vollziehbarkeit sprechen, dargelegt.
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Die Antragsgegnerin hat die Anordnung ausführlich auf sieben Seiten begründet und sich dabei in erster Linie auf die aus ihrer Sicht bestehenden Gründe des Gemeinwohls bezogen, da nach Beseitigung des Denkmals Wohnungen, eine Kindertagesstätte, öffentliche Spielplätze und eine öffentlich nutzbare Grünfläche geschaffen werden sollen. Außerdem hat die Antragsgegnerin die Gründe herangezogen, die zumindest auch zum Erlass des angefochtenen Verwaltungsakts geführt haben (Unzumutbarkeit der Sanierung). Ob der etwaige Verlust der Denkmaleigenschaft eine tragfähige Begründung darstellt, ist im Rahmen der gerichtlichen Prüfung des (formalen) Begründungserfordernisses unbeachtlich. Der Begründung ist zumindest zu entnehmen, dass die Behörde sich mit den (widerstreitenden) Interessen der Beigeladenen, des Antragstellers (am Erhalt des Denkmals) und dem öffentlichen Interesse (am Erhalt des Denkmals, aber auch die o.g. Gründe des Gemeinwohls) auseinandergesetzt hat. Damit ist dem Begründungserfordernis Genüge getan worden.
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Der Einwand des Antragstellers, die Behörde sei an ihre vorherige Einschätzung, die Klage habe gemäß § 212a BauGB keine aufschiebende Wirkung, gebunden, greift nicht durch. So ist die Behörde natürlich berechtigt, ihre ursprüngliche Rechtsauffassung, die sie zunächst geleitet und veranlasst hatte, keinen Sofortvollzug anzuordnen, zu korrigieren und ihre weiteren Entscheidungen darauf auszurichten.
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2.2 Die unter dem gerichtlichen Aktenzeichen AN 9 K 23.2112 geführte Anfechtungsklage wird aller Voraussicht nach erfolglos bleiben, so dass die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers ausfällt.
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Gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG ist die Anfechtungsklage begründet, soweit die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2a bis 6 oder deren Unterlassen gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind, und der Verstoß Belange berührt, die zu den Zielen gehören, die die Vereinigung nach ihrer Satzung fördert. § 2 Abs. 4 UmwRG bestimmt demnach abweichend von § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO, unter welchen Voraussetzungen ein Rechtsbehelf i. S. des Absatzes 1 begründet ist (Bunge, UmwRG Kommentar, § 2 – juris Rn. 114).
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Aufgrund der europarechtlich gebotenen weiten Auslegung des Umweltbegriffs, wonach auch ein Denkmal als Teil der von Menschen geschaffenen „Umwelt“ zu verstehen ist, wäre die Klage gegen die Abbrucherlaubnis begründet, wenn diese unter Verstoß gegen denkmalrechtliche Belange ergangen wäre, welche vom Antragsteller nach seiner Satzung gefördert werden. Wollte man darüber hinaus die Verletzung “klassischer“ umweltbezogener Rechtsvorschriften verlangen, wäre eine Klage von Denkmalschutzvereinigungen, wie sie der Antragsteller darstellt, von vornherein ohne Erfolgsaussicht und würde das oben bejahte Verbandsklagerecht von Denkmalschutzvereinigungen letztlich aushöhlen.
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Unter Anwendung des so verstandenen Begründetheitsmaßstabs bleibt die Anfechtungsklage gegen die Abbrucherlaubnis voraussichtlich ohne Erfolg, so dass die vom Gericht durchzuführende Interessenabwägung im Rahmen des vorliegenden Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu Lasten des Antragstellers ausfällt.
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Denn die erteilte Abbrucherlaubnis gemäß Art. 6 Abs. 2 BayDSchG erweist sich nach gebotener, aber im Eilverfahren ausreichender rein summarischer Prüfung als rechtmäßig und kann bereits von daher nicht zu einer gemäß § 2 Abs. 4 UmwRG relevanten Verletzung von Rechtsvorschriften bzw. Belangen führen, welche der Antragsteller satzungsgemäß fördert.
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2.2.1 Die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 2 BayDSchG liegen vor. So handelt es sich bei der Radrennbahn um ein Baudenkmal im Sinne von Art. 1 Abs. 2 BayDSchG, welches abgebrochen werden soll. Ob nach den bereits erfolgten Abbruchmaßnahmen der Denkmalcharakter tatsächlich entfallen sein bzw. die Radrennbahn entgegen der Einschätzung des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kultur schon gar kein Baudenkmal (mehr) darstellen sollte und die Abbrucherlaubnis damit letztlich ins Leere gehen würde, wie wohl die Antragsgegnerin und die Beigeladene meinen, kann dahinstehen. Denn die Abbrucherlaubnis erweist sich nach Auffassung der Kammer als rechtmäßig. Insbesondere liegen keine Ermessensfehler vor, wobei das Gericht auf die Prüfung der in § 114 Satz 1 VwGO genannten Ermessensfehler beschränkt ist.
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Die Antragsgegnerin durfte die nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayDSchG erforderliche Erlaubnis erteilen. Gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG kann die nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayDSchG erforderliche Erlaubnis versagt werden, soweit gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen.
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Dem Antragsteller ist insoweit beizupflichten, als mit der Rechtsprechung des BayVGH davon auszugehen ist, dass „gewichtige Gründe des Denkmalschutzes“ einem Baudenkmal in der Regel immanent sind. Denn gewichtige Gründe des Denkmalschutzes im Sinn von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG sprechen beim beabsichtigten Abbruch eines denkmalgeschützten Gebäudes in der Regel für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands (BayVGH, U.v. 29.7.2021 – 2 B 21.1414 – Rn. 68, juris).
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2.2.2 Damit ist der Genehmigungsbehörde nach dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 BayDSchG („kann“) ein Versagensermessen eröffnet. D.h. der Genehmigungsbehörde ist ein Ermessen eröffnet, ob sie die Abbrucherlaubnis trotz der gewichtigen Gründe des Denkmalschutzes erteilt oder aber aus denkmalschutzrechtlichen Gründen versagt. Hierbei handelt es sich um ein rechtlich gebundenes Ermessen. D.h. die Behörde muss ihr Ermessen gemäß Art. 40 BayVwVfG entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausüben und die Grenzen des Ermessens einhalten. Korrespondierend hierzu bestimmt § 114 Satz 1 VwGO, dass das angerufene Verwaltungsgericht die Entscheidung zwar nicht auf Zweckmäßigkeit zu überprüfen hat, wohl aber auf sog. Ermessensfehler. Der gerichtliche Prüfungsrahmen ist insoweit eingeschränkt.
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Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die im Rahmen von Art. 6 Abs. 2 BayDSchG widerstreitenden Belange wie folgt formuliert:
„Zweck des Erlaubnisvorbehalts in Art. 6 Abs. 2 BayDSchG ist vor allem, durch eine präventive Kontrolle den Hauptzielen des Gesetzes, einer möglichst unveränderten Erhaltung (Art. 4 BayDSchG) und einer möglichst zweckentsprechenden Nutzung (Art. 5 BayDSchG) der Denkmäler gegen Maßnahmen, die diesen Zielen typischerweise zuwiderlaufen, im Rahmen des dem Denkmaleigentümer Zumutbaren Rechnung zu tragen. Dabei sind öffentliche Belange (insbesondere das Interesse an einer möglichst unveränderten Denkmalerhaltung) und private (insbesondere Eigentümer-) Belange in die Ermessensentscheidung einzustellen, entsprechend zu gewichten und abzuwägen (zum Ganzen vgl. BayVGH, U.v. 27.9.2007 – 1 B 00.2474 – juris Rn. 87; U.v. 11.1.2011 – 15 B 10.212 – juris Rn. 21, 26 ff.; B.v. 31.10.2012 – 2 ZB 11.1575 – juris Rn. 12). Hinsichtlich der Gewichtung der Eigentümerinteressen ist dabei von der Sicht eines dem Denkmalschutz aufgeschlossenen Eigentümers auszugehen (vgl. BayVGH, U.v. 11.1.2011 – 15 B 10.212 – juris Rn. 28 m.w.N.; Eberl/Spennemann/Schindler-Friedrich/Gerstner, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, 8. Aufl. 2021, Art. 6 Rn. 44). Der Bauherr – hier die Klägerin – hat im Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 2 BayDSchG einen Rechtsanspruch darauf, dass bei Versagung der Erlaubnis bzw. (hier) der Baugenehmigung vom Ermessen pflichtgemäß Gebrauch gemacht wird (Eberl/Spennemann/Schindler-Friedrich/Gerstner a.a.O. Art. 6 Rn. 28).“(BayVGH, U.v. 26.10.2021 – 15 B 19.2130 – Rn. 58 – 59, juris)
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Dies zugrunde gelegt, ergibt sich für das vorliegende Verfahren folgendes:
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(1) Die Antragsgegnerin hat erkannt, dass sie eine Ermessensentscheidung zu treffen hat: „Gemäß Art. 6 Abs. 2 mit 3 kann die Erlaubnis bzw. Genehmigung versagt werden, wenn…“. (S. 2 des Bescheids) Und: „In Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und denen des Eigentümers mit dem Interesse am Erhalt des Denkmals wird dem Abbruchantrag dennoch stattgegeben.“ (a.a.O.)
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Von einem Ermessensausfall kann somit keine Rede sein.
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Die Antragsgegnerin hat zudem berücksichtigt, „dass der verfassungsrechtlich verankerte Denkmalschutz ein hohes Gewicht besitzt“ (a.a.O.), und ausgehend davon die Bau- und Nutzungsgeschichte des Denkmals im Bescheid ausführlich dargestellt.
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(2) Soweit der Antragsteller eine unzureichende Sachverhaltsermittlung als Grundlage der behördlichen Ermessensentscheidung moniert, zielt dies ausweislich der Antragsbegründung in erster Linie auf die von der Antragsgegnerin angenommene Unzumutbarkeit der Sanierung bzw. des Erhalts des Baudenkmals ab. Insoweit ist der Antragsteller der Meinung, dass nachvollziehbare und belastbare Angaben zu etwaigen Kosten fehlen würden.
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Allerdings gibt der Bescheid selbst detailliert Auskunft über den aktuellen Zustand der Radrennbahn (S. 8) und die Umstände, wie es dazu kommen konnte:
„Die defekte 400 Meter lange Radrennbahn konnte wegen übermäßig hoher Unfallgefahr nicht mehr genutzt werden, weswegen auch 2017 das letzte Radrennbahn-Rennen stattfand. (…) Die Unterführung zum Innenraum der Radrennbahn ist einsturzgefährdet. (…) Für die Besucher besteht akute Stolper- und Sturzgefahr. Das Wirtschaftsgebäude (1970/71 errichtet) bedarf einer kompletten Kernsanierung und ist im vorhandenen Zustand nicht mehr nutzbar. Um die Radrennbahn nutzen zu können, müsste sie fast vollständig erneuert werden. Neben einer Neuverdichtung des Untergrundes muss der Fahrbahnbelag komplett neu gebaut werden.“ (S. 9 des Bescheids)
Diese Aussagen beruhen auf einem Gutachten der … im Auftrag der Beigeladenen vom 18. März 2022, ergeben sich aber auch aus der „Historischen und fotografischen Dokumentation der Radrennbahn am Standort …, …“ vom 27. Oktober 2022 ebenfalls im Auftrag der Beigeladenen. Beide Untersuchungen sind Bestandteil der Behördenakte (* … mit 5 Planheftungen).
Das Ergebnis der Antragsgegnerin, dass der Erhalt der Radrennbahn, ausgehend von dem beschriebenen Zustand, der Beigeladenen nicht zumutbar ist, ist nach Auffassung der Kammer ermessensfehlerfrei zustande gekommen und von daher nicht zu beanstanden.
So fasst die Antragsgegnerin dies wie folgt zusammen: „Dem Eigentümer ist die Erhaltung der denkmalgeschützten Radrennbahn nicht zuzumuten. Eine Versagung der Erlaubnis wäre unverhältnismäßig. Die Anlage ist in einem baulich schlechten Zustand und kann selbst nach einer kostenträchtigen Sanierung nicht mehr wirtschaftlich vernünftig genutzt werden. Dies wurde gutachterlich belegt.“ (S. 2 des Bescheids)
Weiter wird auf S. 8 ausgeführt: „Eine Sanierung unter den geschilderten Voraussetzungen würde nach einer Kostenschätzung des Eigentümers einen Aufwand von 11,4 Mio € Baukosten bedeuten und nahezu einem Neubau gleichkommen. Davon entfallen auf rein denkmalrelevante Kosten für die Radrennbahn zugunsten des Investors gerechnet etwa 4,8 Mio € (Fahrbahn, Unterbau; Herrichten; Rückbauten). Weitere Kosten in Höhe von ca. 6,6 Mio € sind nutzungsbedingt und betreffen nicht das Baudenkmal selbst (Technik, Tribünen, Vereinsheim, Einfriedung).“
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Insgesamt ergibt sich aus dem Bescheid eine ordnungsgemäße Abwägung der widerstreitenden Interessen am Erhalt des Denkmals auf der einen Seite und an einer (wirtschaftlich) zumutbaren Nutzung des Grundstücks durch den Eigentümer auf der anderen Seite.
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Der Antragsteller meint, dass die Antragsgegnerin die Frage der Zumutbarkeit nicht ausreichend geprüft habe und das Ergebnis von daher ermessenfehlerhaft sei, weil insoweit die wirtschaftlichen Grundlagen allenfalls geschätzt, aber nicht ausreichend ermittelt worden seien.
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Die Antragsgegnerin wendet insofern ein, dass der Unteren Denkmalschutzbehörde seit Mitte 2022 eine substantiierte Kostenschätzung zu den Sanierungskosten vorgelegen habe, und legt dazu mit Schriftsatz an das Gericht vom 28. November 2023 drei Unterlagen (Anlagen AG2-4), welche dies belegen sollen, vor. Diese hält die Kammer für ausreichend, um von einer ausreichenden, ermessensbegründenden Sachverhaltsermittlung auszugehen. Substantiell setzt der Antragsteller der umfangreichen Kostenaufstellung der Beigeladenen zu einer möglichen Sanierung jedoch nichts entgegen, sondern listet vielmehr anhand der Entscheidung des BayVGH vom 12. August 2015 (1 B 12.79) die im dortigen Verfahren geforderten Aspekte einer Wirtschaftlichkeitsberechnung für die Prüfung der Zumutbarkeit des Erhalts eines Denkmals auf. Allerdings verkennt die Antragstellerseite insoweit, dass jegliche Zumutbarkeitsprüfung – so auch die vorliegende – eine Einzelfallprüfung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten sein muss. Etwas Anderes ergibt sich auch aus der genannten Entscheidung nicht. Die von der Rechtsprechung geforderten Kriterien sind daher immer im Lichte des Einzelfalls zu betrachten und können nicht mit einem – nur vom Gesetzgeber – zu schaffenden Kriterienkatalog gleichgesetzt werden. Vor dem Hintergrund des Zustandes der Radrennbahn und ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung als solche hat die Antragsgegnerin die vorlegten Unterlagen als ausreichend betrachtet und die anhand dessen ermittelten Sanierungskosten ermessensfehlerfrei mit dem „Wert“ der Radrennbahn als einzigartiges Baudenkmal ins Verhältnis gesetzt. Die Antragsgegnerin hat sich zudem in ihrer Stellungnahme an das Gericht im vorliegenden Verfahren noch einmal ausführlich mit etwaigen Förderungsmaßnahmen und Verkaufsmöglichkeiten beschäftigt und ist ermessensfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass beide nicht vorhanden sind und ein Erhalt des Denkmals auch einem „dem Erhalt des Denkmals aufgeschlossenen Eigentümer“ demnach nicht zumutbar ist.
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Soweit der Antragsteller bemängelt, dass eine ausführliche Auseinandersetzung hinsichtlich der Zumutbarkeit nicht im Bescheid stattgefunden habe, ist dem folgendes entgegenzuhalten: § 114 Satz 2 VwGO berechtigt die Verwaltungsbehörde, ihre Ermessenserwägungen auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu ergänzen. Diese Vorschrift regelt allein, ob die nachträgliche Begründung der Ermessensentscheidung prozessrechtlich Berücksichtigung finden muss. Die (prozess-)rechtlichen Grenzen für das Nachschieben von Ermessenserwägungen wären dann überschritten, wenn das Ermessen überhaupt noch nicht ausgeübt oder wesentliche Teile der Ermessenserwägungen ausgetauscht oder erst nachträglich nachgeschoben wurden (Kopp/Schenke, Kommentar VwGO, 22. Aufl. 2016, § 114 Rn. 50 m.w.N.). Davon kann jedoch vorliegend keine Rede sein, da die Behörde ihr Ermessen erkannt und insbesondere die Frage der Zumutbarkeit des Erhalts im Bescheid erörtert hat.
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(3) Soweit der Antragsteller moniert, die Antragsgegnerin habe bestimmte Aspekte der besonderen Bedeutung des Baudenkmals nicht benannt und damit letztlich ignoriert, zielt dies auf die nach Auffassung des Antragstellers fehlerhafte Gewichtung innerhalb der Ermessensentscheidung ab. Allerdings ist aus Sicht der Kammer insoweit kein justiziabler Ermessensfehler erkennbar. Insbesondere liegt kein Ermessensfehlgebrauch vor, weil die Antragsgegnerin die Belange des Denkmalschutzes gegenüber den Eigentümerinteressen bzw. den Interessen der Allgemeinheit an einer Weiterentwicklung der Fläche nach Feststellung der Unzumutbarkeit des Erhalts zurücktreten ließ.
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(4) Des Weiteren bemängelt der Antragsteller, aus den Akten sei eine eigenständige Ermessensausübung der Unteren Denkmalschutzbehörde, welche für den Erlass des angefochtenen Bescheids jedoch zuständig sei, letztlich nicht ersichtlich. Vielmehr könne nur die entsprechende Beschlussfassung im Stadtplanungsausschuss in den Akten nachvollzogen werden.
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Richtig ist, dass für den Erlass der denkmalrechtlichen Erlaubnis gemäß Art. 11 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BayDSchG die Kreisverwaltungsbehörde als Untere Denkmalschutzbehörde zuständig ist. Vorliegend ist der organisatorische Teil BoB/2 der Bauordnungsbehörde, in welchem auch die untere Denkmalschutzbehörde angesiedelt ist, tätig geworden und hat den angefochtenen Bescheid erlassen. Im Übrigen ist Kreisverwaltungsbehörde für ihr Stadtgebiet die Stadt … Welche Stellen bei der kreisfreien Stadt – wie etwa der Stadtrat – bei der Entscheidungsfindung mitgewirkt haben, ist hingegen nicht entscheidungserheblich. Maßgeblich ist allein, ob die Ermessensausübung als solche aus dem Bescheid ersichtlich ist. Dies ist vorliegend der Fall, so dass es nicht darauf ankommt, ob und wann der Stadtplanungsausschuss sich zu dem Thema geäußert hat.
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2.3 Nach alledem erweist sich die Abbrucherlaubnis aller Voraussicht nach als rechtmäßig; insbesondere sind keine Ermessensfehler ersichtlich.
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3. Die Interessenabwägung fällt damit zu Lasten des Antragstellers aus, so dass der gestellte Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen war. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt hatte, ist es unter Billigkeitsgesichtspunkten angemessen, ihre außergerichtlichen Kosten ebenfalls der Antragstellerseite aufzubürden, § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 1.2 und 1.5 der Vorbemerkungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.